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Die seltsamen Fortschritte bei der Spam-Bekämpfung im neuen TKG

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Am 20.8.2003 ist das neue Telekommunikationsgesetz (BGBl I 70/2003) in Kraft getreten. Dieses bringt unter anderem geänderte Vorschriften bezüglich der E-Mail-Werbung. Auf diesem Gebiet gab es bisher in Österreich zwei gegensätzliche Regelungen. Einerseits galt die durch das E-Commerce-Gesetz in Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie eingeführte opt-out-Lösung, welche bedeutet, dass Werbe-E-Mails grundsätzlich zulässig sind, der Empfänger aber erklären kann, dass er in Zukunft keine solche Werbung mehr erhalten will. Andererseits galt das in § 101 Telekommunikationsgesetz normierte generelle Verbot der E-Mail-Werbung, das Werbung nur dann zuließ, wenn ihr vorher zugestimmt wurde. De fakto bedeutete dies, dass E-Mail-Werbung in Österreich jedenfalls für Österreicher tabu war.

Dass E-Mail-Werbung zunehmend ein Problem wird, dürfte jedem bewusst sein, der eine E-Mail-Adresse unterhält. Das konnte auch das bisherige Verbot nicht verhindern. Man kann aber davon ausgehen, dass uns dieses Verbot bisher vor noch viel Schlimmerem bewahrt hat. Schließlich ist Werbung für den Werbenden umso interessanter je näher sie am Kunden erfolgt. Und E-Mail-Werbung ist konkurrenzlos günstig. Der Werbende kann es sich locker leisten, seine Zielgruppe so weit zu definieren, dass hundert Prozent der E-Mail-Benutzer dazu gehören - und noch viel mehr, wenn man bedenkt, dass sich in den diversen Mail-Datenbanken ein nicht unbeträchtlicher Anteil an Adressen-Leichen befindet. Wäre also E-Mail-Werbung in Österreich erlaubt gewesen, hätten vermutlich fast alle im Internet vertretenen Firmen - oder schränken wir es ein auf die wesentlich kleinere Menge der im Internet tatsächlich tätigen Unternehmen - diese Werbeform genutzt. Das hätte vermutlich dazu geführt, dass wir neben der amerikanischen Werbung für Penis-Enlargement- und Anti-Aging-Pills auch noch Werbung über alle im näheren und weiteren Umfeld vertriebenen Produkte von A bis Z erhalten hätten, mit allen Konsequenzen, die sich daraus für unsere Mailboxen ergeben hätten.

Die rasche Ausweitung des Problems hat auch in der EU zu einem Umdenken geführt. War die E-Commerce-Richtlinie aus dem Jahr 2000 (2000/31/EG) noch dem opt-out-Prinzip verhaftet, so geht die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation aus dem Jahr 2002 (2002/58/EG) von einem grundsätzlichen Verbot der E-Mail-Werbung aus. Dies dürfte nur zum Teil auf die verschiedenen Ressorts zurückzuführen sein, die mit der Erstellung befasst waren.

Nun ergibt sich interessanterweise in Österreich ein gegenläufiger Trend. Galt in den letzten Jahren nach § 101 TKG alte Fassung ein gänzliches Werbeverbot, so wurde genau dieses Verbot im neuen TKG gelockert. § 107 TKG neue Fassung beschränkt das generelle Verbot auf Werbung gegenüber Konsumenten und regelt diesen gegenüber die Anforderungen an eine Zustimmung. Von praktischer Bedeutung ist etwa, dass der Unternehmer die Zustimmung des Konsumenten nur zur Werbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen verwenden darf, die E-Mail-Adresse also nicht inner- und außerhalb des Konzerns weitergeben darf.

Hingegen ist die Zusendung unverlangter Werbung in Form von E-Mail oder SMS an Unternehmer nach § 107 TKG in Zukunft in Österreich zulässig. Einzige Voraussetzung ist, dass dem Empfänger die Möglichkeit eingeräumt werden muss, den Empfang weiterer Nachrichten abzulehnen. Nun ist es kein Zufall, dass die Abmeldemöglichkeit schon immer Bestandteil aller Werbemails war, wenn auch nicht aus vorausschauender Gesetzestreue, sondern deswegen, weil derartige Ablehnungen bei den professionellen Spammern den Wert der E-Mail-Adressen erhöht haben, wurde doch dadurch entgegen den Intentionen des Absenders dokumentiert, dass diese E-Mail-Adresse genutzt wird.

Es fragt sich nun, wieso der österreichische Gesetzgeber entgegen dem EU-Trend den Schutz gegen Spam reduziert. Noch verwunderlicher ist dies deswegen, weil laut § 1 Abs. 4 des neuen TKG mit dieser Novelle auch die oben erwähnte Datenschutzrichtlinie umgesetzt werden soll. Nach Art. 13 der Richtlinie darf aber "die Verwendung elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung nur bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer gestattet werden", ohne dass dabei zwischen Unternehmern und Konsumenten unterschieden würde. § 107 TKG wäre demnach richtlinienwidrig umgesetzt worden.

Wenn man in die Erläuterungen zum TKG schaut, so heißt es dort, dass die Aufweichung des Verbotes der E-Mail-Werbung bei den Unternehmern wegen "Befürchtungen der Wirtschaft, dass dadurch die Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs beeinträchtigt werden könnte", erfolgt ist. Offenbar hat da die Wirtschaftskammer nur die Vorteile der billigen Werbung im Auge gehabt, aber nicht bedacht, dass jeder Teilnehmer am E-Commerce zugleich Sender und Empfänger ist. So gesehen könnte der Gedanke des Gesetzgebers auch gewesen sein: "Die sollen sich jetzt ein paar Monate lang gegenseitig "zuspammen", bis überhaupt nichts mehr geht. Dann erörtern wir das Problem noch einmal und können die Richtlinie immer noch umsetzen."

Viele Fachleute vertreten angesichts der immer neuen Tricks der Profi-Spammer die Meinung, dass das Recht dagegen machtlos ist. Die technischen Tricks bei der Verschleierung des Absenders und die rechtlichen Hürden bei der Rechtsverfolgung im Ausland scheinen diese  Resignation zu bestätigen. Aber auch die technischen Lösungen, wie Filter und Blocker stellen keine hundertprozentige Lösung dar, sind fehleranfällig und erfordern hohen Bedienungsaufwand. Gefragt ist daher keine Kapitulation des Rechts, sondern eine internationale Zusammenarbeit von Technik und Recht, wobei eine besondere Schlüsselstellung den Providern zukommt. Sie könnten zuallererst den Spam-Lawinen Einhalt gebieten. Die Frage ist, ob wir Konsumenten bereit sind, diesen Dienst zu bezahlen. Aber möglicherweise ist das nur mehr eine Frage der individuellen Frustrationstoleranz.

20.8.2003

Franz Schmidbauer

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