Google-Adword "Bergspechte"
OGH, Beschluss vom 20.5.2008, 17 Ob 3/08b
MSchG § 10, § 10a, RL 89/104/EWG Art 5
***** Zusammenfassung *****
Die Klägerin, die unter dem Firmenschlagwort "Die BergSpechte" auftritt, klagt einen Konkurrenten, der bei Google die Schlüsselworte "Edi Koblmüller" bzw. "Bergspechte" buchte, sodass bei Eingabe der Suchbegriffe "Edi Koblmüller" oberhalb die Werbeeinschaltungen "Trekking- und Naturreisen" bzw. "Bergspechte" rechts neben der Trefferergebnisse unter der Überschrift "Anzeige" die Werbeeinschaltungen "Äthiopien mit dem Bike" erschien, bei deren Anklicken man auf die Website der Zweitbeklagten gelangte (Erstbeklagter ist der Geschäftsführer).
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt; das Rekursgericht verbot den Beklagten, im Zusammenhang mit Werbemaßnahmen im Internet, auf Trefferlisten-Seiten von Internet-Suchmaschinen, zu den Suchworten „Edi Koblmüller" und „Bergspechte" unmittelbar oberhalb der Suchergebnisse oder in den Suchergebnissen noch vor dem Hinweis auf die Website der Klägerin mit einem Link auf die Homepage der Zweitbeklagten zu verweisen. Das darüber hinausgehende Begehren wies das Rekursgericht ab.
Der OGH setzt das Verfahren aus und legt die Frage, ob die Verwendung als Schlüsselwort einen markenrechtlich geschützten Gebrauch der Marke darstellt und ob ein Unterschied ist, ob das Ergebnis oberhalb der Trefferliste oder in einem abgetrennten und mit "Anzeige" gekennzeichneten Werbeblock dargestellt wird.
***** Entscheidung *****
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Griss als Vorsitzende, die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** GmbH, ***** vertreten durch Wetzl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Steyr, gegen die beklagten Parteien 1. Günter G*****, Geschäftsführer, 2. t***** GmbH, beide *****, beide vertreten durch Dr. Michael Wukoschitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 33.000 EUR), über die Revisionsrekurse der klagenden und der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 7. Dezember 2007, GZ 3 R 221/07a-16, womit die einstweilige Verfügung des Landesgerichts Wels vom 19. Oktober 2007, GZ 5 Cg 59/07m-10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
I. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art 5 Abs 1 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl 1989, L 40, S 1; in der Folge:
Richtlinie 89/104) dahin auszulegen, dass eine Marke auf eine dem Markeninhaber vorbehaltene Art benutzt wird, wenn die Marke oder ein ihr ähnliches Zeichen (etwa der Wortbestandteil einer Wortbildmarke) bei einem Suchmaschinenbetreiber als Keyword gebucht wird und daher bei Eingabe der Marke oder des ihr ähnlichen Zeichens als Suchwort in die Suchmaschine Werbung für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen am Bildschirm erscheint?
2. Bei Bejahung von Frage 1:
A) Wird das Ausschließlichkeitsrecht des Markeninhabers bei Verwendung eines mit der Marke identischen Suchworts für eine Werbung für identische Waren oder Dienstleistungen unabhängig davon verletzt, ob die aufgerufene Werbung in der Trefferliste oder in einem davon räumlich getrennten Werbeblock aufscheint und ob sie als „Anzeige" gekennzeichnet ist?
B) Ist bei Verwendung eines mit der Marke identischen Zeichens für ähnliche Waren oder Dienstleistungen oder bei Verwendung eines der Marke ähnlichen Zeichens für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen die Gefahr von Verwechslungen schon dann auszuschließen, wenn die Werbung als „Anzeige" gekennzeichnet ist und/oder nicht in der Trefferliste, sondern in einem davon räumlich getrennten Werbeblock aufscheint?
II. Das Verfahren wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.
Begründung:
I. Sachverhalt
Die Klägerin ist unter ihrer Firma D***** GmbH im Firmenbuch eingetragen.
Sie ist Inhaberin der zur Nr 230763 registrierten österreichischen
Wortbildmarke BERGSPECHTE Outdoor Reisen und Alpinschule Edi Koblmüller:
Diese Marke ist seit 27. 3. 2006 für Waren der Klassen 25
(Bekleidungsstücke, insbesondere T-Shirts, Sweatshirts, Anoraks), 39
(Veranstaltung von Reisen, insbesondere Berg-, Trekking-, Expeditions- und
Mountainbike-Reisen) und 41 (Ausbildung und sportliche Aktivitäten;
Veranstaltung von Bergsportkursen und -führungen, Ausbildungslehrgänge für
Wandern, Kletter-, Eis- und Schitouren in Theorie und Praxis; Abhaltung von
Lawinenfachkursen und Bergsportseminaren) geschützt.
Die Klägerin tritt im geschäftlichen Verkehr unter dem Firmenschlagwort „Die
BergSpechte" auf. Sie ist Inhaberin der Domain www.bergspechte.at.
Die Zweitbeklagte veranstaltet ebenfalls Outdoor-Reisen, wie Trekking-,
Abenteuer-, Berg- und Mountainbike-Reisen. Der Erstbeklagte ist
Geschäftsführer der Zweitbeklagten. Die Zweitbeklagte ist Inhaberin der
Domain „www.t*****.at". Bei Eingabe des Suchbegriffs „Edi Koblmüller" am 17.
8. 2007 und am 25. 9. 2007 in die Suchmaske des Suchmaschinenbetreibers
Google erschien die Werbeanzeige der Zweitbeklagten unter der Überschrift
„Trekking- und Naturreisen" unmittelbar oberhalb der Suchergebnisse
(Trefferliste) in einem Feld, das an seinem rechten oberen Rand mit
„Anzeige" bezeichnet war. Klickte man die Überschrift der Anzeige (Trekking-
und Naturreisen) an, gelangte man zur Homepage der Zweitbeklagten.
Bei Eingabe des Suchbegriffs „Bergspechte" am 29. 8. 2007 und 25. 9. 2007
erschien eine Werbeeinschaltung der Zweitbeklagten mit der Überschrift
„Äthiopien mit dem Bike - Traumreise durch den Norden mit viel Kultur,
sechzehn Tage ab 20. 10.". Dieser Anzeigentext befand sich unter der
Überschrift „Anzeige" am rechten oberen Seitenrand, rechts neben der
Trefferliste. Unmittelbar darüber, gleichfalls unter der Bezeichnung
„Anzeigen", fand sich die Werbeeinschaltung eines weiteren Anbieters.
Klickte man auf die Anzeigenüberschrift „Äthiopien mit dem Bike", so
gelangte man zur Homepage der Zweitbeklagten.
Die Marken oder ihr ähnliche Zeichen schienen in keiner der beiden Anzeigen
auf.
II. Anträge und Vorbringen der Parteien
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs begehrt die
Klägerin, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung bis zur
rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits zu untersagen, im
geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, insbesondere im
Zusammenhang mit Werbemaßnahmen im Internet, auf Trefferlisten-Seiten von
Internet-Suchmaschinen zu den Suchworten „Edi Koblmüller" und/oder
„Bergspechte" mit einem Link auf ihre eigene Homepage zu verweisen; in
eventu, zu den oben angeführten Suchworten Anzeigen zu schalten, mit denen
sie das Unternehmen der Zweitbeklagten bewerben und/oder einen Link auf die
Homepage der Zweitbeklagten verbinden. Die Beklagten verletzten die
Markenrechte der Klägerin. Verwechslungsgefahr bestehe, weil die Anzeige dem
Suchergebnis vorgereiht werde.
Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen. Es bestehe
keine Verwechslungsgefahr, weil die Werbeeinschaltung mit „Anzeige"
überschrieben sei.
III. Bisheriges Verfahren
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt; das Rekursgericht
verbot den Beklagten, im Zusammenhang mit Werbemaßnahmen im Internet, auf
Trefferlisten-Seiten von Internet-Suchmaschinen, zu den Suchworten „Edi
Koblmüller" und „Bergspechte" unmittelbar oberhalb der Suchergebnisse oder
in den Suchergebnissen noch vor dem Hinweis auf die Website der Klägerin mit
einem Link auf die Homepage der Zweitbeklagten zu verweisen. Das darüber
hinausgehende Begehren wies das Rekursgericht ab.
Die Klägerin bekämpft den abweisenden Teil der Entscheidung mit
Revisionsrekurs, der Revisionsrekurs der Beklagten richtet sich gegen den
stattgebenden Teil.
Rechtliche Beurteilung
IV. Gemeinschaftsrecht
Art 5 Abs 1, 2 und 3 der Richtlinie 89/104 lautet wie folgt:
(1) Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht.
Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine
Zustimmung im geschäftlichen Verkehr
a) ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu
benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;
b) ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder der Ähnlichkeit des
Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke
und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die
Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen
mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.
(2) Die Mitgliedstaaten können ferner bestimmen, dass es dem Inhaber gestattet
ist, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein
mit der Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder
Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke
eingetragen ist, wenn diese in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannt ist und
die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der
Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder
beeinträchtigt.
(3) Sind die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 erfüllt, so kann insbesondere
verboten werden:
a) das Zeichen auf Waren oder deren Aufmachung anzubringen;
b) unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den
genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten
oder zu erbringen;
c) Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen;
d) das Zeichen in den Geschäftspapieren und in der Werbung zu benutzen.
V. Nationales Recht
§ 10 Abs 1 und 2 Markenschutzgesetz lautet:
(1) Vorbehaltlich der Wahrung älterer Rechte gewährt die eingetragene Marke
ihrem Inhaber das ausschließliche Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine
Zustimmung im geschäftlichen Verkehr
1. ein mit der Marke gleiches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu
benutzen (§ 10a), die mit denjenigen gleich sind, für die die Marke eingetragen
ist;
2. ein mit der Marke gleiches oder ähnliches Zeichen für gleiche oder ähnliche
Waren oder Dienstleistungen zu benutzen (§ 10a), wenn dadurch für das Publikum
die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass das
Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.
(2) Dem Inhaber einer eingetragenen Marke ist es auch gestattet, Dritten zu
verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke
gleiches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen
(§ 10a), die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, wenn
diese im Inland bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die
Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden
Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. Die Bekanntheit der
älteren Marke muss spätestens am Tag der Anmeldung der jüngeren Marke,
gegebenenfalls am prioritäts- oder zeitrangbegründenden Tag, oder im
Entstehungszeitpunkt des jüngeren sonstigen Kennzeichenrechts vorgelegen sein.
§ 10a Markenschutzgesetz lautet wie folgt:
Als Benutzung eines Zeichens zur Kennzeichnung einer Ware oder
Dienstleistung wird insbesondere angesehen:
1. das Zeichen auf Waren, auf deren Aufmachung oder auf Gegenständen, an denen
die Dienstleistung ausgeführt wird oder ausgeführt werden soll, anzubringen,
2. unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den
genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten
oder zu erbringen,
3. Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen,
4. das Zeichen in den Geschäftspapieren, in Ankündigungen oder in der Werbung zu
benutzen.
VI. Vorlagefragen
1. Die Tatbestände des Art 5 Abs 1 und 2 der Richtlinie 89/104 weisen dem
Markeninhaber das ausschließliche Recht zu, die Marke unter näher beschriebenen
Umständen für Waren oder Dienstleistungen „zu benutzen". Das
Ausschließlichkeitsrecht des Markeninhabers kann damit grundsätzlich nur
verletzt werden, wenn die Marke ohne seine Zustimmung für Waren oder
Dienstleistungen „benutzt" wird.
2. Die Verwendung einer fremden Marke oder eines ihr ähnlichen Zeichens ist
allerdings nicht in jedem Fall eine Benutzung im Sinn des Art 5 Abs 1 und 2 der
Richtlinie 89/104. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist zudem erforderlich, dass
diese Verwendung den geschützten Markenfunktionen, und zwar insbesondere der
Herkunftsfunktion, zuwiderläuft (ua Rs C-206/01, Slg 2002 I-10273 -
Arsenal/Reed, Randnr 60). Die Herkunftsfunktion ist nach ständiger
Rechtsprechung die Hauptfunktion der Marke (Rs 102/77, Slg 1978, 1139 -
Hoffmann-La Roche, Randnr 7; C-299/99, Slg 2002 I-5475, Philipps, Randnr 30).
3. Ob die Verwendung einer Marke oder eines ihr ähnlichen Zeichens als Keyword
in der Online-Werbung auf den Trefferseiten von Suchmaschinen als eine dem
Markeninhaber vorbehaltene Benutzung der Marke zu werten ist, kann nach der
Rechtsprechung des EuGH nicht eindeutig beantwortet werden. Beim Keyword
Advertising wird durch die Verknüpfung der Marke mit einer Werbeeinschaltung
erreicht, dass mit der Werbung Internetnutzer angesprochen werden, die durch die
Eingabe der Marke als Suchwort ihr Interesse an den unter der Marke vertriebenen
Waren oder Dienstleistungen bekundet haben. Daher wird die Marke in diesem Fall
- anders als in den bisher zur Frage der Benutzung als Marke ergangenen
Entscheidungen - weder als Handelsname (Rs C-23/01, Slg 2002 I-10913 - Robeco/Robelco;
Rs C-245/02 - Anheuser Busch; Rs C-17/06 - Céline) noch zu dekorativen Zwecken (Rs
C-206/01 = Slg 2002 I-10273 - Arsenal; Rs C-48/05 - Opel Autec) noch dazu
verwendet, eine Aussage über die Produkte des Markeninhabers oder die eines
Dritten zu machen (referierende Benutzung; Rs C-63/97, Slg 1999 I-905 - BMW/Deenik;
Rs C-2/00 = Slg 2002 I-4187 - Hölterhoff; Rs C-228/03 - Gillette; s Kur,
Confusion over Use?, GRURInt 2008, 1). Vielmehr wird sie als Mittel zur
Auslösung zielgerichteter Werbung verwendet, wobei sie in der Werbeeinschaltung
selbst meist gar nicht aufscheint. In dieser primär „unsichtbaren" Verwendung
liegt das eigentliche Problem des Keyword Advertising. Sichtbar ist und bleibt
die Marke oder das ihr ähnliche Zeichen allerdings - bei typischen Suchmaschinen
- als Suchwort im Textfeld über der Trefferliste.
4. Die Verwendung als Keyword kann jedenfalls nur dann als Benutzung der Marke
im Sinne der EuGH-Rechtsprechung gewertet werden, wenn die Marke damit für Waren
oder Dienstleistungen verwendet wird. Das trifft nach Auffassung des vorlegenden
Gerichts beim Keyword Advertising zu. Denn die Marke wird dabei mit der Werbung
für (im Regelfall) identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen
verknüpft, so dass bei Eingabe der Marke als Suchwort die Werbung aufscheint.
Die Marke wird daher in der Werbung für bestimmte Waren oder Dienstleistungen
und damit für diese Waren oder Dienstleistungen verwendet.
5. Weitere Voraussetzung für die Benutzung als Marke ist, dass die Verwendung
den geschützten Funktionen der Marke zuwiderläuft. Geschützt ist - wie oben
dargelegt - in erster Linie die Herkunftsfunktion der Marke; die Marke wirkt
aber darüber hinaus auch als Werbe- und Kommunikationsmittel.
6. Zu klären ist daher, ob die Verwendung der Marke oder eines ihr ähnlichen
Zeichens als Keyword die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt und, wenn
diese Frage verneint wird, ob die Marke auch als Werbe- und Kommunikationsmittel
selbstständig geschützt ist und ob die Verwendung als Keyword diese Funktion
beeinträchtigt.
7. Die Herkunftsfunktion wird beeinträchtigt, wenn der durchschnittlich
informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher der
betreffenden Waren- oder Dienstleistungsart (zum Beurteilungsmaßstab s Rs
C-342/97 = Slg 1999 I-3819 - Lloyd, Randnr 26) annimmt oder annehmen kann, das
Zeichen diene der Unterscheidung der so gekennzeichneten Ware oder
Dienstleistung von gleichen oder gleichartigen anderer Herkunft (Rs C-206/01 =
Slg 2002 I-10273 - Arsenal, Randnr 50).
8. Bei Beurteilung dieser Frage wird darauf abzustellen sein, welches Bild sich
dem Internetnutzer bietet, wenn er die Marke oder ein ihr ähnliches Zeichen als
Suchwort in das dafür vorgesehene Textfeld der Suchmaschine eingibt. Für ihn ist
und bleibt die Marke oder das ihr ähnliche Zeichen sichtbar, wenn zusätzlich zu
den Treffern auch Werbung auf dem Bildschirm aufscheint, die sich nicht auf die
unter der Marke vertriebenen Waren oder Dienstleistungen bezieht. Es ist daher
jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass der durchschnittlich informierte,
aufmerksame und verständige Internetnutzer die Marke und die Werbung gedanklich
miteinander verknüpft. Unter dieser Voraussetzung ist die Verwendung der Marke
als Keyword grundsätzlich geeignet, die Herkunftsfunktion der Marke zu
beeinträchtigen.
9. Bejaht man die grundsätzliche Möglichkeit einer Beeinträchtigung der
Herkunftsfunktion durch die Verwendung der Marke als Keyword, so ist die
Gestaltung und Platzierung der Werbeeinschaltung (nur) bei der Beurteilung der
Verwechslungsgefahr im Sinne von Art 5 Abs 1 lit b der Richtlinie 89/104 von
Bedeutung. Wird hingegen ein mit der Marke identisches Zeichen für identische
Waren oder Dienstleistungen verwendet, so wäre die Markenverletzung nach Art 5
Abs 1 lit a der Richtlinie 89/104 in jedem Fall zu bejahen, das heißt unabhängig
von der Gestaltung und Platzierung der Werbeeinschaltung.
10. Ist wegen der Verwendung eines mit der Marke identischen Zeichens für bloß
ähnliche Waren oder Dienstleistungen oder bei der Verwendung eines der Marke
bloß ähnlichen Zeichens für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen
die Verwechslungsgefahr zu prüfen, so ist nach Auffassung des vorlegenden
Gerichts darauf abzustellen, wie die Werbung gestaltet und wo sie platziert ist.
Ist die Werbung Teil der Trefferliste und/oder nicht deutlich als
Werbeeinschaltung gekennzeichnet, so kann der Eindruck entstehen, dass die
Werbung vom Markeninhaber oder von einem mit diesem verbundenen Unternehmen
stammt. Ist die Werbung hingegen in einem von der Trefferliste deutlich
getrennten Werbeblock enthalten und auch deutlich als Werbeeinschaltung
gekennzeichnet, so wird der durchschnittlich informierte, aufmerksame und
verständige Internetnutzer keinen solchen Zusammenhang annehmen.
11. Wird eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion verneint, so bleibt zu
prüfen, ob jede Marke als Kommunikations- und Werbemittel selbstständig
geschützt ist oder ob dies allenfalls (nur) für die bekannte Marke zutrifft. Für
einen derartigen Schutz jeder Marke spricht, dass Art 5 Abs 3 lit d der
Richtlinie 89/104 dem Markeninhaber die Benutzung des Zeichens in der Werbung
ausdrücklich vorbehält und dass die Markttransparenz beeinträchtigt wird, wenn
die Marke nicht nur in der Werbung für die vom Markeninhaber vertriebenen Waren
und Dienstleistungen verwendet wird, sondern auch in der Werbung für damit im
Wettbewerb stehende Produkte eingesetzt wird.
12. Wird der selbstständige Schutz der Marke als Kommunikations- und Werbemittel
bejaht, dann beeinträchtigt die Verwendung der Marke oder eines ihr ähnlichen
Zeichens als Keyword jedenfalls eine geschützte Markenfunktion und ist daher als
Benutzung der Marke zu werten. Die dadurch herbeigeführte Beeinträchtigung der
Markttransparenz könnte als Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn verstanden
werden. Die Platzierung und Gestaltung der Werbeeinschaltung spielte unter
diesem Gesichtspunkt keine Rolle, weil sie ja nicht verhindern könnte, dass der
durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Internetnutzer die
Verwendung der Marke als Mittel der Werbung für andere Waren oder
Dienstleistungen wahrnimmt und damit in Bezug auf die Werbefunktion der Marke
verunsichert wird. Die Marke würde damit mit ihrer - vom Markeninhaber nicht
gebilligten - Verwendung als Keyword unabhängig davon verletzt, ob die
Werbeeinschaltung im räumlichen Zusammenhang mit der Trefferliste oder davon
getrennt aufscheint und ob sie deutlich als Werbung gekennzeichnet ist.
VII. Verfahrensrechtliches
Als Gericht letzter Instanz ist der Oberste Gerichtshof zur Vorlage
verpflichtet, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht derart
offenkundig ist, dass kein Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt. Die
Rechtsprechung in den Mitgliedstaaten zum Keyword Advertising ist uneinheitlich;
auch in der Lehre hat sich bisher keine Auffassung durchgesetzt. Der Oberste
Gerichtshof hat in der Entscheidung 17 Ob 1/07g (= ÖBl 2007/39, 170 - wein & co)
eine Benutzung des Keywords als Marke bejaht. In der Literatur ist die
Entscheidung teils auf Zustimmung gestoßen, teils wurde sie abgelehnt. Der
Oberste Gerichtshof sieht sich daher veranlasst, dem EuGH die Frage zur
Vorabentscheidung vorzulegen, ob die Verwendung der Marke als Keyword in der
Werbung auf den Trefferlisten von Suchmaschinen dem Markeninhaber vorbehalten
ist.