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Entscheidungen zur Auskunftspflicht (Ö)

letzte Änderung

10.11.2013

Auskunftspflicht IP-Adressen: EuGH, 19.4.2012, C-461/10 (Bonnier Audio u.a./ Perfect Communication Sweden AB)

RL 2006/24/EG Art 1, 3, 4, 5, 11, RL 2004/48/EG Art 8

Manßnahmen nach Art 8 RL 2004/48/EG (EnforcementRL) fallen nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der RL 2006/24/EG (VorratsdatenRL), unabhängig davon, ob Letztere überhaupt umgesetzt wurde. Das Unionsrecht steht nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegen, die es nationalen Gerichten erlauben, auf Antrag der klagenden Partei nach Prüfung der Umstände des Einzelfalles unter entsprechender Interessenabwägung die Weitergabe personenbezogener Daten (hier: IPAdressen) für Zwecke der Verfolgung urheberrechtlicher Zivilansprüche anzuordnen.

 

Auskunftspflicht des Host-Providers hinsichtlich E-Mail-Adresse: OGH, Urteil vom 14.9.2011, 6 Ob 104/11d

ECG § 18

Der Kläger wurde von einem anonymen Poster im ORF-Forum in seiner Ehre verletzt und verlangte vom ORF die Herausgabe der Nutzerdaten. Zum damaligen Zeitpunkt bestand noch keine namentliche Registrierungspflicht beim ORF, sodass dieser weder den echten Namen noch die Adresse hatte, wohl aber die E-Mail-Adresse, unter der sich der Nutzer registriert hatte.

Das Erstgericht gab der Klage zur Gänze statt, das Berufungsgericht nur hinsichtlich Namen und Adresse.

Der OGH gibt der Klage auch hinsichtlich der E-Mail-Adresse statt. Unter Name und Adresse eines Nutzers iSd § 18 Abs. 4 ECG sind grundsätzlich dessen Vor- und Zuname und dessen Postanschrift, aber auch dessen E-Mail-Adresse zu verstehen.

 

Auskunftspflicht des Accessproviders im Strafverfahren: OGH, Urteil vom 13.4.2011, 15 Os 172/10y

StPO § 134, TKG § 92

Der OGH hat - wiederum im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes - entschieden, dass die Personendaten zu einer IP-Adresse als bloße Stammdaten im Strafverfahren immer herauszugeben sind, auch wenn beim Provider zur Ermittlung der Stammdaten Verkehrsdaten verarbeitet werden müssen. Das österreichische Recht enthält hinreichende Rechtsvorschriften, die (auch im Licht der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs C-275/06 und C-575/07) die Verarbeitung von Verkehrsdaten zur Auskunftserteilung über Stammdaten für Zwecke der Strafverfolgung legitimieren.

 

Kein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch gegen Accessprovider: OGH, Urteil vom 14.7.2009, 4 Ob 41/09x

UrhG § 87b, § 81, TKG § 92, § 99, RL 2001/29/EG, RL 2004/48/EG, RL 2002/58/EG, RL 2006/24/EG

Eine Verwertungsgesellschaft fordert von einem Accessprovider die Bekanntgabe der Inhaber bestimmter IP-Adressen von Filesharern aus dem KaZaA- Grokster-Imesh-Bereich. Er sei als Vermittler zur Auskunfterteilung über bloße Stammdaten verpflichtet. Der beklagte Provider bestritt den Auskunftsanspruch unter Verweis auf das Kommunikationsgeheimnis.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Auskunftsrecht sei ausdrücklich in § 87b UrhG normiert. Auch Access-Provider seien Vermittler im Sinne des § 81 UrhG, weil § 13 ECG, auf den § 81 UrhG verweise, gerade den Ausschluss der Verantwortlichkeit der Access-Provider regle. Stammdaten unterlägen auch nicht dem Kommunikationsgeheimnis. Das Berufungsgericht bestätigte.

Nachdem der OGH zunächst das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hatte (4 Ob 141/07z), ob die Auskunftspflicht der Vermittler laut Info-RL auch Accessprovider betrifft und ob die Weitergabe personenbezogener Verkehrsdaten an private Dritte zulässig ist, entscheidet er nun nach Vorliegen der EuGH-Entscheidung endgültig in der Sache selbst. Der OGH gibt der Revision Folge und weist die Klage ab. Die begehrte Auskunft ist nicht zu erteilen, da sie nur aufgrund einer nach derzeitiger Rechtslage rechtswidrigen Verarbeitung von Verkehrsdaten erteilt werden könnte.

 

LSG gegen Tele2 - zivilrechtlicher Auskunftsanspruch gegen Accessprovider: EuGH, Beschluss vom 19.2.2009, C-557/07

UrhG § 87b, § 81, RL 2001/29/EG, RL 2004/48/EG, RL 2002/58/EG

Die Verwertungsgesellschaft LSG fordert von der Tele2 als Accessproviderin die Bekanntgabe der Inhaber bestimmter IP-Adressen von Filesharern aus dem KaZaA-Grokster-Imesh-Bereich. Tele2 sei als Vermittlerin zur Auskunfterteilung über bloße Stammdaten verpflichtet. Der beklagte Provider bestritt den Auskunftsanspruch unter Verweis auf das Kommunikationsgeheimnis.

Das Gericht gab der Klage statt. Das Auskunftsrecht sei ausdrücklich in § 87b UrhG normiert. Auch Access-Provider seien Vermittler im Sinne des § 81 UrhG, weil § 13 ECG, auf den § 81 UrhG verweise, gerade den Ausschluss der Verantwortlichkeit der Access-Provider regle. Stammdaten unterlägen auch nicht dem Kommunikationsgeheimnis. Der Auskunftsanspruch nach § 87b UrhG gehe als lex posterior dem TKG vor. Auch eine Interessenabwägung falle zugunsten des Auskunftsanspruches aus, da Zweck des Datenschutzes nicht die Verschleierung von Rechtsverletzungen sei. Der Schutz von vorsätzlichen Rechtsverletzungen sei jedenfalls nicht mehr vom Schutzzweck des Datenschutzes umfasst. Daneben bestehe eine Verpflichtung zur Bekanntgabe der Identität von Nutzern auch nach § 18 Abs. 3 ECG. Es sei Sache des Providers die Daten, die er für die Auskunft benötige, vorrätig zu halten. Damit hätte das Gericht in einem Akt der Rechtsschöpfung auch gleich die Vorratsdatenspeicherpflicht eingeführt. Die Provider müssten ab sofort alle Zuordnungslisten von IP-Adressen aller Internetnutzer speichern, weil es sein könnte, dass irgendwann irgendein Rechtevertreter kommt und Auskunft begehrt. Damit wären wir wohl bei einer Speicherpflicht von drei Jahren (Verjährungsfrist). Die ganzen Sorgen des EU-Parlaments bezüglich einer möglichst engen zeitlichen Beschränkung der Speicherpflicht wären unnötig. Eindeutig daneben geht auch das Argument mit § 18 Abs. 3 ECG; dieser gilt nur für Hostprovider.

Der OGH setzte das Verfahren mit Beschluss vom 13.11.2007, 4 Ob 141/07z, aus und legte dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vor, ob die Auskunftspflicht der Vermittler laut Info-RL auch Accessprovider betreffe und ob die Weitergabe personenbezogener Verkehrsdaten an private Dritte zulässig sei.

Der EuGH stellt eindeutig fest, dass auch ein Accessprovider Vermittler im Sinne des Art 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 (und damit § 81 UrhG) und somit auch grundsätzlich zur Auskunft verpflichtet ist. Weiters führt er aus, dass die in Frage kommenden Richtlinien einen Mitgliedstaat grundsätzlich nicht daran hinderten, eine Verpflichtung zur Weitergabe personenbezogener Verkehrsdaten an private Dritte zum Zweck der zivilgerichtlichen Verfolgung von Urheberrechtsverstößen aufzustellen. Allerdings - und jetzt kommt die Frage, die der OGH noch beurteilen muss - seien die Mitgliedsstaaten gemeinschaftsrechtlich verpflichtet, darauf zu achten, dass die Richtlinien so ausgelegt werden, dass die verschiedenen beteiligten Grundrechte miteinander zum Ausgleich gebracht werden. Bei der Durchführung der Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinien müsse nicht nur das nationale Recht im Einklang mit diesen Richtlinien ausgelegt werden, sondern auch darauf geachtet werden, dass die Auslegung nicht mit den Grundrechten oder anderen allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts wie etwa dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kollidiere.

 

Zivilrechtlicher Auskunftsanspruch gegen Accessprovider: EuGH (Große Kammer), Urteil vom 29.1.2008, C-275/06

RL 2001/29/EG, RL 2004/48/EG, RL 2002/58/EG

Der spanische Musikproduzentenverband Productores de Músicade España (Promusicae) verlangte von einem Provider die Herausgabe der Daten von Kunden, die mit einer dynamischen IP-Adresse Urheberrechtsverletzungen in einer Tauschbörse begangen haben sollen. Nachdem das Erstgericht eine einstweilige Verfügung erlassen hatte, legte das Madrider Handelsgericht die Frage, ob die EU-Rechtslage es Spanien erlaube, die Auskunftspflicht auf Strafverfahren zu beschränken, dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Der EuGH lässt eine solche Beschränkung ausdrücklich zu. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens im Hinblick auf einen effektiven Schutz des Urheberrechts keine Pflicht zur Mitteilung personenbezogener Daten im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vorsehen. Eine solche Pflicht zu Auskunftsregelungen statuieren weder die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr oder die Urheberrechtsrichtlinie noch die Richtlinie zur besseren zivilrechtlichen Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums oder die Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation. Die Mitgliedstaaten müssen bei der Umsetzung aller dieser Vorgaben ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten sicherstellen. Dabei sind auch andere allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, wie etwa der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zu berücksichtigen. Insgesamt müssen die Mitgliedsstaaten ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten sicherstellen. Die Mitgliedsstaaten haben zwar die Möglichkeit, eine Pflicht zur Weitergabe personenbezogener Daten im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vorzusehen, sind aber nicht dazu gezwungen.

 

Zivilrechtlicher Auskunftsanspruch gegen Accessprovider: HG Wien, Urteil vom 21.6.2006, 18 Cg 67/05

UrhG § 87b, § 81, ECG § 18 Abs.3

Eine Verwertungsgesellschaft fordert von einem Accessprovider die Bekanntgabe der Inhaber bestimmter IP-Adressen von Filesharern aus dem KaZaA- Grokster-Imesh-Bereich. Er sei als Vermittler zur Auskunfterteilung über bloße Stammdaten verpflichtet. Der beklagte Provider bestritt den Auskunftsanspruch unter Verweis auf das Kommunikationsgeheimnis.

Das Gericht gab der Klage statt. Das Auskunftsrecht sei ausdrücklich in § 87b UrhG normiert. Auch Access-Provider seien Vermittler im Sinne des § 81 UrhG, weil § 13 ECG, auf den § 81 UrhG verweise, gerade den Ausschluss der Verantwortlichkeit der Access-Provider regle. Stammdaten unterlägen auch nicht dem Kommunikationsgeheimnis. Der Auskunftsanspruch nach § 87b UrhG gehe auch als lex posterior dem TKG vor. Auch eine Interessenabwägung falle zugunsten des Auskunftsanspruches aus, da Zweck des Datenschutzes nicht die Verschleierung von Rechtsverletzungen sei. Der Schutz von vorsätzlichen Rechtsverletzungen ist jedenfalls nicht mehr vom Schutzzweck des Datenschutzes umfasst. Daneben bestehe eine Verpflichtung zur Bekanntgabe der Identität von Nutzern auch nach § 18 Abs. 3 ECG. Es sei Sache des Providers die Daten, die er für die Auskunft benötige, vorrätig zu halten.

Anmerkung: Die Entscheidung bringt nichts wesentlich Neues und folgt der Argumentation des OGH zu 11 Os 57/05z. Nebenbei hat das Gericht in einem Akt der Rechtsschöpfung auch gleich noch die Vorratsdatenspeicherpflicht eingeführt. Die Provider müssten ab sofort alle Zuordnungslisten von IP-Adressen aller Internetnutzer speichern, weil es sein könnte, dass irgendwann irgendein Rechtevertreter kommt und Auskunft begehrt. Damit wären wir wohl bei einer Speicherpflicht von drei Jahren (Verjährungsfrist). Die ganzen Sorgen des EU-Parlaments bezüglich einer möglichst engen zeitlichen Beschränkung der Speicherpflicht wären unnötig. Das wurde von der Instanz aber dann doch anders gesehen. Eindeutig daneben geht auch das Argument mit § 18 Abs. 3 ECG. Dieser gilt nur für Hostprovider.
Der Gesetzgeber hat dem Kommunikationsgeheimnis mit der Einführung des § 87b UrhG einen Bärendienst erwiesen. Eigentlich sollte den Politikern anhand ihrer eigenen Daten vor Augen geführt werden, was sie da angestellt haben.

 

Auskunft über E-Mail-Daten: OLG Innsbruck, Beschluss vom 16.5.2007, 6 Bs 226/06w

StPO § 149a, § 149b

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck beantragte beim LG Innsbruck in einem Strafverfahren wegen Zuführung zur Prostitution die inhaltliche Überwachung des E-Mail-Verkehrs des Beschuldigten durch Herausgabe sämtlicher E-Mail-Daten durch den Provider.

Das LG wies ab, da bezüglich der bereits gespeicherten E-Mails die Übertragung abgeschlossen sei und darauf im Wege der Beschlagnahme zuzugreifen sei. Eine Überwachung der (künftigen) Telekommunikation sei nur nach § 149b möglich; dies gelte aber nicht für die Vergangenheit.

Das OLG gibt der Beschwerde Folge und trägt dem Provider die Herausgabe der vorhandenen Daten auf. Wenn die Daten beim Kommunikationsteilnehmer erhoben werden, ist mit Beschlagnahme vorzugehen. Werden sie beim Betreiber des Telekommunikationsdienstes ermittelt, dann müssen die Voraussetzungen der §§ 149a bis c StPO vorliegen. Der Hinweis auf künftige und vergangene Zeiträume in § 149b Abs. 3 ist so zu verstehen, dass der Regelfall der Inhaltsüberwachung die Überwachung künftiger Kommunikationsverbindungen ist und daher nur dieser vom Gesetzgeber explizit genannt wurde. Sollte ausnahmsweise eine nachträgliche Erhebung der Inhaltsdaten beim Anbieter nötig sein, ist sie daher ebenfalls nach § 149a anzuordnen. Auf diese Weise wird zum einen eine Gleichbehandlung von nachträglicher Inhaltserhebung, Rufdatenrückerfassung und nachträglicher Standortbestimmung erreicht. Zum anderen wird nach wie vor dem Schutzgedanken Rechnung getragen, dass der Benutzer die Daten nicht in seiner Einflusssphäre hat, wenn sie (auch) beim Anbieter des Telekommunikationsdienstes verfügbar sind. Die Überwachung ist zulässig, weil sie zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung erforderlich erscheint und der Inhaber der E-Mail-Adresse selbst dringend verdächtig ist, die Tat begangen zu haben und weil die Verhältnismäßigkeit zum Zweck der Maßnahme gewahrt erscheint. Weniger eingreifende Maßnahmen begründen nicht die Aussicht auf den angestrebten Erfolg.

 

Auskunftspflicht des Access-Providers: OGH, Urteil vom 26.7.2005, 11 Os 57/05z, 11 Os 58/05x und 11 Os 59/05v

StPO § 149a, TKG § 103

In der ersten Jahreshälfte 2005 gab es eine ganze Reihe widersprüchlicher Entscheidungen vor allem des OLG Wien zur Frage, ob und unter welchen Umständen Access-Provider den Vertretern der Musikindustrie Auskunft über die Identität von Tauschbörsenusern zu geben haben. Daher brachte die Generalprokuratur eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ein.

Der OGH stellt fest, dass die Beschlüsse der Ratskammer und der Untersuchungsrichterin des LG Wien und des OLG Wien (22 Bs 23/05a; dies war eine Entscheidung gegen die Auskunftspflicht - siehe unten) das Gesetz in der Bestimmung des § 149a Abs. 1 Z 1 lit b und Abs. 2 Z 2 StPO verletzen.
Mit der Feststellung, welche Teilnehmeranschlüsse Ursprung einer Telekommunikation waren (§ 149a Abs 1 Z 1 lit b StPO) ist mehr als eine bloße Ermittlung, Auswertung, Zuordnung, Abgleichung, Verwertung oder sonstige Verarbeitung im internen Bereich des Providers gemeint, nämlich ein Vorgang mit Außenwirkung (Verschaffung der Kenntnis, vgl § 119 StGB), weil nur ein solcher das Telekommunikationsgeheimnis verletzen kann. § 149a Abs 1 Z 1 lit b StPO stellt auf die sogenannte „Rufdatenrückerfassung" ab, durch die offen gelegt wird, wann, wie lange und mit welchen Teilnehmern an der öffentlichen Telekommunikation mittels einer bestimmten Anlage aktiv oder passiv Verbindung aufgenommen wurde. Eine derartige Offenlegung ist bei der Mitteilung von Stammdaten des Benutzers einer IP-Adresse zu einer bestimmten Zeit nicht erforderlich. Die Erhebung des Namens und der Wohnadresse eines Internetbenutzers, dem eine bestimmte - sei es statische, sei es dynamische - Internetadresse zugewiesen ist oder war, ist unter keinen der Eingriffstatbestände des § 149a Abs 1 Z 1 StPO zu subsumieren. Stammdaten unterliegen nicht dem im Art 10a StGG verankerten Grundrecht des Kommunikationsgeheimnisses (§ 93 Abs 1 Satz 1 TKG 2003 e contrario). Selbst bei dynamischen IP-Adressen erfordert die Übermittlung der zugehörigen Stammdaten an ein rite ermittelndes Gericht - der das Grundrecht auf Datenschutz nicht entgegensteht (§ 7 Abs 2 DSG) - keine Feststellung, welche Teilnehmeranschlüsse Ursprung einer Telekommunikation waren (§ § 149a Abs 1 Z 1 lit b StPO). Die Erhebung des Namens und der Wohnadresse eines Internetbenutzers, dem eine bestimmte - sei es statische, sei es dynamische - Internetadresse zugewiesen ist oder war, ist unter keinen der Eingriffstatbestände des § 149a Abs 1 Z 1 StPO zu subsumieren; eine planwidrige Gesetzeslücke diesbezüglich ist weder nach dem Regelungsplan des StRÄG 2002 noch des Strafprozessreformgesetzes zu erkennen. Die Stammdaten des Namens und der Wohnanschrift des Inhabers eines bereits individualisierten Teilnehmeranschlusses können gemäß § 103 Abs 4 TKG 2003 formlos bekannt gegeben oder durch formelle Vernehmung einer physischen Person des Access-Providers als Zeugen ermittelt werden, was im Bedarfsfall durch die entsprechenden Zwangsmaßnahmen der Strafprozessordnung durchzusetzen ist. Bei elektronischer Kommunikation sind IP-Adressen Adressen iSd § 149 Abs 1 Z 3 StPO. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die IP-Adresse auf Dauer (statisch) oder nur für eine einzige Verbindung (dynamisch) vergeben ist, weil sie auch in letzterer Variante - im Zusammenhalt mit dem Zeitraum ihrer Zuteilung - den Teilnehmeranschluss eindeutig individualisiert.

LG- und OLG-Entscheidungen:

OLG Wien, Beschluss vom 30.3.2005, 17 Bs 76/05h und vom 12.4.2005, 18 Bs 68/05i - Auskunftspflicht

StPO § 149a, TKG § 93, ECG § 18

Privatklägerin ist eine Verwertungsgesellschaft. Sie erstattete Anzeige gegen einen unbekannten Täter, der zu einem bestimmten Zeitpunkt unter einer bestimmten (dynamischen) IP-Adresse in einer Tauschbörse umfangreiches, urheberrechtlich geschütztes Material angeboten hatte, und beantragte, den Provider beschlussmäßig anzuweisen, den Inhaber der IP-Adresse bekanntzugeben.

Die Untersuchungsrichterin wies  das Auskunftsersuchen der Privatanklägerin ab.

Das OLG gab der dagegen erhobenen Beschwerde der Privatanklägerin Folge. Eine IP-Nummer sei mit einer Telefonnummer gleichzusetzen. Die Bekanntgabe des Inhabers einer (bekannten) IP-Adresse sei keine Rufdatenrückerfassung, sondern bloß eine Bekanntgabe von Stammdaten, welche nicht dem Fernmeldegeheimnis unterlägen, sondern nur dem Datenschutz. Diese Auskunft unterläge nicht den Regeln der §§ 149a StPO. Gem. § 18 Abs. 4 ECG sei auf Verlangen Dritter der Nutzer eines Dienstes bekanntzugeben. Keinesfalls könne es im Belieben eines Providers gelegen sein, durch die Wahl der Vergabe entweder statischer oder dynamischer IP-Adressen einer Auskunftspflicht zu unterliegen oder nicht

 

OLG Wien, Beschluss vom 28.2.2005, 20 Bs 27/05z - keine Auskunftspflicht

StPO § 149a, TKG § 93, ECG § 18

Privatklägerin ist eine Dachgesellschaft der Bild- und Tonträgerhersteller. Sie erstattete Anzeige gegen einen unbekannten Täter, der zu einem bestimmten Zeitpunkt unter einer bestimmten (dynamischen) IP-Adresse in einer Tauschbörse umfangreiches, urheberrechtlich geschütztes Material angeboten hatte, und beantragte, den Provider beschlussmäßig anzuweisen, den Inhaber der IP-Adresse bekanntzugeben.

Die Untersuchungsrichterin wies nach einer vorhergehenden Ratskammerentscheidung das Auskunftsersuchen der Privatanklägerin ab.

Das OLG gab der dagegen erhobenen Beschwerde der Privatanklägerin keine Folge. Den über ein bloßes Nachschlagen hinausgehenden manipulativen Schritten zur Herausfilterung und Individualisierung des an einer Verbindung beteiligten Anschlusses kommt Verkehrsdatenwertigkeit zu. Bereits die Weitergabe der IP-Adresse war unzulässig. § 18 ECG steht nicht im Verfassungsrang, sodass auch bei einer Auskunfterteilung nach dieser Bestimmungen die Voraussetzungen des § 149a StPO vorliegen müssen und der dort statuierte Richtervorbehalt beachtet werden muss, wenn es um Beauskunftung von Verkehrsdaten geht.

 

OLG Linz, Beschluss vom 23.2.2005, 9 Bs 35/05v - keine Auskunftspflicht

StPO § 149a, TKG § 93, ECG § 18

Privatklägerin ist eine Dachgesellschaft der Bild- und Tonträgerhersteller. Sie erstattete Anzeige gegen einen unbekannten Täter, der zu einem bestimmten Zeitpunkt unter einer bestimmten (dynamischen) IP-Adresse in einer Tauschbörse umfangreiches, urheberrechtlich geschütztes Material angeboten hatte, und beantragte, den Provider beschlussmäßig anzuweisen, den Inhaber der IP-Adresse bekanntzugeben. Die Untersuchungsrichterin wies das Auskunftsersuchen der Privatanklägerin ab.

Das OLG gab der dagegen erhobenen Beschwerde der Privatanklägerin keine Folge. IP-Adressen, die beim Zugang eines Teilnehmers zu einem öffentlichen
Kommunikationsnetz beim Betreiber entstehen und für die Zuordnung der zu einem bestimmten Zeitpunkt für eine Kommunikation verwendeten Netzwerkadressierungen zum Teilnehmer notwendig sind, sind als Verkehrs- bzw. Zugangsdaten anzusehen. Gemäß § 93 Abs 1 TKG unterliegen dem Kommunikationsgeheimnis nicht nur die Inhaltsdaten, sondern auch die Verkehrsdaten. Die Offenlegung seitens des Access Providers, welcher Teilnehmer mittels einer bestimmten IP-Adresse an einer Kommunikation teilgenommen hat, stellt eine Rufdatenrückerfassung dar. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Kommunikationsvorgang an die Öffentlichkeit gerichtet war (Online-Zurverfügungstellung), weil dies nur im Fall einer Inhaltsüberwachung von Relevanz wäre. Die anbietenden User sind im Unterschied zu einer bloßen Stammdatenabfrage (wie etwa bei Bekanntgabe der Identität des Teilnehmers anhand einer bestimmten Telefonnummer) nur im Wege eines rückwirkenden Auswertungsvorganges aufgrund der im Zuge des Kommunikationsvorganges angefallenen Daten feststellbar. Die Bestimmung des § 18 Abs. 2 ECG ist für sich alleine keine ausreichende Grundlage, die Informationspflicht muss sich vielmehr aus einer weiteren gesetzlichen Anordnung ergeben. Bei einem Eingriff in das Fernmeldegeheimnis müssen demnach die Bestimmungen der StPO eingehalten werden.

 

OLG Wien, Beschluss vom 16.2.2005, 18 Bs 24/05v - Auskunftspflicht

StPO § 149a, ECG § 18

Privatklägerin ist eine Dachgesellschaft der Bild- und Tonträgerhersteller. Sie erstattete Anzeige gegen einen unbekannten Täter, der zu einem bestimmten Zeitpunkt unter einer bestimmten (dynamischen) IP-Adresse in einer Tauschbörse umfangreiches, urheberrechtlich geschütztes Material angeboten hatte, und beantragte, den Provider beschlussmäßig anzuweisen, den Inhaber der IP-Adresse bekanntzugeben.

Der Untersuchungsrichter wies das Auskunftsersuchen der Privatanklägerin ab.

Das OLG gab der dagegen erhobenen Beschwerde der Privatanklägerin Folge. Bei der Bekanntgabe des Inhabers einer IP-Adresse handle es sich nur um eine Bekanntgabe von Stammdaten.

 

Ratskammer des LG Linz, Beschluss vom 2.2.2005, 23 RK 11 - 26/05 - Auskunftspflicht

StPO § 149a

Privatklägerin ist eine Dachgesellschaft der Bild- und Tonträgerhersteller. Sie erstattete Anzeige gegen unbekannte Täter, die zu einem bestimmten Zeitpunkt unter bestimmten (dynamischen) IP-Adressen in einer Tauschbörse umfangreiches, urheberrechtlich geschütztes Material angeboten hatten, und beantragte, den Provider beschlussmäßig anzuweisen, die Inhaber der IP-Adressen bekanntzugeben.

Der Untersuchungsrichter gab dem Auskunftsersuchen der Privatanklägerin statt.

Die Ratskammer gab der dagegen erhobenen Beschwerde des Providers nicht statt. Die Bekanntgabe der IP-Adresse sei nur eine Bekanntgabe von Stammdaten und keine Überwachung einer Telekommunikation und unterliege daher nicht den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 149a StPO.

 

Ratskammer des LG für Strafsachen Wien, Beschluss vom 1.12.2004, 286 Ur 300/04y - keine Auskunftspflicht

StPO § 149a

Privatklägerin ist eine Dachgesellschaft der Bild- und Tonträgerhersteller. Sie erstattete Anzeige gegen einen unbekannten Täter, der zu einem bestimmten Zeitpunkt unter einer bestimmten (dynamischen) IP-Adresse in einer Tauschbörse umfangreiches, urheberrechtlich geschütztes Material angeboten hatte, und beantragte, den Provider beschlussmäßig anzuweisen, den Inhaber der IP-Adresse bekanntzugeben.

Der Untersuchungsrichter gab dem Auskunftsersuchen der Privatanklägerin statt.

Die Ratskammer gab der dagegen erhobenen Beschwerde des Providers statt. Die Bekanntgabe von Stammdaten betreffend eine dynamische IP-Adresse ist eine Rufdatenrückerfassung, die nur unter den Voraussetzungen des § 149a ff StPO zulässig ist. Die Bestimmungen des UrhG stellen keine ausreichende rechtliche Basis für ein Auskunftsbegehren dar.

 

Auskunft über Mehrwertnummerninhaber: OGH, Beschluss vom 16.3.2004, 4 Ob 7/04i

ECG § 18 Abs.4

Die Klägerin mit Sitz auf Malta und Zweigniederlassung in Graz bietet Telefondienstleistungen unter Mehrwertnummern an, die Beklagte stellt Mehrwertnummern Dritten zur Verfügung. Die Klägerin hat die Beklagte bereits mehrfach auf Unterlassung geklagt, weil unter Nummern der Beklagten wettbewerbswidrige Handlungen gesetzt wurden. Diese Klagen wurden abgewiesen, weil die Beklagte als Telekommunikationsunternehmen nicht für Handlungen ihrer Kunden hafte. Im nunmehrigen Verfahren begehrt die Klägerin Auskunft über die Inhaber der Mehrwertnummern.

Das Erstgericht hat abgewiesen, das Berufungsgericht hat bestätigt.

Der OGH hat die Entscheidungen der Unterinstanzen aufgehoben. Da  unter Zuhilfenahme des Kommunikationsnetzes der Beklagten gesetzwidrige Inhalte vermittelt werden, hat die Klägerin bei Vorliegen eines überwiegenden rechtlichen Interesses an der Feststellung der Identität eines bestimmten Nutzers und eines bestimmten rechtswidrigen Sachverhalts in analoger Anwendung des § 18 Abs. 4 ECG ein Recht auf Auskunft hinsichtlich der Stammdaten eines bestimmten Nutzers. Sie muss dazu glaubhaft machen, dass die Kenntnis dieser Informationen eine wesentliche Voraussetzung für die von ihr beabsichtigte Rechtsverfolgung bildet.

Anmerkung: Diese Entscheidung könnte auch für bestimmte Internetsachverhalte große Bedeutung erlangen, insbesondere die Dialer-Fälle. Auf dieselbe Weise könnte aber auch versucht werden, die Identität von Tauschbörsen-Usern herauszubekommen. Das Gefährliche an der Argumentation des OGH ist, dass er eine Analogie in einem Bereich des Grundrechtsschutzes anwendet, in dem Durchbrechungen nur unter ganz bestimmten Umständen und nur per Gesetz zulässig sind (Gesetzesvorbehalt).

 

Redaktionsgeheimnis contra Auskunftspflicht: LG Salzburg, Beschluss vom 18.9.2003, 51 Rk 25/03f

ECG § 18 MedienG § 31

Ein unbekannter Täter schrieb auf der Website der Online-Presse unter einem Pseudonym einen Leserbrief, in dem der Anzeiger E.P. verleumdet wurde. Der Untersuchungsrichter verlangte von der Medieninhaberin die Herausgabe der Userdaten, die diese verweigerte.

Die Ratskammer hob die Verfügung des Untersuchungsrichters auf. Zwar sei in diesem Fall ein Beschluss nach § 149a nicht erforderlich, weil die Stammdaten im Unterschied zur IP-Adresse nicht dem Fernmeldegeheimnis unterlägen, das Redaktionsgeheimnisnach § 31 MedienG, das auch für Online-Medien gelte, verhindere aber eine Erzwingung der Herausgabe.
(rechtskräftig; das Verfahren wurde gem. § 412 StPO abgebrochen)

Anmerkung: Wenn diese Entscheidung richtig ist, wofür sehr viel spricht, reduziert dies die Auskunftsplicht möglicherweise nicht nur bei den Online-Medien, sondern bei allen Website-Betreibern, da jede Website ein Medium im Sinne des § 1 Z1 MedienG ist. Es stellt sich dann die Frage, inwieweit das Redaktionsgeheimnis nach § 31 MedienG auch für Gästebücher, Diskussions- und Chatforen anwendbar ist. Allerdings ist die Situation bei solchen Einrichtungen doch anders als bei Medien im engeren Sinne. Bei diesen geht es um den Schutz der Informanten, was letztlich dazu dienen soll, dass die Medien möglichst viele (auch geheime) Informationen bekommen, damit diese ihrem öffentlichen Informationsauftrag nachkommen können. Dagegen geht es bei Gästebüchern und Online-Foren nicht um die Information des Website-Betreibers, sondern um freie Meinungsäußerungen; sie bieten also Platz für eigene Publikationen des Besuchers. Es ist daher zumindest zweifelhaft, ob dafür der Schutz des Redaktionsgeheimnisses gewährt wird.

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