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Verbrauchergerichtsstand nach Art. 15 EuGVVO

LG Salzburg, Beschluss vom 28.1.2004, 53 R 13/04z

EuGVVO Art. 15

*****   Zusammenfassung   *****

Ein österreichischer Hotelier klagt ein deutsches Ehepaar, das über seine Website ein Urlaubsquartier buchte und dann stornierte, auf Bezahlung der Stornogebühr. Das Erstgericht erklärte sich für unzuständig.
Das LG bestätigte als Rekursgericht diese Entscheidung: Das öst. Gericht ist unzuständig, da es sich um eine Verbrauchersache nach Art. 15 EuGVVO handelt.

*****   Entscheidung   *****

Das Landesgericht Salzburg als Rekursgericht hat durch Hofrat Dr. Thor als Vorsitzenden sowie die weiteren Richter Dr. Bourcard-Treder und Dr. Wagner in der Rechtssache der klagenden Partei R*** W***, vertreten durch Dr. Wolfgang Stolz, Rechtsanwalt in 5550 Radstadt, gegen die beklagten Parteien 1.) Josef D***, Angestellter, Deutschland, 2.) Friederike D***, Angestellte, Deutschland, beide vertreten durch Dr. Utho Hosp, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, wegen € 1.804,80 s.A., über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Radstadt vom 5.11.2003, 2 C 578/03x - 8, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Zwangsfolge die mit € 274,78 bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin enthalten € 45,80 an USt.) zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs. 2 Z 1 ZPO).

Begründung:

Der Kläger betreibt das Hotel "Zauchenseehof" in Altenmarkt/Pg. Für dieses Hotel hat der Kläger auch eine Internet-Seite unter der Domaine www.zauchenseehof.com eingerichtet, die eine Beschreibung des Hotels sowie die Zimmerpreise und diverse Pauschalarrangements enthält. Über ein Formular besteht die Möglichkeit zur Online-Anfrage und Online-Vorreservierung.
Am 5.8.2002 nahm Frau Maria S*** (wohnhaft in der BRD) über das Web-Formular eine unverbindliche Zimmeranfrage für die Familien S*** und D*** vor, worauf die klagende Partei auf Geschäftsbriefpapier den Hotelprospekt und weitere Informationen übermittelte. Mit E-Mail vom 13.8.2002 reservierte Frau Maria S*** für die Familien S*** und D*** zwei Doppelzimmer und ein Dreibettzimmer für den Zeitraum 27.12.2002 bis 4.1.2003. Die Reservierung wurde von der klagenden Partei am selben Tag bestätigt.
Mit Schreiben vom 23.12.2002 stornierten die Beklagten "aus persönlichen Gründen" die reservierten Zimmer. Daraufhin nahm die klagende Partei mit Schreiben vom 9.1.2003 eine Stornoabrechnung vor, welchen Betrag sie dann beim Bezirksgericht Radstadt einklagte. Zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes wurde u.a. vorgebracht, dass Radstadt als Erfüllungs- und Gerichtsort vereinbart worden sei.

Die beklagten Parteien erhoben die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit dieses Gerichtes im Wesentlichen mit der Begründung, dass es sich hier um eine sogenannte Verbrauchersache iSd Art. 15 der EuGVVO handle.

Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Erstgericht die Unzuständigkeit des angerufenen Bezirksgerichtes Radstadt aus, wies es die Klage zurück und verpflichtete es den Kläger zum Kostenersatz gegenüber den beklagten Parteien.
In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass Gegenstand dieses Rechtsstreites eine Verbrauchersache iSd Art. 15 EuGVVO sei, weshalb gemäß Art. 16 Abs. 2 EuGVVO die Klage gegen den Verbraucher, hier die beklagten Parteien, die einen Familienurlaub buchten, nur vor dem Gericht des Mitgliedsstaates erhoben werden kann, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, der in der BRD liege.

Der Kläger ficht diesen Beschluss zur Gänze aus dem Rekursgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung an, verbunden mit dem Antrag auf dahingehende Abänderung, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Die beklagten Parteien bekämpfen in ihrer Rekursbeantwortung den geltend gemachten Rekursgrund und beantragen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtssatz

Der Rekurs ist nicht begründet.
Die Rekursausführungen lassen sich dahingehend zusammengefasst wiedergeben, dass es sich beim Zurverfügungstellen eines Doppelzimmers und eines Dreibettzimmers in Altenmarkt/Zauchensee um einen Mietvertrag handle, da allfällige zusätzliche Leistungen, wie das Zurverfügungstellen von Frühstück oder Halbpension, eine untergeordnete Nebenleistung bedeute, weshalb der Beherbergungsvertrag als Vertrag iSd Art. 22 EuGVVO zu qualifizieren sei. Es handle sich somit um eine ausschließliche Zuständigkeit dieses Gerichtes für einen Mietvertrag. Außerdem sei es selbstverständlich, dass österreichische Hotels und Privatzimmervermieter über Internet-Seiten verfügen, was aber noch nicht als aktives Ausrichten von Tätigkeiten im Rahmen von Beherbergungsverträgen auf einen Mietgliedsstaat beurteilt werden könne, denn angesprochen werde nur ein Personenkreis, der in Altenmarkt/Zauchensee als Gast unterkommen wolle und könnten daher auch private Zimmerangebote nicht der Anwendbarkeit des Art. 15 EuGVVO unterstellt werden. Rechtsrichtig hätte daher der Art. 22 EuGVVO für die Beurteilung der Zuständigkeit herangezogen werden sollen und sei die Anwendung der Bestimmungen der Art. 15 f EuGVVO verfehlt. Diesen Argumenten kann aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden:

Zunächst ist es einhellige höchstgerichtliche Judikatur, dass Gastaufnahme- oder Beherbergungsverträge, wie der gegenständliche, als gemischte Verträge aufgefasst werden, die nicht nur miet-, sondern auch werk-, kauf- und dienstvertragliche Elemente aufweisen (MietSlg 52.202, 53.133 mwN). Schon deshalb kann nicht gesagt werden, dass es sich bei Gastaufnahme- bzw. Beherbergungsverträgen um Miete oder gar Pacht von unbeweglichen Sachen iSd Art. 22 EuGVVO handle.

Außerdem trat am 1.3.2002 die Verordnung (EG) Nr.44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I-Verordnung) in Kraft. Diese ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in den Mitgliedsstaaten (Art. 76). Nach Art. 15 Abs. 1 lit. c) der Brüssel I-Verordnung bestimmt sich für Klagen aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, die Zuständigkeit - unbeschadet des Art. 4 und des Art. 5 Z 5 - nach dem vierten Abschnitt dieser Verordnung ("Zuständigkeit bei Verbrauchersachen"), wenn der andere Vertragspartner dieses Vertrages in den Mitgliedsstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedsstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedsstaates, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Es sind durch diese Brüssel I-Verordnung die Anwendungsvoraussetzungen der Verbraucherschutzbestimmungen gegenüber dem Brüsseler und dem Luganer-Übereinkommen deutlich erweitert worden, wobei hervorzuheben ist, dass Art. 15 Abs. 1 lit. c) EuGVVO alle Verbraucherverträge erfasst, die nicht ohnedies bereits in lit. a) und lit. b) angeführt werden, sodass also selbst sogenannte Time-Sharing-Verträge, bei denen mietrechtliche Elemente in Form von Teilzeitnutzungsrechten die Hauptleistung bilden, nicht mehr als Mietverträge über unbewegliche Sachen im Sinne von Art. 22 EuGVVO zu qualifizieren sind, sondern als Verbraucherverträge. Der hier gegenständliche Gastaufnahmevertrag ist aber ohnedies mit seinen gemischten Vertragselementen derartigen Time-Sharing-Verträgen nicht vergleichbar.

Außerdem kann wohl nicht ernsthaft behauptet werden, dass die Einrichtung einer Internet-Seite für das vom Kläger betriebene Hotel samt Buchungsmöglichkeiten nicht auch auf mögliche Gäste in der BRD "ausgerichtet" sei, was im Übrigen gerade auch der gegenständliche Buchungsvorgang beweist. Hintergrund für die verbraucherschutzfreundliche Änderung in der EuGVVO war ja nach den Materialien der Gedanke, dass damit der Entwicklung der Vermarktungstechniken Rechnung getragen werden sollte. Nach dem Verordnungsvorschlag der Kommission (Dokument 599 PC 0348, ABl EG 28.12.1999, C 376, zu Art. 15) ist unter einem "Ausrichten" auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers auch das Betreiben einer im Wohnsitzstaat des Verbrauchers zugänglichen "aktiven" Website zu verstehen.
Die Entscheidung des Erstgerichtes ist daher fehlerfrei.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Die Rechtsmittelbeschränkung folgt aus der zitierten Gesetzesstelle.

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