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Entscheidungen zur Auskunftspflicht (Ö)
letzte Änderung
10.11.2013
Auskunftspflicht IP-Adressen: EuGH, 19.4.2012, C-461/10 (Bonnier Audio u.a./ Perfect Communication Sweden AB)
RL 2006/24/EG Art 1, 3, 4, 5, 11, RL 2004/48/EG Art 8
Manßnahmen nach Art 8 RL 2004/48/EG (EnforcementRL) fallen nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der RL 2006/24/EG (VorratsdatenRL), unabhängig davon, ob Letztere überhaupt umgesetzt wurde. Das Unionsrecht steht nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegen, die es nationalen Gerichten erlauben, auf Antrag der klagenden Partei nach Prüfung der Umstände des Einzelfalles unter entsprechender Interessenabwägung die Weitergabe personenbezogener Daten (hier: IPAdressen) für Zwecke der Verfolgung urheberrechtlicher Zivilansprüche anzuordnen.
- EuGH-Entscheidung
- Anmerkung: der EuGH geht jedenfalls von einer gerichtlichen Prüfung des Einzelfalles aus; eine Auskunft "auf Zuruf" dürfte es danach nicht geben.
Auskunftspflicht des Host-Providers hinsichtlich E-Mail-Adresse: OGH, Urteil vom 14.9.2011, 6 Ob 104/11d
ECG § 18
Der Kläger wurde von einem anonymen Poster im ORF-Forum in seiner Ehre verletzt und verlangte vom ORF die Herausgabe der Nutzerdaten. Zum damaligen Zeitpunkt bestand noch keine namentliche Registrierungspflicht beim ORF, sodass dieser weder den echten Namen noch die Adresse hatte, wohl aber die E-Mail-Adresse, unter der sich der Nutzer registriert hatte.
Das Erstgericht gab der Klage zur Gänze statt, das Berufungsgericht nur hinsichtlich Namen und Adresse.
Der OGH gibt der Klage auch hinsichtlich der E-Mail-Adresse statt. Unter Name und Adresse eines Nutzers iSd § 18 Abs. 4 ECG sind grundsätzlich dessen Vor- und Zuname und dessen Postanschrift, aber auch dessen E-Mail-Adresse zu verstehen.
Auskunftspflicht des Accessproviders im Strafverfahren: OGH, Urteil vom 13.4.2011, 15 Os 172/10y
StPO § 134, TKG § 92
Der OGH hat - wiederum im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes - entschieden, dass die Personendaten zu einer IP-Adresse als bloße Stammdaten im Strafverfahren immer herauszugeben sind, auch wenn beim Provider zur Ermittlung der Stammdaten Verkehrsdaten verarbeitet werden müssen. Das österreichische Recht enthält hinreichende Rechtsvorschriften, die (auch im Licht der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs C-275/06 und C-575/07) die Verarbeitung von Verkehrsdaten zur Auskunftserteilung über Stammdaten für Zwecke der Strafverfolgung legitimieren.
Kein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch gegen Accessprovider: OGH, Urteil vom 14.7.2009, 4 Ob 41/09x
UrhG § 87b, § 81, TKG § 92, § 99, RL 2001/29/EG, RL 2004/48/EG, RL 2002/58/EG, RL 2006/24/EG
Eine Verwertungsgesellschaft fordert von einem Accessprovider die Bekanntgabe der Inhaber bestimmter IP-Adressen von Filesharern aus dem KaZaA- Grokster-Imesh-Bereich. Er sei als Vermittler zur Auskunfterteilung über bloße Stammdaten verpflichtet. Der beklagte Provider bestritt den Auskunftsanspruch unter Verweis auf das Kommunikationsgeheimnis.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Auskunftsrecht sei ausdrücklich in § 87b UrhG normiert. Auch Access-Provider seien Vermittler im Sinne des § 81 UrhG, weil § 13 ECG, auf den § 81 UrhG verweise, gerade den Ausschluss der Verantwortlichkeit der Access-Provider regle. Stammdaten unterlägen auch nicht dem Kommunikationsgeheimnis. Das Berufungsgericht bestätigte.
Nachdem der OGH zunächst das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hatte (4 Ob 141/07z), ob die Auskunftspflicht der Vermittler laut Info-RL auch Accessprovider betrifft und ob die Weitergabe personenbezogener Verkehrsdaten an private Dritte zulässig ist, entscheidet er nun nach Vorliegen der EuGH-Entscheidung endgültig in der Sache selbst. Der OGH gibt der Revision Folge und weist die Klage ab. Die begehrte Auskunft ist nicht zu erteilen, da sie nur aufgrund einer nach derzeitiger Rechtslage rechtswidrigen Verarbeitung von Verkehrsdaten erteilt werden könnte.
- OGH-Entscheidung
-
Anmerkung: Nun liegt sie endlich vor, die lang erwartete Entscheidung zur Auskunftspflicht des Accessproviders über seine Kundendaten. Die Offenlegung von IP-Adressen bei bloßen Urheberrechtsdelikten wurde abgelehnt. So weit so gut. Für die Zukunft schaut es aber leider nicht so gut aus. Man könnte die Entscheidung auch so interpretieren, dass mit Inkrafttreten der Vorratsdatenspeicherung eine zivilrechtliche Auskunft ohne Gericht möglich sein wird. Allerdings wird da im Rahmen der Expertengruppe zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung auch noch um die Details gerungen. Zusammenfassend kann man also sagen: Derzeit ist eine zivilrechtliche Beauskunftung nach § 87b UrhG, wem eine (dynamische) IP-Adresse gehört, nicht zulässig, weil diese Daten gar nicht gespeichert werden dürfen (selbst wenn sie tatsächlich gespeichert werden, dürfen sie nicht herausgegeben werden, weil sie illegal gespeichert sind).
Die Inhaber von fixen IP-Adressen stehen meist ohnedies im öffentlichen WHOIS-Register, sodass sich bei diesen die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Personendaten herausgegeben werden dürfen, meist nicht stellt. Der OGH lässt aber erkennen, dass er der Meinung ist, dass bei diesen eine Beauskunftung jederzeit möglich wäre, weil es sich (mangels Auswertungsvorgang) nicht um Verkehrsdaten handelt.
Sobald diese Daten aber gespeichert werden müssen (mit Inkrafttreten der TKG-Novelle zur Vorratsdatenspeicherung), werden die Karten neu gemischt. Es wird dann sehr auf die Formulierung der Novelle ankommen. Wenn dort eine starke Zweckbindung angeordnet wird - Speicherung nur zur Verfolgung schwerer Straftaten -, könnte eine Herausgabe bei bloß leichten Straftaten (wie Urheberrechtsverletzungen) weiterhin unzulässig sein. Allerdings hat der OGH, der die Sache wirklich sehr umfassend beleuchtet hat und sichtlich bemüht war, nicht nur den konkreten Fall zu lösen, sondern die Rechtslage an sich zu klären, auch bereits gemeint, dass die Herausgabe von Daten bei Delikten, die über das Internet begangen werden (z.B. Urheberrechtsverletzung) nicht unbedingt der strengen Zweckbindung unterliegt. Dabei handelt es sich aber nur um ein "obiter dictum", also eine nebenbei geäußerte Ansicht, die keinen Bindungscharakter hat. Von dieser Ansicht kann der OGH jederzeit wieder abgehen, wenn sich der festgestellte Sachverhalt oder die Gesetzeslage ändert. Letzteres soll auf jeden Fall noch heuer mit der Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung im Herbst geschehen. Der nächste Musterprozess ist also bereits vorprogrammiert.
Vermieden werden könnte dieser Musterprozess allenfalls, wenn die Urheberindustrie (IFPI, Verwertungsgesellschaften mit ihren Bestrebungen durchdringt, wieder einen strafrechtlichen Zugang zu den Daten hinter der IP-Adresse zu bekommen (gedacht ist hier an die (Wieder)Einführung des Ermittlungsverfahrens bei Privatanklagedelikten oder zumindest bei Urheberrechtsdelikten. Hier stellt sich aber die Frage, ob das politisch angesichts der Budgetlage (es geht um eine große Zahl von Verfahren, die zusätzliche Richterplanstellen erfordern würden) durchsetzbar ist.
In Deutschland wurde ein Auskunftsanspruch eingeführt, über den ein Zivilgericht entscheidet. Wenn auch diese Lösung nicht das Gelbe vom Ei ist, so ist mir eine gerichtliche Entscheidung ohne Strafuntergrenze noch immer lieber, als eine Auskunft "auf Zuruf", mit der die Provider in eine Polizeirolle gedrängt werden, der sie nicht gerecht werden können. Das muss auf alle Fälle verhindert werden.
Endgültig vom Tisch dürfte mit dieser Entscheidung die Diskussion sein, ob es sich bei den Personendaten zur IP-Adresse um Stammdaten oder Verkehrsdaten handelt. Der Senat 4 des OGH hat sich hier - wie bereits der EuGH und anders als der Senat 11 im Jahr 2005 (11 Os 57/05z) - für die Verkehrsdaten entschieden (soweit es sich um dynamisch vergebene IP-Adressen handelt), die größeren Schutz genießen. Meine Meinung dazu ist noch immer, dass diese Einteilung eine rein willkürliche ist, die der Bedeutung der IP-Adresse nicht gerecht wird und für sie nicht passt. Anzusetzen wäre hier richtigerweise bei der Intensität des Eingriffes in das Grundrecht der Privatsphäre und diese Intensität ist sehr unterschiedlich, je nachdem, in welcher Situation sich der offen zu legende Vorgang abspielt (passiver Internetkonsum oder aktive Veröffentlichung; siehe dazu "Offenlegung des Internets?).
Jedenfalls handelt es sich bei dieser Entscheidung um eine der wichtigsten bisher zum Internet ergangenen. Ihre Bedeutung geht nämlich weit über die Tauschbörsenfälle hinaus. Es geht um nichts weniger als die Frage, unter welchen Voraussetzungen die in der Praxis so wichtige Anonymität des Internetusers aufgehoben werden darf. Das Kernproblem dabei ist die Rechtsnatur der IP-Adresse oder genauer gesagt, welche Grundrechte durch die Offenlegung betroffen sind. Ich fürchte aber, dass diese Frage vom EGMR beantwortet werden muss, was noch lange dauern kann. Den nächsten Meilenstein wird aber das deutsche Bundesverfassungsgericht setzen, wenn es über die Anfechtung der Vorratsdatenspeicherung im Hauptverfahren entscheidet.
LSG gegen Tele2 - zivilrechtlicher Auskunftsanspruch gegen Accessprovider: EuGH, Beschluss vom 19.2.2009, C-557/07
UrhG § 87b, § 81, RL 2001/29/EG, RL 2004/48/EG, RL 2002/58/EG
Die Verwertungsgesellschaft LSG fordert von der Tele2 als Accessproviderin die Bekanntgabe der Inhaber bestimmter IP-Adressen von Filesharern aus dem KaZaA-Grokster-Imesh-Bereich. Tele2 sei als Vermittlerin zur Auskunfterteilung über bloße Stammdaten verpflichtet. Der beklagte Provider bestritt den Auskunftsanspruch unter Verweis auf das Kommunikationsgeheimnis.
Das Gericht gab der Klage statt. Das Auskunftsrecht sei ausdrücklich in § 87b UrhG normiert. Auch Access-Provider seien Vermittler im Sinne des § 81 UrhG, weil § 13 ECG, auf den § 81 UrhG verweise, gerade den Ausschluss der Verantwortlichkeit der Access-Provider regle. Stammdaten unterlägen auch nicht dem Kommunikationsgeheimnis. Der Auskunftsanspruch nach § 87b UrhG gehe als lex posterior dem TKG vor. Auch eine Interessenabwägung falle zugunsten des Auskunftsanspruches aus, da Zweck des Datenschutzes nicht die Verschleierung von Rechtsverletzungen sei. Der Schutz von vorsätzlichen Rechtsverletzungen sei jedenfalls nicht mehr vom Schutzzweck des Datenschutzes umfasst. Daneben bestehe eine Verpflichtung zur Bekanntgabe der Identität von Nutzern auch nach § 18 Abs. 3 ECG. Es sei Sache des Providers die Daten, die er für die Auskunft benötige, vorrätig zu halten. Damit hätte das Gericht in einem Akt der Rechtsschöpfung auch gleich die Vorratsdatenspeicherpflicht eingeführt. Die Provider müssten ab sofort alle Zuordnungslisten von IP-Adressen aller Internetnutzer speichern, weil es sein könnte, dass irgendwann irgendein Rechtevertreter kommt und Auskunft begehrt. Damit wären wir wohl bei einer Speicherpflicht von drei Jahren (Verjährungsfrist). Die ganzen Sorgen des EU-Parlaments bezüglich einer möglichst engen zeitlichen Beschränkung der Speicherpflicht wären unnötig. Eindeutig daneben geht auch das Argument mit § 18 Abs. 3 ECG; dieser gilt nur für Hostprovider.
- HG-Entscheidung
- Diese Entscheidung wurde vom OLG Wien mit Beschluss vom 12.4.2007, 5 R 193/06y hinsichtlich der grundsätzlichen Auskunftspflicht bestätigt, der Revisionsrekurs wurde zugelassen.
-
Franz Schmidbauer, Zur Problematik der gespeicherten Daten, Artikel vom 5.9.2007
- Warnung EFF, Heise-Artikel vom 23.7.2007
Der OGH setzte das Verfahren mit Beschluss vom 13.11.2007, 4 Ob 141/07z, aus und legte dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vor, ob die Auskunftspflicht der Vermittler laut Info-RL auch Accessprovider betreffe und ob die Weitergabe personenbezogener Verkehrsdaten an private Dritte zulässig sei.
Der EuGH stellt eindeutig fest, dass auch ein Accessprovider Vermittler im Sinne des Art 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 (und damit § 81 UrhG) und somit auch grundsätzlich zur Auskunft verpflichtet ist. Weiters führt er aus, dass die in Frage kommenden Richtlinien einen Mitgliedstaat grundsätzlich nicht daran hinderten, eine Verpflichtung zur Weitergabe personenbezogener Verkehrsdaten an private Dritte zum Zweck der zivilgerichtlichen Verfolgung von Urheberrechtsverstößen aufzustellen. Allerdings - und jetzt kommt die Frage, die der OGH noch beurteilen muss - seien die Mitgliedsstaaten gemeinschaftsrechtlich verpflichtet, darauf zu achten, dass die Richtlinien so ausgelegt werden, dass die verschiedenen beteiligten Grundrechte miteinander zum Ausgleich gebracht werden. Bei der Durchführung der Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinien müsse nicht nur das nationale Recht im Einklang mit diesen Richtlinien ausgelegt werden, sondern auch darauf geachtet werden, dass die Auslegung nicht mit den Grundrechten oder anderen allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts wie etwa dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kollidiere.
- EuGH-Entscheidung
- Anmerkung: Der EuGH hat damit - wohl endgültig - festgelegt, dass auch Accessprovider grundsätzlich auskunftspflichtig sind. Hinsichtlich der zweiten Frage hat er den Ball an die nationalen Gerichte zurückgespielt. Bedauerlich ist, dass der EuGH eine Auskunftspflicht direkt an Private bejaht hat, obwohl in den diversen Richtlinien nur eine Auskunftspflicht an Gerichte und Behörden vorgesehen ist. Sogar die Rechte-Durchsetzungs-Richtlinie ordnet in Art 8 (auch unter Verweis auf die Verhältnismäßigkeit) nur eine Auskunftspflicht auf Anordnung der zuständigen Gerichte an. Auch die Vorratsdatenspeicherung-RL geht nur von einer Weitergabe der Daten an die zuständigen Behörden aus (Art 4). Es ist davon auszugehen, dass sich der europäische Gesetzgeber etwas dabei gedacht hat, wenn er die Herausgabe auf Gerichte und Behörden beschränkt hat. Möglicherweise hat sich auch der EuGH bei dieser Entscheidung etwas dabei gedacht, wenn er mehrfach auf die Grundrechte und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hingewiesen hat. Möglicherweise hat der EuGH aber ein Problem, weil es ihm an für die EU gültigen Grundrechtsnormen fehlt (die EU ist nicht Mitglied der EMRK und die Grundrechtscharta ist mit der EU-Verfassung nicht zustandegekommen). Somit muss er die Einbeziehung der Grundrechte in die Abwägung den nationalen Gerichten überlassen. Es bleibt zu hoffen, dass der OGH, der dieses Problem nicht hat, die auch vom EuGH geforderte Verhältnismäßigkeit findet, sonst müsste man weiter warten, bis der EGMR mit dem Problem befasst wird. Bis es soweit ist, muss man fürchten, dass der EuGH die Büchse der Pandora geöffnet hat. Die Provider würden damit in eine Rolle gedrängt werden, mit der sie auf jeden Fall überfordert sind. Sie wären plötzlich im Internetbereich diejenigen, die über Grundrechtseingriffe entscheiden müssen, ohne dass sie die Voraussetzungen überprüfen können, und das auch noch ohne Rechtsmittel. Es bleibt zu hoffen, dass der OGH dem einen Riegel vorschiebt. Das würde nicht bedeuten, dass die Urheber damit schutzlos würden, sondern nur, dass der österreichische Gesetzgeber, der mit dem § 87b UrhG ohne europarechtliche Notwendigkeit vorgeprescht ist, eine grundrechtskonforme Lösung suchen müsste (etwa wie in Deutschland, wo vor kurzem ein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch an die Gerichte eingeführt wurde). Im Zuge der Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung muss er sowieso die Voraussetzungen für die Herausgabe der Inhaberdaten einer IP-Adresse definieren. Im Zuge der Umsetzung wurde bisher über eine Strafuntergrenze von einem Jahr diskutiert ("mit beträchtlicher Strafe bedrohte Handlungen"); dazu würde eine zivilrechtliche Auskunftspflicht überhaupt nicht passen. Andererseits könnte der OGH auch § 87b teleologisch reduzieren, indem er seine Anwendbarkeit auf schwere Urheberrechtsdelikte beschränkt. Auch in diesem Fall bliebe aber das Problem der Auskunft an Private ohne Kontrolle eines Richters. Es ist äußerst zweifelhaft, ob der Gesetzgeber überhaupt gewusst hat, was er da tut. Viel vernünftiger und grundrechtsschonender wäre es, die schweren Urheberrechtsdelikte zu Offizialdelikten zu machen und auf diese Weise den Zugang zu den Daten über den Ermittlungsrichter zu ermöglichen. Dann wäre auch sichergestellt, dass die Ausforschung des Täters durch die Polizei erfolgt und nicht durch eine Privatperson mit finanziellen oder weiß Gott welchen Interessen. Eine Aufhebung jeder Anonymität im Internet ist nicht erforderlich, jedenfalls nicht wegen irgendwelcher Bagatelldelikte. Wenn der Gesetzgeber der Meinung ist, dass Filesharing mehr ist als ein Bagatelldelikt, dann muss er es zuerst aufwerten.
- Franz Schmidbauer, Konsument oder Urheberrechtsverbrecher, 2/2009, Artikel auf Internet4jurists
- Franz Schmidbauer, Vorratsdatenspeicherung ante portas, 2/2009, Artikel auf Internet4jurists
- Franz Schmidbauer, Offenlegung des Internets, 1/2006, Artikel auf Internet4jurists
Zivilrechtlicher Auskunftsanspruch gegen Accessprovider: EuGH (Große Kammer), Urteil vom 29.1.2008, C-275/06
RL 2001/29/EG, RL 2004/48/EG, RL 2002/58/EG
Der spanische Musikproduzentenverband Productores de Músicade España (Promusicae) verlangte von einem Provider die Herausgabe der Daten von Kunden, die mit einer dynamischen IP-Adresse Urheberrechtsverletzungen in einer Tauschbörse begangen haben sollen. Nachdem das Erstgericht eine einstweilige Verfügung erlassen hatte, legte das Madrider Handelsgericht die Frage, ob die EU-Rechtslage es Spanien erlaube, die Auskunftspflicht auf Strafverfahren zu beschränken, dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.
Der EuGH lässt eine solche Beschränkung ausdrücklich zu. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens im Hinblick auf einen effektiven Schutz des Urheberrechts keine Pflicht zur Mitteilung personenbezogener Daten im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vorsehen. Eine solche Pflicht zu Auskunftsregelungen statuieren weder die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr oder die Urheberrechtsrichtlinie noch die Richtlinie zur besseren zivilrechtlichen Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums oder die Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation. Die Mitgliedstaaten müssen bei der Umsetzung aller dieser Vorgaben ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten sicherstellen. Dabei sind auch andere allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, wie etwa der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zu berücksichtigen. Insgesamt müssen die Mitgliedsstaaten ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten sicherstellen. Die Mitgliedsstaaten haben zwar die Möglichkeit, eine Pflicht zur Weitergabe personenbezogener Daten im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vorzusehen, sind aber nicht dazu gezwungen.
- EuGH-Entscheidung
- Anmerkung: Wichtig ist in dieser Entscheidung vor allem die Wendung "im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens". Der EuGH geht nämlich davon aus, dass eine nationale Norm zulässig wäre, die die Herausgabe an ein Zivilgericht anordnet. Auch Art 8 der Rechte-Durchsetzungs-RL ordnet an, dass die zuständigen Gerichte Auskunft verlangen können. § 87b des österreichischen Urheberrechtsgesetzes geht aber weit darüber hinaus und ordnet die Herausgabe an den Rechteinhaber direkt an. Dieser kann selbst ohne Befassung eines Gerichtes Auskunft verlangen. Das setzt einen bereits von vorneherein bestehenden Anspruch voraus, über dessen Bestehen das Gericht erst im Falle der Weigerung des Providers entscheidet; dann allerdings mit Kostenfolgen für den Unterliegenden. Damit wird der Provider in die Rolle des Entscheidungsorgans gedrängt, das über einen Grundrechtseingriff zu entscheiden hat und das ist wohl eindeutig unzulässig. Damit wird letztlich die Kontrolle des Gerichtes ausgeschaltet und das ist offenbar nicht im Sinne des EuGH. Das österreichische Vorabentscheidungsverfahren (siehe gleich unten) ist somit keinesfalls überflüssig geworden, sondern darf mit Spannung erwartet werden.
Zivilrechtlicher Auskunftsanspruch gegen Accessprovider: HG Wien, Urteil vom 21.6.2006, 18 Cg 67/05
UrhG § 87b, § 81, ECG § 18 Abs.3
Eine Verwertungsgesellschaft fordert von einem Accessprovider die Bekanntgabe der Inhaber bestimmter IP-Adressen von Filesharern aus dem KaZaA- Grokster-Imesh-Bereich. Er sei als Vermittler zur Auskunfterteilung über bloße Stammdaten verpflichtet. Der beklagte Provider bestritt den Auskunftsanspruch unter Verweis auf das Kommunikationsgeheimnis.
Das Gericht gab der Klage statt. Das Auskunftsrecht sei ausdrücklich in § 87b UrhG normiert. Auch Access-Provider seien Vermittler im Sinne des § 81 UrhG, weil § 13 ECG, auf den § 81 UrhG verweise, gerade den Ausschluss der Verantwortlichkeit der Access-Provider regle. Stammdaten unterlägen auch nicht dem Kommunikationsgeheimnis. Der Auskunftsanspruch nach § 87b UrhG gehe auch als lex posterior dem TKG vor. Auch eine Interessenabwägung falle zugunsten des Auskunftsanspruches aus, da Zweck des Datenschutzes nicht die Verschleierung von Rechtsverletzungen sei. Der Schutz von vorsätzlichen Rechtsverletzungen ist jedenfalls nicht mehr vom Schutzzweck des Datenschutzes umfasst. Daneben bestehe eine Verpflichtung zur Bekanntgabe der Identität von Nutzern auch nach § 18 Abs. 3 ECG. Es sei Sache des Providers die Daten, die er für die Auskunft benötige, vorrätig zu halten.
Anmerkung: Die Entscheidung bringt nichts wesentlich Neues und folgt
der Argumentation des OGH zu
11 Os 57/05z.
Nebenbei hat das Gericht in einem Akt der Rechtsschöpfung auch gleich noch die
Vorratsdatenspeicherpflicht eingeführt. Die Provider müssten ab
sofort alle Zuordnungslisten von IP-Adressen aller Internetnutzer speichern,
weil es sein könnte, dass irgendwann irgendein Rechtevertreter kommt und
Auskunft begehrt. Damit wären wir wohl bei einer Speicherpflicht von drei Jahren
(Verjährungsfrist). Die ganzen Sorgen des EU-Parlaments bezüglich einer
möglichst engen zeitlichen Beschränkung der Speicherpflicht wären unnötig. Das
wurde von der Instanz aber dann doch anders gesehen.
Eindeutig daneben geht auch das Argument mit
§ 18 Abs. 3 ECG. Dieser gilt
nur für Hostprovider.
Der Gesetzgeber hat dem Kommunikationsgeheimnis mit der Einführung des
§ 87b UrhG einen Bärendienst
erwiesen. Eigentlich sollte den Politikern anhand ihrer eigenen Daten vor Augen
geführt werden, was sie da angestellt haben.
- HG-Entscheidung
- Diese Entscheidung wurde vom OLG Wien mit Beschluss vom 12.4.2007, 5 R 193/06y bestätigt, der Revisionsrekurs wurde zugelassen, der OGH hat den Fall dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt, über die der EuGH am 19.2.2009 zu C-557/07 entschieden hat (siehe oben).
-
Franz Schmidbauer, Zur Problematik der gespeicherten Daten, Artikel vom 5.9.2007
- Warnung EFF, Heise-Artikel vom 23.7.2007
Auskunft über E-Mail-Daten: OLG Innsbruck, Beschluss vom 16.5.2007, 6 Bs 226/06w
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck beantragte beim LG Innsbruck in einem Strafverfahren wegen Zuführung zur Prostitution die inhaltliche Überwachung des E-Mail-Verkehrs des Beschuldigten durch Herausgabe sämtlicher E-Mail-Daten durch den Provider.
Das LG wies ab, da bezüglich der bereits gespeicherten E-Mails die Übertragung abgeschlossen sei und darauf im Wege der Beschlagnahme zuzugreifen sei. Eine Überwachung der (künftigen) Telekommunikation sei nur nach § 149b möglich; dies gelte aber nicht für die Vergangenheit.
Das OLG gibt der Beschwerde Folge und trägt dem Provider die Herausgabe der vorhandenen Daten auf. Wenn die Daten beim Kommunikationsteilnehmer erhoben werden, ist mit Beschlagnahme vorzugehen. Werden sie beim Betreiber des Telekommunikationsdienstes ermittelt, dann müssen die Voraussetzungen der §§ 149a bis c StPO vorliegen. Der Hinweis auf künftige und vergangene Zeiträume in § 149b Abs. 3 ist so zu verstehen, dass der Regelfall der Inhaltsüberwachung die Überwachung künftiger Kommunikationsverbindungen ist und daher nur dieser vom Gesetzgeber explizit genannt wurde. Sollte ausnahmsweise eine nachträgliche Erhebung der Inhaltsdaten beim Anbieter nötig sein, ist sie daher ebenfalls nach § 149a anzuordnen. Auf diese Weise wird zum einen eine Gleichbehandlung von nachträglicher Inhaltserhebung, Rufdatenrückerfassung und nachträglicher Standortbestimmung erreicht. Zum anderen wird nach wie vor dem Schutzgedanken Rechnung getragen, dass der Benutzer die Daten nicht in seiner Einflusssphäre hat, wenn sie (auch) beim Anbieter des Telekommunikationsdienstes verfügbar sind. Die Überwachung ist zulässig, weil sie zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung erforderlich erscheint und der Inhaber der E-Mail-Adresse selbst dringend verdächtig ist, die Tat begangen zu haben und weil die Verhältnismäßigkeit zum Zweck der Maßnahme gewahrt erscheint. Weniger eingreifende Maßnahmen begründen nicht die Aussicht auf den angestrebten Erfolg.
Auskunftspflicht des Access-Providers: OGH, Urteil vom 26.7.2005, 11 Os 57/05z, 11 Os 58/05x und 11 Os 59/05v
In der ersten Jahreshälfte 2005 gab es eine ganze Reihe widersprüchlicher Entscheidungen vor allem des OLG Wien zur Frage, ob und unter welchen Umständen Access-Provider den Vertretern der Musikindustrie Auskunft über die Identität von Tauschbörsenusern zu geben haben. Daher brachte die Generalprokuratur eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ein.
Der OGH stellt fest, dass die Beschlüsse der Ratskammer und der
Untersuchungsrichterin des LG Wien und des OLG Wien (22 Bs 23/05a; dies war
eine Entscheidung gegen die Auskunftspflicht - siehe unten) das Gesetz in
der Bestimmung des
§
149a Abs. 1 Z 1 lit b und Abs. 2 Z 2 StPO verletzen.
Mit der Feststellung, welche Teilnehmeranschlüsse Ursprung einer
Telekommunikation waren (§ 149a
Abs 1 Z 1 lit b StPO) ist mehr als eine bloße Ermittlung, Auswertung, Zuordnung,
Abgleichung, Verwertung oder sonstige Verarbeitung im internen Bereich des
Providers gemeint, nämlich ein Vorgang mit Außenwirkung (Verschaffung der
Kenntnis, vgl § 119 StGB), weil nur ein solcher
das Telekommunikationsgeheimnis verletzen kann.
§ 149a Abs 1 Z 1 lit b StPO stellt auf die sogenannte
„Rufdatenrückerfassung" ab, durch die offen gelegt wird, wann, wie lange und mit
welchen Teilnehmern an der öffentlichen Telekommunikation mittels einer
bestimmten Anlage aktiv oder passiv Verbindung aufgenommen wurde. Eine derartige
Offenlegung ist bei der Mitteilung von Stammdaten des Benutzers einer IP-Adresse
zu einer bestimmten Zeit nicht erforderlich. Die Erhebung des Namens und der
Wohnadresse eines Internetbenutzers, dem eine bestimmte - sei es statische, sei
es dynamische - Internetadresse zugewiesen ist oder war, ist unter keinen der
Eingriffstatbestände des § 149a
Abs 1 Z 1 StPO zu subsumieren. Stammdaten unterliegen nicht dem im
Art 10a StGG verankerten Grundrecht des Kommunikationsgeheimnisses (§
93 Abs 1 Satz 1 TKG 2003 e contrario). Selbst bei dynamischen IP-Adressen
erfordert die Übermittlung der zugehörigen Stammdaten an ein rite ermittelndes
Gericht - der das Grundrecht auf Datenschutz nicht entgegensteht (§
7 Abs 2 DSG) - keine Feststellung, welche Teilnehmeranschlüsse Ursprung
einer Telekommunikation waren (§ §
149a Abs 1 Z 1 lit b StPO). Die Erhebung des Namens und der Wohnadresse
eines Internetbenutzers, dem eine bestimmte - sei es statische, sei es
dynamische - Internetadresse zugewiesen ist oder war, ist unter keinen der
Eingriffstatbestände des § 149a
Abs 1 Z 1 StPO zu subsumieren; eine planwidrige Gesetzeslücke diesbezüglich ist
weder nach dem Regelungsplan des StRÄG 2002 noch des Strafprozessreformgesetzes
zu erkennen. Die Stammdaten des Namens und der Wohnanschrift des Inhabers eines
bereits individualisierten Teilnehmeranschlusses können gemäß
§ 103 Abs 4 TKG 2003 formlos
bekannt gegeben oder durch formelle Vernehmung einer physischen Person des
Access-Providers als Zeugen ermittelt werden, was im Bedarfsfall durch die
entsprechenden Zwangsmaßnahmen der Strafprozessordnung durchzusetzen ist. Bei
elektronischer Kommunikation sind IP-Adressen Adressen iSd
§ 149 Abs 1 Z 3 StPO. Dabei macht
es keinen Unterschied, ob die IP-Adresse
auf Dauer (statisch) oder nur für eine einzige Verbindung (dynamisch) vergeben
ist, weil sie auch in letzterer Variante - im Zusammenhalt mit dem Zeitraum
ihrer Zuteilung - den Teilnehmeranschluss eindeutig individualisiert.
- OGH-Entscheidung
- Franz Schmidbauer, Die Problematik der gespeicherten Daten, 9/2007, Artikel auf Internet4jurists
- Franz Schmidbauer, Die Spitzelrichtlinie, 5/2006, Artikel auf Internet4jurists
- Franz Schmidbauer, Offenlegung des Internets?, 1/2006, Artikel auf Internet4jurists
- Franz Schmidbauer, Schöne neue virtuelle Welt, 7/2005, Artikel auf Internet4jurists
- Anmerkung von Felix Daum, MR 2005, 352
- Markus Helmreich, Auskunftspflicht des Access-Providers bei Urheberrechtsverletzungen? ecolex 2005, 379, Artikel bei der Uni Wien
- Kurt Einzinger, Agnes Schubert, Wolfgang Schwabl, Karin Wessely, David Zykan, Wer ist 217.204.27.214? Access-Provider im Spannungsfeld zwischen Auskunftsbegehr(lichkeiten der Rechteinhaber und Datenschutz, MR 2005, 118, Artikel bei der ISPA
- Bettina Stomper, Zur Auskunftspflicht von Internet-Providern, MR 2005,
- Reinhard Schanda, Auskunftsanspruch gegen Access-Provider über die IP-Adressen von Urheberrechtsverletzern, MR 2005, 18
- Die französische Datenschutzbehörde CNIL bestimmte, dass die Nutzerdaten von IP-Adressen nur im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens herausgegeben werden dürfen, Heise-Artikel vom 14.4.2005
- Siehe auch die Entscheidungen deutscher Gerichte
- Patrick Breyer, Die systematische Aufzeichnung und Vorhaltung von Telekommunikations-Verkehrsdaten für staatliche Zwecke in Deutschland, 11/2004, 437 Seiten, http://www.vorratsdatenspeicherung.de.vu/
- weitere Entscheidung des OLG Wien für eine Auskunftspflicht: 16.2.2005, 18 Bs 24/05v, 28.2.2005, 17 Bs 19/05a, 7.3.2005, 19 Bs 13/05h und 26/05w.
- Felix Daum, Urteilsanmerkung zu 19 Bs 13/05h (bejahend), MR 2005, 123
- Andreas Wiebe, Auskunftsverpflichtung der Access-Provider - Verpflichtung zur Drittauskunft bei Urheberrechtsverletzungen von Kunden, die an illegalem File-Sharing teilnehmen, MR 2005, Beilage zu Heft 4/05.
LG- und OLG-Entscheidungen:
OLG Wien, Beschluss vom 30.3.2005, 17 Bs 76/05h und vom 12.4.2005, 18 Bs 68/05i - Auskunftspflicht
StPO § 149a, TKG § 93, ECG § 18
Privatklägerin ist eine Verwertungsgesellschaft. Sie erstattete Anzeige gegen einen unbekannten Täter, der zu einem bestimmten Zeitpunkt unter einer bestimmten (dynamischen) IP-Adresse in einer Tauschbörse umfangreiches, urheberrechtlich geschütztes Material angeboten hatte, und beantragte, den Provider beschlussmäßig anzuweisen, den Inhaber der IP-Adresse bekanntzugeben.
Die Untersuchungsrichterin wies das Auskunftsersuchen der Privatanklägerin ab.
Das OLG gab der dagegen erhobenen Beschwerde der Privatanklägerin Folge. Eine IP-Nummer sei mit einer Telefonnummer gleichzusetzen. Die Bekanntgabe des Inhabers einer (bekannten) IP-Adresse sei keine Rufdatenrückerfassung, sondern bloß eine Bekanntgabe von Stammdaten, welche nicht dem Fernmeldegeheimnis unterlägen, sondern nur dem Datenschutz. Diese Auskunft unterläge nicht den Regeln der §§ 149a StPO. Gem. § 18 Abs. 4 ECG sei auf Verlangen Dritter der Nutzer eines Dienstes bekanntzugeben. Keinesfalls könne es im Belieben eines Providers gelegen sein, durch die Wahl der Vergabe entweder statischer oder dynamischer IP-Adressen einer Auskunftspflicht zu unterliegen oder nicht
- OLG-Entscheidung 17 Bs
- OLG-Entscheidung 18 Bs
- Anmerkung: Man kann unter Juristen sicherlich über die Frage der Auskunftspflicht von Providern diskutieren und es wird dazu auch noch viel zu diskutieren sein, weil die eigentlichen Probleme noch nicht einmal angerissen worden sind. Nicht diskutieren kann man allerdings über § 18 Abs. 4 ECG; diese Bestimmung ist eindeutig nicht anwendbar, weil sie nur den Host-Provider, aber nicht den Access-Provider betrifft.
Auch die Meinung, dass es im Belieben eines Providers stünde, eine dynamische oder eine statische IP-Adresse zu vergeben, basiert auf mangelndem Wissen; dynamische IP-Adressen sind eine technische Notwendigkeit, weil es nicht genügend statische gibt.
Siehe auch Kapitel Auskunftspflicht
OLG Wien, Beschluss vom 28.2.2005, 20 Bs 27/05z - keine Auskunftspflicht
StPO § 149a, TKG § 93, ECG § 18
Privatklägerin ist eine Dachgesellschaft der Bild- und Tonträgerhersteller. Sie erstattete Anzeige gegen einen unbekannten Täter, der zu einem bestimmten Zeitpunkt unter einer bestimmten (dynamischen) IP-Adresse in einer Tauschbörse umfangreiches, urheberrechtlich geschütztes Material angeboten hatte, und beantragte, den Provider beschlussmäßig anzuweisen, den Inhaber der IP-Adresse bekanntzugeben.
Die Untersuchungsrichterin wies nach einer vorhergehenden Ratskammerentscheidung das Auskunftsersuchen der Privatanklägerin ab.
Das OLG gab der dagegen erhobenen Beschwerde der Privatanklägerin keine Folge. Den über ein bloßes Nachschlagen hinausgehenden manipulativen Schritten zur Herausfilterung und Individualisierung des an einer Verbindung beteiligten Anschlusses kommt Verkehrsdatenwertigkeit zu. Bereits die Weitergabe der IP-Adresse war unzulässig. § 18 ECG steht nicht im Verfassungsrang, sodass auch bei einer Auskunfterteilung nach dieser Bestimmungen die Voraussetzungen des § 149a StPO vorliegen müssen und der dort statuierte Richtervorbehalt beachtet werden muss, wenn es um Beauskunftung von Verkehrsdaten geht.
- OLG-Entscheidung
- Franz Schmidbauer, Auszählreime
- weitere Entscheidungen des OLG Wien gegen eine Auskunftspflicht: 8.2.2005, 22 Bs 23/05a; 28.2.2005, 20 Bs 13/05a
OLG Linz, Beschluss vom 23.2.2005, 9 Bs 35/05v - keine Auskunftspflicht
StPO § 149a, TKG § 93, ECG § 18
Privatklägerin ist eine Dachgesellschaft der Bild- und Tonträgerhersteller. Sie erstattete Anzeige gegen einen unbekannten Täter, der zu einem bestimmten Zeitpunkt unter einer bestimmten (dynamischen) IP-Adresse in einer Tauschbörse umfangreiches, urheberrechtlich geschütztes Material angeboten hatte, und beantragte, den Provider beschlussmäßig anzuweisen, den Inhaber der IP-Adresse bekanntzugeben. Die Untersuchungsrichterin wies das Auskunftsersuchen der Privatanklägerin ab.
Das OLG gab der dagegen erhobenen Beschwerde der Privatanklägerin keine Folge. IP-Adressen, die beim Zugang eines Teilnehmers zu einem öffentlichen
Kommunikationsnetz beim Betreiber entstehen und für die Zuordnung der zu einem bestimmten Zeitpunkt für eine Kommunikation verwendeten Netzwerkadressierungen zum Teilnehmer notwendig sind, sind als Verkehrs- bzw. Zugangsdaten anzusehen. Gemäß § 93 Abs 1 TKG unterliegen dem Kommunikationsgeheimnis nicht nur die Inhaltsdaten, sondern auch die Verkehrsdaten. Die Offenlegung seitens des Access Providers, welcher Teilnehmer mittels einer bestimmten IP-Adresse an einer Kommunikation teilgenommen hat, stellt eine Rufdatenrückerfassung dar. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Kommunikationsvorgang an die Öffentlichkeit gerichtet war (Online-Zurverfügungstellung), weil dies nur im Fall einer Inhaltsüberwachung von Relevanz wäre. Die anbietenden User sind im Unterschied zu einer bloßen Stammdatenabfrage (wie etwa bei Bekanntgabe der Identität des Teilnehmers anhand einer bestimmten Telefonnummer) nur im Wege eines rückwirkenden Auswertungsvorganges aufgrund der im Zuge des Kommunikationsvorganges angefallenen Daten feststellbar. Die Bestimmung des § 18 Abs. 2 ECG ist für sich alleine keine ausreichende Grundlage, die Informationspflicht muss sich vielmehr aus einer weiteren gesetzlichen Anordnung ergeben. Bei einem Eingriff in das Fernmeldegeheimnis müssen demnach die Bestimmungen der StPO eingehalten werden.
OLG Wien, Beschluss vom 16.2.2005, 18 Bs 24/05v - Auskunftspflicht
Privatklägerin ist eine Dachgesellschaft der Bild- und Tonträgerhersteller. Sie erstattete Anzeige gegen einen unbekannten Täter, der zu einem bestimmten Zeitpunkt unter einer bestimmten (dynamischen) IP-Adresse in einer Tauschbörse umfangreiches, urheberrechtlich geschütztes Material angeboten hatte, und beantragte, den Provider beschlussmäßig anzuweisen, den Inhaber der IP-Adresse bekanntzugeben.
Der Untersuchungsrichter wies das Auskunftsersuchen der Privatanklägerin ab.
Das OLG gab der dagegen erhobenen Beschwerde der Privatanklägerin Folge. Bei der Bekanntgabe des Inhabers einer IP-Adresse handle es sich nur um eine Bekanntgabe von Stammdaten.
Ratskammer des LG Linz, Beschluss vom 2.2.2005, 23 RK 11 - 26/05 - Auskunftspflicht
StPO § 149a
Privatklägerin ist eine Dachgesellschaft der Bild- und Tonträgerhersteller. Sie erstattete Anzeige gegen unbekannte Täter, die zu einem bestimmten Zeitpunkt unter bestimmten (dynamischen) IP-Adressen in einer Tauschbörse umfangreiches, urheberrechtlich geschütztes Material angeboten hatten, und beantragte, den Provider beschlussmäßig anzuweisen, die Inhaber der IP-Adressen bekanntzugeben.
Der Untersuchungsrichter gab dem Auskunftsersuchen der Privatanklägerin statt.
Die Ratskammer gab der dagegen erhobenen Beschwerde des Providers nicht statt. Die Bekanntgabe der IP-Adresse sei nur eine Bekanntgabe von Stammdaten und keine Überwachung einer Telekommunikation und unterliege daher nicht den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 149a StPO.
Ratskammer des LG für Strafsachen Wien, Beschluss vom 1.12.2004, 286 Ur 300/04y - keine Auskunftspflicht
StPO § 149a
Privatklägerin ist eine Dachgesellschaft der Bild- und Tonträgerhersteller. Sie erstattete Anzeige gegen einen unbekannten Täter, der zu einem bestimmten Zeitpunkt unter einer bestimmten (dynamischen) IP-Adresse in einer Tauschbörse umfangreiches, urheberrechtlich geschütztes Material angeboten hatte, und beantragte, den Provider beschlussmäßig anzuweisen, den Inhaber der IP-Adresse bekanntzugeben.
Der Untersuchungsrichter gab dem Auskunftsersuchen der Privatanklägerin statt.
Die Ratskammer gab der dagegen erhobenen Beschwerde des Providers statt. Die Bekanntgabe von Stammdaten betreffend eine dynamische IP-Adresse ist eine Rufdatenrückerfassung, die nur unter den Voraussetzungen des § 149a ff StPO zulässig ist. Die Bestimmungen des UrhG stellen keine ausreichende rechtliche Basis für ein Auskunftsbegehren dar.
- RK-Entscheidung
- Da stehen die Gerichte davor, Artikel auf Internet4jurists
Auskunft über Mehrwertnummerninhaber: OGH, Beschluss vom 16.3.2004, 4 Ob 7/04i
Die Klägerin mit Sitz auf Malta und Zweigniederlassung in Graz bietet Telefondienstleistungen unter Mehrwertnummern an, die Beklagte stellt Mehrwertnummern Dritten zur Verfügung. Die Klägerin hat die Beklagte bereits mehrfach auf Unterlassung geklagt, weil unter Nummern der Beklagten wettbewerbswidrige Handlungen gesetzt wurden. Diese Klagen wurden abgewiesen, weil die Beklagte als Telekommunikationsunternehmen nicht für Handlungen ihrer Kunden hafte. Im nunmehrigen Verfahren begehrt die Klägerin Auskunft über die Inhaber der Mehrwertnummern.
Das Erstgericht hat abgewiesen, das Berufungsgericht hat bestätigt.
Der OGH hat die Entscheidungen der Unterinstanzen aufgehoben. Da unter Zuhilfenahme des Kommunikationsnetzes der Beklagten gesetzwidrige Inhalte vermittelt werden, hat die Klägerin bei Vorliegen eines überwiegenden rechtlichen Interesses an der Feststellung der Identität eines bestimmten Nutzers und eines bestimmten rechtswidrigen Sachverhalts in analoger Anwendung des § 18 Abs. 4 ECG ein Recht auf Auskunft hinsichtlich der Stammdaten eines bestimmten Nutzers. Sie muss dazu glaubhaft machen, dass die Kenntnis dieser Informationen eine wesentliche Voraussetzung für die von ihr beabsichtigte Rechtsverfolgung bildet.
Anmerkung: Diese Entscheidung könnte auch für bestimmte Internetsachverhalte große Bedeutung erlangen, insbesondere die Dialer-Fälle. Auf dieselbe Weise könnte aber auch versucht werden, die Identität von Tauschbörsen-Usern herauszubekommen. Das Gefährliche an der Argumentation des OGH ist, dass er eine Analogie in einem Bereich des Grundrechtsschutzes anwendet, in dem Durchbrechungen nur unter ganz bestimmten Umständen und nur per Gesetz zulässig sind (Gesetzesvorbehalt).
Redaktionsgeheimnis contra Auskunftspflicht: LG Salzburg, Beschluss vom 18.9.2003, 51 Rk 25/03f
Ein unbekannter Täter schrieb auf der Website der Online-Presse unter einem Pseudonym einen Leserbrief, in dem der Anzeiger E.P. verleumdet wurde. Der Untersuchungsrichter verlangte von der Medieninhaberin die Herausgabe der Userdaten, die diese verweigerte.
Die Ratskammer hob die Verfügung des Untersuchungsrichters auf. Zwar sei
in diesem Fall ein Beschluss nach
§ 149a nicht erforderlich,
weil die Stammdaten im Unterschied zur IP-Adresse nicht dem
Fernmeldegeheimnis unterlägen, das Redaktionsgeheimnisnach
§ 31 MedienG, das auch für
Online-Medien gelte, verhindere aber eine Erzwingung der Herausgabe.
(rechtskräftig; das Verfahren wurde gem. § 412 StPO abgebrochen)
Anmerkung: Wenn diese Entscheidung richtig ist, wofür sehr viel spricht, reduziert dies die Auskunftsplicht möglicherweise nicht nur bei den Online-Medien, sondern bei allen Website-Betreibern, da jede Website ein Medium im Sinne des § 1 Z1 MedienG ist. Es stellt sich dann die Frage, inwieweit das Redaktionsgeheimnis nach § 31 MedienG auch für Gästebücher, Diskussions- und Chatforen anwendbar ist. Allerdings ist die Situation bei solchen Einrichtungen doch anders als bei Medien im engeren Sinne. Bei diesen geht es um den Schutz der Informanten, was letztlich dazu dienen soll, dass die Medien möglichst viele (auch geheime) Informationen bekommen, damit diese ihrem öffentlichen Informationsauftrag nachkommen können. Dagegen geht es bei Gästebüchern und Online-Foren nicht um die Information des Website-Betreibers, sondern um freie Meinungsäußerungen; sie bieten also Platz für eigene Publikationen des Besuchers. Es ist daher zumindest zweifelhaft, ob dafür der Schutz des Redaktionsgeheimnisses gewährt wird.
- LG-Entscheidung
- Markus Fallenböck, Michael Tillian, Zur Auskunfts- und Mitwirkungspflicht der Internet-Provider, MR 2003, 404