Haftung für Ehrenbeleidigung im Gästebuch
LG Feldkirch, Beschluss vom 5.5.2004, 3 R 142/04m
ABGB § 1330
***** Zusammenfassung *****
Im Gästebuch der Website der beklagten Tourismusgesellschaft wurden Ehrenbeleidigungen über den Kläger gepostet, die diese erst über Aufforderung durch den Kläger löschte.
Das Erstgericht wies den Antrag auf einstweilige Verfügung ab, weil durch die anstandslose Löschung der Inhalte die Wiederholungsgefahr weggefallen sei.
Das LG als Rekursgericht gibt dem Unterlassungsbegehren statt. Die Wiederholungsgefahr sei nicht weggefallen, weil die Beklagte weiterhin die Verantwortlichkeit für das Gästebuch bestreite und weil sie offenbar überhaupt keine Kontrolle durchführe. Sowohl eine Ehrenbeleidigung nach § 1330 Abs 1 ABGB als auch eine Rufschädigung nach Abs 2 setzen ein Verbreiten der Äußerung voraus. Unter den Begriff des Verbreitens falle auch das technische Verbreiten; die Beklagte habe durch die Zurverfügungstellung ihrer Website für Gästebucheintragungen die verfahrensgegenständlichen Äußerungen verbreitet. Die Beklagte treffe eine Prüfpflicht im Sinne einer regelmäßigen Beobachtung der Foren und Löschung inkriminierender Textstellen.
- bestätigt durch 6 Ob 178/04a
- Franz Schmidbauer, "Hilfe, Gehilfe!"
***** Entscheidung *****
Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch den Richter des Landesgerichtes Hofrat Dr. Künz als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Dr. Bildstein und die Richterin Dr. Kempf als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei (im Folgenden: Kläger) J*** E***, Haus "M***", vertreten durch Dr. Anton Tschann, Rechtsanwalt in 6700 Bludenz, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei (im Folgenden: Beklagte) L*** Tourismus GmbH, vertreten durch Mag. Klaus Tusch & Partner, Rechtsanwälte in 6800 Feldkirch, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 10.000,--), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Bludenz vom 24.3.2003, 3 C 146/04 x-4, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird darin abgeändert, dass er lautet:
Dem Gegner der gefährdeten Partei wird aufgetragen, auf ihrer Website
www.l***-z***.at und insbesondere auf dem Gästebuch dieser Website, die
Veröffentlichung bzw Zulassung von Äußerungen des Inhalts
"Haus-M***@nicht-betreten.at
!!! Warnung!!!
Vor: J*** E***, Haus M*** !!!!
Der schlechteste Wirt von Österreich
- Unfreundlich, Teuer, Null Service, Null Bock
- J*** meldet seine Gäste nicht bei der Gemeinde an.
- Er betreibt in seinem Keller eine Bar ohne Konzession.
- Er schickt seine Gäste zum Parken auf den S***parkplatz, weil er keine Lust
hat, Platz frei zu räumen
- Er verbreitet Lügen über seinen Bruder H***.
An alle Gäste: Dieses Haus unbedingt meiden.
An alle L***: Jagt diesen Mann mit Schimpf und Schande vom Berg. Der schädigt
Eueren guten Ruf, genau wie den seines toten Bruders."
sowie ähnliche Äußerungen zu unterlassen.
Die einstweilige Verfügung wird bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Verfahrens 3 C 146/04 x des Bezirksgerichtes Bludenz erlassen.
Die gefährdete Partei hat die Kosten des Provisorial- und des Rekursverfahrens
vorläufig selbst zu tragen.
Die Gegnerin der gefährdeten Partei hat die Kosten des Provisorial- und
Rekursverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 4.000,--, nicht aber
insgesamt EUR 20.000,--.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.
Begründung:
Mit der am 11.3.2004 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Veröffentlichung bzw Zulassung von Äußerungen mit dem im Spruch ersichtlichen Inhalt auf ihrer Website, insbesondere im Gästebuch dieser Website zu unterlassen und brachte im Wesentlichen zusammengefasst vor, die veröffentlichten Äußerungen stellten eine vorsätzliche Ehrenbeleidigung dar und schädigten den privaten und wirtschaftlichen Ruf des Klägers. Sie gefährdeten auch den Kredit und das Fortkommen des Klägers und seien daher tatbestandsmäßig im Sinne des § 1330 ABGB. Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung dafür Sorge zu tragen, dass ehrenrührige und verleumderische Beiträge nicht ins Gästebuch gelangen, nicht nachgekommen und habe auch über entsprechende Aufforderung des Klägers die inkriminierenden Textpassagen nicht zur Gänze gelöscht. Die Wiederholungsgefahr ergebe sich schon aus der Tatsache, dass nicht alle Bezug habenden Gästebucheintragungen gelöscht worden seien. Mit der Klage wurde ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verbunden und vorgebracht, der Kläger habe ein rechtliches Interesse an der Erlassung der einstweiligen Verfügung, da Grund zur Besorgnis bestehe, dass die Beklagte ihr rechtswidriges Verhalten fortsetze bzw weitere derartige Einträge im Gästebuch veröffentliche. Dem Kläger drohe durch dieses Verhalten der Beklagten ein unwiederbringlicher materieller wie auch immaterieller Schaden.
Die Beklagte bestritt, beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und sprach sich auch gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus. Sie brachte im Wesentlichen zusammengefasst vor, beim Gästebuch auf ihrer Website handle es sich um ein freies Medium, in welches jeder User seine persönliche Meinung, die nicht zwingend die Ansichten der Beklagten wiederspiegelten, wiedergeben könne. Die Beklagte habe den elektronischen Leserbrief nicht veröffentlicht und somit den Ruf des Klägers bzw seines Betriebes nicht geschädigt. Auch sei sie nicht verpflichtet, täglich das Gästebuch zu überprüfen und inkriminierende Texte sofort zu löschen. Im Übrigen sei nach Aufforderung des Klägers der Leserbrief unverzüglich aus dem Gästebuch entfernt worden. Zwischenzeitlich seien auch die weiteren Eintragungen gelöscht worden, es bestehe keine Wiederholungsgefahr.
Mit dem nun angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag
des Klägers auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab und sprach aus, dass
die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten bleibt. Es nahm folgenden
Sachverhalt als bescheinigt an:
Die Beklagte betreibt die Website www.l***-z***.at. Auf dieser Website befindet
sich ein "Gästebuch", in welches die User persönliche Beiträge und Kommentare
direkt und online platzieren können.
Im Gästebuch findet sich ein Hinweis der Beklagten darauf, dass die im Gästebuch
dargestellten Meinungen nicht zwingend die Ansichten der Beklagten
widerspiegeln. Weiters wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte sich
vorbehält, Einträge, deren Inhalt vom Betreiber der Website als extrem
bedenklich oder stark rufschädigend angesehen werden, ohne Kommentar zu löschen.
Am 26.2.2004 wurde in diesem Gästebuch folgender Kommentar eines Users unter
dem Pseudonym "Chriss C***" veröffentlicht:
"Haus-M***@nicht-betreten.at
!!! Warnung!!!
Vor: J*** E***, Haus M*** !!!!
Der schlechteste Wirt von Österreich
- Unfreundlich, Teuer, Null Service, Null Bock
- J*** meldet seine Gäste nicht bei der Gemeinde an.
- Er betreibt in seinem Keller eine Bar ohne Konzession.
- Er schickt seine Gäste zum Parken auf den S***parkplatz, weil er keine Lust
hat, Platz frei zu räumen
- Er verbreitet Lügen über seinen Bruder H***.
An alle Gäste: Dieses Haus unbedingt meiden.
An alle L***: Jagt diesen Mann mit Schimpf und Schande vom Berg. Der schädigt
Eueren guten Ruf, genau wie den seines toten Bruders.
Trotzdem lieben wir L***!!!
Chriss C***"
Der Kläger übermittelte der Beklagten am 5.3.2004 um 9.21 Uhr eine
Faxmitteilung, in welcher er die Beklagte aufforderte, den Leserbrief binnen 2
Stunden nach Erhalt dieser Faxmitteilung aus dem Gästebuch ihrer Website zu
entfernen. Daraufhin löschte die Beklagte unverzüglich die inkriminierte
Textpassage.
Es kann nicht festgestellt werden, dass auf der Website der Beklagten zunächst
noch die E-Mail Adresse "Haus-M***@nicht-betreten.at" sichtbar war.
Am selben Tag übersandte der Kläger über seinen Rechtsvertreter eine weitere
Faxmitteilung an die Beklagte, in welcher die Beklagte aufgefordert wurde, die
Passage "Haus-M***@nicht-betreten.at" und "Beitrag: Warnung vor Haus M***" zu
entfernen.
Folgende Eintragung löschte die Beklagte nicht aus der Website:
"2004-03-5/J*** G***
gipfel@gmx
Beitrag: Warnung vor Haus M***.
Hallo Gebi,
Ich muss euch loben, dass bei
dem Beitrag von Chris nicht die Zensur gegriffen hat.
Vor allem, weil ich weiß, dass er 100 pro der Wahrheit entspricht.
Weiter so
Grüße J***."
Dieser Eintrag sowie sämtliche weiteren auf den Kommentar des Users Chriss
C*** Bezug nehmenden Einträge, welche ohnedies keine inkriminierenden
Äußerungen mehr enthielten, wurden von der Beklagten spätestens am 18.3.2004 um
17.40 Uhr gelöscht.
Ausgehend von diesem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt vertrat das
Erstgericht in der rechtlichen Beurteilung die Auffassung, gemäß § 381 EO
könnten zur Sicherung anderer als Geldansprüche einstweilige Verfügungen
getroffen werden, wenn zu besorgen sei, dass derartige Verfügungen zur Abwehr
eines unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen. Nach dem Vorbringen des
Klägers drohe ein unwiederbringlicher Schaden, da die inkriminierten Äußerungen
eine vorsätzliche Ehrenbeleidigung darstellten und eine Schädigung des privaten
und wirtschaftlichen Rufes des Klägers erwarten ließen. Bei Eingriffen in die
Ehre oder den wirtschaftlichen Ruf einer Person werde die Gefahr eines
unwiederbringlichen Schadens auch ohne Behauptung und Bescheinigung besonderer
Umstände bejaht, weil die Auswirkungen einer Ehrverletzung oder Rufschädigung
kaum zu überblicken seien und sich durch Geldersatz nicht völlig ausgleichen
ließen. Nach der Rechtsprechung sei der Medieninhaber bzw Betreiber einer
Website grundsätzlich verantwortlich für die auf der Website veröffentlichten
Diskussionsbeiträge oder Kommentare von Usern. Er oder seine Mitarbeiter müssten
dafür Sorge tragen, dass ehrenrührige Äußerungen, die im Medium (Internet)
veröffentlicht worden seien, ehestmöglich entfernt werden. Eine allgemein
gültige Frist zur Löschung eines Beitrages sei von der Judikatur nicht
vorgegeben worden. Vielmehr komme es auf die Umstände des Einzelfalles an, wobei
die zugestandene Reaktionszeit auch zur Schnelligkeit des Mediums ins Verhältnis
zu setzen sei. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte die inkriminierten
Äußerungen über Aufforderung des Klägers umgehend gelöscht. Auch sämtliche
Kommentare, die ohnedies keine inkriminierenden Äußerungen mehr enthielten,
seien von der Website entfernt worden. Dem Kläger drohe daher kein
unwiederbringlicher Schaden mehr. Dem Kläger sei es auch nicht gelungen zu
beweisen, dass eine Wiederholungsgefahr vorliege. Weder die E-Mail Adresse "Haus
M***@nicht-betreten.at" noch der Textteil "Beitrag: Warnung vor Haus M***" seien
tatbildlich im Sinne des § 1330 ABGB.
Der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung sei daher abzuweisen.
Der Kläger ficht diesen Beschluss mit Rekurs an, macht als Rekursgründe eine
Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend
und beantragt, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer gänzlichen
Antragsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte hat in ihrer Rekursbeantwortung den Antrag gestellt, dem
gegnerischen Rekurs einen Erfolg zu versagen.
Der Rekurs ist berechtigt.
Rechtssatz
Der Kläger macht als Verfahrensmangel geltend, das Erstgericht habe die von den Parteien angebotenen Zeugen- und Parteieneinvernahme nicht durchgeführt. Die Rechtsansicht des Erstgerichtes, es hätte im Antrag ausdrücklich begründet werden müssen, dass die namhaft gemachten Auskunftspersonen jederzeit stellig gemacht werden, sei nicht richtig. Das Gesetz verlange nur die sofortige Ausführbarkeit der Beweisaufnahme, nicht aber das Angebot der Parteien, die Auskunftspersonen stellig zu machen. Die Aufnahme dieser Bescheinigungsmittel hätte ergeben, dass die Textpassage "Haus M***@nicht-betreten.at" zunächst nicht gelöscht wurde. Das bedeute, dass die Wiederholungsgefahr aufgrund der zögerlichen und unvollständigen Entfernung der inkriminierten Textpassagen jedenfalls zu bejahen sei.
Das Rekursgericht teilt die Auffassung des Klägers, dass das Gesetz nur die sofortige Ausführbarkeit der Beweisaufnahme, nicht aber das Angebot der Parteien, die Auskunftspersonen selbst stellig zu machen, verlangt (vgl RIS-Justiz RS005289). Daraus folgt, dass die Tatsache, dass der Kläger eine Stelligmachung der von ihm angebotenen Auskunftspersonen im mit der Klage verbundenen Antrag auf einstweilige Verfügung nicht angeboten hat, nicht bedeutet, dass die Beweisaufnahme nicht sofort ausführbar ist. Allerdings kommt der Feststellung, die nach den Rekursausführungen bei Durchführung der Beweisaufnahme getroffen hätte werden können, aus rechtlicher Sicht keine Bedeutung zu. Schon der vom Erstgericht als bescheinigt angenommene Sachverhalt rechtfertigt die Erlassung der einstweiligen Verfügung im beantragten Umfang, weshalb der geltend gemachte Verfahrensmangel sich nicht zu Lasten des Rekurswerbers auswirkt.
In der Rechtsrüge vertritt der Kläger den Standpunkt, bei § 1330 ABGB handle es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Auch die bloße Möglichkeit, einer mit einer Ehrenbeleidigung verbundenen Kränkung und gesellschaftlichen Ächtung per se stelle einen unwiederbringlichen Schaden dar. Es liege auf der Hand, dass die bösartigen Verunglimpfungen nicht nur abstrakt, sondern konkret geeignet seien, dem Kläger einen massiven Schaden zuzufügen. Die Wiederholungsgefahr sei aufgrund der festgestellten Störungshandlung anzunehmen. Auch bei einer einmaligen Gesetzesverletzung könne die Wiederholungsgefahr nur dann verneint werden, wenn der Verletzer - somit die Beklagte - besondere Umstände dartue, die eine Wiederholung der gesetzwidrigen Handlung ausgeschlossen oder zumindest äußerst unwahrscheinlich erscheinen lasse. Dieser Beweis sei der Beklagten nicht gelungen. Sie bestreite im Schriftsatz vielmehr ihre Verantwortlichkeit für den Inhalt des Gästebuchs. Der lange Zeitraum (26.2. bis 5.3.2004), während dem die Passagen im Gästebuch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden seien, lasse darauf schließen, dass die Beklagte überhaupt keine Kontrolle des Gästebuches vornehme bzw äußerst nachlässig handhabe. Auch daraus sei eine Wiederholungsgefahr abzuleiten. Es sei zu erwarten, dass aufgrund der angeheizten Diskussion weitere inkriminierende Äußerungen getätigt werden. Aus der Darstellung der Beklagten sei zu erschließen, dass diese vom Kläger auch künftig erwarte, dass er die Kontrollaufgabe selbst übernehme, das Gästebuch also regelmäßig kontrolliere und bei der Beklagten um die Löschung entsprechender Passagen bitte. Im Übrigen stellten sowohl die Textpassage "Haus-M***@nicht-betreten.at" als auch der Passus "Warnung vor Haus M***" Äußerungen dar, die tatbestandsmäßig im Sinne des § 1330 ABGB seien.
Hiezu hat das Rekursgericht erwogen:
Der Kläger stützt seinen Unterlassungsanspruch auf
§ 1330 ABGB. Wenn jemandem durch
Ehrenbeleidigung ein wirklicher Schaden oder Entgang des Gewinnes verursacht
wurde, ist er nach § 1330 Abs 1 ABGB berechtigt, den Ersatz zu fordern. Gemäß § 1330 Abs 2 erster Satz ABGB gilt dies auch dann, wenn jemand Tatsachen
verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen
gefährdet und deren Unwahrheit er kannte oder kennen musste. Beides sind Fälle deliktischer Haftung. § 1330 ABGB schützt die Ehre der Person, Abs 2 leg. cit.
auch ihren wirtschaftlichen Ruf (6 Ob 20/95; 6 Ob 119/99i mwN). Der
wirtschaftliche Ruf genießt wie die persönliche Ehre absoluten Schutz
(RIS-Justiz RS0008987). Droht die Gefahr einer Verletzung, so steht bei
Wiederholungsgefahr auch ohne Vorliegen der für Widerruf und Veröffentlichung im
§ 1330 ABGB normierten Voraussetzungen ein Unterlassungsanspruch zu. Dieser
Unterlassungsanspruch ist vom Verschulden unabhängig (RIS-Justiz RS0008984). Ist
sowohl der Tatbestand des § 1330 Abs 1 als auch der Tatbestand des Abs 2
erfüllt, steht dem Beeinträchtigten ein Wahlrecht zu, auf welche Bestimmung er
seinen Unterlassungsanspruch stützt (RIS-Justiz RS0031990).
Dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Äußerungen um eine
Rufschädigung handelt, die gleichzeitig eine Ehrenbeleidigung im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB ist, wurde von der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren
nicht in Abrede gestellt und wird auch in der Rekursbeantwortung nicht geltend
gemacht. Sowohl eine Ehrenbeleidigung nach § 1330 Abs 1 ABGB als auch eine
Rufschädigung nach Abs 2 setzen ein Verbreiten der Äußerung voraus (RIS-Justiz
RS0102047), wobei in den Fällen einer Rufschädigung, die zugleich eine
Ehrenbeleidigung ist, der Verletzte nur die Tatsachenverbreitung, nicht aber die
Unwahrheit der verbreiteten Tatsachen zu beweisen hat (Korn-Neumayer,
Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 73; 4 Ob 31/92 in MR 1992,
203 ua). Unter den Begriff des "Verbreitens" fällt jede Mitteilung einer
Tatsache, mag sie im Einzelfall als eigene Überzeugung hingestellt werden oder
als bloße Weitergabe einer fremden Behauptung auftreten. Eine intellektuelle
Beziehung des Verbreiters zum weitergegebenen Gedankeninhalt ist nicht
erforderlich (6 Ob 220/01y). Auch das technische Verbreiten wird grundsätzlich
durch § 1330 ABGB
erfasst (6 Ob 2071/96v; RIS-Justiz RS0031781). In einer Homepage aufscheinende
ehrenrührige Äußerungen werden "verbreitet" im Sinne des § 1330 ABGB (6
Ob 307/00s;
6 Ob 190/03i; RIS-Justiz RS0114804).
Nach der Rechtsprechung kann ein wegen einer Ehrenbeleidigung oder wegen
Rufschädigung geltend gemachte Unterlassungsanspruch durch eine einstweilige
Verfügung gesichert werden, ohne dass es einer Gefahrenbescheinigung bedarf (6Ob
6/03f; RIS-Justiz RS0011399). Beim Eingriff in die Ehre, aber auch in den
wirtschaftlichen Ruf einer Person droht nämlich ein unwiederbringlicher Schaden,
zu dessen Abwendung eine einstweilige Verfügung notwendig erscheint, weil die
Auswirkungen einer Ehrverletzung oder Rufschädigung kaum zu überblicken sind und
sich durch Geldersatz nicht völlig ausgleichen lassen (8 Ob 80/01k; RIS-Justiz
RS0011400).
Jeder Unterlassungsanspruch setzt aber die Rechtswidrigkeit der begangenen
oder drohenden Eingriffshandlung voraus, das heißt die Rechtswidrigkeit bzw
Rechtfertigungsgründe sind auch bei einem verschuldensunabhängigen
Unterlassungsanspruch zu beachten. So ergeben sich nach der Rechtsprechung
Rechtfertigungsgründe durch eine umfassende Interessenabwägung. Stets müssen den
Interessen am gefährdeten Gut auch die Interessen des Handelnden und die der
Allgemeinheit gegenübergestellt werden. Eine Überspannung des Schutzes der
Persönlichkeitsrechte würde zu einer unübertragbaren Einschränkung der
Interessen anderer und auch jener der Allgemeinheit führen (6 Ob 119/99i mit
Judikaturnachweisen). Ein solcher Rechtfertigungsgrund wurde in der
Rechtsprechung dem Betreiber eines Online-Archivs zugestanden und ausgesprochen,
dass es einem Betreiber eines Online-Archivs zumeist unmöglich sei, die Fülle
der in seinem Archiv gespeicherten Informationen auf allfällige Gesetzesverstöße
zu prüfen. Ohne Hinweis des Verletzten auf einen Eingriff in seine Rechte oder
dessen Aufforderung zur Beseitigung könne eine Prüfpflicht des Betreibers nicht
gefordert werden (6 Ob 274/03t RIS-Justiz RS0118525). Das Oberlandesgericht Wien
vertrat in der Entscheidung 18 Bs 20/02
zu § 6 MedienG die Auffassung, dass gerade bei Diskussionsforen im Internet die
gebotene journalistische Sorgfalt verlange, in Kenntnis eines emotinal stark
besetzten Themas Maßnahmen für den Fall zu treffen, dass ehrenrührige Äußerungen
ehestmöglich, das heißt unter zumutbarem Einsatz von Personal und Hilfsmitteln,
entfernt werden. Überforderten die eingelangten Beiträge die vorhandenen Mittel,
Rechtsgutverletzungen entgegenzusetzen, so dürften derartige Foren nicht oder
nur in eingeschränktem Maße angeboten werden (MR 2002, 73).
Aus oben Gesagtem ergibt sich, dass die Beklagte durch die Zurverfügungstellung
ihrer Website für Gästebucheintragungen die verfahrensgegenständlichen
Äußerungen im Sinne des § 1330 ABGB
verbreitet hat. Auch wenn sie keinen Einfluss auf den Inhalt der ins Gästebuch
auf der Website platzierten Kommentare hat, kann sie sich nicht erfolgreich auf
einen Rechtfertigungsgrund berufen. Es trifft die Beklagte, die dieses Forum
anbietet, eine Prüfpflicht im Sinne einer regelmäßigen Beobachtung der Foren und
Löschung inkriminierender Textstellen. Dieser Beobachtungs- und Prüfpflicht, die
beklagterseits im erstinstanzlichen Verfahren dezidiert in Abrede gestellt
wurde, wurde nicht entsprochen, weil der verfahrensgegenständliche Kommentar am
26.6.2004 veröffentlicht und erst am 5.3.2004 über Aufforderung des Klägers
gelöscht wurde. Das bedeutet zusammengefasst, dass dem Kläger ein
Unterlassungsanspruch, der durch einstweilige Verfügung ohne konkrete
Gefahrenbescheinigung gesichert werden kann, gegenüber der Beklagten zusteht.
Das Rekursgericht teilt die Rechtsansicht des Erstgerichts, es liege keine
Wiederholungsgefahr mehr vor, nicht. Sind die Tatsachenbehauptungen auch
ehrenbeleidigend im Sinne des § 1330
ABGB, ist eine Gefahrenbescheinigung nicht erforderlich. Es steht aber dem
Beklagten offen, die schon aufgrund seiner Äußerung entstandene Vermutung, er
werde sie auch wiederholen, zu entkräften. Der Beklagte muss nachweisen, dass er
ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (6 Ob 51/01v; 6
Ob 6/03f). Das bedeutet hier, dass allein die Tatsache, dass die Beklagte die
Äußerung löschte, die Wiederholungsgefahr nicht beseitigte, zumal sie im
erstinstanzlichen Verfahren den Standpunkt einnahm, zur Prüfung der im Gästebuch
veröffentlichten Kommentare nicht verpflichtet zu sein. Es liegen daher keine
Anhaltspunkte für die Annahme vor, die Beklagte werde in Hinkunft ernstlich
durch Prüfung und Beobachtung ihrer Homepage dafür Sorge tragen, dass den Kläger
beleidigende Einschaltungen gelöscht werden.
In Stattgebung des Rekurses war der angefochtene Beschluss im Sinne einer
Antragsstattgebung abzuändern.
Der Kläger hat gemäß § 393 EO sowohl die Kosten des Provisorialverfahrens als
auch die Kosten seines erfolgreichen Rekurses vorläufig - unbeschadet eines
Anspruchs im Hauptverfahren - selbst zu tragen. Die Beklagte hat, da sie im
Provisorialverfahren unterlag, ihre Kosten endgültig selbst zu tragen.
Da - soweit für das Rekursgericht überschaubar - eine Rechtsprechung des
Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob der Betreiber einer Homepage, der ein Forum
zur Eintragung von Kommentaren, auf deren Inhalt er keinen Einfluss hat, zur
Verfügung stellt, eine einen Rechtfertigungsgrund ausschließende Prüf- und
Beobachtungspflicht trifft, nicht existiert, war der ordentliche Revisionsrekurs
für zulässig zu erklären.
Landesgericht Feldkirch
Abt. 3, am 5. Mai 2004