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Guerilla-Marketing

OGH, Beschluss vom 31.1.2006, 1 Ob 224/05f

ABGB § 1168a

*****   Zusammenfassung   *****

Die Klägerin sollte für die Beklagte "Guerilla-Marketing" betreiben, indem über die Produkte der Klägerin in verschienen Internetforen gechattet wird. Ziel sollte sein, die Produkte in Einkaufslisten und Kataloge zu bringen. Die Klägerin macht ein Fixhonorar geltend, die Beklagte wendet ein, dass ein Erfolgshonorar vereinbart gewesen sei und der Erfolg nicht eingetreten sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, das Berufungsgericht wies ab.

Der OGH gibt der außerordentlichen Revision Folge und hebt das Berufungsurteil auf. Der abgeschlossene Werbevertrag sei als Werkvertrag zu klassifizieren, bei dem nur zum Teil ein Erfolg geschuldet werde. Im Zweifel wird ein Werk durchschnittlicher Qualität entsprechend den aktuellen fachspezifischen Erkenntnissen geschuldet. Mangels einer konkreten Mängeleinrede der Beklagten musste die Klägerin nicht spezifizieren, wodurch sie die geschuldete Leistung erbracht hat. Dass die Parteien im vorliegenden Fall keine Vereinbarung über ein bestimmtes Ausmaß an Einzelleistungen bzw den Umfang der geschuldeten Bemühungen trafen, spricht für einen Pauschalpreis. Bei einer Pauschalpreisvereinbarung müssen die Einzelleistungen nicht aufgegliedert werden. Das Berufungsgericht muss sich daher noch mit den Beweis- und Tatsachenrügen auseinandersetzen.

*****   Entscheidung   *****

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei e-***** GmbH, *****, vertreten durch Hule Bachmayr-Heyda Nordberg Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Karl Haas und Mag. Andreas Friedl, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen EUR 21.801,60 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. August 2005, GZ 1 R 145/05h-22, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 25. April 2005, GZ 30 Cg 84/03k-18, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Der Revision wird Folge gegeben.
Das Berufungsurteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung:

Die klagende Partei schloss mit der beklagten Partei einen Vertrag über die Durchführung von Werbemaßnahmen im Internet ab. Diese sollten darin bestehen, dass auf verschiedenen Internetforen über die Produkte der beklagten Partei „gechattet" wird („Guerilla-Marketing"). Ziel dieser Maßnahme war, die Aufnahme der Produkte der beklagten Partei in die Einkaufslisten großer deutscher Handelsketten zu erreichen, in Österreich die Aufnahme in den Bestellkatalog zweier Versandkaufhäuser.

Die klagende Partei begehrt den Zuspruch von 21.801,60 EUR (= ATS 250.000 zuzüglich 20 % USt) als Honorar für die Durchführung der Werbemaßnahmen. Dieser Betrag sei als „Fixhonorar" vereinbart gewesen; die beklagte Partei habe keine Zahlung geleistet.

Die beklagte Partei wendete ein, es sei kein „Fixhonorar", sondern ein Erfolgshonorar von ATS 250.000 in zwei Teilbeträgen vereinbart worden. Der erste Teilbetrag sollte bei Erstbestellung durch ein Kaufhaus, der zweite Teilbetrag 30 Tage später fällig sein. Zur Aufnahme der Produkte der beklagten Partei in die Einkaufslisten der Kaufhäuser oder zu einer Bestellung sei es aber nicht gekommen. Die klagende Partei habe weder die vereinbarte Adaptierung der Homepage, noch die Eintragung in verschiedenen Suchmaschinen durchgeführt und auch nicht die für die vereinbarte Werbestrategie im Internet notwendigen Chatroom-Kontakte vorgenommen. Die Werbemaßnahmen im Internet seien nicht bzw in einem äußerst geringen Umfang erfolgt, es sei von vornherein festgestanden, dass keine „Listung" erfolgen werde (ON 11, AS 61). Sie habe somit die vereinbarten Leistungen weder erbracht noch dokumentiert. Nur ein einziges Mal habe sie einen Auszug aus einer Chatroom-Diskussion übermittelt. Falls dennoch eine Leistung zu honorieren sein sollte, sei das in Rechnung gestellte Honorar nicht angemessen. Weiteres Vorbringen dazu, aus welchen Gründen festgestanden sei, dass keine „Listung" erfolgen werde, erstattete die beklagte Partei nicht.

Das Erstgericht traf im zweiten Rechtsgang über den eingangs wiedergegeben Sachverhalt hinaus folgende weitere Feststellungen: Durch die Werbemaßnahmen sollte nach dem Wunsch der beklagten Partei das Weihnachtsgeschäft 2001 beeinflusst werden. Vereinbart wurde ein Gesamthonorar von ATS 500.000 für die Durchführung der Werbemaßnahmen im Internet sowie für die Einfügung einer Metatagzeile auf der Homepage. Davon waren 250.000 ATS (zahlbar bis 15. 12. 2001) nicht erfolgsgebunden vereinbart; 250.000 ATS sollten - erfolgsgebunden - nach erfolgter Listung bei einer deutschen Handelskette bezahlt werden. Ein bestimmtes Ausmaß bzw die Anzahl der Promotoren, deren Stundensatz und die Dauer des „Chattens" pro Tag waren nicht vereinbart. Von Oktober 2001 bis Anfang Jänner 2002 „chatteten" jeweils drei Promotoren im Schichtdienst acht Stunden pro Tag in verschiedenen Foren über die Produkte der beklagten Partei; in diesem Umfang erbrachte die klagende Partei konkrete Leistungen. Eine „Listung" der Produkte der beklagten Partei in den Einkaufslisten von Kaufhäusern erfolgte nicht. Nicht vom Auftrag umfasst waren eine Änderung der Gestaltung der Homepage, der Eintrag in Suchmaschinen sowie das Kontaktieren der Großkaufhäuser per Post, Fax, Brief oder persönlich.

Das Erstgericht gab auch im zweiten Rechtsgang dem Klagebegehren statt. Die Feststellungen zum Leistungsumfang und zur Höhe des Honorars seien als Pauschalvereinbarung zu qualifizieren. Damit erübrige sich eine Auseinandersetzung mit dem - im Übrigen ohnedies nicht konkret ausgeführten - Bestreitungsvorbringen zur Höhe und zur Angemessenheit. Im Hinblick auf die Ausführungen des Berufungsgerichts in dessen Aufhebungsbeschluss nach dem ersten Rechtsgang legte das Erstgericht dar, es sei (weiterhin) von einer Pauschalpreisvereinbarung auszugehen; die beklagte Partei habe kein konkretes Vorbringen zur Bestreitung der Angemessenheit bzw Höhe der Leistung erstattet. Die Bestreitung sei jeweils nur formelhaft ohne jegliches Sachvorbringen erfolgt. Vorgebracht sei nur worden, das eingeklagte Honorar sei als Erfolgshonorar für einen größeren Leistungsumfang vereinbart worden. Die Zuordnung einzelner Beträge zu einzelnen Leistungen sei jedoch unterblieben, sodass die beklagte Partei selbst offensichtlich von einem Pauschalbetrag ausgehe. Auch betragsmäßig weiche das Vorbringen der beklagten Partei nicht vom Vorbringen der klagenden Partei ab. Unter einem Bestreitungsvorbringen der Höhe nach hätte nur ein Vorbringen dahingehend verstanden werden können, dass die klagende Partei an Stelle des verrechneten Pauschalbetrags einen niedrigeren Betrag zu verrechnen gehabt hätte. Das eingeklagte (erfolgsunabhägige) Pauschalhonorar sei somit zuzusprechen.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung in ein klagsabweisendes Urteil ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Bereits auf Grundlage der - zwar von der beklagten Partei, nicht aber von der klagenden Partei - bestrittenen Feststellungen des Erstgerichts ergebe sich, dass das Klagebegehren nicht berechtigt sei. Der vereinbarte Leistungsumfang enthalte bestimmte näher beschriebene Werbemaßnahmen im Internet, die das Ziel erreichen sollten, zumindest eine Listung der Produkte der beklagten Partei bei einer großen Handelskette zu erreichen. Wenn auch das eingeklagte Honorar nicht von einem derartigen Erfolg abhängig gewesen wäre, sei der Leistungsumfang insofern klar vereinbart gewesen. Ohne dass die Parteien von vornherein ein bestimmtes Ausmaß oder eine bestimmte Dauer der Leistungen (des „Chattens") vereinbart hätten, könne doch nicht davon ausgegangen werden, dass das eingeklagte Teilhonorar unabhängig davon zu leisten sei, ob und in welchem Umfang die klagende Partei Leistungen erbracht habe. Vielmehr sei Inhalt der Vereinbarung gewesen, dass derartige Werbemaßnahmen erbracht werden, mit denen das angestrebte Ziel der Listung der Produkte der beklagten Partei in einer großen deutschen Handelskette erreicht werden könnte. Die darauf abzielenden Leistungen der klagenden Partei müssten ihrer Qualität und ihrem Ausmaß nach geeignet sein, dieses vereinbarte Ziel zu erreichen. Eine Honorarvereinbarung für die Erbringung bloßer Teilleistungen sei nicht getroffen worden. Die beklagte Partei habe im Verfahren erster Instanz mehrfach die Einwendung erhoben, die klagende Partei habe ihre Leistung nicht erbracht und keinen Leistungsnachweis vorgelegt. Die klagende Partei sei daher ihrer Behauptungs- und Beweislast betreffend die Erbringung der vereinbarten Leistungen nicht nachgekommen. Aus den Feststellungen, in welchem Ausmaß „gechattet" wurde, ergebe sich nicht, dass damit Leistungen erbracht wurden, die geeignet gewesen seien, den angestrebten Zweck zu erreichen. Es wäre an der klagenden Partei gelegen gewesen, eine konkrete Dokumentation vorzulegen, an Hand derer konkrete Feststellungen zu treffen gewesen wären, um eine Beurteilung in der aufgezeigten Richtung zu ermöglichen. Aus diesem Grund sei der Berufung Folge zu geben, ohne dass auf die Beweis- und Mängelrüge eingegangen werden müsse. Die Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

Rechtssatz

Der von den Streitteilen hinsichtlich der Klagsforderung abgeschlossene Werbevertrag ist als Werkvertrag anzusehen, dessen Leistungsumfang darin bestand, dass als geschuldeter Arbeitserfolg bestimmte, näher umschriebene Werbemaßnahmen im Internet durchgeführt werden (RIS-Justiz RS0021361). Der geschuldete Erfolg liegt nach dem Vertragsinhalt nur in Ansehung eines Teilbetrags (Hälfte des Gesamthonorars) darin, dass die Werbemaßnahmen tatsächlich zur Aufnahme in die Bestellliste eines Kaufhauses führten. Vereinbart war ansonsten nur die Anwendung einer bestimmten Methode („Guerilla-Marketing") ohne Erfolgszusage. Welche Eigenschaften das geschuldete Werk (hier: die Werbemaßnahmen) aufzuweisen hat, ergibt sich in erster Linie aus der konkreten Vereinbarung, hilfsweise aus Natur und (erkennbarem) Zweck der Leistung, letztlich aus der Verkehrsauffassung, sodass das Werk so auszuführen ist, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (JBl 1984, 204). Im Zweifel wird ein Werk durchschnittlicher Qualität entsprechend den aktuellen fachspezifischen Erkenntnissen geschuldet. Wäre die vereinbarte Werbemethode für die von der beklagten Partei gestellten Anforderungen gänzlich ungeeignet bzw mit diesen nicht in Einklang zu bringen, könnte sich die - hier aber nicht angesprochene - Frage der werkvertraglichen Warnpflicht nach § 1168a ABGB stellen, allenfalls könnte eine mangelhafte Leistung vorliegen, die vielleicht zu verbessern wäre (M. Bydlinski in KBB, ABGB-Kommentar § 1167, Rz 3).

Nach allgemeinen Grundsätzen des Beweisrechts muss der Übernehmer die Mangelhaftigkeit der Sache beweisen (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht12 II, 68). Er hat zu behaupten, dass und aus welchen Gründen die Leistung nicht vertragsgemäß erbracht wurde bzw welche konkreten Fehler sie aufweist (Koziol/Welser, aaO). Der Übergeber hat die Freiheit von Qualitätsmängeln somit nur bei Vorliegen eines entsprechend substantiierten Bestreitungsvorbringens zu beweisen. Ein derartiges Vorbringen fehlt im vorliegenden Fall: Die beklagte Partei hat im Verfahren erster Instanz in dieser Richtung nur eingewendet, die klagende Partei habe die Leistungen nicht erbracht und habe auch keine Leistungsnachweise vorgelegt (siehe Seite 6 des Berufungsurteils). Diese Einrede stellt aber kein konkretes und einer rechtlichen Beurteilung zugängliches Vorbringen dar, weshalb die erbrachten Leistungen nicht vertragsgemäß sein sollten bzw ihrer Art nach nicht geeignet gewesen wären, den vereinbarten Vertragszweck zu erfüllen. Den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung ist entgegenzuhalten, dass mangels eines konkreten Bestreitungsvorbringens in dieser Richtung die klagende Partei keine Verpflichtung traf, von sich aus ein Vorbringen zu erstatten, damit an Hand der Qualität und des Ausmaßes der Leistungen beurteilt werden könnte, ob diese geeignet gewesen wären, das vereinbarte Ziel zu erreichen. Dies trifft auch auf die Quantität (das Ausmaß) der erbrachten Werbemaßnahmen zu: Dass die Parteien im vorliegenden Fall keine Vereinbarung über ein bestimmtes Ausmaß an Einzelleistungen bzw den Umfang der geschuldeten Bemühungen trafen, spricht dafür, den vereinbarten Werklohn (soweit er nicht erfolgsabhängig war) als nach oben begrenzten Gesamtpreis (Pauschalpreis) zu qualifizieren (SZ 26/89), bei dem der Übernehmer weiß, dass die genannte Summe der endgültige Werklohn ist, ohne dass offen gelegt wird, wie er berechnet wurde (bbl 2005, 128). Zweck eines solchen Pauschalpreises ist, die Mengenermittlung durch Abrechnung zu sparen. Wie auch vom Revisionswerber aufgezeigt, ist der Übergeber bei einer Pauschalpreisvereinbarung nicht zur Detaillierung seiner Rechnung nach einzelnen Positionen verpflichtet; ein konkreter Leistungsnachweis ist nicht zu erbringen. Selbst wenn der Übernehmer (hier die beklagte Partei) die Einwendung erheben sollte, die Einzelleistungen wären ihrer Quantität nach (dennoch) nachzuweisen, hat dies bei Vorliegen einer Pauschalpreisvereinbarung unbeachtlich zu bleiben. Auch eine vom Übergeber herzustellende Dokumentation zur Quantität der erbrachten Einzelleistungen erübrigt sich.

Soweit das Berufungsgericht auf das hier nicht eingeklagte erfolgsabhängige Entgelt von ATS 250.000 Bezug nimmt, handelt es sich um ein zusätzliches Entgelt, das nach dem Parteiwillen vom Erreichen des Erfolgs (der Listung bei zumindest einer deutschen Handelskette) abhängig gemacht wurde. Es erhebt sich somit nicht die Frage, ob die klagende Partei für eine Teilleistung Zahlung verlangen kann. Da das Berufungsgericht fälschlicher Weise davon ausgeht, der „Übergeber" hätte die vertragsgemäße Beschaffenheit bzw die Mängelfreiheit seiner Leistungen und deren Eignung zur Erfüllung des Vertragszwecks - auch ohne ausreichend konkrete Einwendung des Übernehmers - unter Beweis zu stellen und trotz Vorliegens einer Pauschalpreisvereinbarung seine Einzelleistungen nachzuweisen, sind die im § 502 Abs 1 ZPO genannten Vorraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision gegeben. Ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht hat das Berufungsgericht die in der Berufung der beklagten Partei erhobene Beweis- und Tatsachenrüge - soweit sie nach den obigen Ausführungen noch von Bedeutung ist - nicht behandelt, weshalb das Berufungsverfahren mangelhaft geblieben ist. Die Aufhebung des Berufungsurteils ist daher unumgänglich; das Berufungsgericht wird diese Rügen im fortgesetzten Verfahren behandeln müssen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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