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Der Download als zulässige Privatkopie?
In einem ORF-Artikel vom 15.5.2003 wurde auch die Frage des Musik-Downloads von Tauschbörsen angesprochen. Herr Manak vom Antipiraterie-Verein AVP meinte unter Bezug auf die OGH-Entscheidung 4 Ob 80/98p, dass auch das Herunterladen in Tauschbörsen illegal sei, da anzunehmen sei, dass die Dateien aus illegaler Quelle angeboten wurden.
Ich muss allerdings Herrn Manak in diesem Punkt widersprechen. Ich verstehe zwar, dass er gerne hätte, dass das so eindeutig ableitbar ist. Der Fall aus der OGH-Entscheidung lässt sich aber nicht so einfach auf den Internet-Download übertragen. (Wenn das so eindeutig wäre, gäbe es wohl schon Tausende Gerichtsverfahren). In der zitierten Entscheidung ging es nicht um Musik, sondern einen Bronze-Abguss einer Skulptur ("Figur auf einem Bein"). Der Beklagte wurde auch nicht deswegen verurteilt, weil er eine Kopie der Statue hergestellt hat, sondern weil er sie öffentlich verbreitet hat. Der OGH hat sogar eigens betont, dass das Anfertigen der Kopie an sich für private Zwecke zulässig war (zu klären waren noch die näheren Umstände der Anfertigung).
Richtig ist, dass der OGH in einem Nebensatz unter Bezug auf eine Kommentarmeinung ausgeführt hat, dass das Gesetz als selbstverständlich voraussetze, dass die Vervielfältigung mittels eines rechtmäßig erworbenen Werkstückes geschieht. Das heißt aber noch nicht, dass ein per Download kopiertes Musikstück unrechtmäßig erworben ist. Abgesehen davon, dass sich die zitierte Kommentarstelle auf ein Sonderproblem zu § 53 UrhG bezieht und nicht auf § 42 UrhG *) (Privatkopie), fällt beim Internetdownload Erwerb und Herstellung der Kopie zusammen. Es gibt keinen selbstständigen Erwerbsakt, der unrechtmäßig sein könnte. Möglicherweise hat der Autor im Sinne gehabt, dass von einem gestohlenen Werk keine zulässige Privatkopie angefertigt werden kann; das ist plausibel. Wenn aber im Internet frei zugänglich ein Musikstück angeboten wird, so stellt sich nur die Frage, ob es für den Privatgebrauch kopiert werden darf, d.h. ob dieser Vervielfältigungsakt unter die freie Werknutzung des § 42 UrhG fällt.
Ob das Anbieten rechtmäßig oder unrechtmäßig ist, ist für den Durchschnittsuser meist nicht feststellbar. Es gibt mittlerweile unzählige Anbieter, die legal Stücke zur Verfügung stellen. Und der Unterschied zwischen Rundfunk, Internetradio und Tauschbörsen ist auch den wenigsten bekannt.
Daneben ist die vom OGH zitierte Auslegung, dass eine Privatkopie nur von einem rechtmäßig erworbenen Werk zulässig sein soll, jedenfalls umstritten, zumal sie auch den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes gegen sich hat. In § 42 UrhG heißt es, dass "jedermann Vervielfältigungsstücke zum eigenen Gebrauch herstellen darf". Wenn der Gesetzgeber gewollt hätte, dass das nur Eigentümer oder rechtmäßige Besitzer von Werkstücken dürfen, dann hätte er das wohl so formuliert.
Es ist leider eine Tatsache, dass viele Urheberrechtsspezialisten vor allem für die Urheberrechtsindustrie tätig sind. Das wirkt sich doppelt negativ für den Konsumenten aus. Erstens sind es diese bezahlten Spezialisten, die maßgeblich Einfluss auf die Gesetzgebung - und zwar schon auf EU-Ebene - nehmen. Und zweitens wird das Gesetz dann auch noch betont urheberfreundlich ausgelegt, wobei allerdings die Begünstigten gar nicht so sehr die Urheber sind, sondern die Industrie, die - oft genug auch auf Kosten der Urheber - viel Geld mit deren Werken macht.
Was die Tauschbörsen anbelangt, so ist die Frage der Zulässigkeit der Privatkopie möglicherweise ein Streit um des Kaisers Bart. Die Masse der Nutzer unterscheidet dort schon deswegen nicht zwischen Up- und Download, weil ihnen die genauen Vorgänge gar nicht näher bekannt sind. Sie installieren ein Programm, das in der Default-Einstellung Up- und Download ermöglicht. Damit nehmen sie aber jedenfalls auch unzulässige Vervielfältigungen vor, weil die Kopie im Verzeichnis "Eigene Musik" nicht mehr auf den Privatgebrauch beschränkt ist, sondern auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Damit liegt schon nach der bisherigen Rechtslage keine freie Werknutzung mehr vor. Ab dem 1.7.2003 (Inkrafttreten der UrhR-Novelle) fällt das zusätzlich auch noch unter die unzulässige Zurverfügungstellung (§ 18a UrhG).
Bisher hat die Musikindustrie in Österreich keine Tauschbörsen-Nutzer verfolgt. Möglicherweise hat man vor der Übermacht der Rechtsbrecher kapituliert. Es könnte aber durchaus sein, dass Österreich auch auf diesem Gebiet keine Insel der Online-Seligen bleiben wird. Wenn die Ermahnungen des Antipiraterie-Vereines im Cyberspace verhallen, wird vielleicht auch in Österreich bald eine spektakuläre Klage für Aufsehen sorgen. Ich bin schon gespannt, wie groß hierzulande der Zeigefinger sein wird.
Nochmals ausdrücklich widersprechen muss ich der Behauptung, dass die jetzige Urheberrechtsnovelle bezüglich der Tauschbörsen irgendeine Änderung gebracht hätte. Die hauptsächliche Änderung in diesem Bereich bezieht sich auf das Verbot der Umgehung des Kopierschutzes. Das trifft aber vor allem die ehrlichen CD-Käufer, die entweder schon Probleme beim Abspielen haben (absurderweise gerade auf hochwertigen HIFI-Anlagen) oder denen jedenfalls die Möglichkeit der einfachen und raschen Anfertigung einer - an sich auch nach den strengen Meinungen zulässigen - Privatkopie (z.B. für den MP3-Player) genommen wurde. Diese Leute werden sich schikaniert vorkommen und sich vielleicht in Zukunft auch nicht mehr um dieses absurde Gesetz kümmern. Die Gesetzesnovelle treibt somit auch die bisher gesetzestreuen Musikkonsumenten in die Illegalität (oder in den Kaufverzicht?). Jene, die man eigentlich treffen wollte, etwa die Tauschbörsenanbieter und Massenbrenner, haben sich schon bisher nicht an Verbote gehalten; wieso glaubt jemand, dass sie sich ausgerechnet an das Kopierschutzumgehungsverbot halten werden???
15.5.2003
*) Nachtrag vom 17.6.2003:
Ich wurde darauf hingewiesen, dass sich die Zitatstelle des OGH nicht auf § 53 des österreichischen Urheberrechtsgesetzes bezieht, sondern auf einen Kommentar des deutschen UrhG. Das ist tatsächlich richtig. An der sonstigen Argumentation ändert sich aber dadurch nichts. § 53 dt. UrhG ist auch nicht mit der öst. Bestimmung ident, sodass sich deutsche Lehrmeinungen, (die auch dort umstritten sind) nicht ohne weiteres auf Ö. übertragen lassen. Der Dia-Fall, aus dem die Meinung abgeleitet wurde, dass nur eine rechtmäßig erworbene Vorlage zur Privatkopie berechtige, betraf eine gestohlene Vorlage. Dieser Fall ist aber überhaupt nicht mit dem Internet-Download vergleichbar.
Selbst wenn man die Meinung vertritt, dass eine Privatkopie nur von einem rechtmäßig erworbenen Werk zulässig ist, stellt sich die Frage, was "rechtmäßig erworben" bedeutet. Worauf kommt es dabei an: Auf die Meinung des Kopierenden? Auf den objektiven Tatbestand? Schadet fahrlässige Unkenntnis? Was ist mit rechtmäßig ausgeliehenen Werken? Doch dazu im nächsten Aufsatz, der in Kürze erscheinen soll.
Zur Tauschbörsen-Problematik siehe auch: FAQ zum UrhR, Pkt. 10.