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E-Mail-Werbung

OGH, Urteil vom 29.11.2007, 1 Ob 218/07a

ECG § 7, TKG 2003 § 107

*****   Zusammenfassung   *****

Der Beklagte schickte dem Kläger im Jahr 2005 E-Mail-Werbung, obwohl dieser schon längere Zeit in der RTR-Liste (im Verfahren unrichtig als "Robinson-Liste" bezeichnet) eingetragen war.

Das Erstgericht wies die Unterlassungsklage ab, das Berufungsgericht bestätigte.

Der OGH gibt der Revision Folge. Auch eine dem § 107 Abs 4 TKG 2003 (in der Fassung vor der Änderung durch BGBl I 2005/133) entsprechende Zusendung war unzulässig, wenn der Empfänger in die Liste nach § 7 Abs 2 ECG eingetragen war. Die Eintragung in die Liste nach § 7 Abs 2 ECG ist nicht nur von ausländischen, sondern auch von inländischen Diensteanbietern zu beachten.

*****   Entscheidung   *****

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ingo Gutjahr, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V***** Versicherungsmakler GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Koller und Mag. Johannes Schreiber, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 7.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 5. Juni 2007, GZ 21 R 261/07s-18, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 21. März 2007, GZ 14 C 692/06b-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil zu lauten hat: „Die beklagte Partei ist schuldig, es zu unterlassen, der klagenden Partei an deren Email-Adresse ***** unverlangt Emails zuzusenden.
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.507,68 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin EUR 386,78 USt und EUR 1.187 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Entscheidungsgründe:

Die im Spruch genannte Email-Adresse der Klägerin ist nach der unbekämpften Feststellung des Erstgerichts seit 29. 9. 2004 bei der Rundfunk- und Telekom Regulierungs GmbH in die Liste gemäß § 7 ECG („Robinsonliste") eingetragen. Die Beklagte sandte am 22. 9. 2005 im Wege des Email-Verkehrs eine Nachricht zu Werbezecken, in der eine Haftpflichtversicherung für Unternehmensleiter beworben wurde, an die Klägerin. Die Nachricht enthielt unter anderem auch den Hinweis, dass die Zusendung von weiteren Emails durch Abmeldung im Feld „keine Zusendungen mehr erwünscht" verhindert werden kann. Nachdem der Rechtsvertreter der Klägerin die Beklagte aufgefordert hatte, einen gerichtlichen Unterlassungsvergleich abzuschließen und die Kosten seines Einschreitens zu übernehmen, teilten die Rechtsvertreter der Beklagten schriftlich mit, es werde die Erklärung abgegeben, dass in Hinkunft keine unaufgeforderte Zusendung von Emails an die fragliche Email-Adresse der Klägerin mehr erfolgen werde.

Die Klägerin stellte nun das Begehren auf Unterlassung der unverlangten Zusendung von Emails, „soweit dies gesetzlich oder vertraglich untersagt ist". Die Zusendung von Werbeemails an Email-Adressen, die in die Sperrliste eingetragen seien, sei rechtswidrig und von der Beklagten zu unterlassen.

Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, ihr Verhalten sei nicht rechtswidrig gewesen. Ihr Vorgehen habe der Bestimmung des § 107 Abs 4 TKG 2003 entsprochen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da die Klägerin ein Unternehmen betreibe, sei ausschließlich § 107 Abs 4 TKG 2003 anzuwenden. Danach sei die Zusendung einer Email ohne vorherige Einwilligung des Empfängers zulässig, sofern der Versender dem Empfänger in der elektronischen Post die Möglichkeit einräumt, den Empfang weiterer Nachrichten abzulehnen. Dies habe die Beklagte getan. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin werde die Zusendung von Werbeemails durch das TKG abschließend geregelt, weshalb für einen allgemeinen Unterlassungsanspruch kein Raum bliebe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 4.000, nicht aber EUR 20.000, übersteige, und erklärte die ordentliche Revision letztlich für zulässig. Der Rechtsansicht der Klägerin, bei der Regelung des § 7 Abs 2 ECG handle es sich um die gegenüber § 107 Abs 4 TKG speziellere Norm, sei nicht zu folgen. In § 7 Abs 2 ECG sei das Führen einer „Robinsonliste" angeordnet; die in § 7 Abs 1 ECG genannte Diensteanbieter hätten diese Liste zu beachten. Der Grund für diese Anordnung bestehe darin, dass § 101 TKG infolge des Sendelandprinzips (Anwendbarkeit des Rechtes des Sendestaates bei Ungehorsamsdelikten) auf ausländische Diensteanbieter nicht anwendbar sei. Ausländische Diensteanbieter hätten somit jedenfalls die Robinsonliste nach § 7 Abs 2 ECG zu beachten. Damit beziehe sich § 7 ECG auf ausländische Diensteanbieter, wogegen § 107 TKG die für inländische Dienste speziellere Norm darstelle. Auf den vorliegenden Fall sei § 107 Abs 4 TKG anzuwenden. Die Klägerin habe in ihrer Berufung die rechtskonforme Anwendung der Bestimmung des § 107 TKG (gemeint offenbar: durch die Beklagte) ohnehin zugestanden. Da sich nach Meinung des Berufungsgerichts der Eintrag in die „Robinsonliste" „in erster Linie" an ausländische Diensteanbieter, die nicht unter das TKG fallen, beziehe, habe das Erstgericht das Klagebegehren zu Recht abgewiesen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Anwendung des § 7 Abs 2 ECG „beziehungsweise" § 107 TKG 2003 fehle und der zu beurteilende Sachverhalt keinen Einzelfall darstelle.

Rechtssatz

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Vorweg ist festzuhalten, dass auf den vorliegenden Fall noch das TKG 2003 in der Fassung vor der Änderung durch BGBl I 2005/133 anzuwenden ist.

Richtig ist, dass sich weder § 107 Abs 4 TKG als die zeitlich spätere Norm, noch die dazu veröffentlichten Gesetzesmaterialien mit dem Verhältnis dieser Bestimmung zu § 7 Abs 2 ECG auseinandersetzen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bieten aber weder Gesetzestext noch Gesetzesmaterialien oder die Gesetzesgeschichte Anhaltspunkte dafür, dass § 7 Abs 2 ECG auf ausländische Diensteanbieter zu beschränken wäre. Eine solche Rechtsansicht wird offenbar auch in der Literatur nicht vertreten; dass die Gesetzesmaterialien zu § 7 ECG (817 BlgNR 21. GP 23 f) primär auf elektronische Werbemitteilungen ausländischer Online-Anbieter eingehen, beruht darauf, dass bei Erlassung des ECG nach damals geltendem österreichischem Recht (§ 101 TKG 1997) die Zusendung ohne Zustimmung des Empfängers stets unzulässig war (817 BlgNR 21. GP, 24). Es ist auch kein sachlicher Grund dafür erkennbar, warum „Personen und Unternehmen" durch den Antrag auf Eintragung in die „Robinsonliste" nach § 7 Abs 2 ECG nur vor unerwünschten Emails aus dem Ausland, nicht aber auch vor Mitteilungen inländischer Urheber geschützt sein sollten. In diesem Sinne vertritt etwa Fraiss (Neues zum E-Commerce-Gesetz, SWK 2004, W 8, nach FN 33) die Auffassung, Diensteanbieter hätten nicht nur die Bestimmung des § 107 TKG, sondern darüber hinaus auch die „Robinsonliste" zu beachten, da Verbraucher und Unternehmer, die einer Zusendung nicht individuell widersprochen haben, eine solche Zusendung gegenüber jedermann durch einen Eintrag in die „Robinsonliste" im Vornhinein ausschließen könnten. Auch Ruhle/Freund/Kronegger/Schwarz (Das neue österreichische Telekommunikations- und Rundfunkrecht, 496) führen - unter Hinweis auf Änderungen durch das TKG 2003 gegenüber dem TKG 1997 - aus, dass sich nun aus § 7 Abs 2 ECG ergebe, dass ein Diensteanbieter, der unerbetene Emails an Unternehmer nach § 107 Abs 4 TKG 2003 sendet, zuvor die Liste nach § 7 Abs 2 ECG „konsultieren" müsse.

Diese Lösung lässt sich nicht nur aus dem erkennbaren Schutzzweck der einschlägigen Vorschriften, sondern durchaus auch aus dem Gesetzeswortlaut ableiten, zumal § 7 Abs 1 ECG nur Diensteanbieter betrifft, die eine kommerzielle Kommunikation zulässigerweise ohne vorherige Zustimmung des Empfängers mittels elektronischer Post versenden. Damit wird ausgedrückt, dass durch § 7 Abs 1 ECG jene Fälle erfasst werden sollen, in denen eine nach anderen einschlägigen Vorschriften - insbesondere jenen des TKG - an sich zulässige Zusendung vorliegt. Wenn nun in § 7 Abs 2 Satz 2 ECG weiters angeordnet wird, dass die „in Abs 1 genannten" Diensteanbieter die „Robinsonliste" zu beachten hätten, sind damit eben jene Diensteanbieter gemeint, deren Zusendung nach anderen Vorschriften zulässig wäre. Auch diese haben allerdings einen im Vorhinein ausgesprochenen Wunsch auf Unterlassen derartiger Zusendungen, der sich durch die Aufnahme in die „Robinsonliste", die von den betroffenen Unternehmern eingesehen werden kann, manifestiert, zu respektieren.

Es wäre auch nicht nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber, der durch § 7 Abs 2 ECG ein praktikables Instrument geschaffen hat, mit dem potenzielle Empfänger ihre grundsätzliche Ablehnung artikulieren können, diese Beschränkung gerade auf die Fälle des § 107 Abs 4 TKG nicht angewendet wissen wollte. Diese Sonderregel konnte ihre Rechtfertigung ja nur daraus beziehen, dass einem Unternehmer typischerweise zu unterstellen ist, er habe gegen die einmalige Übermittlung einer elektronischen Nachricht nichts einzuwenden, sofern er weitere Nachrichten ohne ins Gewicht fallenden Aufwand verhindern (verbieten) kann. Diese Annahme hat aber dort zweifellos keinen Anwendungsbereich, wo der betreffende Empfänger im Sinne des § 7 Abs 2 ECG bereits öffentlich und für den Absender leicht überprüfbar seine generelle Ablehnung bekannt gemacht hat. Auch eine dem § 107 Abs 4 TKG entsprechende Zusendung war daher dann unzulässig, wenn der Empfänger in die Liste nach § 7 Abs 2 ECG eingetragen war.

Das Klagebegehren erweist sich somit als berechtigt. Bei der Formulierung des Urteilsspruchs war allerdings insoweit eine gewisse Modifikation vorzunehmen, als sich die Frage eines allfälligen Verstoßes der Beklagten gegen vertragliche Abreden beim vorliegenden Sachverhalt nicht stellt und das Verbot von Vornherein darauf beruht, dass die Vorgangsweise der Beklagten „gesetzlich untersagt" ist. Die generelle Wiederholungsgefahr ist ohne weiteres zu unterstellen, nachdem die Beklagte im Verfahren die Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens behauptete, das aber auch nach der von der Revisionsgegnerin angesprochenen Novellierung des TKG (BGBl I 2005/133) unzulässig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Für die Klage ist allerdings nur der einfache Einheitssatz nach § 23 Abs 3 RATG angefallen; die Kosten der Mitteilung ON 6 hat die Klägerin selbst zu tragen.

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