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kinder.at

HG Wien, Urteil vom 10.12.2001, 38 Cg 90/00t

MSchG § 10 Abs. 1

*****   Zusammenfassung   *****

Die Süßwarenfirma Ferrero als Inhaberin der Wortbildmarke "kinder" und Herstellerin von "Kinder-Schokolade" klagt die Webfirma MediaClan, die unter der Domain "kinder.at" ein Eltern-Kinder-Portal betreibt; Ferrero sieht ihr Markenrecht verletzt.  Das HG Wien weist die Klage ab.

*****   Entscheidung   *****

Das Handelsgericht Wien erkennt durch die Richterin Dr. Maria Charlotte Mautner-Markhof in der Rechtssache der klagenden Partei Ferrero Österreich Handelsges. m. b. H.,  vertreten durch Zeiner & Zeiner, Rechtsanwälte, 1010 Wien, Schellinggasse 6, gegen die beklagte Partei MediaClan Gesellschaft für Online Medien GmbH, vertreten durch Freimüller / Noll / Obereder / Pilz, Rechtsanwälte, 1080 Wien, Alser Straße 21, wegen Unterlassung und Beseitigung, Streitwert ÖS 500.000.-, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:

Das Klagebegehren des Inhaltes
1.) Die beklagte Partei ist bei Exekution schuldig, die Verwendung der Bezeichnung KINDER oder einer damit verwechselbar ähnlichen Bezeichnung im geschäftlichen Verkehr, einschließlich der Verwendung zur Kennzeichnung einer Internet - Homepage, insbesondere in der
Form der Domain KINDER.AT, und / oder
die Einräumung des Rechtes zur Verwendung der Bezeichnung KINDER oder einer damit verwechselbar ähnlichen Bezeichnung im geschäftlichen Verkehr, einschließlich der Verwendung zur Kennzeichnung einer Internet - Homepage, insbesondere in der Form der Domain KINDER.AT, an Dritte zu unterlassen.
2.) Die beklagte Partei ist weiters bei Exekution schuldig, binnen 14 Tagen die Domain KINDER.AT in der Weise zurückzulegen, daß sie alle für die Übertragung der Domain KINDER.AT an die klagende Partei erforderlichen Formulare und Urkunden unterfertigt und Erklärungen abgibt, damit die Domain KINDER.AT an die klagende Partei rechtsgültig übertragen werden kann, in eventu
3.) die beklagte Partei ist bei Exekution schuldig, binnen 14 Tagen in die Löschung der Domain KINDER.AT in der Form einzuwilligen, daß sie alle für die Löschung der Domain KINDER erforderlichen Formulare und Urkunden unterfertigt und Erklärungen abgibt, damit die Domain KINDER.AT rechtsgültig gelöscht werden kann;
4.) Die beklagte Partei ist schließlich schuldig, der klagenden Partei die Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei zu Handen ihres Vertreters die mit ÖS 83.958.- (darin enthalten OS 132.- Barauslagen und OS 13.993.- USt) bestimmten Kosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

Unstrittig ist nachfolgender Sachverhalt:
Die Ferrero International B. V. mit Sitz in Amsterdam, Niederlande, bzw. ihre Konzerngesellschaften, darunter Ferrero S. p. A. mit Sitz in Alba, Italien, Ferrero GmbH mit Sitz in Allendorf, Deutschland, und Ferrero OHG m. b. H. mit Sitz in Allendorf Deutschland, sind Eigentümer der österreichischen Wort - Bild - Marke Nr. 153.602

kinder

die mit der Priorität des Anmeldetages vom 18. Februar 1994 aufgrund eines Verkehrsgeltungsnachweises für folgende Waren eingetragen ist:
Klasse 30: Schokolade und Schokoladeprodukte, sowie der internationalen "kinder" Wort - Bild - Marken Nr. 362.631, 362.632, 376.645, 383.346, 462.161, 512.869 und 403.518, für die Klassen 29, 30, 32 und 33 (Lebensmittel und Getränke). Diese Marken sind in Österreich vollständig aufrecht und vor allem in Verbindung mit Schokoladeprodukten bekannt im Sinne des § 10 Abs 2 MSchG. Die Klägerin ist eine Ges. m. b. H. mit Sitz in Innsbruck. Sie ist Lizenznehmerin der Inhaber der Klagsmarken und berechtigt, gegen mutmaßliche Verletzungen der Markenrechte in jeglicher Form vorzugehen.

Die Beklagte ist eine Ges. m. b. H. mit Sitz in Wien. Sie ist im Geschäftszweig der Erbringung von EDV - Dienstleistungen tätig, wozu Konzeption, Betrieb und Vermarktung von Online Medien und Online Communities gehören. Die Beklagte betreibt unter der Domain kinder.at eine Website, die zu Beginn des Verfahrens der ./ K entsprach, seit der Entscheidung im Provisorialverfahren der .\KK entspricht. Beide Urkunden sind in Kopie dieser Entscheidung als integrierter Bestandteil angeschlossen. Die Beklagte hat ihre Website niemals im Zusammenhang mit Produkten oder Dienstleistungen genutzt, keinesfalls für solche, für die die Klagsmarken registriert sind.

Die Klägerin brachte dazu vor:
Sowohl die klagsgegenständlichen Marken als auch die bekämpfte Domain bestünden aus dem Wort "Kinder" ohne irgendwelche Zusätze, sodaß von einer Identität der Zeichen auszugehen sei. Der Hinweis auf die Top Level Domain (".at") ändere nichts am übereinstimmenden Eindruck.
Die klagsgegenständliche Domain sei durch die NIC.AT Internet Verwaltungs - und Betriebsgesellschaft m. b. H. registriert. Diese veröffentliche zwar das Eintragungsdatum nicht, doch folge aus der Tatsache, daß die privatwirtschaftliche Domain - Verwaltung in Österreich erst im Jahre 1994 begonnen habe, daß die zu Gunsten der Beklagten eingetragene Domain wesentlich jünger sei als die Markenrechte der Klägerin.

Die Marken der Klägerin seien berühmte Marken, denen erweiterter Schutz zukomme. Die mit der Bezeichnung KINDER vertriebenen Schokoladeprodukte wären gemäß Untersuchungen des Fessel - GfK Institutes bereits 1994 88% aller Erwachsenen und 96% aller Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren bekannt gewesen, heute könne (aufgrund intensiver Werbung) von einem noch höheren Bekanntheitsgrad ausgegangen werden.
Durch das Belegen der klagsgegenständlichen Domain werde in das Recht der Klägerin eingegriffen, selbst vom Wert ihrer Marken (auch im Internet) zu profitieren und andere davon auszuschließen, ihr Zeichen zu verwenden. Darin liege eine unzulässige Ausbeutung der Marke und bei einer berühmten Marke eine Ausbeutung des mit großem Werbeaufwand geschaffenen Images im geschäftlichen Verkehr. Dieser Aufwand komme nicht zum Tragen, weil die Internet - Benutzer die Klägerin unter ihren berühmten Marken suchen würden, unter www.kinder.at jedoch nur die beklagte Partei fänden.

Die Beklagte habe sich nach eigener Darstellung auf "Konzeption, Betrieb und Vermarktung von Online Medien und Online Communities" spezialisiert, bei der unter www.kinder.at dargestellten Seite handle es sich um eine Dienstleistung der Beklagten, die teils angekündigt, teils bereits präsentiert werde. Die Beklagte werde daher jedenfalls im geschäftlichen Verkehr tätig. Sie biete im Rahmen ihrer Dienstleistung auch Werbung für Dritte an, und könne daher auch Mitbewerber der Klägerin auf ihrer Website zeigen. In diesem Fall brauche gar nicht auf den erweiterten Schutz der berühmten Marke zurückgegriffen werden, da dann sowieso bereits Warenidentität oder - gleichartigkeit vorliege.

Die Bezeichnung KINDER werde von einem weit überwiegenden Teil der angesprochenen Verkehrskreise als Hinweis auf die Klägerin und ihre Produkte verstanden, ihren Marken komme sohin Kennzeichnungs - und Unterscheidungsfunktion zu, sie würden hinsichtlich der Klägerin und ihrer Produkte Herkunftsfunktion entfalten. Durch die Benutzung der Marken der Klägerin werde deren Ruf und deren Wertschätzung ausgebeutet, die mit den von ihnen umfaßten Produkten verbundene Gütevorstellung ausgenutzt. Die positive Assoziation der Verkehrskreise hinsichtlich der mit den Klagsmarken versehenen Produkte werde auf die Dienstleistungen der Beklagten übertragen und verleite Internet Benutzer dazu, die Website der Beklagten aufzusuchen. Internet - Benutzer, die die Domain kinder.at wählen, um über die Klägerin und deren Waren informiert zu werden, stiessen stattdessen auf ein Produkt der Beklagten.

Aufgrund der Benutzung eines identischen Zeichens werde zudem die Unterscheidungsfunktion der Marken der Klägerin beeinträchtigt. Die Ausnutzung der auf ihrer Einmaligkeit beruhenden überragenden Kennzeichnungs - und Werbekraft der Marken der Klägerin beeinträchtige die Werbekraft der zitierten Marken und begründe die Gefahr ihrer Verwässerung. Die Wertschätzung der Klagsmarken werde auch gerade dadurch beeinträchtigt, daß der Internet - Benutzer unter kinder.at gerade keine Information über die Klägerin oder ihre Produkte vorfinde. Darüber hinaus werde der Klägerin die Möglichkeit genommen, sich selbst im Internet unter Verwendung ihrer bekannten Marken darzustellen.

Der Gebrauch des Zeichens KINDER in Form einer Domain verstoße auch gegen § 1 UWG. Es werde in sittenwidriger Weise die Werbekraft der berühmten Marken ausgenutzt. Dies erzeuge auch die Gefahr der Schmälerung der Werbekraft für die klagende Partei.
Zwischen Klägerin und Beklagter bestünde ein Wettbewerbsverhältnis. Wettbewerb könne sich auch auf andersartige Waren oder Dienstleistungen erstrecken, sofern jemand sein Verhalten zu solchen Gütern in Beziehung setze, was - wie im gegenständlichen Fall dadurch erfolgen könne, daß sich jemand an den Ruf und das Ansehen einer fremden Ware zur Förderung des Absatzes seiner andersartigen Waren oder Dienstleistungen anhängt.

Weiters sei das Verhalten der Beklagten als Eingriff in das Kennzeichenrecht gemäß § 9 UWG zu qualifizieren. Die Registrierung der Domain sei , wie jüngst vom OGH dargestellt, wegen der damit verbundenen Sperrwirkung für eine Benutzung desselben Zeichens, selbst dann eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr, wenn unter der Domain noch keine Website eingerichtet sei. Die klagsgegenständliche Website biete Dienstleistungen der beklagten Partei an, stelle aber keinen Kontakt zu einer gemeinnützigen Vereinigung her und beschränke sich auch nicht auf die Ankündigung der Erweiterung der Website. Weiters würde auch das Fehlen eines auf Gewinn gerichteten Zweckes allein ein Handeln im geschäftlichen Verkehr nicht ausschließen. Es sei also jedenfalls von einem Handeln im geschäftlichen Verkehr auszugehen.

Da die Klagsmarken berühmte Zeichen seien, müßte selbst bei völliger Branchenverschiedenheit von Verwechslungsgefahr ausgegangen werden. Diese erscheine im konkreten Fall sogar besonders groß, da es nicht unüblich sei, daß sich bedeutende Unternehmen für wohltätige
Zwecke und Non - Profit - Projekte engagieren und in besonderer wirtschaftlicher und organisatorischer Beziehung dazu stehen.

Die beklagte Partei bestritt das Vorbringen der klagenden Partei und brachte vor:
Die Klägerin vermeine aus dem Umstand, daß ihr Kennzeichen "Kinder" als Wortbildmarke eingetragen sei und im Zusammenhang mit dem Zusatz "- überraschung" Verkehrsgeltung genieße, ableiten zu können, daß die Bezeichnung "Kinder" von einem weit überwiegenden Teil der angesprochenen Verkehrskreise als Hinweis auf die Klägerin und ihre Produkte verstanden werde. Dies sei unzutreffend, der Begriff "Kinder" habe beschreibenden Charakter und sei die Definition minderjähriger Menschen. Die Nutzung der Bezeichnung als Domain werde von den angesprochenen Verkehrskreisen als Hinweis darauf verstanden, daß die angebotenen Inhalte im Zusammenhang mit Minderjährigen stehen. Durch die Domain "Kinder" werde beim durchschnittlichen Internet - Benutzer nicht ein Konnex mit Schokoladeprodukten hergestellt, sondern die Assoziation erweckt, es handle sich um Anbote speziell für "kleine Leute".

Die Klägerin bezeichne ihre Marke "Kinder" zwar als berühmte Marke und bringe vor, durch das Belegen der Domain "kinder.at" würde in ihr Recht eingegriffen, selbst vom Wert ihrer Marken im Internet zu profitieren und andere davon auszuschließen, nütze ihre Marke "Kinder" aber nicht selbst für ihre Internet - Präsenz, sondern trete im Internet unter der weit bekannteren Bezeichnung "Kinderüberraschung" auf. Auch die von der Klägerin gehaltene Domain "Kinder.com" werde nicht zur Internet - Präsenz genutzt. Die Klägerin ziehe es somit vor, ihren Internet - Auftritt ausschließlich unter dem Begriff ihres bekanntesten Produktes zu gestalten.

Die Klägerin beziehe sich darauf, daß es gemäß § 10 MSchG dem Inhaber einer Marke erlaubt sei, Dritten die Verwendung der Marke auch in entfernten Warenklassen zu verbieten, wenn die Marke im Inland bekannt sei und die Benutzung die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutze oder beeinträchtige. Dies setze voraus, daß die Nutzung des Begriffes "Kinder" als Domain geignet sei, den kennzeichnenden Charakter der Wortbildmarke der Klägerin zu verwässern. Dies sei nicht der Fall, da Internet - Benutzer bereits bei Aufruf der Seite kinder.at erkennen würden, daß es sich bei den angebotenen Inhalten nicht um solche der Klägerin oder ihrer Gesellschaften handle. Eine Verwechslungs - oder Verwässerungsgefahr bestehe daher nicht.

Darüber hinaus sei eine Internet - Adresse in ihrem rechtlichen Gehalt und in ihrer Sperrwirkung mit Markenrechten nicht vergleichbar, weshalb die Analogiefähigkeit der Vorschriften des Markenrechtes im Zusammenhang mit beschreibenden Kennzeichnungen für Domains zu verneinen sei. Bei der Prüfung der Schutzwürdigkeit des Markeninhabers sei auf die Unterscheidungskraft der Marke und die unter der Domain angebotenen Inhalte abzustellen. Die Marke "Kinder sei aufgrund ihres beschreibenden Charakters ausschließlich als Wortbildmarke unterscheidungskräftig.

Eine Verwässerung finde nicht statt, da verständige Internet - Benutzer auf der Suche nach Produkten der Klägerin vielmehr die unterscheidungskräftigen Bezeichnungen suchen würden. Durch das Verhalten der Beklagten, nämlich die Registrierung und das Registrierthalten der Domain "Kinder.at", erfolge keine Ausbeutung des Rufes der Marke der Klägerin, was schon daraus folge, daß die angebotenen Inhalte mit den von der Klägerin angebotenen Waren und Dienstleistungen nicht verwechslungsfähig seien.

Zwischen den Parteien bestehe kein Wettbewerbsverhältnis. Die Beklagte sei nicht im Bereich der Produktion und / oder des Vertriebs von Süßwaren, Geschenkartikeln, Getränken oder sonstigen Lebensmitteln tätig. Sie beabsichtige erkennbar auch nicht, unter www.kinder.at derartige Produkte anzubieten. Die Website diene dem Aufbau einer Non Profit Community für Minderjährige. Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr liege nicht vor, da eine komplette Verschiedenheit der von der Klägerin und der Beklagten angebotenen Produkte bestehe. Im Verhältnis zur Klägerin könne die Beklagte auf den gemeinnützigen Zweck des Intemetauftrittes unter www.kinder.at verweisen. Außerdem habe die Beklagte ihre Website niemals im Zusammenhang mit Produkten oder Dienstleistungen genutzt, keinesfalls für solche, für welche die Marke der Klägerin registriert sei.

In rechtlicher Hinsicht beurteilt sich der festgestellte Sachverhalt wie folgt:
§ 10 Abs. 1 Z 1 MSchG gewährt dem Inhaber einer eingetragenen Marke das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke gleiches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen gleich sind, für die die Marke eingetragen ist. Daß das dem deutschen Sprachschatz entnommene Wort "kinder" nicht gleich der Wortbildmarke "kinder" ist, ist offensichtlich, da es sich bei der Domain nicht um die nur unter ihrer besonderen graphischen Aufmachung bekannte Wortbildmarke der Klägerin handelt, sondern um einen Begriff aus der Alltagssprache, unter dem der deutschsprachige Adressat noch nicht erwachsene, sehr junge Menschen (bis zur Pubertät) versteht, der juristisch gebildete überhaupt nur eine Person unter sieben Jahren. Da außerdem die klagsgegenständliche Website keine gleichen Produkte anbietet, bewirbt oder auch nur nennt, sie vielmehr in überhaupt keinen Zusammenhang mit Süßwaren zu bringen ist, ist keine der Voraussetzungen eines Anspruches nach § 10 Abs 1 Z 1 MSchG gegeben.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2MSchG kann der Inhaber einer eingetragenen Marke Dritten verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke gleiches oder ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, daß das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.
Festzuhalten ist, daß die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke, insbesondere ihre Bekanntheit, bei der Beurteilung zu berücksichtigen ist, ob die Ähnlichkeit zwischen den durch die beiden Marken erfaßten Waren oder Dienstleistungen ausreicht, um eine Verwechslungsgefahr herbeizuführen (Vgl. EuGH 23. 9. 1998.) Es besteht also eine Wechselbeziehung zwischen der Zeichenähnlichkeit und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen dahingehend, daß eine geringere Produktähnlichkeit durch eine größere Zeichenähnlichkeit ausgeglichen werden kann und umgekehrt.

Ihre Unterscheidungskraft bezieht die Marke "kinder" nun fast ausschließlich aus ihrer Gestaltung als Wortbildmarke: der Schriftzug mit dem schwarzen "k" und dem roten "inder" mag durchaus bei einem überwältigenden Teil der angesprochenen Verkehrskreise die Assoziation mit den Marken und Produkten der Klägerin erwecken, beim reinen Wort "kinder" ist dies sicher nicht der Fall: es handelt sich um ein Wort der Alltagssprache, eine beschreibende Bezeichnung für Minderjährige. Auch der hohe Bekanntheitsgrad der Marke "kinder" vermag nichts daran zu ändern, daß unter "kinder" in erster Linie junge minderjährige Menschen verstanden werden und nicht Lebensmittel. Die Unterscheidungskraft der Marke "kinder" ist also ohne ihre Darstellung als Wortbildmarke gering.

In diesem Sinne muß auch die Zeichenähnlichkeit als gering eingestuft werden: wenn auch das idente Wort benutzt wird, kommt es bei den Klagsmarken eben gerade auf die graphische Darstellung an, ohne die nur die Bezeichnung "kinder" aus dem allgemeinen Sprachgebrauch bleibt.
Verwechslungsgefahr ist nicht schon immer dann gegeben, wenn identische oder nahezu identische Zeichen zueinander in Konkurrenz treten. Vielmehr muß ein Zeichen in einer Weise gebraucht werden, die geeignet ist, einen Irrtum über die Verknüpfung des Zeichens mit einem bestimmten Unternehmen hervorzurufen. (OGH 17. B. 2000, 4 Ob 158/00i).
Bereits wiederholt hat der OGH ausgesprochen (Vgl. OGH 30. 1. 2001, 4 Ob 327/OOt mwN), daß bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr der Inhalt der unter der strittigen Domain dargestellten Homepage zu berücksichtigen ist. Die Klassen, für die die Klagsmarken eingetragen sind, beziehen sich allesamt auf Genußmittel, wobei das Schwergewicht dieser Marken ganz offensichtlich bei Süßwaren liegt. Die Beklagte ist nicht im Bereich der Produktion oder des Vertrieb von Lebensmitteln tätig, sondern sie bietet Dienstleistungen im Internet Bereich an. Die unter der klagsgegenständlichen Domain dargestellte Homepage zeigt unter dem überschriftartig plazierten, graphisch gestalteten Schriftzug "MEDIACLAN" den aus der Anlage ersichtlichen Text, in dem gegenständlicher Rechtsstreit erläutert und darauf hingewiesen wird, daß die Beklagte im Begriff sei, auf dieser Seite ein Portal für Eltern und Kinder einzurichten, daß sich mit Erziehungsfragen, nützlichen Informationen und Jugendschutz im Internet befassen sowie eine Linksammlung enthalten solle. Die durchgreifende Waren - und Branchenverschiedenheit ist bei Betrachten der Homepage also auf den ersten Blick erkennbar. Verwechslungsgefahr besteht nicht.

Der Inhaber einer Marke kann Dritten verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke gleiches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, wenn diese im Inland bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt (§ 10 Abs. 2 MSchG).
Daß die Klagsmarken bekannt im Sinne dieser Bestimmung sind - vor allem in Verbindung mit Schokoladeprodukten - ist notorisch, doch ist dem Vorbringen der Klägerin, durch die Verwendung der Domain kinder.at werde der Ruf ihrer Marken ausgebeutet, nicht zu folgen. Da die Produkte der Klägerin und der Beklagten auch auf den ersten Blick nicht verwechselt werden können, kann nicht davon gesprochen werden, daß die Assoziationen der Verkehrskreise hinsichtlich der mit den Klagsmarken versehenen Produkte auf die Dienstleistungen der Beklagten übertragen werden. Auch verleitet diese Assoziation die Internet - Benutzer nicht dazu, die Website der Beklagten aufzusuchen: die Assoziation mit dem Wort "kinder" als einem Begriff der Alltagssprache ist in erster Linie eben die mit Minderjährigen, nicht die mit den Süßwaren der Klägerin: unter "www.kinder.at" erwarten sich die Verkehrskreise dieser Assoziation entsprechend - in erster Linie Inhalte im Zusammenhang mit Minderjährigen, nicht mit Schokolade.

Eine Beeinträchtigung der Wertschätzung der Klagsmarken ist ebenfalls nicht zu erkennen. Eine solche darin zu sehen, daß der Internet - Benutzer bei Anwahl von www.kinder.at gerade keine Information über die Klägerin oder ihre Produkte vorfindet, würde voraussetzen, daß die angesprochenen Verkehrskreise auf www.kinder.at eine Website der Klägerin erwarten und in dieser Erwartung enttäuscht werden. Eine solche Erwartungshaltung kann den Verkehrskreisen aber, wie bereits ausgeführt, aufgrund des Bedeutungsinhaltes des Wortes "kinder" nicht unterstellt werden.

Auch eine Verwässerung der Klagsmarken steht nicht zu befürchten. Die Unterscheidungskraft des Marke "kinder" ist ohne ihre graphische Aufmachung gering, sie hat ohne diese eben keine "überragende Kennzeichnungs - und Werbekraft". Ihre Unterscheidungskraft wird durch die Nutzung der Domain nicht beeinträchtigt. Die Annahme, ein verständiger Internet Benutzer würde die Informationen über die Produkte der Klägerin unter Verwendung der beschreibenden Bezeichnung "kinder" und nicht etwa mithilfe bekannter Produktbezeichnungen wie "Kinderüberraschung" suchen erscheint lebensfremd.

Schließlich ist auch eine Ausnutzung der Unterscheidungskraft der Klagsmarken nicht zu besorgen. Das kennzeichnungskräftige Merkmal der Klagsmarken schlechthin, nämlich die graphische Gestaltung, kann schon aus technischen Gründen nicht für eine Domain ausgebeutet werden. Das bloße Wort "kinder" aber weckt - als übliche Bezeichnung für sehr junge Menschen - gar nicht die mit den Klagsmarken verbundene Aufmerksamkeit der Verkehrskreise, sodaß diese, etwa als "eye - catcher", ausgebeutet werden könnte.

Rufausbeutung ist nach §1 UWG sittenwidrig, wenn sich der Verletzer an Ruf und Ansehen eines fremden Produktes anhängt und diese für den Absatz seiner ungleichartigen und nicht konkurrierenden Produkte auszunutzen versucht. Unlauteres Ausbeuten liegt nur vor, wenn die Gefahr einer Rufübertragung gegeben ist. Die Verletzungshandlung begründet ein Wettbewerbsverhältnis, wenn auch der Inhaber des Zeichens den wirtschaftlichen Ruf ausnützen kann: der Inhaber und der Ausbeuter des Zeichens sind Konkurrenten bei der Verwertung des Rufes (Vgl. OGH 13. 5. 1997, 4 Ob 105/97p mwN).

Es ist dem Beklagten durch die Wahl einer Domain aber gar nicht möglich, den Ruf und das Ansehen der Marke "kinder" auf seine Dienstleistungen zu übertragen. Ruf und Ansehen sind nämlich mit der Wortbildmarke "kinder" in ihrer spezifischen, einmaligen graphischen Aufmachung, die auch konsequent bei allen dem Gericht in Abbildung vorgelegten Produkten gleich ist, verbunden, nicht aber mit dem bloßen Wort "kinder" Diese, in höchstem Maße in der Alltagssprache verwurzelte, Bezeichnung an sich läßt bei den Verkehrskreisen nicht die Assoziation mit Schokoladeprodukten entstehen. Anders ist dies in gedanklicher Verbindung mit dem Bereich "Süßwaren", doch werden solche von der Beklagten nicht angeboten. An dem Wort "kinder" ohne sein spezielles Design und ohne dem gedanklichen Umfeld "Süßwaren" hängen sohin Ruf und Ansehen der Klagsmarken nicht, und können daher auch nicht durch Verwendung des Wortes "k-Inder" als Domain auf die Produkte des Beklagten übertragen werden.

Auch ein sittenwidriger Behinderungswettbewerb durch "Domain - Grabbing" ist zu verneinen. Ein solcher liegt vor, wenn entweder ein Mitbewerber eine Domain nur belegt, um damit ein Vertriebshindernis für seinen Konkurrenten zu errichten und diesen an der Nutzung des von ihm bereits verwendeten Kennzeichens als Domain zu hindern, oder jemand - ohne selbst Mitbewerber des Kennzeicheninhabers zu sein - die Registrierung der Domain ausschließlich deshalb bewirkt, um den Inhaber des Kennzeichens zur Zahlung eines "Lösegeldes" für die Herausgabe "seiner" Domain zu bewegen (Vgl. OGH 27. 4. 1999, 4 Ob 105/99s mwN.)
Die Beklagte registrierte die Domain mit dem Vorhaben, darauf eine Non - Profit - Community für Kinder einzurichten: daß dies nur zum Schein erfolgte, die dahinterliegende Absicht aber die Behinderung der Klägerin sei, ist nicht ersichtlich, und wurde dies von der Klägerin auch nicht behauptet.
Die Beklagte bot zwar der Klägerin an, für sie gegen Bezahlung die Betreuung der Internet Seite zu übernehmen. Eine diesbezügliche Vereinbarung scheiterte aber, und die Beklagte kündigt unter der klagsgegenständlichen Domain weiterhin an, eine Non - Profit - Community errichten zu wollen, eine Dienstleistung also, die in dem Bereich der von ihr im geschäftlichen Verkehr erbrachten Leistungen angesiedelt ist. Anhaltspunkte dafür, daß die Registrierung nur zum Zwecke der "Lösegeldforderung" erfolgt sei, liegen nicht vor, und wurden von der Klägerin auch nicht vorgebracht. Aus dem Anbot allein, die Seite zu betreuen, kann auf eine solche Absicht auch nicht geschlossen werden.

Aus dem Fehlen einer Verwechslungsgefahr schließlich folgt, daß auch kein Unterlassungsanspruch nach § 9 Abs 1 UWG besteht (Vgl. OGH 30. 1. 2001, 4 Ob 327/OOt.)
Der Beklagten ist auch darin beizupflichten, daß das Begehren der Klägerin zu weit gefaßt ist. Der Beklagten kann nicht der Gebrauch eines landläufigen Wortes der deutschen Sprache verboten werden.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1 ZPO. Die Kosten für den gemäß § 258 ZPO zurückgewiesenen vorbereitenden Schriftsatz waren nicht zuzusprechen.

Handelsgericht Wien
Abt. 18, am 10.12.2001

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