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Auskunftspflicht des Internetproviders

Ratskammer des LG für Strafsachen Wien, Beschluss vom 1.12.2004, 286 Ur 300/04y

StPO § 149a

*****   Zusammenfassung   *****

Privatklägerin ist eine Dachgesellschaft der Bild- und Tonträgerhersteller. Sie erstattete Anzeige gegen einen unbekannten Täter, der zu einem bestimmten Zeitpunkt unter einer bestimmten (dynamischen) IP-Adresse in einer Tauschbörse umfangreiches, urheberrechtlich geschütztes Material angeboten hatte, und beantragte, den Provider beschlussmäßig anzuweisen, den Inhaber der IP-Adresse bekanntzugeben.

Das Erstgericht gab dem Auskunftsersuchen der Privatanklägerin statt.

Die Ratskammer gibt der dagegen erhobenen Beschwerde des Providers statt. Die Bekanntgabe von Stammdaten betreffend eine dynamische IP-Adresse ist eine Rufdatenrückerfassung, die nur unter den Voraussetzungen des § 149a ff StPO zulässig ist. Die Bestimmungen des UrhG stellen keine ausreichende rechtliche Basis für ein Auskunftsbegehren dar.

*****   Entscheidung   *****

Die Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien hat in der Strafsache gegen unbekannte Täter wegen § 91 Abs 1 UrhG in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Der Beschwerde der XYZ vom 24.11.2004, ON 6, wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss vom 17.11.2004, ON 4, aufgehoben. Über den Antrag der Privatanklägerin vom 3.11.2004, Punkt 2./Seite 11 d. ON 2, wird die zuständige Untersuchungsrichterin gemäß § 149 a Abs 1 Z 1 lit b, Z 2 und 3, Abs 2 Z 2 StPO Beschluss zu fassen haben.

Begründung:

Über Antrag der Privatanklägerin, der XX-GmbH, werden hg. zum AZ 286 Ur 300/04y gegen unbekannte Täter Vorerhebungen wegen § 91 Abs 1 UrhG geführt. Die Privatanklägerin nimmt als Dachgesellschaft der X sowie der Y die Rechte der Tonträgerhersteller an ihren weltweit produzierten Aufnahmen sowie die Rechte der ausübenden Künstler an Ihren Darbietungen in Österreich treuhändig wahr, insbesonders hinsichtlich der Vervielfältigung und Verbreitung (öffentliche Zurverfügungstellung) auf Mitteln zur wiederholbaren Wiedergabe für das Gesicht und/oder das Gehör (Bild- und/oder Schallträger).

Der Eingabe der Privatanklägerin (ON 2) zufolge soll ein unbekannter Täter am 7.8.2004, in der Zeit von 19:08:23 Uhr bis 19:54:39 Uhr unter Verwendung der IP-Adresse x.x.x.x über das Filesharingsystem "KaZaA" über 1.858 Files, davon 1.802 Musikfiles ohne Genehmigung der von der Privatanklägerin als Wahrnehmungsberechtigte vertretenen Leistungsschutzberechtigten anderen Internetteilnehmern öffentlich zugänglich gemacht und zum Herunterladen angeboten und dadurch strafbar im Sinne der Bestimmung des § 91 Abs 1 UrhG in Verbindung mit § 86 Abs 1 UrhG gehandelt haben.

In ihrer auf Einleitung von Vorerhebungen gegen unbekannte Täter wegen § 91 Abs 1 UrhG gerichteten Eingabe ON 2 beantragte die Privatanklägerin den Internet-Service-Provider (Access Provider), die XYZ beschlussmäßig anzuweisen, dem Gericht unverzüglich Namen und Anschrift jenes Kunden bekanntzugeben, dessen Anschluss am  7.8.2004 im Zeitraum 7:08:24 PM EDT bis 7:54:39 PM EDT die IP-Nummer x.x.x.x zugeordnet war (Seite 11/ON 2; Punkt 2)) .

Diesem Antrag entsprach die zuständige Untersuchungsrichterin mit ihrem Beschluss vom 17.11.2004, ON 4. Gegen diesen Beschluss richtet sich die auf die Bestimmungen des § 113 StPO gestützte Beschwerde der XYZ vom 23.11.2004, ON 6, der aus den nachfolgend angeführten Erwägungen mit der im Spruch bezeichneten Maßgabe Folge zu geben war:

Den Beschwerdeausführungen zufolge handelt es sich bei der oben genannten IP-Adresse um eine dynamische IP-Adresse, welche ein mit dem jeweiligen Verbindungsvorgang im Zusammenhang stehendes, dynamisch zugeteiltes und mit jedem neuen Verbindungsvorgang neu zu kreierendes Log-(Verkehrs-)Datum darstellt (so generieren mehrere zu unterschiedlichen Zeitpunkten hergestellte Verbindungen zwischen denselben Internetanschlüssen grundsätzlich völlig unterschiedliche dynamische IP-Adressen), und die näheren Umstände einer Kommunikation indiziert; keineswegs stellt eine dynamische IP-Adresse ein Stammdatum dar (wie etwa eine Teilnehmernummer, E-Mail-Adresse oder statische IP-Adresse, d.i eine dem Teilnehmer auf Dauer fix zugeteilte IP Adresse), welches auf Dauer einem bestimmten Internetanschluss zugeordnet ist, sondern ein sogenanntes Log-Datum einer konkreten Internetverbindung, welche zusätzlich noch durch Datum und Uhrzeit individualisiert werden muss, damit mittels eines rückwirkenden Auswertungsvorganges aus sämtlichen Internetanschlüssen der an der interessierenden Verbindung beteiligte Anschluss herausgefiltert und individualisiert werden kann.

Auf Grund dieser technischen Ausführungen ist der Beschwerdeführerin zuzubilligen, dass die von der Privatanklägerin begehrte Ausforschung der unbekannten Täter lediglich mittels eines, auf die Bestimmungen des § 149 a Abs 1 Z 1 lit b, Z 2 und 3, Abs 2 Z 2 StPO gestützten, sogenannten Rufdatenrückerfassungsbeschlusses gesetzmäßig erfolgen darf.

Der mit der gegenständlichen Beschwerde angefochtene Beschluss hatte daher der Aufhebung anheimzufallen. Eine Sachentscheidung der Ratskammer hatte im Hinblick auf die Bestimmung des § 149 b Abs 5 StPO (hier: Rechtszug Untersuchungsrichter - Gerichtshof zweiter Instanz) zu entfallen.

Auf den Strafrahmen des § 91 Abs 1 UrhG wird im Hinblick auf § 149 a Abs 2 Z 2 StPO verwiesen.

Ratskammer des
Landesgerichtes für Strafsachen Wien,
am 1. 12. 2004

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