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Auskunftspflicht des Access-Providers:

OLG Wien, Beschluss vom 12.4.2005, 18 Bs 68/05i

StPO § 149a, ECG  § 18

*****   Zusammenfassung   *****

Privatklägerin ist eine Dachgesellschaft der Bild- und Tonträgerhersteller. Sie erstattete Anzeige gegen einen unbekannten Täter, der zu einem bestimmten Zeitpunkt unter einer bestimmten (dynamischen) IP-Adresse in einer Tauschbörse umfangreiches, urheberrechtlich geschütztes Material angeboten hatte, und beantragte, den Provider beschlussmäßig anzuweisen, den Inhaber der IP-Adresse bekanntzugeben.

Der Untersuchungsrichter wies das Auskunftsersuchen der Privatanklägerin nach einer vorangegangenen Entscheidung der Ratskammer ab.

Das OLG gibt der dagegen erhobenen Beschwerde der Privatanklägerin Folge. Bei der Bekanntgabe des Inhabers einer IP-Adresse handle es sich nur um eine Bekanntgabe von Stammdaten. Die Beauskunftung sei auch in § 18 Abs. 4 ECG vorgesehen.

*****   Entscheidung   *****

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Körber als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Röggla und die Richterin Mag. Wachberger als weitere Senatsmitglieder in nichtöffentlicher Sitzung in der Strafsache der Privatanklägerin XXX gegen UT wegen § 91 Abs. 1 UrhG über die Beschwerde der Privatanklägerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. Februar 2005, GZ 291 UR 273/0vy-9, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

In Stattgebung der Beschwerde und teilweise auch aus deren Anlass (§ 114 Abs. 4 StPO) wird der angefochtene Beschluss sowie jener der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 4. Februar 2005, GZ 291 Ur 372/04y-8 (AZ 512 Rk 36/05b) ersatzlos aufgehoben und der XYZ aufgetragen, dem somit wiederhergestellten Beschluss der Untersuchungsrichterin vom 18.November 2004, GZ 291 Ur 372/04y-5, umgehend zu entsprechen.

Begründung:

Mit Schriftsatz vom 3. November 2004 beantragte die Privatanklägerin die Einleitung gerichtlicher Vorerhebungen gegen unbekannte Täter wegen § 91 Abs. 1 iVm § 86 Abs. 1 Z 3 und 4 UrhG. Dem liegt zugrunde, dass am 7. August 2004 ein unbekannter Internetnutzer (xxxx) über einen Zugang des Access- Providers XYZ unter der dynamischen IP-Adresse im Zeitraum 3:27:13 PM EDT (- 4:00 GMT) bis 4:16:30 MP EDT (- 4:00 GMT) im Wege eines Filesharingsystems 1147 Musikfiles über geschützte Werke der Tonkunst zum Herunterladen und somit zur Vervielfältigung angeboten, sie solcherart auch öffentlich zur Verfügung gestellt und die Werke dabei auf eine dem Urheber vorbehaltene Verwertungsart benutzt haben soll, ohne über die Einwilligung der betroffenen Künstler bzw der Privatanklägerin zu verfügen, worüber letztere am 24.September 2004 Kenntnis erlangt habe.

Unter einem beantragte die Privatanklägerin, dem Internet-Service-Provider (Access-Provider) XYZ anzuweisen, dem Gericht unverzüglich Namen und Anschrift jenes Kunden bekanntzugeben, dessen Anschluss am 7.August 2004 im Zeitraum 3:27:13 PM EDT bis 4:16:30 PM EDT die IP-Nummer xxx.xxx.xxx.xxx zugeordnet war, welchen Auftrag die Untersuchungsrichterin mit Beschluss vom 18.November 2004 (ON 5) dem angeführten Telekommunikationsunternehmen erteilte.

Gegen diese Anordnung erhob die XYZ gemäß § 113 Abs.1 StPO Beschwerde an die Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (ON 6), die dem Rechtsmittel mit Entscheidung vom 4.Februar 2005, AZ 512 Rk 36/05b, durch Aufhebung des Beschlusses der Untersuchungsrichterin stattgab. Dazu vertrat die Ratskammer die Ansicht, es handle sich um eine Überwachung der Telekommunikation nach §§ 149a ff StPO, weil keine fix zugeteilte, sondern eine dynamische IP-Adresse vorliege und deshalb die Notwendigkeit einer rückwirkenden Auswertung sämtlicher an der Verbindung beteiligter Anschlüsse bestehe. Für eine Maßnahme nach § 149a ff StPO lägen allerdings die im Hinblick auf die im § 91 Abs.1 UrhG normierte Strafdrohung die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor. Dem folgend wies die Untersuchungsrichterin mit dem nunmehr von der Privatanklägerin angefochtenen Beschluss vom 14. Februar 2005 (ON 9) den Antrag der Privatanklägerin auf Einholung der Auskunft ab.

Dagegen richtet sich die zulässige (§ 149b Abs.5 iVm § 46 Abs.2 StPO) Beschwerde der XXX, der Berechtigung zukommt.

Wie das Oberlandesgericht Wien bereits wiederholt aussprach (17 Bs 10/05b, 17 Bs 19/05b, 18 Bs 24/05v, 18 Bs 31/05y, 19 Bs 13/05h, ua) ist Ziel des gegenständlichen Verfolgungsantrages nicht eine Rufdatenrückerfassung, die klären soll, welche Teilnehmeranschlüsse Ursprung und Ziel einer Telekommunikation sind bzw waren (Reindl in WK § 149a RN 48).

Nur in diesem Umfang, sofern nämlich ein Fall des § 149a Abs.1 Z 1 lit b StPO vorliegt, sind auch die erläuternden Bemerkungen zu § 92 TKG 2003 zu verstehen, dass eine allfällige e-mail-Netzwerk- oder IP-Adresse zur Verbindung mit einem Teilnehmer bzw im Internetbereich "originierende oder terminierende IP-Adressen" als sogenannte "Log-Daten" als Teile der Verkehrsdaten anzusehen sind (GP XXII RV 128 S 18 und 19) und solcherart von den Bestimmungen über die Überwachung der Telekommunikation nach §§ 148a StPO ff erfasst werden. Dass nämlich der Aufbau einer derartigen Verbindung zu einem anderen Teilnehmer und die Preisgabe von dessen Identität im Wege einer IP-Adresse gleichsam als Rufdatenrückerfassung bereits unter das geschützte Kommunikationsgeheimnis fällt, bedarf keiner Erörterung.

Ausgehend von dem bekannten Teilnehmeranschluss (§ 149a Abs.1 Z 3 StPO), das ist vorliegend die bekanntgegebene IP-Adresse (Reindl aaO RN 3, Fabrizy StPO5, § 149a RN 8), ist Ziel der Vorerhebung die Bekanntgabe der sogenannten Stammdaten, das sind die Informationen, wie zB Name des Anschlussinhabers, seine Adresse etc, die bloß für die Abwicklung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Anbieter eines Telekommunikationsdienstes und der Person, welche diese Dienste nutzt, nötig sind (Reindl WK StPO vor §§ 149a bis c RN 21; Fabrizy aaO RN 17).

Stammdaten unterliegen aber nicht dem Fernmeldegeheimnis, sondern nur dem Datenschutz. Auskünfte an Strafgerichte zur Bekanntgabe von Stammdaten (dh regelmäßiger Bekanntgabe der Identität des Teilnehmers anhand einer bestimmten Telefonnummer [dem entspricht eine IP-Adresse]) zum Zweck der Aufklärung und Verfolgung einer bestimmten Straftat unterliegen nicht den Regelungen nach den §§ 149a ff (Fabrizy aaO, RN 17, so auch sinngemäß OGH 16.3.2004, 4 Ob 7/04i).

Eine Überwachung der Telekommunikation im Sinn des § 149a StPO wäre daher - noch einmal gesagt - nur die Recherche, welche IP-Adressen ein bestimmter User während seines Aufenthaltes im Internet aufgesucht sowie an welche Adressen er bestimmte Daten gesandt bzw von welchen Adressen er Derartiges abgefragt oder heruntergeladen hat, nicht aber die Anfrage, welche IP-Adresse - ob statisch oder dynamisch - einem bestimmten User anlässlich der Inanspruchnahme der angebotenen Dienste zugewiesen war.

Nicht zu vergessen § 18 Abs.4 ECG, dem zufolge Diensteanbieter den Namen und die Adresse eines Nutzers ihres Dienstes auf Verlangen dritter Personen bekanntgeben müssen, sofern diese ein überwiegendes rechtliches Interesse an der Feststellung der Identität eines Nutzers und eines bestimmten rechtswidrigen Sachverhaltes glaubhaft machen (vgl Brenn ECG S 297; 4). In Stattgebung der Beschwerde und teilweise aus deren Anlass (§ 114 Abs.4 2.Fall StPO) waren daher der angefochtene Beschluss sowie zur Beseitigung des Verfahrensgebrechens auch jener der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 4.Februar 2005 ersatzlos aufzuheben, womit jener Beschluss der Untersuchungsrichterin wiederhergestellt wird, mit welchem die zur auftragsgemäßen Bekanntgabe der Stammdaten des betreffenden Kunden, dem im fraglichen Zeitraum die von der Privatanklägerin genannte IP-Adresse zugeordnet war, aufgefordert wird.  

Oberlandesgericht Wien,
Abt.18, am 12. April.2005

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