Auskunftspflicht des Access-Providers:
OLG Wien, Beschluss vom 30.3.2005, 17 Bs 76/05h
StPO § 149a, TKG § 93, ECG § 18
***** Zusammenfassung *****
Privatklägerin ist eine Verwertungsgesellschaft. Sie erstattete Anzeige gegen einen unbekannten Täter, der zu einem bestimmten Zeitpunkt unter einer bestimmten (dynamischen) IP-Adresse in einer Tauschbörse umfangreiches, urheberrechtlich geschütztes Material angeboten hatte, und beantragte, den Provider beschlussmäßig anzuweisen, den Inhaber der IP-Adresse bekanntzugeben.
Die Untersuchungsrichterin wies das Auskunftsersuchen der Privatanklägerin ab.
Das OLG gibt der dagegen erhobenen Beschwerde der Privatanklägerin Folge. Eine IP-Nummer sei mit einer Telefonnummer gleichzusetzen. Die Bekanntgabe des Inhabers einer (bekannten) IP-Adresse sei keine Rufdatenrückerfassung, sondern bloß eine Bekanntgabe von Stammdaten, welche nicht dem Fernmeldegeheimnis unterlägen, sondern nur dem Datenschutz. Diese Auskunft unterläge nicht den Regeln der §§ 149a StPO. Gem. § 18 Abs. 4 ECG sei auf Verlangen Dritter der Nutzer eines Dienstes bekanntzugeben. Keinesfalls könne es im Belieben eines Providers gelegen sein, durch die Wahl der Vergabe entweder statischer oder dynamischer IP-Adressen einer Auskunftspflicht zu unterliegen oder nicht.
- Anmerkung: Man
kann unter Juristen sicherlich über die Frage der Auskunftspflicht von
Providern diskutieren und es wird dazu auch noch viel zu diskutieren sein,
weil die eigentlichen Probleme noch nicht einmal angerissen worden sind.
Nicht diskutieren kann man allerdings über § 18 Abs. 4 ECG; diese Bestimmung
ist eindeutig nicht anwendbar, weil sie nur den Host-Provider, aber nicht
den Access-Provider betrifft.
Auch die Meinung, dass es im Belieben eines Providers stünde, eine dynamische oder eine statische IP-Adresse zu vergeben, basiert auf mangelndem Wissen; dynamische IP-Adressen sind eine technische Notwendigkeit, weil es nicht genügend statische gibt. - zur Entscheidungsübersicht Ö
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***** Entscheidung *****
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Maurer als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. Krenn und Mag. Lendl als weitere Senatsmitglieder in nichtöffentlicher Sitzung in der Strafsache der Privatanklägerin XXX gegen UT wegen § 91 Abs. 1 UrhG über die Beschwerde der Privatanklägerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2. März 2005, GZ 293 Ur 331/04h-10, den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und der YYY (Provider) aufgetragen, unverzüglich den Namen und die Anschrift jenes Kunden bekanntzugeben, dessen Anschluss am 7. Oktober 2004 im Zeitraum von 1:42:26 PM EDT bis 2:03:37 PM EDT die IP-Nummer xxx.xxx.xxx.xxx zugeordnet war.
Begründung:
Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2004 beantragte die Privatanklägerin die Einleitung gerichtlicher Vorerhebungen gegen unbekannte Täter wegen § 91 Abs. 1 iVm § 86 Abs. 1 Z 3 und 4 UrhG, denen zugrunde liegt, dass durch einen Internetuser, dem vom Access-Provider YYY am 7. Oktober 2004 im Zeitraum von 1:42:26 PM EDT bis 2:03:37 PM EDT die IP-Nummer xxx.xxx.xxx.xxx zugeordnet war, im Wege eines Filesharingsystems ua 3864 Musikfiles zum Download angeboten worden seien.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den im Rahmen der Vorerhebungen gestellten Antrag, den Internetserviceprovider anzuweisen, den Namen und die Anschrift jenes Kunden bekanntzugeben, dem die genannte IP-Nummer im relevanten Zeitraum zugeordnet war, ab.
Es handle sich dabei um einen Antrag auf Rufdatenrückerfassung im Sinn der §§ 149a ff StPO, für die die Bestimmungen des UrhG keine ausreichende Basis darstellten.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Privatanklägerin, der Berechtigung zukommt.
Denn Ziel des gegenständlichen Verfolgungsantrages ist nicht eine Rufdatenrückerfassung, die klären soll, welche Teilnehmeranschlüsse Ursprung und Ziel einer Telekommunikation sind bzw. waren (Reindl in WK-StPO § 149a RN 48).
Ausgehend von dem bekannten Teilnehmeranschluss (§ 149a Abs. 1 Z 3 StPO), das ist vorliegend die bekanntgegebene IP-Adresse (Reindl aaO RN 3, Fabrizy StPO 3 § 149a RN 8), ist Ziel der Vorerhebung die Bekanntgabe der sogenannten Stammdaten, das sind Informationen wie zum Beispiel Name des Anschlussinhabers, seine Adresse etc, die bloß für die Abwicklung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Anbieter eines Telekommunikationsdienstes und der Person, welche diese Dienste nutzt, nötig sind (Reindl WK-StPO vor §§ 149a bis c RN 21; Fabrizy aaO RN 17).
Stammdaten unterliegen aber nicht dem Fernmeldegeheimnis, sondern nur dem Datenschutz. Auskünfte an Strafgerichte zur Bekanntgabe von Stammdaten (das heißt regelmäßig der Bekanntgabe der Identität des Teilnehmers anhand einer bestimmten Telefonnummer (dem entspricht eine IP-Adresse) zum Zweck der Aufklärung und Verfolgung einer bestimmten Straftat unterliegen nicht den Regelungen nach den §§ 149a ff StPO (Fabrizy aaO RN 17; so auch sinngemäß OGH 16.3.2004, 4 Ob 7/04i).
Eine Überwachung der Telekommunikation im Sinn des § 149a StPO würde nur die Recherche darstellen, welche IP-Adressen ein bestimmter User während seines Aufenthaltes im Internet (WWW dg.) aufgesucht, sowie an welche Adressen er bestimmte Daten gesandt bzw von welchen Adressen er Derartiges abgefragt oder heruntergeladen hat, nicht aber die Anfrage, welche IP-Adresse – ob statisch oder dynamisch – einem bestimmten User anlässlich der Inanspruchnahme der angebotenen Dienste zugewiesen war.
Gestützt wird diese Rechtsansicht auch durch § 18 Abs. 4 ECG, demzufolge Diensteanbieter den Namen und die Adresse eines Nutzers ihres Dienstes auf Verlangen dritter Personen bekannt geben müssen, sofern diese ein überwiegendes rechtliches Interesse an der Feststellung der Identität eines Nutzers und eines bestimmten rechtswidrigen Sachverhaltes glaubhaft machen (vgl Brenn ECG Seite 297, Pkt 4.).
Keinesfalls kann es im Belieben eines Providers gelegen sein, durch die Wahl der Vergabe entweder statischer oder dynamischer IP-Adressen einer Auskunftspflicht zu unterliegen oder nicht.
Auf Grund dieser Erwägungen – der gefertigte Senat vermag sich der Rechtsansicht des Senates 22 nicht anzuschließen – war der Beschwerde Folge zu geben und die YYY antragsgemäß zur Bekanntgabe der Stammdaten jenes Kunden aufzufordern, dem im fraglichen Zeitraum die von der Privatanklägerin vorgebrachte IP-Nummer zugewiesen war.
Oberlandesgericht Wien,
Abt. 17, am 30. März 2005