Internet & Recht - aktuell |
Aus für EuGVÜ und Lugano-Abkommen
Seit 1.3.2002 gilt die EuGVVO, auch Brüssel I - Verordnung
(Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000, über die gerichtliche Zuständigkeit
und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und
Handelssachen, ABl
2001, L 12, 1)
Die Verordnung, die am 1.3.2002 in Kraft tritt (direkt anwendbares EU-Recht), enthält wichtige Zuständigkeitsbestimmungen und löst in ihrem Anwendungsgebiet (EU-Länder mit Ausnahme von Dänemark) das EuGVÜ (Europäisches Gerichtsstandsübereinkommen) und das LGVÜ (Lugano-Übereinkommen) ab.
Sie werden sich jetzt vielleicht fragen, was das mit dem Thema Internet & Recht zu tun hat. Tatsächlich wird die Bedeutung derartiger Regelungen des formellen Rechtes immer wieder unterschätzt. Dabei sind sie wichtiger als viele Regelungen des materiellen Rechtes. Was nützen den Vertragsparteien schließlich die tollsten Rechte, wenn sie nicht durchsetzbar sind? Wenn der Händler den Kaufpreis nicht einklagen oder mit einem erreichten Urteil nicht Exekution führen kann und der Konsument seinen Gewährleistungsanspruch nicht durchsetzen kann oder das nur in einem fernen Land unter einer fremden Rechtsordnung? Derartige Regelungen spielen daher gerade beim grenzüberschreitenden Verkehr im Internet eine bedeutende Rolle.
Es laufen deshalb auch schon längere Zeit Bestrebungen, anstelle der vielfältigen bilateralen Übereinkommen weltweit einheitliche Vorschriften über Gerichtszuständigkeiten und die Voraussetzungen für gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen und deren Zwangsvollstreckung zu schaffen. Da bei der Haager Konferenz (Hague Convention on Jurisdiction and Foreign Judgments in Civil and Commercial Matters, Näheres) aufgrund der starken Interessengegensätze, vor allem mit den Vereinigten Staaten, mit keinem raschen Ergebnis zu rechnen war, wurden in der EU die Arbeiten an der EuGVVO zu Ende geführt.
Die Verordnung bringt verschiedene Klarstellungen gegenüber der vorherigen Rechtslage:
- Allgemeiner Gerichtsstand: Bestimmung des Sitzes von Gesellschaften und juristischen Personen (Art. 60)
- Verhältnis zu Drittstaaten (Art. 4)
- Gerichtsstand für Vertragsklagen (Gerichtsstand des Erfüllungsortes Art. 5 Nr. 1); Erfüllungsort ist im Zweifel bei Waren der Lieferort, bei Dienstleistungen der Erbringungsort, also jeweils der Gerichtsstand des Kunden.
- Zuständigkeit in Verbrauchersachen (Art. 15 - 17); gilt jetzt für sämtliche Verbraucherverträge, auch bei Vertragsanbahnung durch den Kunden im Land des Unternehmers; Voraussetzung: die Tätigkeit des Unternehmers muss auf das Land des Verbrauchers ausgerichtet sein; dies wird bei einer Website in der Regel der Fall sein, es wäre denn, es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Angebot nicht an Verbraucher in bestimmten Ländern gerichtet ist. Nach der (nicht verbindlichen gemeinsamen Erklärung von Rat und Kommission wäre die bloße Zugänglichkeit einer Website noch kein Kriterium, sondern erst der direkte Vertragsabschluss über die Website (sogenannte "aktive Website"). Für Aktivklagen des Verbrauchers ist sein Wohnsitzgericht zuständig.
- Zuständigkeit in Arbeitssachen (Art. 18 - 21); Wahlrecht des Arbeitnehmers zwischen Gericht am Sitz des Arbeitgebers (auch Zweigniederlassung) und dem Gericht am Ort der Arbeitsverrichtung.
- Bestimmung des Zeitpunktes der Anhängigkeit (Rechtshängigkeit) (Art. 27 - 30); regelt das Zuvorkommen, wenn Rechtssachen bei Gerichten in verschiedenen MItgliedsstaaten anhängig gemacht werden; das später befasste Gericht hat das Verfahren auszusetzen, was zur Gefahr der Verschleppung durch vorbeugende Feststellungsklagen ("italienisches Torpedo") führen kann.
- Straffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens (Art. 34); keine amtswegige Prüfung von Versagungsgründen mehr (nur mehr auf Rüge), Einschränkung der Anerkennungsversagungsgründe, Formularisierung.
Im Verhältnis zu Dänemark gilt das EuGVÜ weiter. Das LGVÜ gilt noch als Staatsvertrag mit den Nicht-EU-Staaten Schweiz, Norwegen, Island und Polen.
Salzburg, am 4.3.2002