Auskunftspflicht des Access-Providers:
OLG Wien, Beschluss vom 16.2.2005, 18 Bs 24/05v
***** Zusammenfassung *****
Privatklägerin ist eine Dachgesellschaft der Bild- und Tonträgerhersteller.
Sie erstattete Anzeige gegen einen unbekannten Täter, der zu einem
bestimmten Zeitpunkt unter einer bestimmten (dynamischen) IP-Adresse in
einer Tauschbörse umfangreiches, urheberrechtlich geschütztes Material
angeboten hatte, und beantragte, den Provider beschlussmäßig anzuweisen, den
Inhaber der IP-Adresse bekanntzugeben.
Der Untersuchungsrichter wies das Auskunftsersuchen der Privatanklägerin ab.
Das OLG ggibt der dagegen erhobenen Beschwerde der Privatanklägerin Folge. Bei
der Bekanntgabe des Inhabers einer IP-Adresse handle es sich nur um eine
Bekanntgabe von Stammdaten. Die Beauskunftung sei auch in § 18 Abs. 4 ECG
vorgesehen.
***** Entscheidung *****
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Körber als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Röggla und die Richterin Mag. Wachberger als weitere Senatsmitglieder in nichtöffentlicher Sitzung in der Strafsache der Privatanklägerin XXX gegen UT wegen § 91 Abs. 1 UrhG über die Beschwerde der Privatanklägerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20.Dezember 2004, GZ 293 UR 354/04h-8, den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und der zuständigen Untersuchungsrichterin die neuerliche Entscheidung aufgetragen.
Begründung:
Mit Schriftsatz vom 3. November 2004 beantragte die Privatanklägerin die
Einleitung gerichtlicher Vorerhebungen gegen unbekannte Täter wegen § 91 Abs. 1
iVm § 86 Abs. 1 Z 3 und 4 UrhG, denen zugrundeliegt, dass durch einen
Internetuser, dem am xx.xx.2004 im Zeitraum von yy Uhr bis zz Uhr die IP-Nummer
xxx.xxx.xxx.xxx zugeordent war, im Wege eines Filesharingsystems über 1.000
Musikfiles zum Download angeboten worden seien.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den im Rahmen der
Vorerhebungen gestellten Antrag, den Internetprovider XYZ anzuweisen, Name und
Anschrift jenes Kunden bekannzugeben, dem die genannte IP-Nummer im relevanten
Zeitraum zugeordnet war, ab.
Dies mit der wesentlichen Begründung, es handle sich dabei um eine Rufdatenrückerfassung im Sinn des § 149a Abs. 1 Z 1 lit b Abs. 2 Z 2 StPO, die nur dann zulässig sei, wenn es der Aufklärung einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung diene. Der - nicht gewerbsmäßig - begangene Eingriff in fremde Urheberrechte ist gemäß § 91 Abs. 1 UrhG lediglich mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten bedroht, sodass die Voraussetzungen einer Telekommunikationsüberwachung nicht gegeben seien.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Privatanklägerin, der Berechtigung zukommt.
Denn Ziel des gegenständlichen Verfolgungsantrages ist nicht eine Rufdatenrückerfassung, die klären soll, welche Teilnehmeranschlüsse Ursprung und Ziel einer Telekommunikation sind bzw. waren (Reindl in WK-StPO § 149a RN 48).
Nur in diesem Umfang, sofern nämlich ein Fall des § 149a Abs. 1 Z 1 lit b StPO vorliegt, sind auch die Erläuternden Bemerkungen zu § 92 TKG 2003 zu verstehen, dass eine allfällige E-Mail-, Netzwerk- oder IP-Adresse zur Verbindung mit einem Teilnehmer bzw. im Internetbereich "originierende oder terminierende IP-Adressen" als sogenannte "Log-Daten" als Teile der Verkehrsdaten anzusehen sind (GP XXII RV 128 S 18 und 19) und solcherart von den Bestimmungen über die Überwachung eines Fernmeldeverkehrs nach den §§ 149a StPO ff erfasst werden. Dass nämlich der Aufbau einer derartigen Verbindung zu einem anderen Teilnehmer und die Preisgabe von dessen Identität im Wege einer IP-Adresse gleichsam als Rufdatenrückerfassung bereits unter das geschützte Kommunikationsgeheimnis fällt, bedarf keiner Erörterung.
Ausgehend von dem bekannten Teilnehmeranschluss (§ 149a Abs. 1 Z 3 StPO), das ist vorliegend die bekanntgegebene IP-Adresse (Reindl aaO RN 3, Fabrizy StPO § 149a RN 8), ist Ziel der Vorerhebung die Bekanntgabe der sogenannten Stammdaten, das sind die Informationen, wie zum Beispiel Name des Anschlussinhabers, seine Adresse etc, die bloß für die Abwicklung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Anbieter eines Telekommunikationsdienstes und der Person, welche diese Dienste nutzt, nötig sind (Reindl WK-StPO vor §§ 149a bis c RN 21, Fabrizy aaO RN 17).
Stammdaten unterliegen aber nicht dem Fernmeldegeheimnis, sondern nur dem Datenschutz. Auskünfte an Strafgerichte zur Bekanntgabe von Stammdaten (das heißt regelmäßig der Bekanntgabe der Identität des Teilnehmers anhand einer bestimmten Telefonnummer (dem entspricht eine IP-Adresse) zum Zweck der Aufklärung und Verfolgung einer bestimmten Straftat unterliegen nicht den Regelungen nach den §§ 149a ff (Fabrizy aaO RN 17; so auch sinngemäß OGH 16.3.2004, 4 Ob 7/04i).
Eine Überwachung der Telekommunikation im Sinn des § 149a StPO wäre daher - noch einmal gesagt - nur die Recherche, welche IP-Adressen ein bestimmter User während seines Aufenthaltes im Internet (WWW dgl) aufgesucht sowie an welche Adressen er bestimmte Daten gesandt bzw. von welchen Adressen er derartiges abgefragt oder heruntergeladen hat, nicht aber die Anfrage, welche IP-Adresse - ob statisch oder dynamisch - einem bestimmten User anlässlich der Inanspruchnahme der angebotenen Dienste zugewiesen war.
Nicht zu vergessen der § 18 Abs. 4 ECG, demzufolge Diensteanbieter den Namen und die Adresse eines Nutzers ihres Dienstes auf Verlangen dritter Personen bekanntgeben müssen, soferne diese ein überwiegendes rechtliches Interesse an der Feststellung der Identität eines Nutzers und eines bestimmten rechtswidrigen Sachverhaltes glaubhaft machen (vgl Brenn ECG Seite 297 Pkt 4.)
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Oberlandesgericht Wien
Abt.38, am 16.2.2005