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Hochzeitsmusik

OGH, Urteil vom 27.1.1998, 4 Ob 347/97a

UrhG § 18, § 53

*****   Zusammenfassung   *****

Der Beklagte feierte in einem öffentlich zugänglichen Gasthaus mit 120 geladenen Gästen aus Verwandten-, Freundes- und Kollegenkreis Hochzeit. Dabei spielte eine vom Beklagten bezahlte Band Musik aus dem Repertoire der Klägerin. Die Klägerin begehrt Rechnungslegung.

Das Erstgericht gab der Klage statt, das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der OGH wies die Klage ab: Die Zahl von 120 Hochzeitsgästen schließt das Vorliegen einer privaten Veranstaltung nicht aus. Eine Hochzeitsfeier ist typischerweise auf einen in sich geschlossenen, nach außen abgegrenzten Personenkreis abgestellt. Eine solche Hochzeitsfeier ist auch dann keine öffentliche Veranstaltung, wenn andere Personen die Musikaufführungen hören können oder die Möglichkeit dazu haben; die bloße Möglichkeit der Kenntnisnahme durch die Öffentlichkeit genügt nur dann, wenn "eine Wiedergabe einwandfrei unter den Typus der öffentlichen Veranstaltung fällt".

*****   Entscheidung   *****

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (A.K.M.) registrierte Genossenschaft mbH, Wien 3, Baumannstraße 10, vertreten durch Dr. Walter Haindl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Armin F*****, vertreten durch Dr. Alois Eichinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rechnungslegung (Streitwert S 300.000,--), infolge außerordentlicher Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 11. September 1997, GZ 3 R 112/97f-9, mit dem das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17. März 1997, GZ 24 Cg 182/96i-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, der Klägerin durch Bekanntgabe des von ihm für die Musikveranstaltung vom 13.7.1996 im Gasthaus P*****wirt in ***** P***** Nr. 4 an die aufführenden Interpreten (Musiker) bezahlten Honorars Rechnung zu legen, wird abgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 21.384,40 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin S 3.557,40 USt und S 40,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 60.485,80 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 6.099,30 USt und S 23.890,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte feierte am 13.7.1996 im Gasthaus P*****wirt in P***** Nr. 4 seine Hochzeit. An der Feier nahmen rund 120 geladene Gäste teil; rund 40 Personen waren Verwandte, rund 80 Personen Berufskollegen, Nachbarn oder Bekannte des Brautpaares. Der Beklagte engagierte drei Musiker, die zum ausschließlichen Repertoire der Klägerin gehörende Werke darboten. Der Beklagte kam sowohl für das Honorar der Musiker als auch für die Bewirtung der Hochzeitsgäste auf. Das Gasthaus war für jedermann frei zugänglich, so daß nicht nur die Hochzeitsgäste die Musik hören konnten, sondern auch andere Personen die Möglichkeit hiezu hatten.

Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, durch Bekanntgabe des von ihm für die Musikveranstaltung vom 13.7.1996 im Gasthaus P*****wirt in P***** Nr. 4 an die aufführenden Interpreten (Musiker) bezahlten Honorars Rechnung zu legen. Der Veranstaltungsort sei frei zugänglich gewesen; es habe sich um eine öffentliche Veranstaltung gehandelt. Die Hochzeitsgäste hätten einander zum Großteil nicht gekannt. Die Feier habe "der öffentlichen Darstellung der erfolgten Eheschließung des Beklagten" gedient. Die Feier habe wirtschaftliche Ziele Dritter, insbesondere der Interpreten sowie des Gastwirtes, gefördert. Im Hinblick darauf erscheine die Zahlung eines Entgeltes für die Verwertung der aufgeführten Werke dem Veranstalter durchaus zumutbar. Die Aufführung habe Erwerbszwecken der Musiker gedient.

Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Eine Hochzeitsfeier sei keine öffentliche Veranstaltung. Selbst wenn andere Gäste die Möglichkeit gehabt hätten, die Musik wahrzunehmen, hätten sie sich nicht unter die Hochzeitsgäste gemengt. Die Hochzeitsgäste seien in einer persönlichen Beziehung zum Brautpaar gestanden. Die Aufführung sei durch § 53 Abs 1 Z 3 UrhG gedeckt. Ob die Musiker allenfalls Erwerbszwecke verfolgten, sei für das vom Veranstalter zu leistende Entgelt nicht entscheidend.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Je größer die Zahl der Teilnehmer sei, desto eher sei Öffentlichkeit gegeben. Bei großer Teilnehmerzahl sei für die persönliche Bindung der Teilnehmer untereinander ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Nach der Lebenserfahrung seien bei 120 Hochzeitsgästen die persönlichen Beziehungen untereinander eher gering. Die Räume, in denen die Hochzeitsfeier stattgefunden habe, seien auch für andere Gäste der Gastwirtschaft zugänglich gewesen. Es sei - besonders im ländlichen Bereich - üblich und zu erwarten, daß sich mit Fortschreiten der Feier auch nicht geladene Besucher unter die Feiernden mischten. § 53 Abs 1 Z 3 UrhG sei nicht anzuwenden. Die Aufführung habe zwar nicht Erwerbszwecken des Veranstalters gedient, sie habe aber den Erwerb der Musiker und des Gastwirts gefördert.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Dem Schöpfer eines Werkes solle auch dessen wirtschaftlicher Wert gesichert werden. Der Begriff "öffentlich" sei weit zu fassen, um den Bereich der freien Nutzung klein zu halten. Ob eine Veranstaltung "privat" oder "öffentlich" im Sinne des § 18 UrhG sei, könne in Grenzfällen nur nach den Umständen des Falles unter Berücksichtigung der Zahl der Teilnehmer, des Ausmaßes der persönlichen Beziehungen untereinander oder zum Veranstalter und auch des Zwecks des Zusammenkommens beurteilt werden. Es könne offen bleiben, ob die Beziehung zwischen dem Brautpaar und den Gästen ausreiche. Die Veranstaltung sei schon deshalb öffentlich gewesen, weil das Gasthaus allgemein zugänglich und die Veranstaltung nicht nach außen begrenzt und geschlossen gewesen sei. Auch nicht geladene Hochzeitsgäste hätten die Musik hören können. Die Voraussetzungen für die freie Werknutzung nach § 53 Abs 1 Z 3 UrhG seien nicht erfüllt. Die Hochzeitsfeier habe den Erwerb der Musiker und den des Gastwirtes gefördert.

Rechtssatz

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision des Beklagten ist zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage besteht, ob Musikdarbietungen bei einer Hochzeitsfeier eine öffentliche Aufführung im Sinne des § 18 UrhG sind; die Revision ist auch berechtigt.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, daß eine Hochzeitsfeier typischerweise eine private Veranstaltung sei. Ein Hinweis, daß Außenstehenden der Zutritt verwehrt sei, erübrige sich. Es sei auch nicht Absicht des Veranstalters, eigene oder fremde wirtschaftliche Zwecke zu fördern.

Gemäß § 18 Abs 1 UrhG hat der Urheber das ausschließliche Recht, (ua) ein Werk der Tonkunst öffentlich aufzuführen. Eine Aufführung ist öffentlich, wenn sie nicht von vornherein auf einen in sich geschlossenen, nach außen hin begrenzten Kreis abgestimmt ist, wenn sie also allgemein zugänglich ist. Als öffentlich sind aber auch nicht allgemein zugängliche Veranstaltungen anzusehen, wenn der bestimmte oder bestimmbare Personenkreis nicht durch solche Beziehungen verbunden ist, die seine Zusammenkünfte als solche der privaten Sphäre erscheinen lassen. Dies ist nur dort der Fall, wo der Teilnehmerkreis durch ein reelles, persönliches Band verbunden und vermöge wechselseitiger Beziehungen unter sich oder zu dem Veranstalter nach außen hin abgegrenzt ist (SZ 44/97 = ÖBl 1971, 160 - Gschnasfest). Ob eine Veranstaltung "öffentlich" oder "privat" ist, kann im Einzelfall nur unter Berücksichtigung der Teilnehmerzahl, des Ausmaßes der persönlichen Beziehungen - untereinander und zum Veranstalter - sowie des Zwecks des Zusammenkommens beurteilt werden. Dabei ist im Zweifel auch zu beachten, ob der Veranstalter - eigene oder fremde - wirtschaftliche Zwecke fördern will (SZ 51/167 = ÖBl 1979, 51 - Betriebsmusik).

Nach Dittrich (Zur urheberrechtlichen Beurteilung der Betriebsmusik, ÖBl 1975, 125 [126]) ist Öffentlichkeit stets gegeben, wenn Außenstehende hinzugezogen oder auch nur zugelassen, dh von der Teilnahme nicht wirksam ausgeschlossen werden. Bei der Beurteilung des Einzelfalles sei von dem das Urheberrecht beherrschenden Grundsatz auszugehen, daß dem Urheber im Zweifel ein Beteiligungsrecht zusteht, wenn seine Schöpfung zur Erzielung von Einnahmen weiterverwendet wird. Der relativ mildeste Maßstab sei anzulegen, wenn mit der Veranstaltung weder unmittelbar wirtschaftliche Zwecke verfolgt noch solche mittelbar gefördert werden, die Mitwirkenden aber ein Entgelt erhalten. Eine Hochzeitsgesellschaft im ländlichen Rahmen werde in der Regel eine öffentliche Veranstaltung sein, wenn eine große Zahl von Gästen mehr im Hinblick auf die geschäftliche Repräsentation als auf die persönliche Verbundenheit eingeladen worden sind; sie könne allerdings auch nach Lage des Einzelfalles in die private Sphäre fallen (Dittrich aaO).

Im vorliegenden Fall fehlt jeder Anhaltspunkt, daß sich der - in Wo***** wohnhafte und, nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen der Klägerin, in Wi***** beschäftigte - Beklagte bei der Auswahl der Hochzeitsgäste von geschäftlichen Überlegungen hätte leiten lassen oder "die erfolgte Eheschließung der dörflichen Öffentlichkeit" hätte darstellen wollen. Zur Hochzeit waren Verwandte, Bekannte, Nachbarn und Berufskollegen des Brautpaares eingeladen; eine solche Hochzeitsfeier ist, auch wenn sie in einem Gasthaus stattfindet, typischerweise eine private Veranstaltung.

Daß nicht sämtliche Gäste einander gekannt haben werden, schadet nicht, weil sie durch ihre Beziehung zum Brautpaar miteinander verbunden waren. Das Gasthaus, in dem die Feier stattfand, war zwar frei zugänglich; die vom Erstgericht angenommene Übung, daß sich - besonders im ländlichen Bereich - mit Fortschreiten der Feier auch nicht geladene Gäste unter die Feiernden mischen und am Tanzvergnügen teilnehmen, ist aber nicht notorisch. Eine Hochzeitsfeier wird auch dann, wenn sie in einem Gasthaus stattfindet, nicht als allgemein zugängliche Veranstaltung empfunden; nicht eingeladene Personen werden sich, wenn überhaupt, so jedenfalls nur dann unter die Gäste mischen, wenn sie mit dem Brautpaar bekannt sind.

Eine Aufführung ist, entgegen der Auffassung der Vorinstanzen, auch nicht schon dann öffentlich, wenn es der Öffentlichkeit möglich ist, davon Kenntnis zu nehmen; die bloße Möglichkeit der Kenntnisnahme durch die Öffentlichkeit genügt nur dann, wenn "eine Wiedergabe einwandfrei unter den Typus der öffentlichen Veranstaltung fällt" (Dittrich aaO ÖBl 1975, 125). Nichts anderes ergibt sich auch aus der Entscheidung SZ 44/175 = EvBl 1972/174 = GRURInt 1972, 338 = ÖBl 1972, 23 - Hotel-Rundfunkvermittlungsanlage. Danach ist eine Aufführung dann öffentlich, wenn sie nicht von vornherein auf einen in sich geschlossenen, nach außen abgegrenzten Personenkreis abgestellt, also allgemein zugänglich ist, oder aber der bestimmte oder doch bestimmbare Personenkreis nicht durch solche Beziehungen verbunden ist, die seine Zusammenkünfte als solche der Privatsphäre erscheinen lassen.

Die Zahl von 120 Hochzeitsgästen schließt das Vorliegen einer privaten Veranstaltung nicht aus. Üblicherweise laden beide Brautleute Verwandte, Freunde, Bekannte und Berufskollegen ein. Da sich diese Personenkreise, jedenfalls zum Teil, nicht decken, setzt die Wertung der Hochzeitsfeier als private Veranstaltung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht voraus, daß eine Person "private" Beziehungen zu insgesamt 120 Personen unterhält.

Eine Hochzeitsfeier ist typischerweise auf einen in sich geschlossenen, nach außen abgegrenzten Personenkreis abgestellt; auch im vorliegenden Fall waren sämtliche Gäste eingeladen worden und daher mit dem einladenden Brautpaar verbunden. Eine solche Hochzeitsfeier ist auch dann keine öffentliche Veranstaltung, wenn andere Personen die Musikaufführungen hören können oder die Möglichkeit dazu haben. Bei einer Hochzeitsfeier in einem Gasthaus bringen es die normalen, zumutbarerweise nicht vermeidbaren Lebensumstände mit sich, daß auch Außenstehende die Musik mithören können. Dadurch wird aber eine private Wiedergabe noch nicht zu einer öffentlichen (s von Gamm, Urheberrechtsgesetz § 15 Rz 16).

Eine Hochzeitsfeier dient typischerweise ideellen Zwecken; daß das Brautpaar in der Regel Geschenke erhält, spricht nicht dagegen. Die Tatsache, daß Hochzeitsgeschenke gegeben werden, vermag aber jedenfalls nicht die Vergütungspflicht der bei einer Hochzeitsfeier aufgeführten Musikstücke zu begründen. Ob und in welchem Ausmaß das Brautpaar beschenkt wird, hängt regelmäßig nicht davon ab, ob die Hochzeitsfeier mit oder ohne Musik stattfindet. Auch der Zweck der Veranstaltung spricht daher nicht dagegen, die Hochzeitsfeier des Beklagten als private Veranstaltung zu werten.

Mangels Öffentlichkeit griff die Aufführung von Musikstücken bei der Hochzeitsfeier des Beklagten nicht in die Rechte der Klägerin ein. Da die Rechnungslegungspflicht schon aus diesem Grunde entfällt, ist auf die Voraussetzungen der freien Werknutzung nach § 53 Abs 1 Z 3 UrhG nicht weiter einzugehen.

Der Revision war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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