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Michaela S***

OGH, Beschluss vom 28.9.2006, 4 Ob 172/06g

UrhG § 78, ABGB § 1330, MRK Art.10

*****   Zusammenfassung   *****

Der beklagte Verlag veröffentlichte in der Zeitschrift NEWS ein Bild der Klägerin, die eine Biographie des Sängers Udo Jürgens mitverfasst hatte. Im zughörigen Text war zu lesen, dass die Abgebildete der Scheidungsgrund des Sängers wäre und ein Kind von ihm erwartete; beides war unrichtig.

Das Erstgericht erließ die Unterlassungs-EV, das Rekursgericht bestätigte.

Der OGH gibt dem außerordentlichen Revisionsrekurs keine Folge. Wenn die Textberichterstattung im Licht des § 1330 Abs 2 ABGB deshalb zulässig war, weil mit ihr ein zumindest im Kern wahrer Sachverhalt mitgeteilt wurde, kann für eine am Maßstab des § 78 UrhG zu messende Bildberichterstattung im selben Zusammenhang nichts anderes gelten, da auch dadurch kein unrichtiger Eindruck vermittelt wird. Bildveröffentlichungen im Zusammenhang mit rufschädigenden Tatsachenbehauptungen über den Abgebildeten, deren Richtigkeit nicht bewiesen ist, sind durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Art.10 MRK nicht gedeckt. Auch Mitteilungen von Gerüchten, Vermutungen oder Behauptungen sowie die verdachtsweise
Behauptung einer Tatsache sind Tatsachen iSd § 1330 Abs 2 ABGB.

*****   Entscheidung   *****

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michaela S*****, vertreten durch Dr. Clemens Gärner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Verlagsgruppe N***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 36.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 11. Juli 2006, GZ 2 R 74/06a-8, den

Beschluss

gefasst:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtssatz

1. Gemäß § 78 Abs 1 UrhG dürfen Bildnisse von Personen nicht veröffentlicht werden, wenn dadurch berechtigte Interessen der Abgebildeten verletzt würden. Im Falle einer Bildberichterstattung ist bei der objektiven Prüfung der Schutzwürdigkeit der Interessen des Abgebildeten, auch wenn dieser in der Öffentlichkeit zwar namentlich, nach seinem Beruf oder seiner Funktion bekannt ist, sein Aussehen aber nur einem beschränkten Teil der hierfür interessierten Öffentlichkeit bekannt ist, auch der mit der Bildveröffentlichung zusammenhängende Text zu berücksichtigen. Denn bei nicht allgemein (dem Aussehen nach) bekannten Personen des öffentlichen Lebens wird die (Interessen-)Verletzung durch die Beigabe des Bildes noch verschärft und eine Prangerwirkung erzielt, weil die angegriffene Person erst damit einer breiten Öffentlichkeit auch optisch kenntlich (und wiedererkennbar) gemacht wird. In diesen Fällen kann die Bildnisveröffentlichung nur durch ein im Wege der Interessenabwägung gewonnenes höhergradiges Veröffentlichungsinteresse des Bildnisverbreiters gerechtfertigt sein (4 Ob 326/98i = MR 1999, 275 [Korn] - Wunderheiler mwN; 4 Ob 142/99g = SZ 72/97; RIS-Justiz RS0077767).

2. Wenn die Textberichterstattung im Lichte des § 1330 Abs 2 ABGB zulässig war, weil mit ihr ein zumindest im Kern wahrer Sachverhalt mitgeteilt wurde, kann für eine Bildberichterstattung im selben Zusammenhang nichts anderes gelten, weil auch dadurch kein unrichtiger Eindruck vermittelt wird (RIS-Justiz RS0112084 [T1]). Bildveröffentlichungen im Zusammenhang mit rufschädigenden Tatsachenbehauptungen über den Abgebildeten, deren Richtigkeit nicht bewiesen ist, sind durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nicht gedeckt (RIS-Justiz RS0075554 [T3]).

3. Auch Mitteilungen von Gerüchten, Vermutungen oder Behauptungen sowie die verdachtsweise Behauptung einer Tatsache sind Tatsachen iSd § 1330 Abs 2 ABGB (RIS-Justiz RS0032212 [T5]).

4. Das Rekursgericht ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen. Seine Ansicht, der Veröffentlichung des Bildnisses der Klägerin - mag diese auch als Mitautorin einer Biografie eines bekannten Sängers eine am öffentlichen Leben teilnehmende Person sein - im Zusammenhang mit der unrichtigen Behauptung, sie sei der Scheidungsgrund des Sängers und erwarte ein Kind von ihm, komme im vorliegenden Fall kein so hoher Nachrichtenwert zu, dass er das Interesse der Klägerin am Schutz vor der Herabsetzung ihres Ansehens und ihres Rufes in der Öffentlichkeit überwiege, ist - auch bei Berücksichtigung der Wertungen nach dem MedG - keine die Rechtssicherheit gefährdende Fehlbeurteilung des Einzelfalls.

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