Gewerbepflicht im E-Commerce (Fotodienst)
OGH, Beschluss vom 14.7.2009, 4 Ob 30/09d
***** Zusammenfassung *****
Die beklagte belgische Gesellschaft bietet Kunden weltweit die Entwicklung und Ausarbeitung von Digitalfotos über ihre Internetseite an. Eine österreichische Konkurrentin klagt auf Unterlassung, weil sich die Beklagte durch Rechtsbruch - sie verfüge für Österreich über keine gewerberechtliche Bewilligung - einen Wettbewerbsvorteil verschaffe.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab, das Rekursgericht bestätigte.
Der OGH gibt dem Revisionsrekurs nicht Folge. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kommt es für die Definition der „Niederlassung" auf den Schwerpunkt der tatsächlich ausgeübten wirtschaftlichen Aktivität an, und zwar mittels einer festen Einrichtung auf unbestimmte Zeit. Die Bewerbung der und das Vertragsanbot auf Ausarbeitung digitaler Daten zu Fotos im Internet ist ein Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne von § 3 Z 1 ECG. Das gilt nicht für die beworbene Dienstleistung (Ausarbeitung der Fotos) selbst, weil diese nicht in Form der elektronischen Datenverarbeitung erbracht wird. Österreichisches Gewerberecht ist auf bloße Online-Tätigkeiten eines Unternehmers mit Sitz im EU-Ausland (Werbung und Vertragsabschluss im Internet) nicht anwendbar. Die nach der GewO 1994 vorgesehenen Rechte und Pflichten gelten zwar grundsätzlich auch für Angehörige eines anderen Mitgliedstaats der Gemeinschaft (§ 373a GewO), jedoch nur dann, wenn sie eine gewerbliche Tätigkeit in Österreich (tatsächlich) ausüben. Die Beklagte, die keine gewerbliche Tätigkeit in Österreich entfaltet und hier auch über keine Niederlassung verfügt, durfte diese Regelungen daher mit guten Gründen in einer Weise auslegen, dass sie ihrer Dienstleistung nicht entgegenstehen. Eine Verstoß gegen § 1 UWG liegt daher nicht vor.
***** Entscheidung *****
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Michael Raffaseder, Rechtsanwalt in Freistadt, gegen die beklagte Partei F*****, vertreten durch Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 30.000 EUR), infolge ordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 9. Jänner 2009, GZ 6 R 222/08x-27, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 12. November 2008, GZ 5 Cg 178/08h-19, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.678,68 EUR
(darin 279,78 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen
14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin betreibt österreichweit einen Fotoversand und bietet ihren
Kunden das gesamte Angebot der Fotoausarbeitung.
Die beklagte belgische Gesellschaft ist auf Digitalfotoprodukte und
Internet-Anwendungen spezialisiert. Über ihre Internetseite „www.f*****.com"
bietet sie den Kunden weltweit die Entwicklung und Ausarbeitung von
Digitalfotos an, wobei ihre Leistungen auf dieser Homepage unter anderem
auch in deutscher Sprache beworben und angeboten werden. Sobald sich ein
Internetuser auf dieser Homepage einwählt, erkennt deren Software das Land,
von dem aus sich der Internetbesucher einwählt und leitet diesen von der
Hauptseite „www.f*****.com" auf die entsprechende länderspezifische
Subdomain in der entsprechenden Sprache weiter. Benutzer aus Österreich
gelangen daher auf die Subdomain „at.f*****.com". Die Beklagte besitzt keine
österreichische Gewerbeberechtigung, insbesondere keine Berechtigung nach §
94 Z 20 GewO 1994 (Fotografengewerbe). Die Beklagte hat bislang auch keine
Anzeige im Sinne des § 373a Abs 4 GewO beim Bundesminister für Wirtschaft
und Arbeit vorgenommen. Sie bezeichnet sich als weltweites
Online-Digitalfoto-Service und unterhält neben ihrem Sitz in Belgien 14
weitere Niederlassungen weltweit. In Österreich unterhält die Beklagte keine
Niederlassung. Die Entwicklung derartiger Digitalprodukte sowie der
Fotoversand wird ausschließlich über den Firmensitz in Belgien abgewickelt.
In Österreich besteht keine Postanschrift, kein Büro, kein Postfach und
keine Telefonnummer sowie auch keine österreichbezogene E-mail-Adresse
(„.at"). Österreichische Kunden können die Beklagte postalisch über eine
Anschrift in Belgien oder über ein E-mail-Formular auf der Website „at.f*****.com"
kontaktieren. E-mails an österreichische Kunden werden von Belgien aus
geschrieben und verschickt. Kunden der Beklagten können die
Fotoausarbeitungen ausschließlich online per Kreditkarte oder durch andere
Online-Zahlungsmethoden bezahlen. Die Rechnungen für österreichische Kunden
werden von Belgien aus mit belgischem Rechnungsaussteller und belgischer
Umsatzsteuer fakturiert. Das Gewerbe „Fotolabor" ist in Belgien nicht
reguliert. Diese Tätigkeit kann ohne Genehmigung ausgeübt werden. Die
Ausübung dieses Gewerbes durch die Beklagte erfolgt in Belgien rechtmäßig.
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens begehrte die
Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung bis zur
rechtskräftigen Beendigung des über die Klage geführten Rechtsstreits zu
verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die
gewerbsmäßige Ausarbeitung von digitalen Daten zu Fotos in Österreich
anzubieten, wenn sie nicht über die dafür erforderliche Gewerbeberechtigung
eines Fotografen gemäß § 94 Z 20 GewO 1994 verfüge. Durch das Anbieten ihrer
Leistungen in Österreich unterliege die Beklagte den österreichischen
gewerberechtlichen Vorschriften, weil gemäß § 1 Abs 4 GewO 1994 das Anbieten
einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren
Personenkreis der Ausübung des Gewerbes gleichzuhalten sei. Die
gewerbsmäßige Ausarbeitung von digitalen Bilddaten erfordere eine
Gewerbeberechtigung nach § 94 Z 20 GewO 1994, die einen Befähigungsnachweis
voraussetze. Für die über den Betrieb eines Minilabors hinausgehende
Tätigkeit der Fotoausarbeitung sei die volle Gewerbeberechtigung nach § 2
der Fotografenverordnung BGBl II 45/2003 erforderlich. Die Beklagte sei
nicht im Gewerberegister eingetragen und verfüge weder über eine volle noch
eine eingeschränkte Gewerbeberechtigung. Sie verstoße daher nicht nur gegen
die Gewerbeordnung, sondern auch gegen § 1 UWG, weil sie sich durch die
Nichteinhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften einen Wettbewerbsvorteil
gegenüber den Mitbewerbern verschaffe. Es liege auch keine Tätigkeit des
freien Dienstleistungsverkehrs vor, zumal § 373a GewO voraussetze, dass die
Tätigkeit vorübergehend oder gelegentlich ausgeübt werde, die Leistung der
Beklagten jedoch auf Dauer angelegt sei. Die Homepage der Beklagten sei
jedenfalls seit Juli 2008 durchgehend online, sodass der Klägerin ein
Anspruch auf Unterlassung zustehe.
Die Beklagte hielt dem entgegen, sie übe als „via Internet
Gewerbetreibende" ihre Tätigkeit aus Sicht der GewO am Standort ihrer
ausländischen Gewerbeberechtigung aus. Das Internet stelle aus
gewerberechtlicher Sicht nur ein spezielles Kommunikationsmittel dar. Auf
die angebotenen und erbrachten Leistungen seien ausschließlich die
gewerberechtlichen Vorschriften ihres Herkunftslands Belgien anzuwenden. Die
von ihr ausgeübte Tätigkeit unterliege - nicht zuletzt auch nach dem
E-Commerce-Gesetz (ECG) - ausschließlich belgischem Recht und werde in
Belgien aufgrund entsprechender Konzessionen rechtmäßig ausgeübt. Die
Versendung der entwickelten Digitalfotos sei eine im Rahmen der
Warenverkehrsfreiheit zulässige und nicht der GewO unterliegende
Warenlieferung. Jedenfalls könne der Beklagten keine subjektiv vorwerfbare
sittenwidrige Wettbewerbshandlung angelastet werden, zumal ihre Auffassung
gesetzlich soweit gedeckt sei, dass sie mit gutem Grund vertreten werden
könne.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Beim Gewerbe des
Berufsfotografen handle es sich um ein nach § 94 Z 20 GewO 1994
reglementiertes Gewerbe, für dessen Ausübung ein Befähigungsnachweis
erforderlich sei. Gleiches gelte für die Übernahme von Filmen und
Datenträgern zur Ausarbeitung von Fotos als Nebenrecht dieses Gewerbes. Im
vorliegenden Fall übe die Beklagte ihr Gewerbe via Internet (e-commerce)
aus. Das Einrichten einer Homepage sei grundsätzlich ein Anbieten im Sinne
des § 1 Abs 4 2. Satz GewO, das der Ausübung des Gewerbes gleichzusetzen
sei. Ort der Gewerbeausübung sei sowohl beim Anbieten als auch bei der
eigentlichen Leistungserbringung der Ort der Niederlassung des
Internet-Gewerbetreibenden. Der Standort des Providers sowie eines Servers
oder einer sonstigen Einrichtung, die den Zugriff auf die Homepage
ermöglichten, sei irrelevant. Aus Sicht der GewO führten Gewerbetreibende
eine via Internet ausgeübte Tätigkeit am Standort ihrer (in- bzw
ausländischen) Gewerbeberechtigung aus. Ausländische
Internet-Gewerbetreibende übten daher grundsätzlich keine der
österreichischen GewO unterliegende Tätigkeit aus, es sei denn, eine
wesentliche Teiltätigkeit ihres Gewerbes werde unmittelbar an Ort und Stelle
beim inländischen Kunden erbracht. Die Versendung der ausgearbeiteten Fotos
an die österreichischen Kunden sei als grenzüberschreitende Warenlieferung
und nicht als grenzüberschreitender Dienstleistungsverkehr anzusehen. Die
Tätigkeiten der Beklagten verstießen daher nicht gegen die Bestimmungen der
Gewerbeordnung, weshalb auch kein Verstoß gegen § 1 UWG vorliege.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss; es sprach aus, dass
der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der
ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Online-Angebot der Beklagten
sei als Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne des § 3 Z 1 ECG und die
Beklagte als Diensteanbieter gemäß § 3 Z 2 ECG zu qualifizieren. Im
koordinierten Bereich (§ 3 Z 8 ECG), worunter die Bestimmungen über den
Befähigungsnachweis nach der österreichischen GewO fielen, gelte das
Herkunftslandprinzip (§ 20 Abs 1 ECG). Somit sei auf die Internetgeschäfte
der Beklagten belgisches Recht anzuwenden. Dass die Beklagte ihr Gewerbe in
Belgien rechtmäßig ausübe, sei nicht strittig und auch nicht relevant, weil
sich die Klägerin nur auf einen Verstoß gegen österreichisches Gewerberecht
stütze. Es liege auch keine der in § 21 ECG angeführten Ausnahmen vom
Herkunftslandprinzip vor. Insbesondere komme die Bestimmung des § 21 Z 14
ECG, wonach das Herkunftslandprinzip auf Rechtsvorschriften über
Dienstleistungen, die nicht elektronisch erbracht werden, nicht anzuwenden
sei, nicht zum Tragen, weil die (nicht elektronische) Ausarbeitung von
Digitalfotos in Belgien erfolge und das Versenden der Fotos von Belgien nach
Österreich keine unter die österreichische Gewerbeordnung fallende
wesentliche Teiltätigkeit darstelle. Die Anwendung österreichischen Rechts
auf den vorliegenden Sachverhalt scheide daher aus. Das Begehren der
Klägerin sei nicht berechtigt, weil mangels Anwendbarkeit österreichischen
Rechts kein Verstoß gegen österreichisches Recht vorliegen könne. Der
ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zu den
verfahrensgegenständlichen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der
Anwendbarkeit des ECG und des darin normierten Herkunftslandprinzips keine
höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist aus dem vom Rekursgericht genannten
Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1. Anwendung des ECG:
1.1. Die Klägerin macht geltend, das ECG sei auf den gegenständlichen Fall nicht
anwendbar, weil kein „elektronischer Geschäftsverkehr" gemäß § 1 Abs 1 ECG bzw
kein „Dienst der Informationsgesellschaft" gemäß § 3 Z 1 ECG vorliege. Der Kern
der erbrachten Dienstleistung, nämlich die Ausarbeitung von Fotos aus digitalen
Daten, werde nicht im Internet bzw in Form von elektronischer Datenverarbeitung
erbracht, sondern im Labor der Beklagten. Das Internet diene hier nur der
Vorbereitung der Dienstleistung, nämlich einerseits deren Bewerbung und
andererseits der Übermittlung der elektronischen Daten.
1.2. § 3 Z 1 ECG definiert den Dienst der Informationsgesellschaft als einen „in
der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz auf individuellen Abruf des
Empfängers bereitgestellten Dienst (§ 1 Abs 1 Z 2 Notifikationsgesetz 1999),
insbesondere der Online-Vertrieb von Waren und Dienstleistungen,
Online-Informationsangebote, die Online-Werbung, elektronische Suchmaschinen und
Datenabfragemöglichkeiten sowie Dienste, die Informationen über ein
elektronisches Netz übermitteln, die den Zugang zu einem solchen vermitteln oder
die Informationen eines Nutzers speichern".
1.3. Das Gesetz orientierte sich bei dieser demonstrativen Aufzählung an den im
Erwägungsgrund 18 der E-Commerce-Richtlinie (2000/31/EG) erwähnten Beispielen
(RV, 26, abgedruckt in Laga/Sehrschön/Ciresa, E-Commerce-Gesetz2 9).
Gemäß Erwägungsgrund 18 der E-Commerce-Richtlinie umfassen die Dienste der
Informationsgesellschaft einen weiten Bereich von wirtschaftlichen Tätigkeiten,
die online vonstatten gehen. Diese Tätigkeiten können insbesondere im
Online-Verkauf von Waren bestehen. Tätigkeiten wie die Auslieferung von Waren
als solche oder die Erbringung von Offline-Diensten werden nicht erfasst.
1.4. Der Dienst der Informationsgesellschaft muss „elektronisch" erbracht
werden. Die Daten oder Informationen müssen über ein System laufen, in dem die
Daten sowohl beim Sender als auch beim Empfänger elektronisch verarbeitet und
gespeichert werden. Dabei müssen die elektronischen Daten gesendet,
weitergeleitet und empfangen werden. Charakteristisch ist, dass die Daten von
„Punkt zu Punkt" übertragen werden. Solche Dienste sind etwa der Online-Vertrieb
von Waren und Dienstleistungen, der Online-Vertrieb von Finanzdienstleistungen,
das so genannte „electronic publishing", die Online-Werbung und andere
elektronische Maßnahmen zur Absatzförderung, Online-Informationsangebote sowie
Online-Dienste, die Instrumente zur Datensuche, zum Zugang zu Daten oder zur
Datenabfrage bereitstellen (Burgstaller-Minichmayr, E-Commerce-Gesetz 30).
1.5. Daraus ergibt sich für die als Dienste der Informationsgesellschaft im
Sinne von § 3 Z 1 ECG zu qualifizierenden Online-Aktivitäten der Beklagten
(Bewerbung und Vertragsabschluss im Internet) die Anwendbarkeit des ECG. Dies
gilt aber nicht für die beworbene Dienstleistung selbst (Ausarbeitung der
Fotos), da diese nicht in Form von elektronischer Datenverarbeitung erbracht
wird.
2. Anwendung österreichischen Gewerberechts:
2.1. Für Dienste der Informationsgesellschaft gilt im koordinierten Bereich (§ 3
Z 8 ECG) gemäß § 20 Abs 1 ECG das Herkunftslandprinzip. In den koordinierten
Bereich fallen alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und
die Ausübung der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft (Burgstaller-Minichmayr
aaO 35). Der koordinierte Bereich umfasst aber nicht die Vorschriften betreffend
die (physische) Ware selbst oder deren Lieferung bzw die Vorschriften über
Dienste, die nicht auf elektronischem Wege angeboten werden. Dies bedeutet
umgekehrt, dass der sogenannte direkte E-Business (etwa Software-Download oder
Electronic Ticketing) vom koordinierten Bereich erfasst ist. Für den indirekten
E-Business gilt dieser nur, soweit Online-Tätigkeiten betroffen sind (Spindler/Fallenböck,
Das Herkunftslandprinzip der E-Commerce-Richtlinie und seine Umsetzung in
Deutschland und Österreich, ZfRV 2002/23).
Auf die Online-Tätigkeit der Beklagten ist somit belgisches Recht anzuwenden.
Ein Verstoß gegen gewerberechtliche Vorschriften in Österreich scheidet insoweit
aus.
2.2. Die Klägerin macht geltend, selbst im Falle der Geltung des ECG sei
österreichisches Gewerberecht anzuwenden, weil § 4 Abs 2 ECG ausdrücklich
vorsehe, dass die Rechtsvorschriften über die Ausübung einer gewerblichen
Tätigkeit von den Vorschriften des ECG unberührt blieben.
2.3. Ob und inwieweit ausländische Diensteanbieter einer (Gewerbe-)Berechtigung
in Österreich bedürfen, wird durch § 4 ECG nicht beantwortet. Erbringt ein
Unternehmer seine Leistung zur Gänze online, so ist seine gesamte Tätigkeit
Dienst der Informationsgesellschaft und unterliegt dem Herkunftslandprinzip.
Erbringt er seine Leistung jedoch physisch anwesend beim Kunden in Österreich,
dann kann er sich mangels Erbringung eines Dienstes der Informationsgesellschaft
nicht auf das Herkunftslandprinzip berufen; er hat seine Befähigung nach § 373a
GewO nachzuweisen (Laga/Sehrschön/Ciresa aaO 22).
2.4. Die Richtlinie erfasst jegliche Tätigkeit, die mittels
Fernkommunikationsmittel erbracht wird, damit auch den Online-Verkauf. Auch wenn
daher an sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der
Schwerpunkt einer wirtschaftlichen Tätigkeit auf dem Warenabsatz läge, ist bei
entsprechender Werbung über elektronische Wege die E-Commerce-Richtlinie
einschlägig - allerdings nur eben hinsichtlich dieser Werbung und dem
Online-Vertragsabschluss, nicht hinsichtlich der außerhalb der elektronischen
Übertragung stattfindenden Vorgänge. Der Bereich außerhalb der Online-Welt, etwa
Anforderungen an Waren, die offline geliefert werden, wird von der Richtlinie
nicht tangiert (Spindler in Gounalakis, Rechtshandbuch Electronic Business
[2003]).
Als Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, dass österreichisches
Gewerberecht auf die Online-Tätigkeiten der Beklagten (Werbung und
Vertragsanbot) nicht anzuwenden ist.
2.5. Zu prüfen bleibt, ob einer der Tatbestände der §§ 21 bzw 22 ECG (Ausnahmen
bzw Abweichungen vom Herkunftslandprinzip) gegeben ist.
2.5.1. Gemäß § 21 Z 14 ECG ist das Herkunftslandprinzip im Bereich der
Rechtsvorschriften über Dienstleistungen, die nicht elektronisch erbracht
werden, nicht anzuwenden. Dies bedeutet für den Online-Vertrieb von Waren und
Dienstleistungen - der als Dienst der Informationsgesellschaft zu qualifizieren
ist, auch wenn der Versand der Ware oder die Erbringung der Dienstleistung nicht
elektronisch erfolgt -, dass hinsichtlich Webauftritt und Bestellmöglichkeit das
Recht des Niederlassungsstaats des Diensteanbieters gilt (Herkunftslandprinzip),
nicht aber für die Vertragserfüllung durch physische Übersendung der Ware (Laga/Sehrschön/Ciresa
aaO 108 f).
Die - eng auszulegende (vgl 4 Ob 62/06f) - Ausnahmebestimmung vom
Herkunftslandprinzip nach § 21 Z 14 ECG kann somit im konkreten Fall nicht die
Anwendbarkeit des österreichischen Gewerberechts auf die Online-Aktivitäten der
Beklagten begründen.
2.5.2. § 22 ECG regelt bestimmte Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip. Im
konkreten Einzelfall soll eine Ausnahme von der grundsätzlichen Anwendbarkeit
des Rechts des Niederlassungsstaats des Diensteanbieters gemacht werden können,
wenn eine nationale Behörde oder ein Gericht eine Maßnahme gegen den
ausländischen Diensteanbieter wegen Verletzung eines bestimmten Schutzziels
ergreift (Brenn, ECG 335). Im vorliegenden Fall ist eine Verletzung bzw
Beeinträchtigung der in § 22 Abs 2 ECG genannten Schutzziele durch die
Online-Tätigkeit der Beklagten nicht zu erkennen.
2.6. Untrennbar mit der Festlegung des Herkunftslandprinzips ist die Definition
der „Niederlassung" des Diensteanbieters verbunden. In Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kommt es auf den Schwerpunkt der
tatsächlich ausgeübten wirtschaftlichen Aktivität an (Maennel in Lehmann,
Electronic Business in Europa [2002]), und zwar mittels einer festen Einrichtung
auf unbestimmte Zeit (§ 3 Z 3 ECG).
Nach dem bescheinigten Sachverhalt ist der - so definierte - Ort der
Niederlassung der Beklagten zweifellos nicht in Österreich, sondern in Belgien
gelegen.
2.7. Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass aufgrund des Herkunftslandprinzips
nach § 20 ECG die Anwendung des österreichischen Gewerberechts auf die (bloßen)
Online-Aktivitäten der Beklagten ausscheidet.
3. Fotoausarbeitung:
3.1. Wie oben zu 1.5. ausgeführt sind auf die beworbene Dienstleistung selbst
(Ausarbeitung der Fotos) die Bestimmungen des ECG nicht anzuwenden, da diese
nicht in Form von elektronischer Datenverarbeitung erbracht wird. Es stellt sich
daher die Frage, ob diesbezüglich österreichisches Gewerberecht zur Anwendung
kommt, wobei das Fehlen einer österreichischen Gewerbeberechtigung einen
Rechtsbruch nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG begründen könnte.
3.2. Die Klägerin macht einen Verstoß gegen § 1 UWG (Wettbewerbsvorsprung durch
Rechtsbruch) geltend. Sie stützt die Gesetzwidrigkeit der beanstandeten
Tätigkeit (Fotoausarbeitung) ausschließlich auf die für die
Dienstleistungserbringung in Österreich geltenden Bestimmungen der GewO 1994.
Der behauptete Rechtsbruch besteht im Fehlen einer nach der österreichischen
Rechtsordnung für die Leistungserbringung (in Österreich) erforderlichen
Gewerbeberechtigung. Die nach der GewO 1994 vorgesehenen Rechte und Pflichten
gelten zwar grundsätzlich auch für Angehörige eines anderen Mitgliedstaats der
Gemeinschaft (§ 373a GewO), jedoch nur dann, wenn sie eine gewerbliche Tätigkeit
in Österreich (tatsächlich) ausüben (Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO 1994², §
373a Rz 3). Die Beklagte, die keine gewerbliche Tätigkeit in Österreich
entfaltet und hier auch über keine Niederlassung verfügt, durfte diese
Regelungen daher mit guten Gründen in einer Weise auslegen, dass sie ihrer
Dienstleistung nicht entgegenstehen (4 Ob 62/06f; zur Rechtslage nach der
UWG-Nov 2007 RIS-Justiz RS0123239).
4. Zusammenfassung:
4.1. Die Bewerbung der und das Vertragsanbot auf Ausarbeitung digitaler Daten zu
Fotos im Internet ist ein Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne von § 3 Z
1 ECG. Das gilt nicht für die beworbene Dienstleistung (Ausarbeitung der Fotos)
selbst, weil diese nicht in Form der elektronischen Datenverarbeitung erbracht
wird.
4.2. Die Beklagte durfte die Regelungen der GewO 1994 mit guten Gründen so
verstehen, dass die in ihrem Heimatstaat (Belgien) ausgeführte Dienstleistung
nicht den österreichischen Gewerberechtsvorschriften unterliegt.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.