Strafprozessordnung 1975 |
BGBl.Nr. 631/1975 (WV), in der Fassung BGBl. I Nr. 15/2004, 19/2004, 136/2004, 151/2004, 164/2004, 119/2005, 56/2006, 102/2006, 93/2007, 109/2007, 40/2009, 52/2009, 98/2009, 135/2009, 142/2009, 38/2010, 64/2010, 108/2010 und 111/2010
§§ 1 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 105 110 115 120 125 130 135 140 145 150 155 160 165 170 175 180 185 190 195 200 205 210 215 220 226 230 235 240 245 250 255 260 265 270 275 280 285 290 295 301 305 310 315 320 325 330 335 340 345 350 355 360 365 370 375 380 385 390 395 400 405 410 427 430 435 440 445 450 455 463 465 470 475 480 485 490 495 500 505 510 515
1. Teil
Allgemeines und Grundsätze des Verfahrens
1. Hauptstück
Das Strafverfahren und seine Grundsätze
- § 1 Das Strafverfahren
- § 2 Amtswegigkeit
- § 3 Objektivität und Wahrheitserforschung
- § 4 Anklagegrundsatz
- § 5 Gesetz- und Verhältnismäßigkeit
- § 6 Rechtliches Gehör
- § 7 Recht auf Verteidigung
- § 8 Unschuldsvermutung
- § 9 Beschleunigungsgebot
- § 10 Beteiligung der Opfer
- § 11 Geschworene und Schöffen
- § 12 Mündlichkeit und Öffentlichkeit
- § 13 Unmittelbarkeit
- § 14 Freie Beweiswürdigung
- § 15 Vorfragen
- § 16 Verbot der Verschlechterung
- § 17 Verbot wiederholter Strafverfolgung
2. Hauptstück
Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft, Gericht und Rechtsschutzbeauftragter
1. Abschnitt Kriminalpolizei
- § 18 Kriminalpolizei
2. Abschnitt Staatsanwaltschaften und ihre Zuständigkeiten
- § 19 Allgemeines
- § 20 Staatsanwaltschaft
- § 20a Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA)
- § 21 Oberstaatsanwaltschaft
- § 22 Generalprokuratur
- § 23 Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes
- § 24 Stellungnahmen von Staatsanwaltschaften
- § 25 Örtliche Zuständigkeit
- § 26 Zusammenhang
- § 27 Trennung von Verfahren
- § 28 Bestimmung der Zuständigkeit
- § 28a Zuständigkeitskonflikt bei Verfahren der WKStA
3. Abschnitt Gerichte
- § 29 Allgemeines
- § 30 Bezirksgericht
- § 31 Landesgericht
- § 32 Landesgericht als Geschworenen- und Schöffengericht
- § 32a Zuständigkeit für Wirtschaftsstrafsachen und Korruption
- § 33 Oberlandesgericht
- § 34 Oberster Gerichtshof
- § 35 Form gerichtlicher Entscheidungen
- § 36 Örtliche Zuständigkeit
- § 37 Zuständigkeit des Zusammenhangs
- § 38 Kompetenzkonflikt
- § 39 Delegierung
- §§ 40 bis 42 Vorsitz und Abstimmung in den Senaten
4. Abschnitt Ausschließung und Befangenheit
- § 43 Ausgeschlossenheit von Richtern
- § 44 Anzeige der Ausgeschlossenheit und Antrag auf Ablehnung
- § 45 Entscheidung über Ausschließung
- § 46 Ausschließung von Geschworenen, Schöffen und Protokollführern
- § 47 Befangenheit von Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft
5. Abschnitt
- § 47a Rechtsschutzbeauftragter
3. Hauptstück
Beschuldigter und Verteidiger
1. Abschnitt Allgemeines
- § 48 Definitionen
2. Abschnitt Der Beschuldigte
3. Abschnitt Der Verteidiger
4. Abschnitt Haftungsbeteiligte
- § 64 Haftungsbeteiligte
4. Hauptstück
Opfer und ihre Rechte
1. Abschnitt Allgemeines
- § 65 Definitionen
2. Abschnitt Opfer und Privatbeteiligte
3. Abschnitt Privatankläger und Subsidiarankläger
4. Abschnitt Vertreter
- § 73 Vertreter
5. Hauptstück
Gemeinsame Bestimmungen
1. Abschnitt Einsatz der Informationstechnik
2. Abschnitt Amts- und Rechtshilfe, Akteneinsicht
3. Abschnitt Anzeigepflicht, Anzeige- und Anhalterecht
- §§ 78 und 79 Anzeigepflicht
- § 80 Anzeige- und Anhalterecht
4. Abschnitt Bekanntmachung, Zustellung und Fristen
5. Abschnitt Beschlüsse und Beschwerden
6. Abschnitt Vollstreckung von Geld- und Freiheitsstrafen
- § 90 Vollstreckung von Geld- und Freiheitsstrafen
2. TEIL
Das Ermittlungsverfahren
6. Hauptstück
Allgemeines
1. Abschnitt Zweck des Ermittlungsverfahrens
2. Abschnitt Zwangsgewalt und Beugemittel, Ordnungsstrafen
3. Abschnitt Protokollierung
7. Hauptstück Aufgaben und Befugnisse der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft und des Gerichts
1. Abschnitt Allgemeines
- § 98 Allgemeines
2. Abschnitt Kriminalpolizei im Ermittlungsverfahren
3. Abschnitt Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren
4. Abschnitt Gericht im Ermittlungsverfahren
- § 104 Gerichtliche Beweisaufnahme
- § 105 Bewilligung von Zwangsmitteln
- §§ 106 und 107 Einspruch wegen Rechtsverletzung
- § 108 Antrag auf Einstellung
8. Hauptstück
Ermittlungsmaßnahmen und Beweisaufnahme
1. Abschnitt Sicherstellung, Beschlagnahme, Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte
- § 109 Definitionen
- §§ 110 bis 114 Sicherstellung
- § 115 Beschlagnahme
- § 116 Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte
2. Abschnitt Identitätsfeststellung, Durchsuchung von Orten und Gegenständen, Durchsuchung von Personen, körperliche Untersuchung und molekulargenetische Untersuchung
- § 117 Definitionen
- § 118 Identitätsfeststellung
- §§ 119 bis 122 Durchsuchung von Orten und Gegenständen sowie von Personen
- § 123 Körperliche Untersuchung
- § 124 Molekulargenetische Untersuchung
3. Abschnitt Sachverständige und Dolmetscher, Leichenbeschau und Obduktion
- § 125 Definitionen
- §§ 126 und 127 Sachverständige und Dolmetscher
- § 128 Leichenbeschau und Obduktion
4. Abschnitt Observation, verdeckte Ermittlung und Scheingeschäft
5. Abschnitt Beschlagnahme von Briefen, Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung sowie Überwachung von Nachrichten und von Personen
- § 134 Definitionen
- § 135 Beschlagnahme von Briefen, Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung sowie Überwachung von Nachrichten
- §§ 136 bis 140 Optische und akustische Überwachung von Personen
6. Abschnitt Automationsunterstützter Datenabgleich
7. Abschnitt Geistliche Amtsverschwiegenheit und Berufsgeheimnisse
- § 144 Schutz der geistlichen Amtsverschwiegenheit und von Berufsgeheimnissen
8. Abschnitt Besondere Durchführungsbestimmungen, Rechtsschutz und Schadenersatz
- § 145 Besondere Durchführungsbestimmungen
- §§ 146 und 147 Rechtsschutz
- § 148 Schadenersatz
9. Abschnitt Augenschein und Tatrekonstruktion
10. Abschnitt Erkundigungen und Vernehmungen
- § 151 Definitionen
- § 152 Erkundigungen
- § 153 Vernehmungen
- § 154 Zeuge und Wahrheitspflicht
- § 155 Verbot der Vernehmung als Zeuge
- § 156 Aussagebefreiung
- §§ 157 und 158 Aussageverweigerung
- § 159 Information und Nichtigkeit
- §§ 160 und 161 Durchführung der Vernehmung
- § 162 Anonyme Aussage
- § 163 Gegenüberstellung
- § 164 Vernehmung des Beschuldigten
- § 165 Kontradiktorische Vernehmung des Beschuldigten oder eines Zeugen
- § 166 Beweisverbot
9. Hauptstück
Fahndung, Festnahme und Untersuchungshaft
1. Abschnitt Fahndung
- § 167 Definitionen
- §§ 168 und 169 Fahndung
2. Abschnitt Festnahme
3. Abschnitt Untersuchungshaft
4. Abschnitt Vollzug der Untersuchungshaft
3. TEIL
Beendigung des Ermittlungsverfahrens
10. Hauptstück
Einstellung, Abbrechung und Fortführung des Ermittlungsverfahrens
- § 190 Einstellung des Ermittlungsverfahrens
- § 191 Einstellung wegen Geringfügigkeit
- § 192 Einstellung bei mehreren Straftaten
- § 193 Fortführung des Verfahrens
- § 194 Verständigungen
- § 195 Antrag auf Fortführung
- § 196 Entscheidung des Oberlandesgerichts
- § 197 Abbrechung des Ermittlungsverfahrens gegen Abwesende und gegen unbekannte Täter
11. Hauptstück
Rücktritt von der Verfolgung (Diversion)
- §§ 198 und 199 Allgemeines
- § 200 Zahlung eines Geldbetrages
- §§ 201 und 202 Gemeinnützige Leistungen
- § 203 Probezeit
- § 204 Tatausgleich
- § 205 Nachträgliche Fortsetzung des Strafverfahrens
- § 206 Rechte und Interessen des Geschädigten
- § 207 Information des Beschuldigten
- §§ 208 und 209 Gemeinsame Bestimmungen
- § 209a Rücktritt von der Verfolgung wegen Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft
- § 209b Rücktritt von der Verfolgung wegen Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit einer kartellrechtlichen Zuwiderhandlung
4. TEIL
Haupt- und Rechtsmittelverfahren
12. Hauptstück
Die Anklage
1. Abschnitt Allgemeines
- § 210 Die Anklage
2. Abschnitt Die Anklageschrift
- § 211 Inhalt der Anklageschrift
- §§ 212 und 213 Einspruch gegen die Anklageschrift
- §§ 214 und 215 Verfahren vor dem Oberlandesgericht
13. Hauptstück
Vorbereitungen zur Hauptverhandlung
14. Hauptstück
Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Schöffengericht und Rechtsmittel gegen dessen Urteile
I. Hauptverhandlung und Urteil
1. Öffentlichkeit der Hauptverhandlung
2. Amtverrichtungen des Vorsitzenden und des Schöffengerichts während der Hauptverhandlung
3. Beginn der Hauptverhandlung
4. Vernehmung des Angeklagten
5. Beweisverfahren
6. Vorträge der Parteien
7. Urteil des Gerichtshofes
8. Verkündung und Ausfertigung des Urteiles
9. Protokollführung
10. Vertagung der Hauptverhandlung
11. Zwischenfälle
II. Rechtsmittel gegen das Urteil
1. Verfahren bei Nichtigkeitsbeschwerden
2. Verfahren bei Berufungen
5. Teil
Besondere Verfahren
15. Hauptstück
Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Geschworenengericht und Rechtsmittel gegen dessen Urteile
I. Allgemeine Bestimmungen
II. Hauptverhandlung vor dem Geschworenengerichte
1. Allgemeine Bestimmungen
2. Beginn der Hauptverhandlung
3. Beweisverfahren
4. Fragestellung an die Geschworenen
5. Vorträge der Parteien; Schluss der Verhandlung
6. Wahl des Obmannes der Geschworenen; Rechtsbelehrung durch den Vorsitzenden
7. Beratung und Abstimmung der Geschworenen
8. Verbesserung des Wahrspruches der Geschworenen
9. Weiteres Verfahren bis zur gemeinsamen Beratung über die Strafe
10. Gemeinsame Beratung über die Strafe
11. Verkündung des Wahrspruches und des Urteiles
12. Ausfertigung des Urteiles, Protokollführung
III. Rechtsmittel gegen Urteile der Geschworenengerichte
16. Hauptstück
Wiederaufnahme und Erneuerung des Strafverfahrens sowie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
I. Wiederaufnahme des Verfahrens
II. Erneuerung des Strafverfahrens
III. Wiedereinsetzung gegen den Ablauf von Fristen
17. Hauptstück
Verfahren über privatrechtliche Ansprüche
18. Hauptstück
Kosten des Strafverfahrens
19. Hauptstück
Vollstreckung der Urteile
20. Hauptstück Verfahren gegen Abwesende
Abwesenheitsverfahren
21. Hauptstück
Verfahren bei vorbeugenden Maßnahmen und beim Verfall, beim erweiterten Verfall und bei der Einziehung
I. Vom Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 StGB
II. Vom Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 2 StGB, in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher nach § 22 StGB oder in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter nach § 23 StGB
III. Vom Verfahren beim Verfall, beim erweiterten Verfall und bei der Einziehung
22. Hauptstück
Verfahren vor dem Bezirksgericht
I. Anklage
- § 447
- §§ 448 und 449 (aufgehoben)
1. Abschnitt Hauptverfahren
2. Abschnitt Rechtsmittel gegen Urteile der Bezirksgerichte
23. Hauptstück
Verfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter
24. Hauptstück
Verfahren bei bedingter Strafnachsicht, bedingter Nachsicht von vorbeugenden Maßnahmen, Erteilung von Weisungen und Anordnung der Bewährungshilfe
I. Bedingte Nachsicht einer Strafe, der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher und einer Rechtsfolge
II. Erteilung von Weisungen und Anordnung der Bewährungshilfe
III. Widerruf einer bedingten Nachsicht
IV. Endgültige Nachsicht
V. Gemeinsame Bestimmungen
25. Hauptstück
Ausübung der Strafgerichtsbarkeit über Soldaten im Frieden
26. Hauptstück
Gnadenverfahren
1. Teil
Allgemeines und Grundsätze des Verfahrens
1. Hauptstück
Das Strafverfahren und seine Grundsätze
Das Strafverfahren
§ 1. (1) Die Strafprozessordnung regelt das Verfahren zur Aufklärung von Straftaten, über die Verfolgung verdächtiger Personen und über damit zusammenhängende Entscheidungen. Straftat im Sinne dieses Gesetzes ist jede nach einem Bundes- oder Landesgesetz mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung.
(2) Das Strafverfahren beginnt, sobald Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zur Aufklärung des Verdachts einer Straftat gegen eine bekannte oder unbekannte Person ermitteln oder Zwang gegen eine verdächtige Person ausüben. Das Strafverfahren endet durch Einstellung oder Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft oder durch gerichtliche Entscheidung.
Amtswegigkeit
§ 2. (1) Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft sind im Rahmen ihrer Aufgaben verpflichtet, jeden ihnen zur Kenntnis gelangten Verdacht einer Straftat, die nicht bloß auf Verlangen einer hiezu berechtigten Person zu verfolgen ist, in einem Ermittlungsverfahren von Amts wegen aufzuklären.
(2) Im Hauptverfahren hat das Gericht die der Anklage zu Grunde liegende Tat und die Schuld des Angeklagten von Amts wegen aufzuklären.
Objektivität und Wahrheitserforschung
§ 3. (1) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht haben die Wahrheit zu erforschen und alle Tatsachen aufzuklären, die für die Beurteilung der Tat und des Beschuldigten von Bedeutung sind.
(2) Alle Richter, Staatsanwälte und kriminalpolizeilichen Organe haben ihr Amt unparteilich und unvoreingenommen auszuüben und jeden Anschein der Befangenheit zu vermeiden. Sie haben die zur Belastung und die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände mit der gleichen Sorgfalt zu ermitteln.
Anklagegrundsatz
§ 4. (1) Die Anklage obliegt der Staatsanwaltschaft, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Staatsanwaltschaft hat für die zur Entscheidung über das Einbringen der Anklage notwendigen Ermittlungen zu sorgen, die erforderlichen Anordnungen zu treffen und Anträge zu stellen. Gegen ihren Willen darf ein Strafverfahren nicht geführt werden. Die Rechte auf Privatanklage und auf Subsidiaranklage (§§ 71 und 72) bleiben unberührt.
(2) Einleitung und Durchführung eines Hauptverfahrens setzen eine rechtswirksame Anklage voraus; in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen ist hiefür eine Ermächtigung (§ 92) erforderlich.
(3) Die Entscheidung des Gerichts hat die Anklage zu erledigen, darf sie jedoch nicht überschreiten. An eine rechtliche Beurteilung ist das Gericht nicht gebunden.
Gesetz- und Verhältnismäßigkeit
§ 5. (1) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht dürfen bei der Ausübung von Befugnissen und bei der Aufnahme von Beweisen nur soweit in Rechte von Personen eingreifen, als dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen und zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Jede dadurch bewirkte Rechtsgutbeeinträchtigung muss in einem angemessenen Verhältnis zum Gewicht der Straftat, zum Grad des Verdachts und zum angestrebten Erfolg stehen.
(2) Unter mehreren zielführenden Ermittlungshandlungen und Zwangsmaßnahmen haben Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht jene zu ergreifen, welche die Rechte der Betroffenen am Geringsten beeinträchtigen. Gesetzlich eingeräumte Befugnisse sind in jeder Lage des Verfahrens in einer Art und Weise auszuüben, die unnötiges Aufsehen vermeidet, die Würde der betroffenen Personen achtet und deren Rechte und schutzwürdige Interessen wahrt.
(3) Beschuldigte oder andere Personen zur Unternehmung, Fortsetzung oder Vollendung einer Straftat zu verleiten oder durch heimlich bestellte Personen zu einem Geständnis zu verlocken, ist unzulässig.
Rechtliches Gehör
§ 6. (1) Der Beschuldigte hat das Recht, am gesamten Verfahren mitzuwirken und die Pflicht, während der Hauptverhandlung anwesend zu sein. Er ist mit Achtung seiner persönlichen Würde zu behandeln.
(2) Jede am Verfahren beteiligte oder von der Ausübung von Zwangsmaßnahmen betroffene Person hat das Recht auf angemessenes rechtliches Gehör und auf Information über Anlass und Zweck der sie betreffenden Verfahrenshandlung sowie über ihre wesentlichen Rechte im Verfahren. Der Beschuldigte hat das Recht, alle gegen ihn vorliegende Verdachtsgründe zu erfahren und vollständige Gelegenheit zu deren Beseitigung und zu seiner Rechtfertigung zu erhalten.
Recht auf Verteidigung
§ 7. (1) Der Beschuldigte hat das Recht, sich selbst zu verteidigen und in jeder Lage des Verfahrens den Beistand eines Verteidigers in Anspruch zu nehmen.
(2) Der Beschuldigte darf nicht gezwungen werden, sich selbst zu belasten. Es steht ihm jederzeit frei, auszusagen oder die Aussage zu verweigern. Er darf nicht durch Zwangsmittel, Drohungen, Versprechungen oder Vorspiegelungen zu Äußerungen genötigt oder bewogen werden.
Unschuldsvermutung
§ 8. Jede Person gilt bis zu ihrer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig.
Beschleunigungsgebot
§ 9. (1) Jeder Beschuldigte hat Anspruch auf Beendigung des Verfahrens innerhalb angemessener Frist. Das Verfahren ist stets zügig und ohne unnötige Verzögerung durchzuführen.
(2) Verfahren, in denen ein Beschuldigter in Haft gehalten wird, sind mit besonderer Beschleunigung zu führen. Jeder verhaftete Beschuldigte hat Anspruch auf ehest mögliche Urteilsfällung oder Enthaftung während des Verfahrens. Alle im Strafverfahren tätigen Behörden, Einrichtungen und Personen sind verpflichtet, auf eine möglichst kurze Dauer der Haft hinzuwirken.
Beteiligung der Opfer
§ 10. (1) Opfer von Straftaten sind nach Maßgabe der Bestimmungen des 4. Hauptstückes berechtigt, sich am Strafverfahren zu beteiligen.
(2) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht sind verpflichtet, auf die Rechte und Interessen der Opfer von Straftaten angemessen Bedacht zu nehmen und alle Opfer über ihre wesentlichen Rechte im Verfahren sowie über die Möglichkeit zu informieren, Entschädigungs- oder Hilfeleistungen zu erhalten.
(3) Alle im Strafverfahren tätigen Behörden, Einrichtungen und Personen haben Opfer während des Verfahrens mit Achtung ihrer persönlichen Würde zu behandeln und deren Interesse an der Wahrung ihres höchstpersönlichen Lebensbereiches zu beachten. Dies gilt insbesondere für die Weitergabe von Lichtbildern und die Mitteilung von Angaben zur Person, die zu einem Bekanntwerden der Identität in einem größeren Personenkreis führen kann, ohne dass dies durch Zwecke der Strafrechtspflege geboten ist. Staatsanwaltschaft und Gericht haben bei ihren Entscheidungen über die Beendigung des Verfahrens stets die Wiedergutmachungsinteressen der Opfer zu prüfen und im größtmöglichen Ausmaß zu fördern.
Geschworene und Schöffen
§ 11. (1) In den in diesem Gesetz vorgesehenen Fällen wirken Geschworene oder Schöffen an Hauptverhandlung und Urteilsfindung mit.
(2) Geschworene und Schöffen sind über ihre Aufgaben und Befugnisse sowie über den Ablauf des Verfahrens zu informieren.
Mündlichkeit und Öffentlichkeit
§ 12. (1) Gerichtliche Verhandlungen im Haupt- und Rechtsmittelverfahren werden mündlich und öffentlich durchgeführt. Das Ermittlungsverfahren ist nicht öffentlich.
(2) Das Gericht hat bei der Urteilsfällung nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in der Hauptverhandlung vorgekommen ist.
Unmittelbarkeit
§ 13. (1) Die Hauptverhandlung bildet den Schwerpunkt des Verfahrens. In ihr sind die Beweise aufzunehmen, auf Grund deren das Urteil zu fällen ist.
(2) Im Ermittlungsverfahren sind die Beweise aufzunehmen, die für die Entscheidung über die Erhebung der Anklage unerlässlich sind oder deren Aufnahme in der Hauptverhandlung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen voraussichtlich nicht möglich sein wird.
(3) Soweit ein Beweis unmittelbar aufgenommen werden kann, darf er nicht durch einen mittelbaren ersetzt werden. Der Inhalt von Akten und anderen Schriftstücken darf nur soweit als Beweis verwertet werden, als er in einer nach diesem Gesetz zulässigen Weise wiedergegeben wird.
Freie Beweiswürdigung
§ 14. Ob Tatsachen als erwiesen festzustellen sind, hat das Gericht auf Grund der Beweise nach freier Überzeugung zu entscheiden; im Zweifel stets zu Gunsten des Angeklagten oder sonst in seinen Rechten Betroffenen.
Vorfragen
§ 15. Vorfragen sind im Strafverfahren selbstständig zu beurteilen. Entscheidungen zuständiger Behörden können jedoch abgewartet werden, wenn mit ihnen in absehbarer Zeit zu rechnen ist. An die rechtsgestaltenden Wirkungen von Entscheidungen der Zivilgerichte und anderer Behörden sind die Strafgerichte jedoch gebunden.
Verbot der Verschlechterung
§ 16. Wenn ein Rechtsmittel oder ein Rechtsbehelf nur zu Gunsten des Beschuldigten erhoben wurde, darf der Beschuldigte durch den Inhalt einer darüber ergehenden gerichtlichen Entscheidung im Ermittlungsverfahren und in der Straffrage nicht schlechter gestellt werden, als wenn die Entscheidung nicht angefochten worden wäre.
Verbot wiederholter Strafverfolgung
§ 17. (1) Nach rechtswirksamer Beendigung eines Strafverfahrens ist die neuerliche Verfolgung desselben Verdächtigen wegen derselben Tat unzulässig.
(2) Die Bestimmungen über die Fortsetzung, die Fortführung, die Wiederaufnahme und die Erneuerung des Strafverfahrens sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes bleiben hievon unberührt.
2. Hauptstück
Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft, Gericht und Rechtsschutzbeauftragter
1. Abschnitt
Kriminalpolizei
Kriminalpolizei
§ 18. (1) Kriminalpolizei besteht in der Wahrnehmung von Aufgaben im Dienste der Strafrechtspflege (Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG), insbesondere in der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten nach den Bestimmungen dieses Gesetzes.
(2) Kriminalpolizei obliegt den Sicherheitsbehörden, deren Organisation und örtliche Zuständigkeit sich nach den Vorschriften des Sicherheitspolizeigesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung richten. Aufgaben und Befugnisse, die den Sicherheitsbehörden in diesem Gesetz übertragen werden, stehen auch den ihnen beigegebenen, zugeteilten oder unterstellten Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu.
(3) Soweit in diesem Gesetz der Begriff Kriminalpolizei verwendet wird, werden damit die Sicherheitsbehörden und -dienststellen sowie ihre Organe (Abs. 2) in Ausübung der Kriminalpolizei bezeichnet.
2. Abschnitt
Staatsanwaltschaften und ihre Zuständigkeiten
Allgemeines
§ 19. (1) Als Staatsanwaltschaften sind im Strafverfahren tätig:
1. die Staatsanwaltschaften am Sitz der Landesgerichte,
2. die Oberstaatsanwaltschaften am Sitz der Oberlandesgerichte
3. die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) (ab 1.1.2009)
(2) Die Staatsanwaltschaften üben ihre Tätigkeit als Organe der Rechtspflege durch Staatsanwälte aus.
(3) Soweit dieses Gesetz im Einzelnen nichts anderes bestimmt, richten sich Organisation und Aufgaben der Staatsanwaltschaften nach den Vorschriften des Staatsanwaltschaftsgesetzes (StAG), BGBl. Nr. 164/1986.
Staatsanwaltschaft
§ 20. (1) Die Staatsanwaltschaft leitet das Ermittlungsverfahren; ihr allein steht die Erhebung der öffentlichen Anklage zu. Sie entscheidet, ob gegen eine bestimmte Person Anklage einzubringen, von der Verfolgung zurückzutreten oder das Verfahren einzustellen ist.
(2) Ermittlungen, Anordnungen und andere Verfahrenshandlungen im Verfahren wegen Straftaten, für die im Hauptverfahren das Bezirksgericht zuständig wäre, sowie die Vertretung der Anklage vor den Bezirksgerichten können nach Maßgabe des Staatsanwaltschaftsgesetzes Bezirksanwälten übertragen werden, die unter Aufsicht und Leitung von Staatsanwälten stehen.
(3) Die Staatsanwaltschaft ist auch für die Erledigung von Rechtshilfeersuchen in- und ausländischer Justizbehörden zuständig, soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird.
Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA)
§ 20a.
(1) Der WKStA obliegt für das gesamte Bundesgebiet die Leitung des
Ermittlungsverfahrens, dessen Beendigung im Sinne des 10. und 11. Hauptstücks
sowie die Einbringung der Anklage und deren Vertretung im Hauptverfahren und im
Verfahren vor dem Oberlandesgericht wegen folgender Vergehen oder Verbrechen:
1. Veruntreuung, schwerer oder gewerbsmäßig schwerer Betrug, betrügerischer
Datenverarbeitungsmissbrauch, Untreue, Förderungsmissbrauch und betrügerische
Krida, soweit auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass der durch die
Tat herbeigeführte Schaden 5 000 000 Euro übersteigt (§§ 133 Abs. 2 2. Fall, 147
Abs. 3, 148 2. Fall, 148a Abs. 2 2. Fall, § 153 Abs. 2 zweiter Fall, 153b Abs. 4
und 156 Abs. 2 StGB);
2. Betrügerisches Vorenthalten von
Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und
Abfertigungsgesetz, soweit auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass
das Ausmaß der vorenthaltenen Beiträge oder Zuschläge 5 000 000 Euro übersteigt
(§ 153d Abs. 2 und 3 StGB) und Organisierte Schwarzarbeit (§ 153e StGB);
3.
Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen gemäß § 159 Abs. 4
StGB, in den Fällen des § 159 Abs. 4 Z 1 und 2 StGB jedoch nur, soweit auf Grund
bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass der Befriedigungsausfall 5 000 000
Euro übersteigt;
4. Ketten- oder Pyramidenspiele gemäß § 168a Abs. 2 StGB;
5. Geschenkannahme durch Machthaber (§ 153a StGB), wettbewerbsbeschränkende
Absprachen bei Vergabeverfahren (168b StGB), Geschenkannahme durch Bedienstete
oder Beauftragte (§ 168c Abs. 2 StGB), Bestechlichkeit (§ 304 StGB),
Vorteilsannahme (§ 305 StGB), Vorbereitung der Bestechlichkeit oder der
Vorteilsannahme (§ 306 StGB), Bestechung (§ 307 StGB), Vorteilszuwendung (§ 307a
StGB), Vorbereitung der Bestechung (§ 307b StGB) und Verbotene Intervention (§
308 StGB);
6. Vergehen gemäß § 255 Aktiengesetz, BGBl. Nr. 98/1965, § 122
GmbH-Gesetz, RGBl. Nr. 58/1906, § 89 Genossenschaftsgesetz, RGBl. Nr. 70/1873 §
37 Immobilien-Investmentfondsgesetz, BGBl. I Nr. 80/2003, § 44
Investmentfondsgesetz, BGBl. Nr. 532/1993, § 15 Kapitalmarktgesetz, BGBl. Nr.
625/1991, § 43 ORF-Gesetz, BGBl. Nr. 379/1984, § 41 PSG, BGBl. Nr. 694/1993, §
64 SE-Gesetz, BGBl. I Nr. 67/2004, § 18 SpaltG, BGBl. Nr. 304/1996, und § 114
VAG, BGBl. Nr. 569/1978 sowie Verfahren gemäß § 48b BörseG, BGBl. Nr. 555/1989;
7. in die Zuständigkeit der Gerichte fallende Finanzvergehen, soweit auf
Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass der strafbestimmende Wertbetrag
5 000 000 Euro übersteigt;
8. Geldwäscherei (§ 165 StGB), soweit die
Vermögensbestandteile aus einer in den vorstehenden Ziffern genannten Straftat
herrühren;
9. Kriminelle Vereinigung oder kriminelle Organisation (§§ 278
und 278a StGB), soweit die Vereinigung oder Organisation oder die Begehung auf
eine der in den vorstehenden Ziffern genannten Straftaten ausgerichtet ist.
(2) Ermittlungsverfahren wegen der in Abs. 1 Z 5 und in § 20b Abs. 3 erwähnten Straftaten und mit diesen in Zusammenhang stehende Straftaten nach Abs. 1 Z 8 und 9 hat die WKStA nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung zu führen, es sei denn, dass dessen Organe nicht rechtzeitig einschreiten können, das Bundesamt die Ermittlungen einer anderen kriminalpolizeilichen Behörde oder Dienststelle übertragen hat oder sonst ein wichtiger Grund vorliegt, Anordnungen an andere kriminalpolizeiliche Behörden oder Dienststellen zu richten.
(3) Die WKStA ist auch für das Verfahren wegen Rechtshilfe oder strafrechtlicher Zusammenarbeit mit den zuständigen Einrichtungen der Europäischen Union sowie mit den Justizbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union wegen der in Abs. 1 erwähnten Straftaten zuständig. Sie ist zentrale nationale Verbindungsstelle gegenüber OLAF und Eurojust, soweit Verfahren wegen derartiger Straftaten betroffen sind.
(4) In den Fällen des Zusammenhangs mit in Abs. 1 erwähnten Straftaten hat die WKStA gemäß den §§ 26 und 27 vorzugehen. Hinsichtlich anderer Taten hat die WKStA das Verfahren zu trennen und der danach zuständigen Staatsanwaltschaft abzutreten, soweit ihre Zuständigkeit nicht gemäß § 20b begründet wäre; darüber hinaus kann die WKStA auf diese Weise vorgehen, wenn das Verfahren wegen der ihre Zuständigkeit begründenden Straftaten beendet wird. Im Übrigen hat die Staatsanwaltschaft, die zuerst von einer Straftat im Sinne des Abs. 1 Kenntnis erlangt, die keinen Aufschub duldenden Anordnungen zu treffen und das Verfahren an die WKStA abzutreten.
§ 20b. (1) Soweit zur wirksamen und zügigen Führung von Wirtschaftsstrafsachen besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens oder Erfahrungen mit solchen Verfahren erforderlich erscheinen, kann die WKStA eine Wirtschaftsstrafsache der zuständigen Staatsanwaltschaft abnehmen und diese an sich ziehen.
(2) Wirtschaftsstrafsachen in diesem Sinn sind Verfahren wegen strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen im Zusammenhang mit unternehmerischer Tätigkeit, die durch ihren Umfang oder die Komplexität oder die Vielzahl der Beteiligten des Verfahrens, die involvierten Wirtschaftskreise oder das besondere öffentliche Interesse an der Aufklärung der zu untersuchenden Sachverhalte gekennzeichnet sind.
(3) Die WKStA kann nach Abs. 1 auch Verfahren wegen § 302 StGB an sich ziehen, an denen wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftat oder der Person des Tatverdächtigen ein besonderes öffentliches Interesse besteht.
(4) Die Staatsanwaltschaften haben der WKStA unverzüglich über anhängige Verfahren nach den vorstehenden Absätzen zu berichten, die von ihr effizienter und zügiger geführt werden könnten. Bis zur Entscheidung der WKStA haben sie ungeachtet dessen die erforderlichen Anordnungen zu treffen.
Oberstaatsanwaltschaft
§ 21. (1) Die Oberstaatsanwaltschaft wirkt an allen Strafverfahren vor dem Oberlandesgericht mit und beteiligt sich an allen Verhandlungen vor diesem.
(2) Die Oberstaatsanwaltschaft führt die Aufsicht über die ihr unterstellten Staatsanwaltschaften und ist berechtigt, sich an jedem Verfahren in ihrem Zuständigkeitsbereich unmittelbar zu beteiligen. Im Einzelfall kann sie die Aufgaben und Befugnisse einer Staatsanwaltschaft übernehmen.
Generalprokuratur
§ 22. Die Generalprokuratur wirkt an allen Strafverfahren des Obersten Gerichtshofs mit. Dabei schreitet sie nicht als Anklagebehörde ein; sie vertritt die Interessen des Staates in der Rechtspflege.
Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes
§ 23. (1) Die Generalprokuratur kann von Amts wegen oder im Auftrag des Bundesministers für Justiz gegen Urteile der Strafgerichte, die auf einer Verletzung oder unrichtigen Anwendung des Gesetzes beruhen, sowie gegen jeden gesetzwidrigen Beschluss oder Vorgang eines Strafgerichts Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erheben, und zwar auch nach Rechtskraft der Entscheidung sowie dann, wenn die berechtigten Personen in der gesetzlichen Frist von einem Rechtsmittel oder Rechtsbehelf keinen Gebrauch gemacht haben.
(1a) Auf Anregung des Rechtschutzbeauftragten kann die Generalprokuratur gegen die gesetzwidrige Durchführung einer Zwangsmaßnahme durch die Kriminalpolizei oder die gesetzwidrige Anordnung einer Zwangsmaßnahme sowie eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Beendigung des Ermittlungsverfahrens Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erheben, sofern die zur Einbringung von Rechtsbehelfen Berechtigten einen solchen Rechtsbehelf nicht eingebracht haben oder ein solcher Berechtigter nicht ermittelt werden konnte.
(2) Die Staatsanwaltschaften haben Fälle, in denen sie eine Beschwerde für erforderlich halten, von Amts wegen den Oberstaatsanwaltschaften vorzulegen; diese entscheiden, ob die Fälle an die Generalprokuratur weiter zu leiten sind. Im Übrigen ist jedermann berechtigt, die Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes anzuregen.
Stellungnahmen von Staatsanwaltschaften
§ 24. Nimmt eine Staatsanwaltschaft bei einem Rechtsmittelgericht zu einem Rechtsmittel oder Rechtsbehelf Stellung, so hat das Gericht diese Stellungnahme dem gegnerischen Beteiligten zur Äußerung binnen einer angemessen festzusetzenden Frist zuzustellen. Diese Zustellung kann unterbleiben, wenn die Staatsanwaltschaft lediglich zu Gunsten dieses Beteiligten Stellung nimmt.
Örtliche Zuständigkeit
§ 25. (1) Für das Ermittlungsverfahren ist die Staatsanwaltschaft zuständig, in deren Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte. Liegt dieser Ort im Ausland oder kann er nicht festgestellt werden, so ist der Ort maßgebend, an dem der Erfolg eingetreten ist oder eintreten hätte sollen.
(2) Wenn und solange eine Zuständigkeit nach Abs. 1 nicht festgestellt werden kann, hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren zu führen, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat oder zuletzt hatte, fehlt es an einem solchen Ort, die Staatsanwaltschaft, in deren Sprengel der Beschuldigte betreten wurde.
(3) Die Staatsanwaltschaft, die zuerst von einer Straftat, die der inländischen Gerichtsbarkeit unterliegt, Kenntnis erlangt, hat das Ermittlungsverfahren so lange zu führen, bis die Zuständigkeit einer anderen Staatsanwaltschaft nach Abs. 1 oder 2 festgestellt werden kann. Danach hat sie das Ermittlungsverfahren abzutreten.
(4) Ergibt sich keine Zuständigkeit nach den Abs. 1 bis 3, so hat die Generalprokuratur zu bestimmen, welche Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren zu führen hat.
(5) Die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft für das Hauptverfahren richtet sich nach der des Gerichts (§ 36).
(6) Eine örtlich unzuständige Staatsanwaltschaft hat bei ihr einlangende Anzeigen, Berichte und Rechtshilfeersuchen an die zuständige weiterzuleiten.
Zusammenhang
§ 26. (1) Das Ermittlungsverfahren ist von derselben Staatsanwaltschaft gemeinsam zu führen, wenn ein Beschuldigter der Begehung mehrerer strafbarer Handlungen verdächtig ist oder mehrere Personen an derselben strafbaren Handlung beteiligt sind (§ 12 StGB). Gleiches gilt, wenn mehrere Personen der Begehung strafbarer Handlungen verdächtig sind, die sonst in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen.
(2) Bei der Bestimmung der Zuständigkeit nach Abs. 1 sind besondere Vorschriften anderer Gesetze zu beachten. Des Weiteren zieht die Staatsanwaltschaft, die für das Ermittlungsverfahren wegen einer Straftat zuständig ist, für die im Hauptverfahren ein Gericht höherer Ordnung zuständig wäre (§ 37 Abs. 2), das Verfahren wegen anderer Straftaten an sich; im Übrigen entscheidet die Zuständigkeit für den unmittelbaren Täter, wenn jedoch keiner dieser Fälle vorliegt, das Zuvorkommen.
(3) Im Verhältnis zur WKStA ist ein Zusammenhang nach den vorstehenden Bestimmungen nicht anzunehmen, wenn das Verfahren wegen der Straftaten, die eine Zuständigkeit der WKStA begründen würde, im Hinblick auf die Dauer und den Umfang der Ermittlungen oder das Gewicht der Straftat von untergeordneter Bedeutung ist.
Trennung von Verfahren
§ 27. Die Staatsanwaltschaft kann auf Antrag des Beschuldigten oder von Amts wegen anordnen, dass das Ermittlungsverfahren wegen einzelner Straftaten oder gegen einzelne Beschuldigte getrennt zu führen ist, um Verzögerungen zu vermeiden oder die Haft eines Beschuldigten zu verkürzen.
Bestimmung der Zuständigkeit
§ 28. Die Oberstaatsanwaltschaft kann von Amts wegen oder auf Antrag aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen wichtigen Gründen ein Verfahren der zuständigen Staatsanwaltschaft abnehmen und innerhalb ihres Sprengels einer anderen Staatsanwaltschaft übertragen. Ein solcher wichtiger Grund kann auch dann vorliegen, wenn das Verfahren erster Instanz gegen ein Organ derselben Staatsanwaltschaft oder gegen einen Richter eines Gerichts, in dessen Sprengel die Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat, oder gegen ein Organ der Sicherheitsbehörde oder Sicherheitsdienststelle im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft zu führen ist. Unterstehen die Staatsanwaltschaften verschiedenen Oberstaatsanwaltschaften, so kommt diese Befugnis der Generalprokuratur zu. Gleiches gilt für den Fall eines Zuständigkeitskonflikts. § 39 Abs. 2 gilt sinngemäß.
Zuständigkeitskonflikt bei Verfahren der WKStA
§ 28a. Die Generalprokuratur hat für den Fall eines Zuständigkeitskonflikts zwischen WKStA und anderen Staatsanwaltschaften gemäß § 28 zu entscheiden, welchen von ihnen die Zuständigkeit zukommt. Gleiches gilt für den Fall, dass der WKStA ein Verfahren aus den in § 28 genannten Gründen abgenommen werden soll.
3. Abschnitt
Gerichte
Allgemeines
§ 29. (1) Als Gerichte sind im Strafverfahren tätig:
1. Bezirksgerichte im Hauptverfahren,
2. Landesgerichte im Ermittlungsverfahren, im Hauptverfahren und im Rechtsmittelverfahren,
3. Oberlandesgerichte und der Oberste Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren sowie auf Grund besonderer Bestimmungen.
(2) Soweit sich die Zuständigkeit der Gerichte nach der Höhe der angedrohten Freiheitsstrafe richtet, sind die Beschränkung der Strafbemessung durch § 287 Abs. 1 letzter Satz StGB und die Möglichkeit einer Überschreitung des Höchstmaßes der Strafe nach den § 313 StGB bei der Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit zu berücksichtigen.
Bezirksgericht
§ 30. (1) Dem Bezirksgericht obliegt das Hauptverfahren wegen Straftaten, die nur mit einer Geldstrafe oder mit einer Geldstrafe und einer ein Jahr nicht übersteigenden Freiheitsstrafe oder nur mit einer solchen Freiheitsstrafe bedroht sind, mit Ausnahme
1. des Vergehens der Nötigung (§ 105 StGB),
2. des Vergehens der gefährlichen Drohung (§ 107 StGB),
3. des Vergehens der beharrlichen Verfolgung (§ 107a StGB),
3a. des Vergehens der Geschenkannahme durch Machthaber (§ 153a StGB),
4. des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB),
5. des Vergehens des fahrlässigen unerlaubten Umganges mit Kernmaterial, radioaktiven Stoffen oder Strahleneinrichtungen (§ 177c StGB),
6. des Vergehens der fahrlässigen Beeinträchtigung der Umwelt (§ 181 StGB),
7. des Vergehens des fahrlässigen umweltgefährdenden Behandelns von Abfällen (§ 181c StGB),
8. des Vergehens des grob fahrlässigen umweltgefährdenden Betreibens von Anlagen (§ 181e StGB),
9. des Vergehens der pornographischen Darstellung Minderjähriger (§ 207a Abs. 3 1. Fall und 3a StGB) und
10. der Vergehen, für die auf Grund besonderer Bestimmungen das Landesgericht zuständig ist.
(2) Das Bezirksgericht entscheidet durch Einzelrichter.
Landesgericht
§ 31. (1) Dem Einzelrichter des Landesgerichts obliegt im Ermittlungsverfahren
1. die Aufnahme von Beweisen gemäß § 104,
2. das Verfahren zur Entscheidung über Anträge auf Beschlagnahme, Verwertung sichergestellter oder beschlagnahmter Vermögenswerte und auf Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft sowie über Anträge auf Bewilligung anderer Zwangsmittel (§ 105),
3. die Entscheidung über Einsprüche wegen behaupteter Verletzung eines subjektiven Rechts durch die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpolizei (§§ 106 und 107),
4. die Entscheidung über Anträge auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens (§ 108).
(2) Dem Landesgericht als Geschworenengericht obliegt das Hauptverfahren wegen
1. Straftaten, die mit lebenslanger oder einer Freiheitsstrafe bedroht sind, deren Untergrenze mehr als fünf Jahre und deren Obergrenze mehr als zehn Jahre beträgt,
2. des Verbrechens der Überlieferung an eine ausländische Macht (§ 103 StGB),
3. der Verbrechen des Hochverrats (§ 242 StGB) und der Vorbereitung des Hochverrats (§ 244 StGB),
4. des Verbrechens oder Vergehens staatsfeindlicher Verbindungen (§ 246 StGB),
5. des Vergehens der Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole (§ 248 StGB),
6. der Verbrechen des Angriffs auf oberste Staatsorgane (§§ 249 bis 251 StGB),
7. der Verbrechen und Vergehen des Landesverrats (§§ 252 bis 258 StGB),
8. des Vergehens bewaffneter Verbindungen (§ 279 StGB),
9. des Vergehens des Ansammelns von Kampfmitteln (§ 280 StGB),
10. der Verbrechen und Vergehen der Störung der Beziehungen zum Ausland (§§ 316 bis 320 StGB),
11. des Vergehens der Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen und der Gutheißung mit Strafe bedrohter Handlungen (§ 282 StGB) sowie des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung (§ 286 StGB), wenn die Tat mit Beziehung auf eine der unter Z 2 bis 10 angeführten strafbaren Handlungen begangen worden ist, und
12. strafbarer Handlungen, für die es auf Grund besonderer Bestimmungen zuständig ist.
(3) Dem Landesgericht als Schöffengericht obliegt, soweit es nicht als Geschworenengericht zuständig ist, das Hauptverfahren wegen
1. Straftaten, die mit einer fünf Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind,
2. der Verbrechen der Tötung auf Verlangen (§ 77 StGB), der Mitwirkung am Selbstmord (§ 78 StGB) und der Tötung eines Kindes bei der Geburt (§ 79 StGB),
3. der Verbrechen des räuberischen Diebstahls (§ 131 StGB), der Gewaltanwendung eines Wilderers (§ 140 StGB) und des minderschweren Raubes (§ 142 Abs. 2 StGB),
4. der Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung (§ 202 StGB), des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen Person (§ 205 StGB) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen (§ 207 StGB),
5. des Vergehens des Landfriedensbruchs und des Verbrechens oder Vergehens des Landzwangs (§§ 274 und 275 StGB),
6. des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt (§ 302 StGB) und
7. strafbarer Handlungen, für die es auf Grund besonderer Bestimmungen zuständig ist.
(4) Dem Einzelrichter des Landesgerichts obliegt, soweit nicht das Landesgericht als Geschworenen- oder Schöffengericht zuständig ist, das Hauptverfahren wegen
1. Straftaten, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind,
2. der im § 30 Abs. 1 Z 1 bis 9 angeführten Vergehen,
3. Straftaten, für die der Einzelrichter des Landesgerichts auf Grund besonderer Bestimmungen zuständig ist.
(5) Dem Einzelrichter des Landesgerichts obliegt das Verfahren über Beschwerden gegen Entscheidungen
1. über die Kosten des Strafverfahrens nach dem 18. Hauptstück und
2. über die Bestimmung der Gebühren der Sachverständigen und Dolmetscher nach dem Gebührenanspruchsgesetz, BGBl. Nr. 136/1975.
(6) Dem Landesgericht als Senat von drei Richtern obliegt
1. das Verfahren über Rechtsmittel und Rechtsbehelfe gegen Urteile und gegen andere als in Abs. 5 angeführte Beschlüsse des Bezirksgerichts und über einen Kompetenzkonflikt untergeordneter Bezirksgerichte (§ 38),
2. die Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme nach § 357, soweit nicht das Bezirksgericht zuständig ist, und über Beschlüsse nach § 495 in den Fällen, in denen nach § 494a Abs. 2 eine Zuständigkeit des Einzelrichters ausgeschlossen wäre, und
3. die Entscheidung über Anträge auf Fortführung (§ 195).
Landesgericht als Geschworenen- und Schöffengericht
§ 32. (1) Das Landesgericht als Geschworenengericht setzt sich aus dem Schwurgerichtshof und der Geschworenenbank zusammen. Der Schwurgerichtshof besteht aus drei Richtern, die Geschworenenbank ist mit acht Geschworenen besetzt. Das Landesgericht als Schöffengericht besteht aus einem Richter und zwei Schöffen.
(2) Liegt dem Angeklagten die Begehung einer strafbaren Handlung nach den §§ 201 bis 207 StGB zur Last, so müssen dem Geschworenengericht mindestens zwei Geschworene, dem Schöffengericht mindestens ein Richter oder Schöffe des Geschlechtes des Angeklagten sowie dem Geschworenengericht mindestens zwei Geschworene, dem Schöffengericht mindestens ein Richter oder Schöffe des Geschlechtes jener Person angehören, die durch die Straftat in ihrer Geschlechtssphäre verletzt worden sein könnte.
(3) Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt wird, entscheidet außerhalb der Hauptverhandlung der Vorsitzende allein.
(4) Die Geschworenen werden in dem vom Gesetz (15. Hauptstück) vorgesehenen Umfang tätig; die Schöffen üben in der Hauptverhandlung das Richteramt im vollen Umfang aus. Soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, sind die für Richter geltenden Vorschriften auch auf Geschworene und Schöffen anzuwenden. Die Voraussetzungen und das Verfahren zur Berufung von Geschworenen und Schöffen sind im Geschworenen- und Schöffengesetz 1990, BGBl. Nr. 256, geregelt.
Zuständigkeit für Wirtschaftsstrafsachen und Korruption
§ 32a. (1) Den beim Landesgericht für Strafsachen Wien eingerichteten besonderen Gerichtsabteilungen (§ 32a GOG) obliegt für das gesamte Bundesgebiet die Führung des Hauptverfahrens auf Grund von Anklagen wegen der in § 20a genannten Straftaten, soweit eine Delegierung gemäß § 39 Abs. 1a erfolgt ist.
(2) Nach den Bestimmungen der §§ 31 und 32 entscheidet das Landesgericht durch Einzelrichter oder als Geschworenen- und Schöffengericht. § 213 Abs. 6 zweiter und dritter Satz sind nicht anzuwenden.“
Oberlandesgericht
§ 33. (1) Dem Oberlandesgericht obliegt die Entscheidung
1. über Rechtsmittel und Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen des Landesgerichts als Einzelrichter (§ 31 Abs. 1 und 4),
2. über Berufungen gegen Urteile des Landesgerichts als Geschworenen- oder Schöffengericht,
3. (aufgehoben - BGBl 52/2009)
4. über den Einspruch gegen die Anklageschrift (§ 212),
5. über Kompetenzkonflikte und Delegierungen (§§ 38 und 39) und
6. in Fällen, in denen es auf Grund besonderer Vorschriften zuständig ist.
(2) Der Einzelrichter des Oberlandesgerichts entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen über den Pauschalkostenbeitrag gemäß § 196 Abs. 2, über die Kosten des Strafverfahrens nach dem 18. Hauptstück und über die Bestimmung der Gebühren der Sachverständigen und Dolmetscher nach dem GebAG. In den übrigen Fällen entscheidet das Oberlandesgericht durch einen Senat von drei Richtern.
Oberster Gerichtshof
§ 34. (1) Dem Obersten Gerichtshof obliegt die Entscheidung
1. über Nichtigkeitsbeschwerden und nach Maßgabe der §§ 296, 344, 427 Abs. 3 letzter Satz mit ihnen verbundene Berufungen und über Einsprüche gegen Urteile des Landesgerichts als Geschworenen- oder Schöffengericht,
2. über Nichtigkeitsbeschwerden zur Wahrung des Gesetzes (§§ 23, 292), außerordentliche Wiederaufnahmen (§ 362) und Anträge auf Erneuerung des Verfahrens (§ 363a),
3. über Beschwerden nach § 285b Abs. 2 und über Beschwerden wegen Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit nach dem Grundrechtsbeschwerde-Gesetz, BGBl. Nr. 864/1992,
4. über Verweisungen (§ 334 Abs. 2),
5. über Kompetenzkonflikte und Delegierungen (§§ 38 und 39) und
6. in Fällen, in denen er auf Grund besonderer Vorschriften zuständig ist.
(2) Im Übrigen bleiben die Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Obersten Gerichtshof, BGBl. Nr. 328/1968, unberührt.
Form gerichtlicher Entscheidungen
§ 35. (1) Mit Urteil entscheiden die Gerichte im Haupt- und Rechtsmittelverfahren über Schuld, Strafe und privatrechtliche Ansprüche, über ein Verfahrenshindernis oder eine fehlende Prozessvoraussetzung, über die Anordnung freiheitsentziehender Maßnahmen, über selbstständige Anträge nach § 441, über die im § 445 genannten vermögensrechtlichen Anordnungen und über ihre Unzuständigkeit nach den §§ 261 und 488 Z 6. Soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, sind Urteile nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu verkünden und auszufertigen.
(2) Im Übrigen entscheiden die Gerichte mit Beschluss (§ 86), soweit sie nicht bloß eine auf den Fortgang des Verfahrens oder die Bekanntmachung einer gerichtlichen Entscheidung gerichtete Verfügung erlassen.
Örtliche Zuständigkeit
§ 36. (1) Im Ermittlungsverfahren obliegen gerichtliche Entscheidungen und Beweisaufnahmen dem Landesgericht, an dessen Sitz sich die Staatsanwaltschaft befindet, die das Verfahren führt.
(2) Im Fall der Abtretung eines Verfahrens hat über offene Anträge, Einsprüche und Beschwerden das vor der Abtretung zuständige Gericht zu entscheiden.
(3) Für das Hauptverfahren ist das Gericht zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte. Liegt dieser Ort im Ausland oder kann er nicht festgestellt werden, so ist der Ort maßgebend, an dem der Erfolg eingetreten ist oder eintreten hätte sollen, fehlt es an einem solchen, der Ort, an dem der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat oder zuletzt hatte, in Ermangelung eines solchen der Ort, an dem er betreten wurde. Kann auch dadurch eine örtliche Zuständigkeit nicht bestimmt werden, so ist das Gericht zuständig, an dessen Sitz sich die Staatsanwaltschaft befindet, die Anklage einbringt. Sonderzuständigkeiten bleiben unberührt.
(4) Ein Gericht bleibt auch dann für das Hauptverfahren örtlich zuständig, wenn es ein Verfahren gegen einen Angeklagten oder wegen einer Straftat ausscheidet, es sei denn, dass ein Gericht mit Sonderzuständigkeit ein Verfahren wegen einer allgemeinen strafbaren Handlung oder ein Landesgericht eine Strafsache ausscheidet, für deren Verhandlung und Entscheidung das Bezirksgericht zuständig ist.
(5) Wenn sich zum Zeitpunkt der Einbringung der Anklage ein Angeklagter in Untersuchungshaft befindet und die Verhandlung und Entscheidung der Strafsache dem Bezirksgericht zusteht, ist das Bezirksgericht örtlich zuständig, an dessen Sitz sich die Staatsanwaltschaft befindet, die nach den §§ 25 bis 28 für das Ermittlungsverfahren zuständig war. Wird der Angeklagte nach diesem Zeitpunkt freigelassen, so ändert dies die Zuständigkeit nicht.
Zuständigkeit des Zusammenhangs
§ 37. (1) Im Falle gleichzeitiger Anklage mehrerer beteiligter Personen (§ 12 StGB) oder einer Person wegen mehrerer Straftaten ist das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen. Gleiches gilt, wenn mehrere Personen der Begehung strafbarer Handlungen verdächtig sind, die sonst in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen.
(2) Dabei ist unter Gerichten verschiedener Ordnung das höhere, unter Gerichten gleicher Ordnung jenes mit Sonderzuständigkeit für alle Verfahren zuständig, wobei das Gericht, das für einen unmittelbaren Täter zuständig ist, das Verfahren gegen Beteiligte (§ 12 StGB) an sich zieht. Im Übrigen kommt das Verfahren im Falle mehrerer Straftaten dem Gericht zu, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt. Wenn jedoch für das Ermittlungsverfahren eine Staatsanwaltschaft bei einem Gericht zuständig war, in dessen Sprengel auch nur eine der angeklagten strafbaren Handlungen begangen worden sein soll, so ist dieses Gericht zuständig.
(3) Sofern zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anklage rechtswirksam wird, ein Hauptverfahren gegen den Angeklagten anhängig ist, sind die Verfahren zu verbinden; die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich auch in diesem Fall nach den vorstehenden Absätzen.
Kompetenzkonflikt
§ 38. Ein Gericht, das sich für unzuständig hält, hat bei ihm eingebrachte Anträge, Einsprüche und Beschwerden dem zuständigen zu überweisen; § 213 Abs. 6 bleibt unberührt. Bei Gefahr im Verzug hat jedes Gericht innerhalb seiner sachlichen Zuständigkeit vor der Überweisung unaufschiebbare Entscheidungen zu treffen und unaufschiebbare Beweisaufnahmen durchzuführen. Sofern auch das Gericht, dem überwiesen wird, seine Zuständigkeit bezweifelt, hat es die Entscheidung des gemeinsam übergeordneten Gerichts zu erwirken, gegen die ein Rechtsmittel nicht zusteht.
Delegierung
§ 39. (1) Im Haupt- und Rechtsmittelverfahren kann das Oberlandesgericht von Amts wegen oder auf Antrag aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen wichtigen Gründen eine Strafsache dem zuständigen Gericht abnehmen und innerhalb seines Sprengels einem anderen Gericht gleicher Ordnung delegieren. Ein solcher wichtiger Grund liegt auch dann vor, wenn das Verfahren erster Instanz gegen einen Richter desselben oder eines unterstellten Gerichts oder gegen einen Staatsanwalt einer Staatsanwaltschaft oder gegen ein Organ der Sicherheitsbehörde oder Sicherheitsdienststelle, in deren Sprengel oder örtlichem Zuständigkeitsbereich sich das zuständige Gericht befindet, zu führen ist. Über Delegierung an ein anderes Oberlandesgericht oder an ein Gericht im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts entscheidet der Oberste Gerichtshof.
(1a) Ein wichtiger Grund im Sinne des Abs. 1 liegt auch in Verfahren vor, die von der WKStA auf Grund der Bestimmungen der §§ 20a und 20b geführten werden, wenn die Führung des Hauptverfahrens vor den nach § 32a Gerichtsorganisationsgesetz eingerichteten besonderen Gerichtsabteilungen des Landesgerichts für Strafsachen Wien im Hinblick auf den Umfang des Verfahrens, den Haftort der Beschuldigten, den Aufenthalt von Zeugen, Sachverständigen und anderen Beweismitteln oder zur Vermeidung von Verzögerungen oder Verringerung von Kosten einer wirksamen und zügigen Führung des Hauptverfahrens in Wirtschafts- und Korruptionsstrafsachen zweckmäßig wäre. In diesem Fall hat der Oberste Gerichtshof oder das Oberlandesgericht Wien auf Antrag des Angeklagten oder der WKStA das Verfahren dem zuständigen Gericht abzunehmen und seine Führung den erwähnten besonderen Gerichtsabteilungen des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu übertragen, soweit deren Zuständigkeit nicht ohnedies nach § 36 Abs. 3 vorletzter Satz begründet wäre.
(2) Ein Antrag auf Delegierung steht der Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten zu; das Gericht kann sie anregen. Der Antrag ist bei dem Gericht einzubringen, das für das Verfahren zuständig ist, und hat eine Begründung zu enthalten.
Vorsitz und Abstimmung in den Senaten
§ 40. (1) Im Geschworenengericht, im Schöffengericht und in allen anderen Senaten führt ein Richter den Vorsitz. Der Vorsitzende hat Verhandlungen und Sitzungen sowie Beratungen und Abstimmungen zu leiten. Die Zahl der Senatsmitglieder darf weder größer noch kleiner sein als sie in den §§ 31 bis 34 festgesetzt ist.
(2) Jeder Abstimmung hat eine Beratung vorauszugehen. Sieht das Gesetz einen Berichterstatter vor, so stimmt dieser zuerst. Der Vorsitzende stimmt zuletzt. Die anderen Richter stimmen nach der Dienstzeit bei dem Gericht, das die Entscheidung trifft, bei gleicher Dienstzeit nach der für die Vorrückung in höhere Bezüge maßgebenden Dienstzeit, und zwar die älteren vor den jüngeren. Die Geschworenen und Schöffen geben ihre Stimme in alphabetischer Reihenfolge vor den Richtern ab.
(3) Eine Stimmenthaltung ist außer im Fall des § 42 Abs. 3 nicht zulässig.
§ 41. (1) Soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, entscheidet das Gericht mit der Mehrheit der Stimmen. Bei Stimmengleichheit gilt die für den Beschuldigten günstigere Meinung. Gegen die Stimme des Vorsitzenden des Schöffengerichts kann die Schuldfrage nicht bejaht und keine für den Angeklagten nachteiligere rechtliche Beurteilung der Schuld vorgenommen werden.
(2) Ergibt sich keine Mehrheit, weil mehr als zwei Meinungen vertreten werden, so hat der Vorsitzende durch Teilung der Fragen und neuerliche Umfrage zu versuchen, eine Mehrheit zu erzielen. Wenn dies nicht gelingt, sind die für den Beschuldigten nachteiligeren Stimmen den jeweils günstigeren solange zuzuzählen, bis sich eine Mehrheit ergibt.
(3) Entstehen unterschiedliche Ansichten darüber, welche von zwei Meinungen für den Beschuldigten die günstigere ist, so ist zunächst darüber abzustimmen. Ergibt sich auch dabei keine Mehrheit, so gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.
§ 42. (1) Über die Zuständigkeit des Gerichts, über eine Ergänzung des Verfahrens und andere Vorfragen ist vor der Hauptsache abzustimmen.
(2) In der Hauptsache ist zunächst die Frage der Schuld und deren rechtliche Beurteilung zu entscheiden. Liegen dem Beschuldigten mehrere Straftaten zur Last, so muss über jede Tat einzeln abgestimmt werden.
(3) Wer den Beschuldigten auch nur in einem Fall für nicht schuldig hält, kann sich bei der Beratung über die Strafe der Stimme enthalten. Diese ist der für den Beschuldigten jeweils günstigsten Meinung zuzuzählen.
4. Abschnitt
Ausschließung und Befangenheit
Ausgeschlossenheit von Richtern
§ 43. (1) Ein Richter ist vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn
1. er selbst oder einer seiner Angehörigen (§ 72 StGB) im Verfahren Staatsanwalt, Privatankläger, Privatbeteiligter, Beschuldigter, Verteidiger oder Vertreter ist oder war oder durch die Straftat geschädigt worden sein könnte, wobei die durch Ehe begründete Eigenschaft einer Person als Angehörige auch dann aufrecht bleibt, wenn die Ehe nicht mehr besteht,
2. er außerhalb seiner Dienstverrichtungen Zeuge der in Frage stehenden Handlung gewesen oder in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen worden ist oder vernommen werden soll oder
3. andere Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen.
(2) Ein Richter ist außerdem vom Hauptverfahren ausgeschlossen, wenn er im Ermittlungsverfahren Beweise aufgenommen hat (§ 104), ein gegen den Beschuldigten gerichtetes Zwangsmittel bewilligt, über einen von ihm erhobenen Einspruch oder einen Antrag auf Einstellung entschieden oder an einer Entscheidung über die Fortführung des Verfahrens oder an einem Urteil mitgewirkt hat, das infolge eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs aufgehoben wurde.
(3) Ein Richter eines Rechtsmittelgerichts ist überdies ausgeschlossen, wenn er selbst oder einer seiner Angehörigen im Verfahren als Richter der ersten Instanz, ein Richter der ersten Instanz, wenn er selbst oder sein Angehöriger als Richter eines übergeordneten Gerichts tätig gewesen ist.
(4) Ein Richter ist ebenso von der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme oder einen Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a) und von der Mitwirkung und Entscheidung im erneuerten Verfahren ausgeschlossen, wenn er im Verfahren bereits als Richter tätig gewesen ist.
Anzeige der Ausgeschlossenheit und Antrag auf Ablehnung
§ 44. (1) Bei Vorliegen eines Ausschließungsgrundes hat sich ein Richter im Verfahren bei sonstiger Nichtigkeit aller Handlungen zu enthalten. Unaufschiebbare Handlungen hat er jedoch vorzunehmen, es sei denn, dass er gegen einen Angehörigen einzuschreiten hätte; in diesem Fall hat er das Verfahren unverzüglich abzutreten.
(2) Ein Richter, dem ein Ausschließungsgrund bekannt wird, hat diesen sogleich dem Vorsteher oder Präsidenten des Gerichts, dem er angehört, der Vorsteher eines Bezirksgerichts und der Präsident eines Landesgerichts oder Oberlandesgerichts dem Präsidenten des jeweils übergeordneten Gerichts, der Präsident des Obersten Gerichtshofs dem Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs (§ 3 Abs. 5 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1968 über den Obersten Gerichtshof) anzuzeigen.
(3) Allen Beteiligten des Verfahrens steht der Antrag auf Ablehnung eines Richters wegen Ausschließung zu. Er ist bei dem Richter einzubringen, dem die Ausschließung gemäß Abs. 2 anzuzeigen wäre.
Entscheidung über Ausschließung
§ 45. (1) Über die Ausschließung hat der Richter zu entscheiden, dem sie nach § 44 Abs. 2 anzuzeigen ist, über die Ausschließung des Präsidenten, des Vizepräsidenten oder eines Mitglieds des Obersten Gerichtshofs jedoch der Oberste Gerichtshof in einem Dreiersenat. Über einen während einer Verhandlung im Haupt- oder Rechtsmittelverfahren gestellten Antrag auf Ablehnung eines Richters hat das erkennende Gericht zu entscheiden. Gleiches gilt, wenn der Antrag unmittelbar vor der Verhandlung gestellt wurde und eine rechtzeitige Entscheidung durch den Vorsteher oder Präsidenten nicht ohne ungebührliche Verzögerung der Verhandlung möglich ist. Eine Entscheidung in der Verhandlung kann längstens bis vor Beginn der Schlussvorträge aufgeschoben werden.
(2) Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn er von einer Person eingebracht wurde, der er nicht zusteht. Im Übrigen ist in der Sache zu entscheiden. Wird auf Ausschließung erkannt, so ist der Richter oder das Gericht zu bezeichnen, dem die Sache übertragen wird; der ausgeschlossene Richter hat sich von diesem Zeitpunkt an bei sonstiger Nichtigkeit der Ausübung seines Amtes zu enthalten.
(3) Gegen einen Beschluss nach Abs. 2 steht ein selbstständiges Rechtsmittel nicht zu.
Ausschließung von Geschworenen, Schöffen und Protokollführern
§ 46. Für die Ausschließung und Ablehnung von Geschworenen und Schöffen sind die Bestimmungen über Richter sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass über die Ablehnung der Vorsitzende des Geschworenen- oder Schöffengerichts zu entscheiden hat. Für Protokollführer gelten die Ausschließungsgründe des § 43 Abs. 1; über ihre Ablehnung entscheidet der Richter oder der Vorsitzende des jeweiligen Senates.
Befangenheit von Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft
§ 47. (1) Jedes Organ der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft hat sich der Ausübung seines Amtes zu enthalten und seine Vertretung zu veranlassen,
1. in Verfahren, in denen es selbst oder einer seiner Angehörigen (§ 72 StGB) als Beschuldigter, als Privatankläger, als Privatbeteiligter oder als deren Vertreter am Verfahren beteiligt ist oder war oder durch die Straftat geschädigt worden sein könnte, wobei die durch Ehe begründete Eigenschaft einer Person als Angehörige auch dann aufrecht bleibt, wenn die Ehe nicht mehr besteht,
2. in Verfahren, in denen es als Organ der Kriminalpolizei zuvor Richter oder Staatsanwalt, als Staatsanwalt zuvor Richter oder Organ der Kriminalpolizei gewesen ist,
3. wenn andere Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen.
(2) Bei Gefahr im Verzug hat, wenn die Vertretung durch ein anderes Organ nicht sogleich bewirkt werden kann, auch das befangene Organ unaufschiebbare Amtshandlungen vorzunehmen, soweit es nicht gegen sich selbst oder gegen einen Angehörigen einzuschreiten hätte.
(3) Über die Befangenheit hat der Leiter der Behörde, der das Organ angehört, im Fall der Befangenheit des Leiters dieser Behörde der Leiter der übergeordneten Behörde im Dienstaufsichtsweg zu entscheiden und das Erforderliche zu veranlassen.
5. Abschnitt
Rechtsschutzbeauftragter
§ 47a. (1) Der Bundesminister für Justiz hat zur Wahrnehmung besonderen Rechtsschutzes nach diesem Bundesgesetz nach Einholung eines gemeinsamen Vorschlages des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft und des Präsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages einen Rechtsschutzbeauftragten sowie die erforderliche Anzahl von Stellvertretern mit deren Zustimmung für die Dauer von drei Jahren zu bestellen; Wiederbestellungen sind zulässig. Der Vorschlag hat zumindest doppelt so viele Namen zu enthalten wie Personen zu bestellen sind.
(2) Der Rechtsschutzbeauftragte und seine Stellvertreter müssen besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Grund- und Freiheitsrechte aufweisen und mindestens fünf Jahre in einem Beruf tätig gewesen sein, in dem der Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften Berufsvoraussetzung ist und dessen Ausübung Erfahrungen im Straf- und Strafverfahrensrecht mit sich brachte. Richter und Staatsanwälte des Dienststandes, Rechtsanwälte, die in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen sind, und andere Personen, die vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen ausgeschlossen oder zu diesem nicht zu berufen sind (§§ 2 und 3 des Geschworenen- und Schöffengesetzes 1990), dürfen nicht bestellt werden.
(3) Die Bestellung des Rechtsschutzbeauftragten und seiner Stellvertreter erlischt bei Verzicht, im Fall des Todes, mit Ende der Bestellungsdauer oder wegen nachträglicher Unvereinbarkeit gemäß Abs. 2; im Fall des Endes der Bestellungsdauer jedoch nicht vor der neuerlichen Bestellung eines Rechtsschutzbeauftragten. In den Fällen des § 43 Abs. 1 hat sich der Rechtsschutzbeauftragte von dem Zeitpunkt, zu dem ihm der Grund bekannt geworden ist, des Einschreitens in der Sache zu enthalten.
(4) Der Rechtsschutzbeauftragte ist in Ausübung seines Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Er unterliegt der Amtsverschwiegenheit. Seine Stellvertreter haben gleiche Rechte und Pflichten.
(5) Zustellungen an den Rechtsschutzbeauftragten sind im Wege der Geschäftsstelle des Obersten Gerichtshofes vorzunehmen; diese hat auch die Kanzleigeschäfte des Rechtsschutzbeauftragten wahrzunehmen.
(6) Dem Rechtsschutzbeauftragten gebührt als Entschädigung für die Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Bundesgesetz für jede, wenn auch nur begonnene Stunde ein Zehntel der Entschädigung eines Ersatzmitgliedes des Verfassungsgerichtshofes für einen Sitzungstag (§ 4 Abs. 3 des Verfassungsgerichtshofgesetzes). Für die Vergütung seiner Reisekosten gelten die Bestimmungen der Reisegebührenvorschrift für Bundesbedienstete sinngemäß mit der Maßgabe, dass sein Wohnsitz als Dienstort gilt und dass ihm die Reisezulage in der Gebührenstufe 3 gebührt. Für die Bemessung der dem Rechtsschutzbeauftragten zustehenden Gebühren ist der Bundesminister für Justiz zuständig.
(7) Bis zum 31. März eines jeden Jahres hat der Rechtschutzbeauftragte dem Bundesminister für Justiz einen Bericht über seine Tätigkeit und seine Wahrnehmungen im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung (§§ 23 Abs. 1a, 147, 195 Abs. 2a) im vorangegangenen Jahr zu übermitteln.
3. Hauptstück
Beschuldigter und Verteidiger
1. Abschnitt
Allgemeines
Definitionen
§ 48. (1) Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. "Beschuldigter" jede Person, die auf Grund bestimmter Tatsachen konkret verdächtig ist, eine strafbare Handlung begangen zu haben, sobald gegen sie wegen dieses Verdachts ermittelt oder Zwang ausgeübt wird,
2. "Angeklagter" jeder Beschuldigte, gegen den Anklage eingebracht worden ist,
3. "Betroffener" jede Person, die durch Anordnung oder Durchführung von Zwang in ihren Rechten unmittelbar beeinträchtigt wird,
4. "Verteidiger" eine zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft, eine sonst gesetzlich zur Vertretung im Strafverfahren berechtigte oder eine Person, die an einer inländischen Universität die Lehrbefugnis für Strafrecht und Strafprozessrecht erworben hat, sobald sie der Beschuldigte als Rechtsbeistand bevollmächtigt hat, und eine Person, die dem Beschuldigten nach den Bestimmungen dieses Gesetzes als Rechtsbeistand bestellt wurde.
(2) Soweit die Bestimmungen dieses Gesetzes auf den Beschuldigten verweisen und im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, sind sie auch auf Angeklagte und auf Personen anzuwenden, gegen die ein Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 StGB geführt wird.
2. Abschnitt
Der Beschuldigte
Rechte des Beschuldigten
§ 49. Der Beschuldigte hat insbesondere das Recht,
1. vom Gegenstand des gegen ihn bestehenden Verdachts sowie über seine wesentlichen Rechte im Verfahren informiert zu werden (§ 50),
2. einen Verteidiger zu wählen (§ 58) und einen Verfahrenshilfeverteidiger zu erhalten (§§ 61 und 62),
3. Akteneinsicht zu nehmen (§§ 51 bis 53),
4. sich zum Vorwurf zu äußern oder nicht auszusagen sowie nach Maßgabe der §§ 58, 59 Abs. 1 und 164 Abs. 1 mit einem Verteidiger Kontakt aufzunehmen und sich mit ihm zu besprechen,
5. gemäß § 164 Abs. 2 einen Verteidiger seiner Vernehmung beizuziehen,
6. die Aufnahme von Beweisen zu beantragen (§ 55),
7. Einspruch wegen der Verletzung eines subjektiven Rechts zu erheben (§ 106),
8. Beschwerde gegen die gerichtliche Bewilligung von Zwangsmitteln zu erheben (§ 87),
9. die Einstellung des Ermittlungsverfahrens zu beantragen (§ 108),
10. an der Hauptverhandlung, an einer kontradiktorischen Vernehmung von Zeugen und Mitbeschuldigten (§ 165 Abs. 2) und an einer Tatrekonstruktion (§ 150) teilzunehmen,
11. Rechtsmittel und Rechtsbehelfe zu erheben,
12. Übersetzungshilfe zu erhalten (§ 56).
Rechtsbelehrung
§ 50. Jeder Beschuldigte ist durch die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft sobald wie möglich über das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren und den gegen ihn bestehenden Tatverdacht sowie über seine wesentlichen Rechte im Verfahren (§§ 49, 164 Abs. 1) zu informieren. Dies darf nur so lange unterbleiben als besondere Umstände befürchten lassen, dass ansonsten der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre, insbesondere weil Ermittlungen oder Beweisaufnahmen durchzuführen sind, deren Erfolg voraussetzt, dass der Beschuldigte keine Kenntnis von den gegen ihn geführten Ermittlungen hat.
Akteneinsicht
§ 51. (1) Der Beschuldigte ist berechtigt, in die der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungs- und des Hauptverfahrens Einsicht zu nehmen. Das Recht auf Akteneinsicht berechtigt auch dazu, Beweisgegenstände in Augenschein zu nehmen, soweit dies ohne Nachteil für die Ermittlungen möglich ist.
(2) Soweit die im § 162 angeführte Gefahr besteht, ist es zulässig, personenbezogene Daten und andere Umstände, die Rückschlüsse auf die Identität oder die höchstpersönlichen Lebensumstände der gefährdeten Person zulassen, von der Akteneinsicht auszunehmen und Kopien auszufolgen, in denen diese Umstände unkenntlich gemacht wurden. Im Übrigen darf Akteneinsicht nur vor Beendigung des Ermittlungsverfahrens und nur insoweit beschränkt werden, als besondere Umstände befürchten lassen, dass durch eine sofortige Kenntnisnahme von bestimmten Aktenstücken der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre. Befindet sich der Beschuldigte jedoch in Haft, so ist eine Beschränkung der Akteneinsicht hinsichtlich solcher Aktenstücke, die für die Beurteilung des Tatverdachts oder der Haftgründe von Bedeutung sein können, ab Verhängung der Untersuchungshaft unzulässig.
(3) Einfache Auskünfte können auch mündlich erteilt werden. Hiefür gelten die Bestimmungen über Akteneinsicht sinngemäß.
§ 52. (1) Soweit dem Beschuldigten Akteneinsicht zusteht, sind ihm auf Antrag und gegen Gebühr Kopien (Ablichtungen oder andere Wiedergaben des Akteninhalts) auszufolgen oder herstellen zu lassen; dieses Recht bezieht sich jedoch nicht auf Ton- oder Bildaufnahmen und steht dem Beschuldigten insweit nicht zu, als es durch einen Verteidiger ausgeübt wird (§ 57 Abs. 2).
(2) In folgenden Fällen hat der Beschuldigte keine Gebühren nach Abs. 1 zu entrichten:
1. wenn und so lange ihm Verfahrenshilfe bewilligt wurde,
2. wenn er sich in Haft befindet, bis zur ersten Haftverhandlung oder zur früher stattfindenden Hauptverhandlung hinsichtlich aller Aktenstücke, die für die Beurteilung des Tatverdachts oder der Haftgründe von Bedeutung sein können,
3. für Befunde und Gutachten von Sachverständigen, Behörden, Dienststellen und Anstalten.
(3) Dem Verfahrenshilfeverteidiger sind unverzüglich Kopien des Aktes von Amts wegen, im Haftfall durch das Gericht zuzustellen. Gleiches gilt für die Fälle des Abs. 2 Z 2 und 3. Der Verteidiger des in Haft befindlichen Beschuldigten kann beantragen, dass ihm durch die Staatsanwaltschaft Kopien der in Abs. 2 Z 2 und 3 angeführten Aktenstücke auch in weiterer Folge von Amts wegen übermittelt werden.
Verfahren bei Akteneinsicht
§ 53. (1) Einsicht in den jeweiligen Akt kann im Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft und bis zur Erstattung des Abschlussberichts (§ 100 Abs. 2 Z 4) auch bei der Kriminalpolizei begehrt werden, im Hauptverfahren bei Gericht. Solange der Beschuldigte in Untersuchungshaft angehalten wird, hat ihm auf Antrag auch das Gericht Akteneinsicht in die im § 52 Abs. 2 Z 2 angeführten Aktenstücke zu gewähren.
(2) Soweit Akteneinsicht zusteht, ist sie grundsätzlich während der Amtsstunden in den jeweiligen Amtsräumen zu ermöglichen. Im Rahmen der technischen Möglichkeiten kann sie auch über Bildschirm oder im Wege elektronischer Datenübertragung gewährt werden.
Verbot der Veröffentlichung
§ 54. Der Beschuldigte und sein Verteidiger sind berechtigt, Informationen, die sie im Verfahren in nicht öffentlicher Verhandlung oder im Zuge einer nicht öffentlichen Beweisaufnahme oder durch Akteneinsicht erlangt haben, im Interesse der Verteidigung und anderer überwiegender Interessen zu verwerten. Es ist ihnen jedoch untersagt, solche Informationen, soweit sie personenbezogene Daten anderer Beteiligter des Verfahrens oder Dritter enthalten und nicht in öffentlicher Verhandlung vorgekommen sind oder sonst öffentlich bekannt wurden, in einem Medienwerk oder sonst auf eine Weise zu veröffentlichen, dass die Mitteilung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird, wenn dadurch schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen (§§ 1 Abs. 1, 8 und 9 DSG 2000) anderer Beteiligter des Verfahrens oder Dritter, die gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse überwiegen, verletzt würden.
Beweisanträge
§ 55. (1) Der Beschuldigte ist berechtigt, die Aufnahme von Beweisen zu beantragen. Im Antrag sind Beweisthema, Beweismittel und jene Informationen, die für die Durchführung der Beweisaufnahme erforderlich sind, zu bezeichnen. Soweit dies nicht offensichtlich ist, ist zu begründen, weswegen das Beweismittel geeignet sein könnte, das Beweisthema zu klären.
(2) Unzulässige, unverwertbare und unmögliche Beweise sind nicht aufzunehmen. Im Übrigen darf eine Beweisaufnahme auf Antrag des Beschuldigten nur unterbleiben, wenn
1. das Beweisthema offenkundig oder für die Beurteilung des Tatverdachts ohne Bedeutung ist,
2. das beantragte Beweismittel nicht geeignet ist, eine erhebliche Tatsache zu beweisen, oder
3. das Beweisthema als erwiesen gelten kann.
(3) Im Ermittlungsverfahren kann die Aufnahme eines Beweises der Hauptverhandlung vorbehalten werden. Dies ist unzulässig, wenn das Ergebnis der Beweisaufnahme geeignet sein kann, den Tatverdacht unmittelbar zu beseitigen, oder die Gefahr des Verlustes des Beweises einer erheblichen Tatsache besteht.
(4) Die Kriminalpolizei hat im Ermittlungsverfahren den beantragten Beweis aufzunehmen oder den Antrag mit Anlassbericht (§ 100 Abs. 2 Z 2) der Staatsanwaltschaft vorzulegen. Die Staatsanwaltschaft hat ihrerseits die Beweisaufnahme zu veranlassen oder den Beschuldigten zu verständigen, aus welchen Gründen sie unterbleibt.
Übersetzungshilfe
§ 56. (1) Ein Beschuldigter, der sich in der Verfahrenssprache nicht hinreichend verständigen kann, hat das Recht auf Übersetzungshilfe. Soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem zur Wahrung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten erforderlich ist, ist Übersetzungshilfe durch Beistellung eines Dolmetschers zu leisten. Dies gilt insbesondere für die Rechtsbelehrung (§ 50), für Beweisaufnahmen, an denen der Beschuldigte teilnimmt, und für Verhandlungen. Auf Verlangen ist dem Beschuldigten Übersetzungshilfe auch für den Kontakt mit einem ihm beigegebenen Verteidiger oder anlässlich der Bekanntgabe eines Antrags oder einer Anordnung der Staatsanwaltschaft oder eines gerichtlichen Beschlusses zu leisten. Für die Akteneinsicht ist dem Beschuldigten nur dann Übersetzungshilfe zu leisten, wenn er keinen Verteidiger hat und ihm aus besonderen Gründen nicht zugemutet werden kann, selbst für die Übersetzung der relevanten Aktenteile zu sorgen, die ihm in Kopie ausgefolgt wurden.
(2) Ist der Beschuldigte gehörlos oder stumm, so ist ein Dolmetscher für die Gebärdensprache beizuziehen, sofern sich der Beschuldigte in dieser verständigen kann. Andernfalls ist zu versuchen, mit dem Beschuldigten schriftlich oder auf andere geeignete Art, in der sich der Beschuldigte verständlich machen kann, zu verkehren.
3. Abschnitt
Der Verteidiger
Rechte des Verteidigers
§ 57. (1) Der Verteidiger steht dem Beschuldigten beratend und unterstützend zur Seite. Er ist berechtigt und verpflichtet, jedes Verteidigungsmittel zu gebrauchen und alles, was der Verteidigung des Beschuldigten dient, unumwunden vorzubringen, soweit dies dem Gesetz, seinem Auftrag und seinem Gewissen nicht widerspricht.
(2) Der Verteidiger übt, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, die Verfahrensrechte aus, die dem Beschuldigten zustehen. Der Beschuldigte kann aber immer selbst Erklärungen abgeben; im Fall einander widersprechender Erklärungen gilt seine. Ein Verzicht auf Rechtsmittel gegen das Urteil, den der Beschuldigte nicht im Beisein seines Verteidigers und nach Beratung mit diesem abgibt, ist jedoch ohne Wirkung.
Bevollmächtigung des Verteidigers
§ 58. (1) Der Beschuldigte hat das Recht, mit einem Verteidiger Kontakt aufzunehmen, ihn zu bevollmächtigen und sich mit ihm zu besprechen.
(2) Die Vollmacht des Verteidigers ist schriftlich oder, wenn der Beschuldigte anwesend ist, durch dessen mündliche Erklärung nachzuweisen. In Abwesenheit des Beschuldigten kann sich der Verteidiger auch auf eine ihm erteilte Vollmacht berufen. Zur Vornahme einzelner Prozesshandlungen bedarf der Verteidiger keiner besonderen Vollmacht.
(3) Der Beschuldigte kann die Verteidigung vom gewählten Verteidiger jederzeit auf einen anderen übertragen, doch darf das Verfahren durch diesen Wechsel nicht unangemessen verzögert werden. Wenn der Beschuldigte mehrere Verteidiger bevollmächtigt, wird das Fragerecht und das Recht vorzutragen dadurch nicht erweitert. In diesem Fall gelten Zustellungen an ihn als bewirkt, sobald auch nur einem der Verteidiger zugestellt wurde.
(4) Für einen Minderjährigen und eine Person, der ein Sachwalter bestellt wurde, kann der gesetzliche Vertreter selbst gegen ihren Willen einen Verteidiger bevollmächtigen.
§ 59. (1) Dem festgenommenen Beschuldigten ist zu ermöglichen, Kontakt mit einem Verteidiger aufzunehmen und ihn zu bevollmächtigen. Dieser Kontakt darf vor Einlieferung des Beschuldigten in die Justizanstalt überwacht werden und auf das für die Erteilung der Vollmacht und eine allgemeine Rechtsauskunft notwendige Ausmaß beschränkt werden, soweit dies erforderlich erscheint, um eine Beeinträchtigung der Ermittlungen oder von Beweismitteln abzuwenden.
(2) Der Beschuldigte kann sich mit seinem Verteidiger verständigen, ohne dabei überwacht zu werden. Wird jedoch der Beschuldigte auch wegen Verabredungs- oder Verdunkelungsgefahr angehalten und ist auf Grund besonderer, schwer wiegender Umstände zu befürchten, dass der Kontakt mit dem Verteidiger zu einer Beeinträchtigung von Beweismitteln führen könnte, so kann die Staatsanwaltschaft, vor Einlieferung des Beschuldigten in die Justizanstalt auch die Kriminalpolizei, die Überwachung des Kontakts mit dem Verteidiger anordnen. Die Überwachung darf in jedem Fall nur mit Kenntnis des Beschuldigten und des Verteidigers sowie längstens für eine Dauer von zwei Monaten ab Festnahme erfolgen; nach Einbringen der Anklage gegen den Beschuldigten ist sie jedenfalls zu beenden.
Ausschluss des Verteidigers
§ 60. (1) Von der Verteidigung ist auszuschließen, gegen wen ein Verfahren wegen Beteiligung an derselben Straftat oder wegen Begünstigung hinsichtlich dieser Straftat anhängig ist, oder wer den Verkehr mit dem angehaltenen Beschuldigten dazu missbraucht, Straftaten zu begehen oder die Sicherheit und Ordnung einer Vollzugsanstalt erheblich zu gefährden, insbesondere dadurch, dass er in gesetzwidriger Weise Gegenstände oder Nachrichten überbringt oder entgegennimmt.
(2) Der Ausschluss von der Verteidigung ist vom Gericht mit Beschluss auszusprechen; zuvor hat es dem Verteidiger Gelegenheit zu geben, sich zu äußern. Im Ermittlungsverfahren ist auch die Kriminalpolizei vom Ausschluss zu verständigen. Im Übrigen ist § 236a anzuwenden; in den Fällen notwendiger Verteidigung ist nach § 61 Abs. 3 vorzugehen.
(3) Der Ausschluss ist aufzuheben, sobald seine Voraussetzungen weggefallen sind.
Beigebung eines Verteidigers
§ 61. (1) In folgenden Fällen muss der Beschuldigte durch einen Verteidiger vertreten sein (notwendige Verteidigung):
1. im gesamten Verfahren, wenn und solange er in Untersuchungshaft oder gemäß § 173 Abs. 4 in Strafhaft angehalten wird,
2. im gesamten Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 StGB (§§ 429 Abs. 2, 430 Abs. 3, 436, 439 Abs. 1),
3. in der Hauptverhandlung zur Unterbringung in einer der in den §§ 22 und 23 StGB genannten Anstalten (§ 439 Abs. 1),
4. in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Geschworenen- oder Schöffengericht,
5. in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Einzelrichter, wenn für die Straftat, außer in den Fällen der §§ 129 Z 1 bis 3 und 164 Abs. 4 StGB, eine drei Jahre übersteigende Freiheitsstrafe angedroht ist,
6. im Rechtsmittelverfahren auf Grund einer Anmeldung einer Nichtigkeitsbeschwerde oder einer Berufung gegen ein Urteil des Schöffen- oder des Geschworenengerichts,
7. bei der Ausführung eines Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens und beim Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über einen solchen (§§ 363a Abs. 2 und 363c).
(2) Ist der Beschuldigte außerstande, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhaltes die gesamten Kosten der Verteidigung zu tragen, so hat das Gericht auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten er nicht oder nur zum Teil (§ 393 Abs. 1a) zu tragen hat, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist (Verfahrenshilfeverteidiger). Die Beigebung eines Verteidigers ist in diesem Sinn jedenfalls erforderlich:
1. in den Fällen des Abs. 1,
2. wenn der Beschuldigte blind, gehörlos, stumm, auf andere Weise behindert oder der Gerichtssprache nicht hinreichend kundig und deshalb nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen,
3. für das Rechtsmittelverfahren auf Grund einer Anmeldung einer Berufung,
4. bei schwieriger Sach- oder Rechtslage.
(3) In den Fällen des Abs. 1 sind der Beschuldigte und sein gesetzlicher Vertreter aufzufordern, einen Verteidiger zu bevollmächtigen oder die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nach Abs. 2 zu beantragen. Bevollmächtigt weder der Beschuldigte noch sein gesetzlicher Vertreter für ihn einen Verteidiger, so hat ihm das Gericht von Amts wegen einen Verteidiger beizugeben, dessen Kosten er zu tragen hat (Amtsverteidiger), soweit nicht die Voraussetzungen des Abs. 2 erster Satz vorliegen.
(4) Die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers gilt, wenn das Gericht nicht im Einzelnen etwas anderes anordnet, für das gesamte weitere Verfahren bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss sowie für ein allfälliges Verfahren auf Grund einer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde oder eines Antrages auf Erneuerung des Strafverfahrens.
Bestellung eines Verteidigers
§ 62. (1) Hat das Gericht die Beigebung eines Verteidigers beschlossen, so hat es den Ausschuss der nach seinem Sitz zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit dieser einen Rechtsanwalt zum Verteidiger bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen des Beschuldigten zur Auswahl der Person dieses Verteidigers im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.
(2) In dringenden Fällen kann der Vorsteher des Gerichts auch bei Gericht tätige, zum Richteramt befähigte Personen mit ihrer Zustimmung zu Verteidigern bestellen.
(3) Mehreren Beschuldigten kann ein gemeinsamer Verteidiger beigegeben und bestellt werden, es sei denn, dass ein Interessenskonflikt besteht oder einer der Beschuldigten oder der Verteidiger gesonderte Vertretung verlangt.
(4) Beigebung und Bestellung eines Verteidigers erlöschen jedenfalls mit dem Einschreiten eines bevollmächtigten Verteidigers (§ 58 Abs. 2).
Fristenlauf
§ 63. (1) Wird dem Beschuldigten innerhalb der für die Ausführung eines Rechtsmittels oder für eine sonstige Prozesshandlung offen stehenden Frist ein Verteidiger nach § 61 Abs. 2 oder 3 beigegeben oder hat der Beschuldigte vor Ablauf dieser Frist die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers beantragt, so beginnt die Frist ab dem Zeitpunkt neu zu laufen, ab welchem dem Verteidiger der Bescheid über seine Bestellung und das Aktenstück, das die Frist sonst in Lauf setzt, oder dem Beschuldigten der den Antrag abweisende Beschluss zugestellt wird.
(2) Wurde durch eine Zustellung an den Verteidiger eine Frist ausgelöst, so wird deren Lauf nicht dadurch unterbrochen oder gehemmt, dass die Vollmacht des Verteidigers zurückgelegt oder gekündigt wird. In diesem Fall hat der Verteidiger weiterhin die Interessen des Beschuldigten zu wahren und innerhalb der Frist erforderliche Prozesshandlungen nötigenfalls vorzunehmen, es sei denn, der Beschuldigte hätte ihm dies ausdrücklich untersagt.
4. Abschnitt
Haftungsbeteiligte
Haftungsbeteiligte
§ 64. (1) Haftungsbeteiligte sind Personen, die für Geldstrafen, Geldbußen oder für die Kosten des Verfahrens haften, oder die, ohne selbst angeklagt zu sein, vom Verfall, vom erweiterten Verfall oder von der Einziehung einer Sache bedroht sind. Sie haben in der Hauptverhandlung und im Rechtsmittelverfahren, soweit es sich um die Entscheidung über diese vermögensrechtlichen Anordnungen handelt, die Rechte des Angeklagten.
(2) Haftungsbeteiligte können ihre Sache selbst führen oder sich vertreten lassen (§ 73).
4. Hauptstück
Opfer und ihre Rechte
1. Abschnitt
Allgemeines
Definitionen
§ 65. Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. "Opfer"
a. jede Person, die durch eine vorsätzlich begangene Straftat Gewalt oder gefährlicher Drohung ausgesetzt oder in ihrer sexuellen Integrität beeinträchtigt worden sein könnte,
b. der Ehegatte, der eingetragene Partner, der Lebensgefährte, die Verwandten in gerader Linie, der Bruder oder die Schwester einer Person, deren Tod durch eine Straftat herbeigeführt worden sein könnte, oder andere Angehörige, die Zeugen der Tat waren,
c. jede andere Person, die durch eine Straftat einen Schaden erlitten haben oder sonst in ihren strafrechtlich geschützten Rechtsgütern beeinträchtigt worden sein könnte,
2. "Privatbeteiligter" jedes Opfer, das erklärt, sich am Verfahren zu beteiligen, um Ersatz für den erlittenen Schaden oder die erlittene Beeinträchtigung zu begehren,
3. "Privatankläger" jede Person, die eine Anklage oder einen anderen Antrag auf Einleitung des Hauptverfahrens wegen einer nicht von Amts wegen zu verfolgenden Straftat bei Gericht einbringt (§ 71),
4. "Subsidiarankläger" jeder Privatbeteiligte, der eine von der Staatsanwaltschaft zurückgezogene Anklage aufrecht hält.
2. Abschnitt
Opfer und Privatbeteiligte
Opferrechte
§ 66. (1) Opfer haben - unabhängig von ihrer Stellung als Privatbeteiligte - das Recht,
1. sich vertreten zu lassen (§ 73),
2. Akteneinsicht zu nehmen (§ 68),
3. vor ihrer Vernehmung vom Gegenstand des Verfahrens und über ihre wesentlichen Rechte informiert zu werden (§ 70 Abs. 1),
4. vom Fortgang des Verfahrens verständigt zu werden (§§ 177 Abs. 5, 194, 197 Abs. 3, 206 und 208 Abs. 3),
5. Übersetzungshilfe zu erhalten, für die § 56 sinngemäß gilt,
6. an einer kontradiktorischen Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten (§ 165) und an einer Tatrekonstruktion (§ 150 Abs. 1) teilzunehmen,
7. während der Hauptverhandlung anwesend zu sein und Angeklagte, Zeugen und Sachverständige zu befragen sowie zu ihren Ansprüchen gehört zu werden,
8. die Fortführung eines durch die Staatsanwaltschaft eingestellten Verfahrens zu verlangen (§ 195 Abs. 1).
(2) Opfern im Sinne des § 65 Z 1 lit. a oder b ist auf ihr Verlangen psychosoziale und juristische Prozessbegleitung zu gewähren, soweit dies zur Wahrung der prozessualen Rechte der Opfer unter größtmöglicher Bedachtnahme auf ihre persönliche Betroffenheit erforderlich ist. Psychosoziale Prozessbegleitung umfasst die Vorbereitung der Betroffenen auf das Verfahren und die mit ihm verbundenen emotionalen Belastungen sowie die Begleitung zu Vernehmungen im Ermittlungs- und Hauptverfahren, juristische Prozessbegleitung die rechtliche Beratung und Vertretung durch einen Rechtsanwalt. Die Bundesministerin für Justiz ist ermächtigt, bewährte geeignete Einrichtungen vertraglich zu beauftragen, Opfern im Sinne des § 65 Z 1 lit. a oder b nach Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen Prozessbegleitung zu gewähren.
Privatbeteiligung
§ 67. (1) Opfer haben das Recht, den Ersatz des durch die Straftat erlittenen Schadens oder eine Entschädigung für die Beeinträchtigung ihrer strafrechtlich geschützten Rechtsgüter zu begehren. Das Ausmaß des Schadens oder der Beeinträchtigung ist von Amts wegen festzustellen, soweit dies auf Grund der Ergebnisse des Strafverfahrens oder weiterer einfacher Erhebungen möglich ist. Wird für die Beurteilung einer Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung ein Sachverständiger bestellt, so ist ihm auch die Feststellung der Schmerzperioden aufzutragen.
(2) Opfer werden durch Erklärung zu Privatbeteiligten. In der Erklärung haben sie, soweit dies nicht offensichtlich ist, ihre Berechtigung, am Verfahren mitzuwirken, und ihre Ansprüche auf Schadenersatz oder Entschädigung zu begründen.
(3) Eine Erklärung nach Abs. 2 ist bei der Kriminalpolizei oder bei der Staatsanwaltschaft, nach Einbringen der Anklage beim Gericht einzubringen. Sie muss längstens bis zum Schluss des Beweisverfahrens abgegeben werden; bis dahin ist auch die Höhe des Schadenersatzes oder der Entschädigung zu beziffern. Die Erklärung kann jederzeit zurückgezogen werden.
(4) Eine Erklärung ist zurückzuweisen, wenn
1. sie offensichtlich unberechtigt ist,
2. sie verspätet abgegeben wurde (Abs. 3) oder
3. die Höhe des Schadenersatzes oder der Entschädigung nicht rechtzeitig beziffert wurde.
(5) Die Zurückweisung einer Erklärung nach Abs. 4 obliegt der Staatsanwaltschaft, nach Einbringen der Anklage dem Gericht.
(6) Privatbeteiligte haben über die Rechte der Opfer (§ 66) hinaus das Recht,
1. die Aufnahme von Beweisen nach § 55 zu beantragen,
2. die Anklage nach § 72 aufrechtzuerhalten, wenn die Staatsanwaltschaft von ihr zurücktritt,
3. Beschwerde gegen die gerichtliche Einstellung des Verfahrens nach § 87 zu erheben,
4. zur Hauptverhandlung geladen zu werden und Gelegenheit zu erhalten, nach dem Schlussantrag der Staatsanwaltschaft ihre Ansprüche auszuführen und zu begründen.
5. Berufung wegen ihrer privatrechtlichen Ansprüche nach § 366 zu erheben.
(7) Privatbeteiligten ist - soweit ihnen nicht juristische Prozessbegleitung zu gewähren ist (§ 66 Abs. 2) - Verfahrenshilfe durch unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, soweit die Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Durchsetzung ihrer Ansprüche zur Vermeidung eines nachfolgenden Zivilverfahrens erforderlich ist, und sie außerstande sind, die Kosten ihrer anwaltlichen Vertretung ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten. Als notwendiger Unterhalt ist derjenige anzusehen, den die Person für sich und ihre Familie, für deren Unterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung benötigt. Für die Beigebung und Bestellung eines solchen Vertreters gelten die Bestimmungen der §§ 61 Abs. 4, 62 Abs. 1, 2 und 4 sinngemäß.
Akteneinsicht
§ 68. (1) Privatbeteiligte und Privatankläger sind zur Akteneinsicht berechtigt, soweit ihre Interessen betroffen sind; hiefür gelten die §§ 51, 52 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 und 3 sowie 53 sinngemäß. Im Übrigen darf die Akteneinsicht nur verweigert oder beschränkt werden, soweit durch sie der Zweck der Ermittlungen oder eine unbeeinflusste Aussage als Zeuge gefährdet wäre.
(2) Dieses Recht auf Akteneinsicht steht auch Opfern zu, die nicht als Privatbeteiligte am Verfahren mitwirken.
(3) Das Verbot der Veröffentlichung nach § 54 gilt für Opfer, Privatbeteiligte und Privatankläger sinngemäß.
Privatrechtliche Ansprüche
§ 69. (1) Der Privatbeteiligte kann einen aus der Straftat abgeleiteten, auf Leistung, Feststellung oder Rechtsgestaltung gerichteten Anspruch gegen den Beschuldigten geltend machen. Die Gültigkeit einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft kann im Strafverfahren jedoch immer nur als Vorfrage (§ 15) beurteilt werden.
(2) Das Gericht hat im Hauptverfahren jederzeit einen Vergleich über privatrechtliche Ansprüche zu Protokoll zu nehmen. Es kann den Privatbeteiligten und den Beschuldigten auch auf Antrag oder von Amts wegen zu einem Vergleichsversuch laden und einen Vorschlag für einen Vergleich unterbreiten. Kommt ein Vergleich zustande, so sind dem Privatbeteiligten, der Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten Vergleichsausfertigungen auszufolgen.
(3) Im Fall einer Sicherstellung nach § 110 Abs. 1 Z 2 hat die Staatsanwaltschaft die Rückgabe des Gegenstandes an das Opfer anzuordnen, wenn eine Beschlagnahme aus Beweisgründen nicht erforderlich ist und in die Rechte Dritter dadurch nicht eingegriffen wird.
Recht auf Information
§ 70. (1) Sobald ein Ermittlungsverfahren gegen einen bestimmten Beschuldigten geführt wird, hat die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft Opfer über ihre wesentlichen Rechte (§§ 66 und 67) zu informieren. Dies darf nur solange unterbleiben, als dadurch der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre. Opfer im Sinn des § 65 Z 1 lit. a oder b sind spätestens vor ihrer ersten Befragung über die Voraussetzungen der Prozessbegleitung zu informieren. Opfer von Gewalt in Wohnungen (§ 38a SPG) oder Opfer im Sinn des § 65 Z 1 lit. a sind überdies spätestens im Zeitpunkt ihrer Vernehmung im Sinne des § 177 Abs. 5 sowie darüber zu informieren, dass sie berechtigt sind, auf Antrag unverzüglich vom ersten unbewachten Verlassen der Anstalt oder von der bevorstehenden oder erfolgten Entlassung des Strafgefangenen verständigt zu werden (§ 149 Abs. 5 StVG).
(2) Opfer, die in ihrer sexuellen Integrität verletzt worden sein könnten, sind spätestens vor ihrer ersten Befragung überdies über die folgenden, ihnen zustehenden Rechte zu informieren:
1. zu verlangen, im Ermittlungsverfahren nach Möglichkeit von einer Person des gleichen Geschlechts vernommen zu werden,
2. die Beantwortung von Fragen nach Umständen aus ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich oder nach Einzelheiten der Straftat, deren Schilderung sie für unzumutbar halten, zu verweigern (§ 158 Abs. 1 Z 2),
3. zu verlangen, im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung auf schonende Weise vernommen zu werden (§§ 165, 250 Abs. 3),
4. zu verlangen, die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung auszuschließen (§ 229 Abs. 1).
3. Abschnitt
Privatankläger und Subsidiarankläger
Privatankläger
§ 71. (1) Strafbare Handlungen, deren Begehung nur auf Verlangen des Opfers zu verfolgen sind, bezeichnet das Gesetz. Das Hauptverfahren wird in diesen Fällen auf Grund einer Anklage des Privatanklägers oder seines selbstständigen Antrags auf Erlassung vermögensrechtlicher Anordnungen nach § 445 durchgeführt; ein Ermittlungsverfahren findet nicht statt.
(2) In den Fällen des § 117 Abs. 2 und 3 StGB ist das Opfer dann zur Privatanklage berechtigt, wenn es oder seine vorgesetzte Stelle die Ermächtigung zur Strafverfolgung nicht erteilt oder zurückzieht (§ 92). Zur Anklage nicht berechtigt ist, wer ausdrücklich darauf verzichtet oder die Begehung der strafbaren Handlung verziehen hat. Die §§ 57 und 58 StGB bleiben unberührt.
(3) Die Privatanklage ist beim zuständigen Gericht einzubringen. Sie hat den Erfordernissen einer Anklageschrift (§ 211) zu entsprechen. Die Berechtigung zur Privatanklage und allfällige privatrechtliche Ansprüche sind, soweit sie nicht offensichtlich sind, in der Begründung darzulegen. Für einen selbstständigen Antrag gilt Gleiches.
(4) Das Gericht hat den Antrag dem Angeklagten und den Haftungsbeteiligten mit der Information zuzustellen, dass sie berechtigt seien, sich dazu binnen 14 Tagen zu äußern. Danach hat das Gericht, soweit es nicht nach § 485 oder § 451 vorgeht, die Hauptverhandlung anzuberaumen.
(5) Der Privatankläger hat grundsätzlich die gleichen Rechte wie die Staatsanwaltschaft. Zwangsmaßnahmen zu beantragen ist er jedoch nur insofern berechtigt, als dies zur Sicherung von Beweisen oder vermögensrechtlichen Anordnungen erforderlich ist. Die Festnahme des Beschuldigten oder die Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft zu beantragen ist er nicht berechtigt.
(6) Kommt der Privatankläger nicht zur Hauptverhandlung oder stellt er nicht die erforderlichen Anträge, so wird angenommen, dass er auf die Verfolgung verzichtet habe. In diesen Fällen ist das Verfahren durch Beschluss einzustellen.
Subsidiarankläger
§ 72. (1) Privatbeteiligte sind berechtigt, die Anklage als Subsidiarankläger aufrecht zu erhalten, wenn die Staatsanwaltschaft von der Anklage zurücktritt. Zum Subsidiarankläger wird der Privatbeteiligte durch die Erklärung, die Anklage aufrecht zu erhalten; das Opfer hat zuvor überdies zu erklären, am Verfahren als Privatbeteiligter mitzuwirken.
(2) Tritt die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung von der Anklage zurück, so ist eine Erklärung nach Abs. 1 sogleich abzugeben. Erfolgt dies nicht, ist der Privatbeteiligte zur Hauptverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen oder unterlässt er es, in der Hauptverhandlung zur Aufrechterhaltung der Anklage erforderliche Anträge zu stellen, so ist der Angeklagte freizusprechen (§ 259 Z 2).
(3) Tritt die Staatsanwaltschaft außerhalb der Hauptverhandlung von der Anklage zurück, so hat das Gericht den Privatbeteiligten zu verständigen, der seine Erklärung binnen einem Monat abgeben kann. Gleiches gilt, wenn der Privatbeteiligte, ohne darauf verzichtet zu haben, zur Hauptverhandlung nicht geladen wurde oder seine Ladung nicht ausgewiesen ist. Sofern er dies nicht tut, wird angenommen, dass er die Verfolgung nicht aufrecht halte. In diesem Fall ist das Verfahren mit Beschluss einzustellen.
(4) Der Subsidiarankläger hat im Hauptverfahren die gleichen Rechte wie der Privatankläger. Rechtsmittel gegen Urteile stehen ihm jedoch nur soweit zu, als der Privatbeteiligte sie zu erheben berechtigt ist. Die Staatsanwaltschaft kann sich jederzeit über den Gang des Verfahrens informieren und die Anklage wieder an sich ziehen; in diesem Fall stehen dem Subsidiarankläger wieder die Rechte des Privatbeteiligten zu.
4. Abschnitt
Vertreter
Vertreter
§ 73. Vertreter stehen Haftungsbeteiligten, Opfern, Privatbeteiligten, Privatanklägern und Subsidiaranklägern beratend und unterstützend zur Seite. Sie üben, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt wird, die Verfahrensrechte aus, die den Vertretenen zustehen. Als Vertreter kann eine zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft berechtigte, eine nach § 25 Abs. 3 SPG anerkannte Opferschutzeinrichtung oder eine sonst geeignete Person bevollmächtigt werden.
5. Hauptstück
Gemeinsame Bestimmungen
1. Abschnitt
Einsatz der Informationstechnik
Verwenden von Daten
§ 74. (1) Soweit zum Verwenden von Daten im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, finden die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 165/1999, Anwendung.
(2) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht haben beim Verwenden (Verarbeiten und Übermitteln) personenbezogener Daten den Grundsatz der Gesetz- und Verhältnismäßigkeit (§ 5) zu beachten. Jedenfalls haben sie schutzwürdige Interessen der Betroffenen an der Geheimhaltung zu wahren und vertraulicher Behandlung der Daten Vorrang einzuräumen. Beim Verwenden sensibler und strafrechtlich relevanter Daten haben sie angemessene Vorkehrungen zur Wahrung der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen zu treffen.
Berichtigen, Löschen und Sperren von Daten
§ 75. (1) Unrichtige oder entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes ermittelte Daten sind unverzüglich richtig zu stellen oder zu löschen.
(2) Im Übrigen ist ein Zugriff auf Namensverzeichnisse zu unterbinden, und zwar
1. im Fall einer Verurteilung längstens nach Ablauf von zehn Jahren ab dem Zeitpunkt, ab dem die Strafe vollzogen wurde, wenn jedoch eine Strafe nicht ausgesprochen oder bedingt nachgesehen wurde, ab der Verurteilung,
2. im Fall eines Freispruchs, einer Einstellung des Verfahrens oder eines (endgültigen) Rücktritts von Verfolgung längstens nach Ablauf von zehn Jahren ab der Entscheidung.
(3) Nach sechzig Jahren ab den in Abs. 2 angeführten Zeitpunkten sind alle Daten im direkten Zugriff zu löschen.
(4) Personenbezogene Daten, die ausschließlich auf Grund einer Identitätsfeststellung (§ 118), einer körperlichen Untersuchung (§ 123) oder einer molekulargenetischen Analyse (§ 124) gewonnen wurden, dürfen nur solange verwendet werden, als wegen der Art der Ausführung der Tat, der Persönlichkeit der betroffenen Person oder auf Grund anderer Umstände zu befürchten ist, dass diese Person eine strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen begehen werde. Wird der Angeklagte rechtskräftig freigesprochen oder das Ermittlungsverfahren ohne Vorbehalt späterer Verfolgung eingestellt, so sind diese Daten zu löschen. Die §§ 73 und 74 SPG bleiben hievon unberührt.
(5) Soweit Daten, die durch eine Überwachung von Nachrichten, eine optische oder akustische Überwachung oder einen automationsunterstützten Datenabgleich ermittelt worden sind, in einem Strafverfahren als Beweis verwendet werden dürfen, ist ihre Verwendung auch in einem damit in Zusammenhang stehenden Zivil- oder Verwaltungsverfahren und zur Abwehr mit beträchtlicher Strafe bedrohter Handlungen (§ 17 SPG) sowie zur Abwehr erheblicher Gefahren für Leben, Leib oder Freiheit einer Person oder für erhebliche Sach- und Vermögenswerte zulässig.
2. Abschnitt
Amts- und Rechtshilfe, Akteneinsicht
Amts- und Rechtshilfe
§ 76. (1) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte sind zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz berechtigt, die Unterstützung aller Behörden und öffentlichen Dienststellen des Bundes, der Länder und der Gemeinden sowie anderer durch Gesetz eingerichteter Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts unmittelbar in Anspruch zu nehmen. Solchen Ersuchen ist ehest möglich zu entsprechen oder es sind entgegen stehende Hindernisse unverzüglich bekannt zu geben. Erforderlichenfalls ist Akteneinsicht zu gewähren.
(2) Ersuchen von kriminalpolizeilichen Behörden, Staatsanwaltschaften und Gerichten, die sich auf Straftaten einer bestimmten Person beziehen, dürfen mit dem Hinweis auf bestehende gesetzliche Verpflichtungen zur Verschwiegenheit oder darauf, dass es sich um automationsunterstützt verarbeitete personenbezogene Daten handelt, nur dann abgelehnt werden, wenn entweder diese Verpflichtungen ausdrücklich auch gegenüber Strafgerichten auferlegt sind oder wenn der Beantwortung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen, die im Einzelnen anzuführen und zu begründen sind.
(2a) Wird einem Ersuchen einer Staatsanwaltschaft um Amts- oder Rechtshilfe von einem ersuchten Gericht nicht oder nicht vollständig entsprochen, so hat das dem ersuchten Gericht übergeordnete Oberlandesgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft ohne vorhergehende mündliche Verhandlung über die Rechtsmäßigkeit der unterlassenen Amts- oder Rechtshilfe oder über den sonstigen Gegenstand der Meinungsverschiedenheit zu entscheiden.
(3) Auf den Verkehr mit ausländischen Behörden sind völkerrechtliche Verträge, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie das Polizeikooperationsgesetz anzuwenden.
(4) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte sind berechtigt, über nach diesem Gesetz ermittelte personenbezogene Daten Auskunft für Zwecke der Sicherheitsverwaltung, der Strafrechtspflege sowie der Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Handelns der genannten Organe zu erteilen. Übermittlungen von Daten an andere Behörden als Finanzstrafbehörden für deren Tätigkeit im Dienste der Strafrechtspflege, Sicherheitsbehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte sind im Übrigen nur zulässig, wenn hierfür eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung besteht.
(5) Vom Beginn und von der Beendigung eines Strafverfahrens gegen Beamte ist die Dienstbehörde zu verständigen.
Akteneinsicht
§ 77. (1) Im Falle begründeten rechtlichen Interesses haben Staatsanwaltschaften und Gerichte auch außer den in diesem Gesetz besonders bezeichneten Fällen Einsicht in die ihnen vorliegenden Ergebnisse eines Ermittlungs- oder Hauptverfahrens zu gewähren, soweit dem nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen.
(2) Zum Zweck einer nicht personenbezogenen Auswertung für wissenschaftliche Arbeiten oder vergleichbare, im öffentlichen Interesse liegende Untersuchungen können die Staatsanwaltschaften, die Vorsteher der Gerichte und das Bundesministerium für Justiz auf Ersuchen der Leiter anerkannter wissenschaftlicher Einrichtungen die Einsicht in Akten eines Verfahrens, die Herstellung von Abschriften (Ablichtungen) und die Übermittlung von Daten aus solchen bewilligen.
(3) § 54 ist sinngemäß anzuwenden.
3. Abschnitt
Anzeigepflicht, Anzeige- und Anhalterecht
Anzeigepflicht
§ 78. (1) Wird einer Behörde oder öffentlichen Dienststelle der Verdacht einer Straftat bekannt, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, so ist sie zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft verpflichtet.
(2) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 1 besteht nicht,
1. wenn die Anzeige eine amtliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, oder
2. wenn und solange hinreichende Gründe für die Annahme vorliegen, die Strafbarkeit der Tat werde binnen kurzem durch schadensbereinigende Maßnahmen entfallen.
(3) Die Behörde oder öffentliche Dienststelle hat jedenfalls alles zu unternehmen, was zum Schutz des Opfers oder anderer Personen vor Gefährdung notwendig ist; erforderlichenfalls ist auch in den Fällen des Abs. 2 Anzeige zu erstatten.
§ 79. Soweit eine gesetzliche Anzeigepflicht besteht, sind der Kriminalpolizei, den Staatsanwaltschaften und den Gerichten zur Aufklärung einer Straftat einer bestimmten Person von Amts wegen oder auf Grund von Ersuchen Ablichtungen der Akten und sonstigen schriftlichen Aufzeichnungen zu übermitteln oder Akteneinsicht zu gewähren. Eine Berufung auf bestehende gesetzliche Verschwiegenheitspflichten ist insoweit unzulässig.
Anzeige- und Anhalterecht
§ 80. (1) Wer von der Begehung einer strafbaren Handlung Kenntnis erlangt, ist zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft berechtigt.
(2) Wer auf Grund bestimmter Tatsachen annehmen kann, dass eine Person eine strafbare Handlung ausführe, unmittelbar zuvor ausgeführt habe oder dass wegen der Begehung einer strafbaren Handlung nach ihr gefahndet werde, ist berechtigt, diese Person auf verhältnismäßige Weise anzuhalten, jedoch zur unverzüglichen Anzeige an das nächst erreichbare Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes verpflichtet.
4. Abschnitt
Bekanntmachung, Zustellung und Fristen
Bekanntmachung
§ 81. (1) Die Bekanntmachung von Erledigungen des Gerichts und der Staatsanwaltschaft hat durch mündliche Verkündung, durch Zustellung einer Ausfertigung (§ 79 GOG), durch Telefax oder im elektronischen Rechtsverkehr nach Maßgabe des § 89a GOG zu erfolgen.
(2) Mündliche Verkündungen sind zu protokollieren. Jeder Person, der mündlich verkündet wurde, ist der Inhalt der Erledigung auf Verlangen schriftlich oder elektronisch zu übermitteln.
(3) Der Staatsanwaltschaft und dem Gericht können die Akten zur Einsicht in die Erledigung übermittelt werden. In diesem Fall hat die Staatsanwaltschaft oder das Gericht den Tag des Einlangens der Akten und den Tag der Einsichtnahme nachvollziehbar in den Akten zu beurkunden.
Zustellung
§ 82. (1) Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt wird, gelten für Zustellungen das Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, und die §§ 87, 89, 91 und 100 der Zivilprozessordnung sinngemäß.
(2) Die §§ 8, 9 Abs. 2 erster Satz und Abs. 3 sowie 10 des Zustellgesetzes und § 98 ZPO sind außer im Fall des § 180 Abs. 4 nur auf Subsidiarankläger, Privatankläger, Opfer, Privatbeteiligte, Haftungsbeteiligte und auf Bevollmächtigte dieser Personen anzuwenden.
(3) Zustellungen haben durch unmittelbare Übergabe oder durch Zustelldienste (§ 2 Zustellgesetz) zu erfolgen. Die Kriminalpolizei ist nur dann um eine Zustellung zu ersuchen, wenn dies im Interesse der Strafrechtspflege unbedingt erforderlich ist.
Arten der Zustellung
§ 83. (1) Soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, ist die Zustellung ohne Zustellnachweis vorzunehmen.
(2) Eine Übermittlung durch Telefax, im elektronischen Rechtsverkehr nach Maßgabe des § 89a GOG oder durch elektronische Zustelldienste nach den Bestimmungen des 3. Abschnitts des Zustellgesetzes ist einer Zustellung mit Zustellnachweis gleichzuhalten. Durch Telefax übermittelte Dokumente gelten als zugestellt, sobald seine Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel sind die Tatsache und der Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt nicht als bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 ZustG wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
(3) Ladungen und Aufforderungen, deren Befolgung durch Beugemittel oder auf andere Weise durchgesetzt werden kann, Erledigungen, deren Zustellung die Frist zur Einbringung eines Rechtsmittels oder eines Rechtsbehelfs an das Gericht auslöst, sowie Ladungen von Privatbeteiligten, Privatanklägern und Subsidiaranklägern zur Hauptverhandlung sind zu eigenen Handen (§ 21 des Zustellgesetzes) zuzustellen. Verteidigern und Rechtsanwälten kann anstatt zu eigenen Handen immer auch mit Zustellnachweis (§§ 13 bis 20 des Zustellgesetzes) zugestellt werden.
(4) Soweit der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter des Verfahrens durch einen Verteidiger oder eine andere Person vertreten wird, ist diesem Verteidiger oder Vertreter zuzustellen. Die Ladung zur Hauptverhandlung in erster Instanz, das Abwesenheitsurteil sowie Verständigungen und Mitteilungen nach den §§ 200 Abs. 4, 201 Abs. 1 und 4 sowie 203 Abs. 1 und 3 sind dem Angeklagten oder Beschuldigten jedoch immer selbst und zu eigenen Handen zuzustellen.
(5) Opfern kann durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt werden, soweit die Voraussetzungen des § 25 des Zustellgesetzes vorliegen oder schon deren Ausforschung oder die Aufforderung zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten (§ 82 Abs. 2) einen dem Beschleunigungsgebot (§ 9) widerstreitenden Verfahrensaufwand bedeuten würde. Die Bekanntmachung ist in die Ediktsdatei (§ 89j Abs. 1 GOG) aufzunehmen, wodurch die Zustellung als bewirkt gilt.
Fristen
§ 84. (1) Soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, gilt für die Berechnung der in diesem Gesetz normierten Fristen Folgendes:
1. Fristen können nicht verlängert werden,
2. Tage des Postlaufs sind in die Frist nicht einzurechnen,
3. der Tag, von dem ab die Frist zu laufen hat, zählt nicht,
4. nach Stunden bestimmte Fristen sind von Moment zu Moment zu berechnen,
5. Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage und der Karfreitag sind ohne Einfluss auf Beginn und Lauf einer Frist; endet eine Frist an einem solchen Tag, so gilt der nächste Werktag als letzter Tag der Frist.
(2) Soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, können Rechtsmittel, Rechtsbehelfe und alle sonstigen Eingaben an die Kriminalpolizei, die Staatsanwaltschaft oder das Gericht schriftlich, per Telefax oder im elektronischen Rechtsverkehr (§ 89a GOG) eingebracht werden. Sofern sie an eine Frist gebunden sind, sind sie auch dann rechtzeitig, wenn sie innerhalb dieser Frist bei der Behörde eingebracht werden, die darüber zu entscheiden hat. Die näheren Vorschriften über die geschäftliche Behandlung solcher Eingaben werden durch Verordnung geregelt.
5. Abschnitt
Beschlüsse und Beschwerden
Allgemeines
§ 85. Soweit im Einzelnen nicht etwas anderes bestimmt wird, gelten für Erledigungen von Anträgen gemäß § 101 Abs. 2, gerichtliche Beschlüsse (§ 35) und dagegen erhobene Beschwerden sowie das dabei einzuhaltende Verfahren die Bestimmungen dieses Abschnitts.
Beschlüsse
§ 86. (1) Ein Beschluss hat Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung zu enthalten. Der Spruch hat die Anordnung, Bewilligung oder Feststellung des Gerichts sowie die darauf bezogenen gesetzlichen Bestimmungen zu enthalten. Ein Beschluss über einen Einspruch oder einen Antrag hat darüber hinaus auszusprechen, ob und in welchem Umfang dem Begehren stattgegeben wird. In der Begründung sind die tatsächlichen Feststellungen und die rechtlichen Überlegungen auszuführen, die der Entscheidung zugrundegelegt werden. Die Rechtsmittelbelehrung hat die Mitteilung zu enthalten, ob ein Rechtsmittel zusteht, welchen Förmlichkeiten es zu genügen hat und innerhalb welcher Frist und wo es einzubringen ist.
(2) Jeder Beschluss ist schriftlich auszufertigen und den zur Beschwerde Berechtigten (§ 87) zuzustellen. Ein Beschluss, mit dem das Verfahren eingestellt wird, ist überdies der Kriminalpolizei und dem Privatbeteiligten zu übermitteln.
(3) Ausfertigung und Zustellung eines Beschlusses, der nach dem Gesetz mündlich zu verkünden ist, können unterbleiben, wenn die Berechtigten sogleich nach der Verkündung auf Beschwerde verzichten. In diesem Fall und soweit das Gesetz die Verkündung des Beschlusses in der Hauptverhandlung vorsieht, jedoch ein selbstständiges, die weitere Verhandlung hemmendes Rechtsmittel dagegen nicht zulässt, ist der wesentliche Inhalt des Beschlusses im Protokoll zu beurkunden.
Beschwerden
§ 87. (1) Gegen gerichtliche Beschlüsse steht der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten, soweit dessen Interessen unmittelbar betroffen sind, und jeder anderen Person, der durch den Beschluss unmittelbar Rechte verweigert werden oder Pflichten entstehen oder die von einem Zwangsmittel betroffen ist, gegen einen Beschluss, mit dem das Verfahren eingestellt wird, auch dem Privatbeteiligten Beschwerde an das Rechtsmittelgericht zu, soweit das Gesetz im Einzelnen nichts anderes bestimmt.
(2) Der Staatsanwaltschaft steht auch Beschwerde zu, wenn ihre Anträge gemäß § 101 Abs. 2 nicht erledigt wurden. Überdies steht jeder Person Beschwerde zu, die behauptet, durch das Gericht im Rahmen einer Beweisaufnahme in einem subjektiven Recht (§ 106 Abs. 1) verletzt worden zu sein.
(3) Aufschiebende Wirkung hat eine Beschwerde nur dann, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht.
Verfahren über Beschwerden
§ 88. (1) Die Beschwerde hat den Beschluss, Antrag oder Vorgang, auf den sie sich bezieht, anzuführen und anzugeben, worin die Verletzung des Rechts bestehen soll. Sie ist binnen vierzehn Tagen ab Bekanntmachung oder ab Kenntnis der Nichterledigung oder Verletzung des subjektiven Rechts schriftlich oder auf elektronischem Weg beim Gericht einzubringen oder im Fall der mündlichen Verkündung zu Protokoll zu geben.
(2) Eine Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem eine Anordnung der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren bewilligt wird, ist bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. Die Staatsanwaltschaft hat die Beschwerde mit einer allfälligen Stellungnahme unverzüglich an das Gericht weiterzuleiten.
(3) Die Beschwerde ist dem Rechtsmittelgericht ohne Verzug mit dem Akt vorzulegen. Der Gang des Verfahrens darf dadurch nicht aufgehalten werden; erforderlichenfalls sind Kopien jener Aktenteile, die zur Fortführung des Verfahrens erforderlich sind, zurückzubehalten.
(4) Eine Beschwerde, die innerhalb der Frist beim Rechtsmittelgericht oder im Fall des Abs. 1 bei der Staatsanwaltschaft, im Fall des Abs. 2 beim Gericht eingebracht wird, gilt als rechtzeitig.
Verfahren vor dem Rechtsmittelgericht
§ 89. (1) Das Rechtsmittelgericht hat der zuständigen Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 24) und über die Beschwerde in nicht öffentlicher Sitzung mit Beschluss zu entscheiden.
(2) Beschwerden, die verspätet oder von einer Person eingebracht wurden, der ein Rechtsmittel nicht zusteht (§ 87 Abs. 1), hat das Rechtsmittelgericht als unzulässig zurückzuweisen.
(2a) Das Rechtsmittelgericht kann den Beschluss aufheben und an das
Erstgericht zur neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung unter
sinngemäßer Anwendung des § 293 Abs. 2 verweisen, wenn
1. das
Erstgericht örtlich oder sachlich unzuständig oder nicht gehörig besetzt war
oder wenn ein gesetzlich ausgeschlossener Richter (§§ 43 und 46) den
Beschluss gefasst hat,
2. das Erstgericht zu Unrecht seine
Unzuständigkeit ausgesprochen hat,
3. das Erstgericht die Anträge nicht
erledigt oder zur Entscheidung in der Sache erforderliche Beweisaufnahmen
unterlassen hat oder einer der im § 281 Abs. 1 Z 5 oder 5a angeführten
Gründe vorliegt, oder
4. rechtliches Gehör (§ 6) nicht gewährt werden
kann, weil der Gegenstand der Beschwerde auf die Bewilligung einer Anordnung
gerichtet ist, deren Erfolg voraussetzt, dass sie dem Gegner der Beschwerde
vor ihrer Durchführung nicht bekannt wird.
(2b) Bei Beschwerden gegen die Bewilligung der Festnahme und gegen die Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft hat das Rechtsmittelgericht stets in der Sache zu entscheiden und dabei gegebenenfalls auch Umstände zu berücksichtigen, die nach dem bekämpften Beschluss eingetreten oder bekannt geworden sind. Gleiches gilt, wenn es keinen Anlass findet, nach Abs. 2a vorzugehen. An die geltend gemachten Beschwerdepunkte ist das Rechtsmittelgericht nicht gebunden, zum Nachteil des Beschuldigten darf es jedoch niemals Beschlüsse ändern, gegen die nicht Beschwerde erhoben wurde.
(3) Entscheidet das Oberlandesgericht, dass die Untersuchungshaft aufzuheben sei, und treffen die hiefür maßgebenden Umstände auch bei einem Mitbeschuldigten zu, der keine Beschwerde erhoben hat, so hat das Oberlandesgericht so vorzugehen, als ob eine solche Beschwerde vorläge.
(4) Wird einer Beschwerde wegen Unzulässigkeit einer im 5. und 6. Abschnitt des 8. Hauptstückes (§§ 134 bis 143) geregelten Ermittlungsmaßnahme gemäß Abs. 2b Folge gegeben, so ist zugleich anzuordnen, dass alle durch diese Ermittlungsmaßnahme gewonnenen Ergebnisse zu vernichten sind.
(5) Das Rechtsmittelgericht kann vom Erstgericht und von der Staatsanwaltschaft weitere Aufklärungen verlangen. Vor seiner Entscheidung hat es dem Gegner der Beschwerde Gelegenheit zur Äußerung binnen sieben Tagen einzuräumen es sei denn, dass ein Fall des Abs. 2a Z 4 vorliegt, § 24 zweiter Satz ist anzuwenden.
(6) Gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
6. Abschnitt
Vollstreckung von Geld- und Freiheitsstrafen
Vollstreckung von Geld- und Freiheitsstrafen
§ 90. (1) Alle Geldstrafen fließen dem Bund zu.
(2) Ist eine nach diesem Gesetz ausgesprochene Geldstrafe ganz oder teilweise uneinbringlich, so hat das Gericht sie in berücksichtigungswürdigen Fällen neu zu bemessen, sonst aber in eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu acht Tagen umzuwandeln.
(3) Auf den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen nach Abs. 2 und der in diesem Gesetz angedrohten Freiheitsstrafen und der Beugehaft sind die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit drei Monate nicht übersteigt, sinngemäß anzuwenden.
2. TEIL
Das Ermittlungsverfahren
6. Hauptstück
Allgemeines
1. Abschnitt
Zweck des Ermittlungsverfahrens
Zweck des Ermittlungsverfahrens
§ 91. (1) Das Ermittlungsverfahren dient dazu, Sachverhalt und Tatverdacht durch Ermittlungen soweit zu klären, dass die Staatsanwaltschaft über Anklage, Rücktritt von der Verfolgung oder Einstellung des Verfahrens entscheiden kann und im Fall der Anklage eine zügige Durchführung der Hauptverhandlung ermöglicht wird.
(2) Ermittlung ist jede Tätigkeit der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, die der Gewinnung, Sicherstellung, Auswertung oder Verarbeitung einer Information zur Aufklärung des Verdachts einer Straftat dient. Sie ist nach der in diesem Gesetz vorgesehenen Form entweder als Erkundigung oder als Beweisaufnahme durchzuführen.
Ermächtigung zur Strafverfolgung
§ 92. (1) Soweit das Gesetz eine Ermächtigung zur Strafverfolgung voraussetzt, haben Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft unverzüglich bei der gesetzlich berechtigten Person anzufragen, ob sie die Ermächtigung erteile. Wird diese verweigert, so ist jede weitere Ermittlung gegen die betreffende Person unzulässig und das Verfahren einzustellen. Die Ermächtigung gilt als verweigert, wenn die berechtigte Person sie nicht binnen vierzehn Tagen nach Anfrage erteilt. Diese Frist beträgt im Falle der öffentlichen Beleidigung eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers sechs Wochen; die tagungsfreie Zeit ist nicht einzurechnen.
(2) Die Ermächtigung muss sich auf eine bestimmte Person beziehen und spätestens bei Einleitung diversioneller Maßnahmen oder Einbringen der Anklage vorliegen. Sie kann bis zum Schluss des Beweisverfahrens erster Instanz zurückgenommen werden. Die Erklärung, als Privatbeteiligter am Verfahren mitzuwirken (§ 67), gilt als Ermächtigung.
2. Abschnitt
Zwangsgewalt und Beugemittel, Ordnungsstrafen
Zwangsgewalt und Beugemittel
§ 93. (1) Die Kriminalpolizei ist nach Maßgabe des § 5 ermächtigt, verhältnismäßigen und angemessenen Zwang anzuwenden, um die ihr gesetzlich eingeräumten Befugnisse durchzusetzen; dies gilt auch für die Durchsetzung einer Anordnung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts. Dabei ist die Kriminalpolizei unter den jeweils vorgesehenen Bedingungen und Förmlichkeiten ermächtigt, auch physische Gewalt gegen Personen und Sachen anzuwenden, soweit dies für die Durchführung von Ermittlungen oder die Aufnahme von Beweisen unerlässlich ist. Eine Anordnung zur Festnahme (§ 171 Abs. 1) berechtigt auch dazu, die Wohnung oder andere durch das Hausrecht geschützte Orte nach der festzunehmenden Person zu durchsuchen, soweit die Festnahme nach dem Inhalt der Anordnung in diesen Räumen vollzogen werden soll.
(2) Verweigert eine Person eine Handlung, zu der sie gesetzlich verpflichtet ist, so kann dieses Verhalten unmittelbar durch Zwang nach Abs. 1 oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werden. Ist dies nicht möglich, so kann die Person, falls sie nicht selbst der Straftat verdächtig oder von der Pflicht zur Aussage gesetzlich befreit ist, durch Beugemittel angehalten werden, ihrer Verpflichtung nachzukommen.
(3) Soweit und solange dies für die Durchführung einer Zwangsmaßnahme oder Beweisaufnahme erforderlich ist, ist die Kriminalpolizei von sich aus oder auf Grund einer Anordnung ermächtigt, Behältnisse oder Räumlichkeiten durch Anbringen eines Siegels zu verschließen oder Tatorte abzusperren, um nicht berechtigte Personen am Zutritt zu hindern.
(4) Als Beugemittel kommt eine Geldstrafe bis zu 10 000 Euro und in wichtigen Fällen eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen in Betracht. Über Anwendung und Ausmaß von Beugemitteln hat das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft zu entscheiden (§ 105).
(5) Die Ausübung unmittelbaren Zwangs ist anzudrohen und anzukündigen, wenn die davon betroffene Person anwesend ist. Hievon darf nur abgesehen werden, wenn der Erfolg der Ermittlung oder der Beweisaufnahme dadurch gefährdet wäre. Für den Waffengebrauch gelten die Bestimmungen des Waffengebrauchsgesetzes 1969.
Ordnungsstrafen
§ 94. Für die Aufrechterhaltung der Ordnung und für die Wahrung des Anstandes hat der Leiter der jeweiligen Amtshandlung zu sorgen. Er ist zu diesem Zweck berechtigt, jede Person, die sich trotz vorausgegangener Ermahnung und Androhung ihrer Wegweisung seinen Anordnungen widersetzt, gegenüber anwesenden Personen aggressiv oder sonst grob ungebührlich verhält oder auf andere Weise die Amtshandlung behindert, auf einige Zeit oder für die gesamte Dauer der Amtshandlung aus dieser wegzuweisen oder zu entfernen. Im Übrigen sind die §§ 233 Abs. 3 und 235 bis 236a im Ermittlungsverfahren sinngemäß anzuwenden. Die Verhängung der dort erwähnten Ordnungsstrafen (§ 235) und die Aufforderung, einen anderen Verteidiger zu bestellen (§ 236 Abs. 2), bedürfen jedoch eines gerichtlichen Beschlusses.
3. Abschnitt
Protokollierung
Amtsvermerk
§ 95. Vorbringen von Personen und andere bedeutsame Vorgänge sind derart schriftlich festzuhalten, dass ihr wesentlicher Inhalt nachvollzogen werden kann. Ein solcher Amtsvermerk ist jedenfalls vom aufnehmenden Organ und allenfalls von anderen Personen zu unterfertigen.
Protokoll
§ 96. (1) Die Aufnahme von Beweisen ist in einem Protokoll zu dokumentieren, welches insbesondere zu enthalten hat:
1. die Bezeichnung der Behörde und der an der Amtshandlung beteiligten Personen,
2. Ort, Zeit und Gegenstand der Amtshandlung,
3. den Inhalt von Aussagen,
4. andere wesentliche Vorgänge während der Amtshandlung,
5. allenfalls gestellte Anträge,
6. die Unterschriften der vernommenen Personen. Wird eine Unterschrift verweigert oder unterbleibt sie aus anderen Gründen, so sind die hiefür maßgebenden Umstände im Protokoll zu vermerken.
(2) Das Protokoll ist vom Leiter der Amtshandlung oder von einer anderen geeigneten Person als Schriftführer zu erstellen. Es ist in Vollschrift abzufassen. Sofern es diktiert wird, hat dies für die Anwesenden hörbar zu geschehen. Es ist aber zulässig, vorläufig Kurzschrift zu verwenden oder das Diktat mit einem technischen Hilfsmittel aufzunehmen. Eine solche Vorgangsweise und ein allenfalls verkündeter Beschluss sind jedenfalls sogleich in Vollschrift festzuhalten. Kurzschrift und Tonaufnahme sind unverzüglich in Vollschrift zu übertragen, die Tonaufnahme ist überdies zuvor wiederzugeben, sofern dies einer der Beteiligten verlangt.
(3) Soweit dies für die Beurteilung der Sache und der Ergebnisse der Amtshandlung erforderlich ist oder eine vernommene Person es verlangt, ist ihre Aussage im Protokoll wörtlich wieder zu geben; im Übrigen sind die Antworten ihrem wesentlichen Inhalt nach erzählungsweise festzuhalten. Die gestellten Fragen sind nur soweit aufzunehmen, als dies für das Verständnis der Antwort erforderlich ist.
(4) Das Protokoll ist der vernommenen Person zur Durchsicht mit der Information vorzulegen, dass sie berechtigt ist, Ergänzungen oder Berichtigungen zu verlangen. Erhebliche Zusätze oder Einwendungen sind in einen Nachtrag aufzunehmen und gesondert zu unterfertigen. Sofern dies abgelehnt wird, hat die vernommene Person das Recht, dem Protokoll eine Stellungnahme beizufügen. Im Übrigen darf in dem einmal Niedergeschriebenen nichts Erhebliches ausgelöscht, zugesetzt oder verändert werden. Durchgestrichene Stellen sollen noch lesbar bleiben. Das Protokoll ist von der vernommenen Person auf jeder Seite und am Ende vom Leiter der Amtshandlung, vom Schriftführer und den übrigen Beteiligten zu unterschreiben.
(5) Das Protokoll ist zum Akt zu nehmen. Soweit die vernommene Person zur Akteneinsicht berechtigt ist, ist ihr auf Verlangen sogleich eine Abschrift oder Kopie auszufolgen, sofern dem schutzwürdige Interessen des Verfahrens oder Dritter nicht entgegen stehen; § 54 ist anzuwenden. Auf Kurzschriften und Tonaufnahmen (Abs. 2) ist § 271 Abs. 6 anzuwenden.
Ton- und Bildaufnahme
§ 97. (1) Nach ausdrücklicher Information der vernommenen Person ist es zulässig, eine Tonaufnahme oder Ton- und Bildaufnahme einer Vernehmung anzufertigen, sofern diese zur Gänze aufgenommen wird. Im Fall der Vernehmung eines Zeugen hat dies, unbeschadet besonderer gesetzlicher Bestimmungen (§§ 150, 165, 247a, 250 Abs. 3), zu unterbleiben, wenn und sobald der Zeuge der Aufnahme widerspricht.
(2) Im Falle einer Aufnahme nach Abs. 1 kann an Stelle eines Protokolls eine schriftliche Zusammenfassung des Inhalts der Vernehmung erstellt werden, welche der Leiter der Amtshandlung unterfertigt und zum Akt nimmt. Auf diese Zusammenfassung sind im Übrigen die Vorschriften der §§ 96 Abs. 1 und 3 und 271 Abs. 6 anzuwenden.
7. Hauptstück
Aufgaben und Befugnisse der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft und des Gerichts
1. Abschnitt
Allgemeines
Allgemeines
§ 98. (1) Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft haben das Ermittlungsverfahren nach Maßgabe dieses Gesetzes soweit wie möglich im Einvernehmen zu führen. Kann ein solches nicht erzielt werden, so hat die Staatsanwaltschaft die erforderlichen Anordnungen zu erteilen, die von der Kriminalpolizei zu befolgen sind (§ 99 Abs. 1).
(2) Das Gericht wird im Ermittlungsverfahren auf Antrag, von Amts wegen gemäß den §§ 104 und 105 Abs. 2 oder auf Grund eines Einspruchs tätig.
2. Abschnitt
Kriminalpolizei im Ermittlungsverfahren
Ermittlungen
§ 99. (1) Die Kriminalpolizei ermittelt von Amts wegen oder auf Grund einer Anzeige; Anordnungen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts (§ 105 Abs. 2) hat sie zu befolgen.
(2) Ist für eine Ermittlungsmaßnahme eine Anordnung der Staatsanwaltschaft erforderlich, so kann die Kriminalpolizei diese Befugnis bei Gefahr im Verzug ohne diese Anordnung ausüben. In diesem Fall hat die Kriminalpolizei unverzüglich um Genehmigung anzufragen (§ 100 Abs. 2 Z 2); wird diese nicht erteilt, so hat die Kriminalpolizei die Ermittlungshandlung sogleich zu beenden und den ursprünglichen Zustand soweit wie möglich wieder herzustellen.
(3) Erfordert die Anordnung jedoch eine gerichtliche Bewilligung, so ist die Ermittlungsmaßnahme bei Gefahr im Verzug ohne diese Bewilligung nur dann zulässig, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht.
(4) Ein Aufschub kriminalpolizeilicher Ermittlungen ist zulässig, wenn
1. dadurch die Aufklärung einer wesentlich schwerer wiegenden Straftat oder die Ausforschung eines an der Begehung der strafbaren Handlung führend Beteiligten gefördert wird und mit dem Aufschub keine ernste Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit Dritter verbunden ist, oder
2. andernfalls eine ernste Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit einer Person entstehen würde, die auf andere Weise nicht abgewendet werden kann.
(5) Die Kriminalpolizei hat die Staatsanwaltschaft von einem Aufschub nach Abs. 4 unverzüglich zu verständigen. Im Fall einer kontrollierten Lieferung, das ist der Transport von verkehrsbeschränkten oder verbotenen Waren aus dem oder durch das Bundesgebiet, ohne dass die Staatsanwaltschaft verpflichtet wäre, nach § 2 Abs. 1 vorzugehen, gelten die Bestimmungen der §§ 71 und 72 des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG) sinngemäß.
Berichte
§ 100. (1) Die Kriminalpolizei hat Ermittlungen aktenmäßig festzuhalten, sodass Anlass, Durchführung und Ergebnis dieser Ermittlungen nachvollzogen werden können. Die Ausübung von Zwang und von Befugnissen, die mit einem Eingriff in Rechte verbunden sind, hat sie zu begründen.
(2) Die Kriminalpolizei hat der Staatsanwaltschaft schriftlich (Abs. 1) oder im Wege automationsunterstützter Datenverarbeitung zu berichten, wenn und sobald
1. sie vom Verdacht eines schwer wiegenden Verbrechens oder einersonstigen Straftat von besonderem öffentlichen Interesse (§ 101 Abs. 2 zweiter Satz) Kenntnis erlangt (Anfallsbericht),
2. eine Anordnung oder Genehmigung der Staatsanwaltschaft odereine Entscheidung des Gerichts erforderlich oder zweckmäßig ist oder die Staatsanwaltschaft einen Bericht verlangt (Anlassbericht),
3. in einem Verfahren gegen eine bestimmte Person seit der ersten gegen sie gerichteten Ermittlung drei Monate abgelaufen sind, ohne dass berichtet worden ist, oder seit dem letzten Bericht drei Monate vergangen sind (Zwischenbericht),
4. Sachverhalt und Tatverdacht soweit geklärt scheinen, dass eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft über Anklage, Rücktritt von Verfolgung, Einstellen oder Abbrechen des Verfahrens ergehen kann (Abschlussbericht).
(3) Ein Bericht nach Abs. 2 hat - soweit diese Umstände nicht bereits berichtet wurden - insbesondere zu enthalten:
1. die Namen der Beschuldigten, oder, soweit diese nicht bekannt sind, die zu ihrer Identifizierung oder Ausforschung nötigen Merkmale, die Taten, deren sie verdächtig sind, und deren gesetzliche Bezeichnung,
2. die Namen der Anzeiger, der Opfer und allfälliger weiterer Auskunftspersonen,
3. eine zusammenfassende Sachverhaltsdarstellung und das geplante weitere Vorgehen, soweit dieses nicht bereits erörtert odereiner Dienstbesprechung vorbehalten wurde,
4. allfällige Anträge der Beschuldigten oder anderer Verfahrensbeteiligter.
(4) Mit jedem Bericht sind der Staatsanwaltschaft, soweit dies noch nicht geschehen ist, alle für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage erforderlichen kriminalpolizeilichen Akten zu übermitteln oder auf elektronischem Weg zugänglich zu machen.
Berichte an die WKStA
§ 100a. (1) Die Kriminalpolizei hat der WKStA über jeden Verdacht einer im § 20a Abs. 1 erwähnten Straftat gemäß § 100 Abs. 2 Z 1 zu berichten.
(2) Die WKStA kann aus Zweckmäßigkeitsgründen und zur Vermeidung von Verzögerungen andere Staatsanwaltschaften um Durchführung einzelner Ermittlungs- oder sonstiger Amtshandlungen ersuchen. Diese sind verpflichtet, die WKStA in vollem Umfang zu unterstützen und Hilfe bei der Strafverfolgung zu leisten.
3. Abschnitt
Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren
Aufgaben
§ 101. (1) Die Staatsanwaltschaft leitet das Ermittlungsverfahren und entscheidet über dessen Fortgang und Beendigung. Gegen ihren erklärten Willen darf ein Ermittlungsverfahren weder eingeleitet noch fortgesetzt werden.
(2) Die Staatsanwaltschaft stellt die erforderlichen Anträge bei Gericht, soweit ihre Anordnungen einer gerichtlichen Bewilligung bedürfen. Abgesehen von den in den §§ 149 Abs. 3 und 165 Abs. 2 vorgesehenen Fällen hat die Staatsanwaltschaft gerichtliche Beweisaufnahmen zu beantragen, wenn an solchen wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftat und der Person des Tatverdächtigen ein besonderes öffentliches Interesse besteht.
(3) Die Staatsanwaltschaft hat ihre Anträge nach Abs. 2 zu begründen und sie dem Gericht samt den Akten zu übermitteln. Bewilligt das Gericht eine Maßnahme, so entscheidet die Staatsanwaltschaft über die Durchführung. Wenn die Voraussetzungen, unter denen der Antrag bewilligt wurde, weggefallen sind oder sich derart geändert haben, dass die Durchführung rechtswidrig, unverhältnismäßig oder nicht mehr zweckmäßig wäre, hat die Staatsanwaltschaft von ihr abzusehen und das Gericht hievon zu verständigen.
(4) Die Staatsanwaltschaft prüft die Berichte der Kriminalpolizei und trifft die erforderlichen Anordnungen. Soweit dies aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderlich ist, kann sie jederzeit weitere Ermittlungen und die Ausübung von Zwang durch die Kriminalpolizei anordnen.
Anordnungen und Genehmigungen
§ 102. (1) Die Staatsanwaltschaft hat ihre Anordnungen und Genehmigungen an die Kriminalpolizei gemäß deren Zuständigkeit zu richten. Die Anordnung von Zwangsmaßnahmen hat sie zu begründen und schriftlich auszufertigen. In dringenden Fällen können aber auch solche Anordnungen und Genehmigungen vorläufig mündlich übermittelt werden. Anstelle einer schriftlichen Ausfertigung ist auch die Bekanntmachung auf elektronischem Weg oder sonst unter Verwendung automationsunterstützter Datenverarbeitung zulässig.
(2) Eine Ausfertigung hat jedenfalls zu enthalten:
1. die Bezeichnung der Staatsanwaltschaft,
2. die Bezeichnung des Verfahrens, den Namen des Beschuldigten, soweit er bekannt ist, die Tat, deren der Beschuldigte verdächtig ist und ihre gesetzliche Bezeichnung,
3. die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die Anordnung oder Genehmigung zur Aufklärung der Straftat erforderlich und verhältnismäßig ist und die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen,
4. eine Information über die Rechte des von der Anordnung oder Genehmigung Betroffenen.
Ermittlungen
§ 103. (1) Soweit dieses Gesetz im Einzelnen nichts anderes bestimmt, obliegt es der Kriminalpolizei, die Anordnungen der Staatsanwaltschaft durchzuführen. Die Staatsanwaltschaft kann sich an allen Ermittlungen der Kriminalpolizei beteiligen und dem Leiter der kriminalpolizeilichen Amtshandlung einzelne Aufträge erteilen, soweit dies aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, insbesondere wegen der Bedeutung der Ermittlungen für die Entscheidung über die Fortsetzung des Verfahrens, zweckmäßig ist.
(2) Die Staatsanwaltschaft kann auch selbst Ermittlungen (§ 91 Abs. 2) durchführen oder durch einen Sachverständigen durchführen lassen.
4. Abschnitt
Gericht im Ermittlungsverfahren
Gerichtliche Beweisaufnahme
§ 104. (1) Das Gericht hat die Tatrekonstruktion nach den Bestimmungen des § 150 und die kontradiktorische Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten nach den Bestimmungen des § 165 durchzuführen sowie im Fall des § 101 Abs. 2 zweiter Satz die beantragten Beweise nach den dafür maßgebenden Bestimmungen aufzunehmen. Das Gericht hat den Antrag mit Beschluss abzuweisen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für solche Beweisaufnahmen nicht vorliegen.
(2) Soweit sich im Rahmen einer gerichtlichen Beweisaufnahme Umstände ergeben, die für die Beurteilung des Tatverdachts bedeutsam sind, kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag weitere Beweise selbst aufnehmen. Gleiches gilt, wenn dies erforderlich ist, um die Gefahr abzuwenden, dass ein Beweismittel für eine erhebliche Tatsache verloren geht. In diesen Fällen hat das Gericht die Staatsanwaltschaft von der Beweisaufnahme zu verständigen. Die Protokolle über die Beweisaufnahmen hat das Gericht der Staatsanwaltschaft unverzüglich zu übermitteln. Das Gericht kann die Staatsanwaltschaft auch auf die Notwendigkeit der Durchführung bestimmter weiterer Ermittlungen aufmerksam machen.
Bewilligung von Zwangsmitteln
§ 105. (1) Das Gericht hat über Anträge auf Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft sowie auf Bewilligung bestimmter anderer Zwangsmittel zu entscheiden. Für die Durchführung einer von ihm bewilligten Maßnahme (§ 101 Abs. 3) hat das Gericht eine Frist zu setzen, bei deren ungenütztem Ablauf die Bewilligung außer Kraft tritt. Im Fall einer Anordnung der Ausschreibung zur Festnahme nach § 169 wird in die Frist die Zeit der Gültigkeit der Ausschreibung nicht eingerechnet, doch hat die Staatsanwaltschaft mindestens einmal jährlich zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Festnahme noch vorliegen.
(2) Soweit dies zur Entscheidung über einen Antrag nach Abs. 1 aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderlich ist, kann das Gericht weitere Ermittlungen durch die Kriminalpolizei anordnen oder von Amts wegen vornehmen. Es kann auch von der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei tatsächliche Aufklärungen aus den Akten und die Übermittlung eines Berichts über die Durchführung der bewilligten Maßnahme und der weiteren Ermittlungen verlangen. Nach Verhängung der Untersuchungshaft kann das Gericht anordnen, dass ihm Kopien der im § 52 Abs. 2 Z 2 und 3 angeführten Aktenstücke auch in weiterer Folge übermittelt werden.
Einspruch wegen Rechtsverletzung
§ 106. (1) Einspruch an das Gericht steht im Ermittlungsverfahren jeder Person zu, die behauptet, durch Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil
1. ihr die Ausübung eines Rechtes nach diesem Gesetz verweigert oder
2. eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde.
Eine Verletzung eines subjektiven Rechts liegt nicht vor, soweit das Gesetz von einer bindenden Regelung des Verhaltens von Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei absieht und von diesem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde.
(2) Soweit gegen die Bewilligung einer Ermittlungsmaßnahme Beschwerde erhoben wird, ist ein Einspruch gegen deren Anordnung oder Durchführung mit der Beschwerde zu verbinden. In einem solchen Fall entscheidet das Beschwerdegericht auch über den Einspruch.
(3) Der Einspruch ist bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. In ihm ist anzuführen, auf welche Anordnung oder welchen Vorgang er sich bezieht, worin die Rechtsverletzung besteht und auf welche Weise ihm stattzugeben sei. Sofern er sich gegen eine Maßnahme der Kriminalpolizei richtet, hat die Staatsanwaltschaft der Kriminalpolizei Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Die Staatsanwaltschaft hat zu prüfen, ob die behauptete Rechtsverletzung vorliegt, und dem Einspruch, soweit er berechtigt ist, zu entsprechen sowie den Einspruchswerber davon zu verständigen, dass und auf welche Weise dies geschehen sei und dass er dennoch das Recht habe, eine Entscheidung des Gerichts zu verlangen, wenn er behauptet, dass seinem Einspruch tatsächlich nicht entsprochen wurde.
(5) Wenn die Staatsanwaltschaft dem Einspruch nicht entspricht oder der Einspruchswerber eine Entscheidung des Gerichts verlangt, hat die Staatsanwaltschaft den Einspruch unverzüglich an das Gericht weiter zu leiten. Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei hat das Gericht dem Einspruchswerber zur Äußerung binnen einer festzusetzenden, sieben Tage nicht übersteigenden Frist zuzustellen.
§ 107. (1) Nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens ist ein Einspruch nicht mehr zulässig. Zuvor erhobene Einsprüche gemäß § 106 Abs. 1 Z 1 sind als gegenstandslos zu betrachten. Im Falle, dass Anklage eingebracht wurde, hat über den Einspruch jenes Gericht zu entscheiden, das im Ermittlungsverfahren zuständig gewesen wäre. Unzulässige Einsprüche und solche, denen die Staatsanwaltschaft entsprochen hat, sind zurückzuweisen. Im Übrigen hat das Gericht in der Sache zu entscheiden.
(2) Sofern sich die Umstände der behaupteten Rechtsverletzung nur durch unmittelbare Beweisaufnahme klären lassen, kann das Gericht von Amts wegen eine mündliche Verhandlung anberaumen und in dieser über den Einspruch entscheiden. Diese Verhandlung ist nicht öffentlich, doch hat das Gericht jedenfalls dem Einspruchswerber, der Staatsanwaltschaft und, sofern sich der Einspruch gegen sie richtet, der Kriminalpolizei Gelegenheit zur Teilnahme und Stellungnahme zu geben.
(3) Der Staatsanwaltschaft und dem Einspruchswerber steht Beschwerde zu; diese hat aufschiebende Wirkung. Das Oberlandesgericht kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, es sei denn, dass die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Gericht von der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts oder des Obersten Gerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.
(4) Im Falle, dass das Gericht dem Einspruch stattgibt, haben Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei den entsprechenden Rechtszustand mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln herzustellen.
Antrag auf Einstellung
§ 108. (1) Das Gericht hat das Ermittlungsverfahren auf Antrag des Beschuldigten einzustellen, wenn
1. auf Grund der Anzeige oder der vorliegenden Ermittlungsergebnisse feststeht, dass die dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegende Tat nicht mitgerichtlicher Strafe bedroht oder die weitere Verfolgung des Beschuldigten sonst aus rechtlichen Gründen unzulässig ist, oder
2. der bestehende Tatverdacht nach Dringlichkeit und Gewicht sowie im Hinblick auf die bisherige Dauer und den Umfang des Ermittlungsverfahrens dessen Fortsetzung nicht rechtfertigt und von einer weiteren Klärung des Sachverhalts eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist.
(2) Der Antrag ist bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. Ein Antrag auf Einstellung gemäß Abs. 1 Z 2 darf frühestens drei Monate, wird dem Beschuldigten jedoch ein Verbrechen zur Last gelegt, sechs Monate ab Beginn des Strafverfahrens eingebracht werden. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren einzustellen (§§ 190, 191) oder den Antrag mit einer allfälligen Stellungnahme an das Gericht weiterzuleiten. § 106 Abs. 5 letzter Satz gilt sinngemäß.
(3) Das Gericht hat den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn er nicht vom Beschuldigten oder vor Ablauf der im Abs. 2 erwähnten Fristen eingebracht wurde, und im Übrigen in der Sache zu entscheiden.
(4) Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen Beschluss auf Einstellung des Verfahrens hat aufschiebende Wirkung.
8. Hauptstück
Ermittlungsmaßnahmen und Beweisaufnahme
1. Abschnitt
Sicherstellung, Beschlagnahme, Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte
Definitionen
§ 109. Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. "Sicherstellung"
a. die vorläufige Begründung der Verfügungsmacht über Gegenstände und
b. das vorläufige Verbot der Herausgabe von Gegenständen oder anderen Vermögenswerten an Dritte (Drittverbot) und das vorläufige Verbot der Veräußerung oder Verpfändung solcher Gegenstände und Werte,
2. "Beschlagnahme"
a. eine gerichtliche Entscheidung auf Begründung oder Fortsetzung einer Sicherstellung nach Z 1 und
b. das gerichtliche Verbot der Veräußerung, Belastung oder Verpfändung von Liegenschaften oder Rechten, die in einem öffentlichen Buch eingetragen sind,
3. "Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte"
a. die Bekanntgabe des Namens und sonstiger Daten über die Identität des Inhabers einer Geschäftsverbindung sowie dessen Anschrift und die Auskunft, ob ein Beschuldigter eine Geschäftsverbindung mit diesem Institut unterhält, aus einer solchen wirtschaftlich berechtigt ist oder für sie bevollmächtigt ist, sowie die Herausgabe aller Unterlagen über die Identität des Inhabers der Geschäftsverbindung und über seine Verfügungsberechtigung,
b. die Einsicht in Urkunden und andere Unterlagen eines Kredit- oder Finanzinstituts über Art und Umfang einer Geschäftsverbindung und damit im Zusammenhang stehende Geschäftsvorgänge und sonstige Geschäftsvorfälle für einen bestimmten vergangenen oder zukünftigen Zeitraum.
Sicherstellung
§ 110. (1) Sicherstellung ist zulässig, wenn sie
1. aus Beweisgründen,
2. zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche (§ 367) oder
3. zur Sicherung der Konfiskation (§ 19a StGB), des Verfalls (§ 20 StGB), des erweiterten Verfalls (§ 20b StGB), der Einziehung (§ 26 StGB) oder einer anderen gesetzlich vorgesehenen vermögensrechtlichen Anordnung
erforderlich scheint.
(2) Sicherstellung ist von der Staatsanwaltschaft anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen.
(3) Die Kriminalpolizei ist berechtigt, Gegenstände (§ 109 Z 1 lit. a) von sich aus sicherzustellen,
1. wenn sie
a. in niemandes Verfügungsmacht stehen,
b. dem Opfer durch die Straftat entzogen wurden,
c. am Tatort aufgefunden wurden und zur Begehung der strafbaren Handlung verwendet oder dazu bestimmt worden sein könnten, oder
d. geringwertig oder vorübergehend leicht ersetzbar sind,
2. wenn ihr Besitz allgemein verboten ist (§ 445a Abs. 1),
3. mit denen eine Person, die aus dem Grunde des § 170 Abs. 1 Z 1 festgenommen wird, betreten wurde oder die im Rahmen ihrer Durchsuchung gemäß § 120 Abs. 1 aufgefunden werden, oder
4. in den Fällen des Artikels 4 der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen (Amtsblatt Nr. L 196 vom 02/08/2003 S. 0007 - 0014).
(4) Die Sicherstellung von Gegenständen aus Beweisgründen (Abs. 1 Z 1) ist nicht zulässig und jedenfalls auf Verlangen der betroffenen Person aufzuheben, soweit und sobald der Beweiszweck durch Bild-, Ton- oder sonstige Aufnahmen oder durch Kopien schriftlicher Aufzeichnungen oder automationsunterstützt verarbeiteter Daten erfüllt werden kann und nicht anzunehmen ist, dass die sichergestellten Gegenstände selbst oder die Originale der sichergestellten Informationen in der Hauptverhandlung in Augenschein zu nehmen sein werden.
§ 111. (1) Jede Person, die Gegenstände oder Vermögenswerte, die sichergestellt werden sollen, in ihrer Verfügungsmacht hat, ist verpflichtet (§ 93 Abs. 2), diese auf Verlangen der Kriminalpolizei herauszugeben oder die Sicherstellung auf andere Weise zu ermöglichen. Diese Pflicht kann erforderlichenfalls auch mittels Durchsuchung von Personen oder Wohnungen erzwungen werden; dabei sind die §§ 119 bis 122 sinngemäß anzuwenden.
(2) Sollen auf Datenträgern gespeicherte Informationen sichergestellt werden, so hat jedermann Zugang zu diesen Informationen zu gewähren und auf Verlangen einen elektronischen Datenträger in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat auszufolgen oder herstellen zu lassen. Überdies hat er die Herstellung einer Sicherungskopie der auf den Datenträgern gespeicherten Informationen zu dulden.
(3) Personen, die nicht selbst der Tat beschuldigt sind, sind auf ihren Antrag die angemessenen und ortsüblichen Kosten zu ersetzen, die ihr durch die Trennung von Urkunden oder sonstigen beweiserheblichen Gegenständen von anderen oder durch die Ausfolgung von Kopien notwendigerweise entstanden sind.
(4) In jedem Fall ist der von der Sicherstellung betroffenen Person sogleich oder längstens binnen 24 Stunden eine Bestätigung über die Sicherstellung auszufolgen oder zuzustellen und sie über das Recht, Einspruch zu erheben (§ 106) und eine gerichtliche Entscheidung über die Aufhebung oder Fortsetzung der Sicherstellung zu beantragen (§ 115), zu informieren. Von einer Sicherstellung zur Sicherung einer Entscheidung über privatrechtliche Ansprüche (§ 110 Abs. 1 Z 2) ist, soweit möglich, auch das Opfer zu verständigen.
§ 112. Widerspricht die von der Sicherstellung betroffene oder bei ihr anwesende Person der Sicherstellung von schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträgern unter Berufung auf eine gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit, so sind diese Aufzeichnungen und Datenträger auf geeignete Art und Weise gegen unbefugte Einsichtnahme oder Veränderung zu sichern und dem Gericht vorzulegen; zuvor dürfen sie nicht eingesehen werden. Das Gericht hat die Aufzeichnungen und Datenträger zu sichten und zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie zu beschlagnahmen (§ 115) oder dem Betroffenen zurückzustellen sind. Eine dagegen erhobene Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.
§ 113. (1) Die Sicherstellung endet,
1. wenn die Kriminalpolizei sie aufhebt (Abs. 2),
2. wenn die Staatsanwaltschaft die Aufhebung anordnet (Abs. 3),
3. wenn das Gericht die Beschlagnahme anordnet.
(2) Die Kriminalpolizei hat der Staatsanwaltschaft über jede Sicherstellung unverzüglich, längstens jedoch binnen 14 Tagen zu berichten (§ 100 Abs. 2 Z 2), soweit sie eine Sicherstellung nach § 110 Abs. 3 nicht zuvor wegen Fehlens oder Wegfalls der Voraussetzungen aufhebt. Dieser Bericht kann jedoch mit dem nächstfolgenden verbunden werden, wenn dadurch keine wesentlichen Interessen des Verfahrens oder von Personen beeinträchtigt werden und die sichergestellten Gegenstände geringwertig sind, sich in niemandes Verfügungsmacht befinden oder ihr Besitz allgemein verboten ist (§ 445a Abs. 1). Im Fall des § 110 Abs. 3 Z 5 hat die Kriminalpolizei nach den Bestimmungen der §§ 3, 4 und 6 des Produktpirateriegesetzes 2004, BGBl. I Nr. 56/2004, vorzugehen.
(3) Die Staatsanwaltschaft hat im Fall einer Sicherstellung nach § 109 Z 1 lit. b sogleich bei Gericht die Beschlagnahme zu beantragen oder, wenn deren Voraussetzungen nicht vorliegen oder weggefallen sind, die Aufhebung der Sicherstellung anzuordnen.
(4) Im Fall einer Sicherstellung von Gegenständen (§ 109 Z 1 lit. a) findet eine Beschlagnahme auch auf Antrag nicht statt, wenn sich die Sicherstellung auf Gegenstände im Sinne des § 110 Abs. 3 Z 1 lit. a und d oder Z 2 bezieht oder der Sicherungszweck durch andere behördliche Maßnahmen erfüllt werden kann. In diesen Fällen hat die Staatsanwaltschaft die erforderlichen Verfügungen über die sichergestellten Gegenstände und ihre weitere Verwahrung zu treffen und gegebenenfalls die Sicherstellung aufzuheben.
§ 114. (1) Für die Verwahrung sichergestellter Gegenstände hat bis zur Berichterstattung über die Sicherstellung ( § 113 Abs. 2) die Kriminalpolizei, danach die Staatsanwaltschaft zu sorgen.
(2) Wenn der Grund für die weitere Verwahrung sichergestellter Gegenstände wegfällt, sind diese sogleich jener Person auszufolgen, in deren Verfügungsmacht sie sichergestellt wurden, es sei denn, dass diese Person offensichtlich nicht berechtigt ist. In diesem Fall sind sie der berechtigten Person auszufolgen oder, wenn eine solche nicht ersichtlich ist und nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand festgestellt werden kann, nach § 1425 ABGB gerichtlich zu hinterlegen. Die hievon betroffenen Personen sind zu verständigen.
Beschlagnahme
§ 115. (1) Beschlagnahme ist zulässig, wenn die sichergestellten Gegenstände voraussichtlich
1. im weiteren Verfahren als Beweismittel erforderlich sein werden,
2. privatrechtlichen Ansprüchen (§ 367) unterliegen oder
3. dazu dienen werden, eine gerichtliche Entscheidung auf Konfiskation (§ 19a StGB), auf Verfall (§ 20 StGB) auf erweiterten Verfall (§ 20b StGB), auf Einziehung (§ 26 StGB) oder einer anderen gesetzlich vorgesehenen vermögensrechtlichen Anordnung zu sichern, deren Vollstreckung andernfalls gefährdet oder wesentlich erschwert würde.
(2) Über die Beschlagnahme hat das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder einer von der Sicherstellung betroffenen Person unverzüglich zu entscheiden.
(3) § 110 Abs. 4 gilt sinngemäß. Gegebenenfalls ist die Beschlagnahme auf die dort angeführten Aufnahmen und Kopien zu beschränken.
(4) Für eine Beschlagnahme durch Drittverbot und Veräußerungs- oder Belastungsverbot (§ 109 Z 2 lit. b) gelten, sofern in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt wird, die Bestimmungen der Exekutionsordnung über einstweilige Verfügungen sinngemäß.
(5) In einem Beschluss, mit dem eine Beschlagnahme zur Sicherung einer gerichtlichen Entscheidung auf Verfall (§ 20 StGB) oder auf erweiterten Verfall (§ 20b StGB) bewilligt wird, ist ein Geldbetrag zu bestimmen, in dem die für verfallen zu erklärenden Vermögenswerte Deckung finden.
(6) Wenn und sobald die Voraussetzungen der Beschlagnahme nicht oder nicht mehr bestehen oder ein nach Abs. 5 bestimmter Geldbetrag erlegt wird, hat die Staatsanwaltschaft, nach dem Einbringen der Anklage das Gericht, die Beschlagnahme aufzuheben.
Verwertung sichergestellter oder beschlagnahmter Vermögenswerte
§ 115a. (1) Geldbeträge, Geldforderungen und Wertpapiere, die gemäß § 110
Abs. 1 Z 3 sichergestellt wurden oder deren Beschlagnahme gemäß § 115 Abs. 1
Z 3 zulässig ist, sind einzuziehen oder zu veräußern (Verwertung), wenn
1.
über den Verfall oder den erweiterten Verfall nicht in einem
Strafurteil (§§ 443 bis 444a) oder in einem selbstständigen Verfahren (§§
445 bis 446) entschieden werden kann, weil der Beschuldigte oder ein
Haftungsbeteiligter nicht ausgeforscht werden oder nicht vor Gericht
gestellt werden kann und das Verfahren aus diesem Grund gemäß § 197
abzubrechen ist,
2. seit der Sicherstellung oder Beschlagnahme mindestens
zwei Jahre vergangen sind und das Edikt über die bevorstehende Verwertung (§
115b) mindestens ein Jahr öffentlich bekannt gemacht war (§ 115b Abs. 2).
(2) Die Verwertung ist unzulässig, soweit und solange 1. eine Person, die nicht im Verdacht steht, sich an der strafbaren Handlung beteiligt zu haben, ein Recht auf den Vermögenswert (Abs. 1) glaubhaft gemacht hat, oder 2. der Vermögenswert (Abs. 1) gerichtlich gepfändet ist.
(3) Über die Verwertung hat das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft, gegebenenfalls zugleich mit der Beschlagnahme zu entscheiden.
§ 115b. (1) Eine Verwertung hat das Gericht durch Edikt anzukündigen, das
zu enthalten hat:
1. die Bezeichnung des Drittschuldners,
2. eine
Beschreibung oder Bezeichnung des Vermögenswerts (§ 115a Abs. 1) nach Art,
Umfang und Höhe,
3. die Mitteilung, dass der Vermögenswert (§ 115a Abs.
1) nach Ablauf eines Jahres verwertet werde, sofern nicht bis dahin die
Aufhebung der Sicherstellung oder Beschlagnahme beantragt werde.
(2) Das Edikt ist durch Aufnahme in die Ediktsdatei (§ 89j GOG) öffentlich bekannt zu machen. Eine schriftliche Ausfertigung ist der Staatsanwaltschaft, gegebenenfalls dem von der Anordnung Betroffenen sowie dem Drittschuldner zuzustellen, der zu verpflichten ist, alle Tatsachen, die einer Verwertung entgegenstehen könnten, dem Gericht unverzüglich mitzuteilen. Dabei entstehende angemessene und ortsübliche Kosten sind zu ersetzen (§ 111 Abs. 3).
§ 115c. (1) Ein Beschluss auf Verwertung ist durch Aufnahme in die Ediktsdatei (§ 89j GOG) öffentlich bekannt zu machen. Die Zustellung gilt dadurch als bewirkt. Dieses Edikt hat zumindest dreißig Jahre lang in der Ediktsdatei abfragbar zu bleiben. (2) Eine rechtzeitig eingebrachte Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.
§ 115d. (1) Ein rechtskräftiger Beschluss auf Verwertung ist in sinngemäßer Anwendung des § 408 zu vollstrecken. In der Aufforderung nach § 408 Abs. 1 ist dem betroffenen Schuldner aufzutragen, dem Gericht alle den Vermögenswert (§ 115a Abs. 1) betreffenden Unterlagen vorzulegen.
(2) Kann nach Rechtskraft des Beschlusses auf Verwertung über den Verfall oder den erweiterten Verfallentschieden werden, so ist nach den §§ 443 bis 446 vorzugehen. Im Übrigen gilt § 444 Abs. 2 sinngemäß.
(3) Ein Ersatz für zu Gunsten des Bundes verwertete Vermögenswerte (§ 115a Abs. 1) ist nur in Geld zu leisten. Der Bund ist dabei wie ein redlicher Besitzer zu behandeln (§ 330 ABGB).
Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte
§ 116. (1) Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte ist zulässig, wenn sie zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat oder eines Vergehens, das in die Zuständigkeit des Landesgerichts fällt (§ 31 Abs. 2 bis 4), erforderlich erscheint.
(2) Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte nach
§ 109 Z 3 lit. b ist darüber hinaus nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter
Tatsachen anzunehmen ist,
1. dass dadurch Gegenstände, Urkunden oder andere
Unterlagen über eine Geschäftsverbindung oder damit im Zusammenhang stehende
Transaktionen sichergestellt werden können, soweit dies für die Aufklärung
der Straftat erforderlich ist,
2. dass Gegenstände oder andere
Vermögenswerte zur Sicherung der Konfiskation (§ 19a StGB), des Verfalls (§
20 StGB), des erweiterten Verfalls (§ 20b StGB), der Einziehung (§ 26 StGB) oder einer anderen
gesetzlich vorgesehenen vermögensrechtlichen Anordnung gemäß § 109 Z 1 lit.
b sichergestellt werden können, oder
3. dass eine mit der Straftat im
Zusammenhang stehende Transaktion über die Geschäftsverbindung abgewickelt
werde.
(3) Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte ist durch die Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen.
(4) Anordnung und Bewilligung der Auskunftserteilung haben zu enthalten:
1. die Bezeichnung des Verfahrens und der Tat, die ihm zu Grunde liegt, sowie deren gesetzliche Bezeichnung,
2. das Kredit- oder Finanzinstitut,
3. die Umschreibung der sicherzustellenden Gegenstände, Urkunden (Unterlagen) oder Vermögenswerte,,
4. die Tatsachen, aus denen sich die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit (§ 5) der Anordnungen ergibt,
5. im Fall einer Anordnung nach Abs. 2 Z 3 den von ihr umfassenden Zeitraum.
6. (entfällt - BGBl 38/2010)
(5) Die Anordnung samt gerichtlicher Bewilligung ist dem Kredit- oder Finanzinstitut, dem Beschuldigten und den aus der Geschäftsverbindung verfügungsberechtigten Personen zuzustellen, sobald diese der Staatsanwaltschaft bekannt geworden sind. Die Zustellung an den Beschuldigten und an die Verfügungsberechtigten kann aufgeschoben werden, solange durch sie der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre. Hierüber ist das Kredit- oder Finanzinstitut zu informieren, das die Anordnung und alle mit ihr verbundenen Tatsachen und Vorgänge gegenüber Kunden und Dritten geheim zu halten hat.
(6) Kredit- oder Finanzinstitute und ihre Mitarbeiter sind verpflichtet, die Auskünfte zu erteilen sowie die Urkunden und Unterlagen einsehen zu lassen und herauszugeben. Dies hat auf einem elektronischen Datenträger in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat zu erfolgen, wenn zur Führung der Geschäftsverbindung automationsunterstützte Datenverarbeitung verwendet wird. Erklärt das Kredit- oder Finanzinstitut Beschwerde gegen die gerichtliche Bewilligung zu erheben und Auskünfte nicht zu erteilen oder Unterlagen nicht herauszugeben, so ist nach §§ 93 Abs. 2 und 112 mit der Maßgabe vorzugehen, dass die Unterlagen dem Oberlandesgericht vorzulegen sind. Eine Durchsuchung des Kredit- oder Finanzinstituts bedarf stets einer Anordnung der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung. §§ 110 Abs. 4 und 111 Abs. 3 sind anzuwenden.
2. Abschnitt
Identitätsfeststellung, Durchsuchung von Orten und Gegenständen, Durchsuchung von Personen, körperliche Untersuchung und molekulargenetische Untersuchung
Definitionen
§ 117. Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. "Identitätsfeststellung" die Ermittlung und Feststellung von Daten (§ 4 Z 1 DSG 2000), die eine bestimmte Personunverwechselbar kennzeichnen,
2. "Durchsuchung von Orten und Gegenständen" das Durchsuchen
a. eines nicht allgemein zugänglichen Grundstückes, Raumes, Fahrzeuges oder Behältnisses,
b. einer Wohnung oder eines anderen Ortes, der durch das Hausrecht geschützt ist, und darin befindlicher Gegenstände,
3. "Durchsuchung einer Person"
a. die Durchsuchung der Bekleidung einer Person und der Gegenstände, die sie bei sich hat,
b. die Besichtigung des unbekleideten Körpers einer Person,
4. "körperliche Untersuchung" die Durchsuchung von Körperöffnungen, die Abnahme einer Blutprobe und jeder andere Eingriff in die körperliche Integrität von Personen,
5. "molekulargenetische Untersuchung" die Ermittlung jener Bereiche in der DNA einer Person, die der Wiedererkennung dienen.
Identitätsfeststellung
§ 118. (1) Identitätsfeststellung ist zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen angenommen werden kann, dass eine Person an einer Straftat beteiligt ist, über die Umstände der Begehung Auskunft geben kann oder Spuren hinterlassen hat, die der Aufklärung dienen könnten.
(2) Die Kriminalpolizei ist ermächtigt, zur Identitätsfeststellung die Namen einer Person, ihr Geschlecht, ihr Geburtsdatum, ihren Geburtsort, ihren Beruf und ihre Wohnanschrift zu ermitteln. Die Kriminalpolizei ist auch ermächtigt, die Größe einer Person festzustellen, sie zu fotografieren, ihre Stimme aufzunehmen und ihre Papillarlinienabdrücke abzunehmen, soweit dies zur Identitätsfeststellung erforderlich ist.
(3) Jedermann ist verpflichtet, auf eine den Umständen nach angemessene Weise an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken; die Kriminalpolizei hat ihm auf Aufforderung mitzuteilen, aus welchem Anlass diese Feststellung erfolgt.
(4) Wenn die Person an der Identitätsfeststellung nicht mitwirkt oder ihre Identität aus anderen Gründen nicht sogleich festgestellt werden kann, ist die Kriminalpolizei berechtigt, zur Feststellung der Identität eine Durchsuchung der Person nach § 117 Z 3 lit. a von sich aus durchzuführen.
Durchsuchung von Orten und Gegenständen sowie von Personen
§ 119. (1) Durchsuchung von Orten und Gegenständen (§ 117 Z 2) ist zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich dort eine Person verbirgt, die einer Straftat verdächtig ist, oder Gegenstände oder Spuren befinden, die sicherzustellen oder auszuwerten sind.
(2) Durchsuchung einer Person (§ 117 Z 3) ist zulässig, wenn diese
1. festgenommen oder auf frischer Tat betreten wurde,
2. einer Straftat verdächtig ist und auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie Gegenstände, die der Sicherstellung unterliegen, bei sich oder Spuren an sich habe,
3. durch eine Straftat Verletzungen erlitten oder andere Veränderungen am Körper erfahren haben könnte, deren Feststellung für Zwecke eines Strafverfahrens erforderlich ist.
§ 120. (1) Durchsuchungen von Orten und Gegenständen nach § 117 Z 2 lit. b und von Personen nach § 117 Z 3 lit. b sind von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen; bei Gefahr im Verzug ist die Kriminalpolizei allerdings berechtigt, diese Durchsuchungen vorläufig ohne Anordnung und Bewilligung vorzunehmen. Gleiches gilt in den Fällen des § 170 Abs. 1 Z 1 für die Durchsuchung von Personen nach § 117 Z 3 lit. b. Das Opfer darf jedoch in keinem Fall dazu gezwungen werden, sich gegen seinen Willen durchsuchen zu lassen (§§ 119 Abs. 2 Z 3 und 121 Abs. 1 letzter Satz).
(2) Durchsuchungen nach § 117 Z 2 lit. a und nach § 117 Z 3 lit. a kann die Kriminalpolizei von sich aus durchführen.
§ 121. (1) Vor jeder Durchsuchung ist der Betroffene unter Angabe der hiefür maßgebenden Gründe aufzufordern, die Durchsuchung zuzulassen oder das Gesuchte freiwillig herauszugeben. Von dieser Aufforderung darf nur bei Gefahr im Verzug sowie im Fall des § 119 Abs. 2 Z 1 abgesehen werden. Die Anwendung von Zwang (§ 93) ist im Fall der Durchsuchung einer Person nach § 119 Abs. 2 Z 3 unzulässig.
(2) Der Betroffene hat das Recht, bei einer Durchsuchung nach § 117 Z 2 anwesend zu sein, sowie einer solchen und einer Durchsuchung nach § 117 Z 3 lit. b eine Person seines Vertrauens zuzuziehen; für diese gilt § 160 Abs. 2 sinngemäß. Ist der Inhaber der Wohnung nicht zugegen, so kann ein erwachsener Mitbewohner seine Rechte ausüben. Ist auch das nicht möglich, so sind der Durchsuchung zwei unbeteiligte, vertrauenswürdige Personen beizuziehen. Davon darf nur bei Gefahr im Verzug abgesehen werden. Einer Durchsuchung in ausschließlich der Berufsausübung gewidmeten Räumen einer der in § 157 Abs. 1 Z 2 bis 4 erwähnten Personen ist von Amts wegen ein Vertreter der jeweiligen gesetzlichen Interessenvertretung beziehungsweise der Medieninhaber oder ein von ihm namhaft gemachter Vertreter beizuziehen.
(3) Bei der Durchführung sind Aufsehen, Belästigungen und Störungen auf das unvermeidbare Maß zu beschränken. Die Eigentums- und Persönlichkeitsrechte sämtlicher Betroffener sind soweit wie möglich zu wahren. Eine Durchsuchung von Personen nach § 117 Z 3 lit. b ist stets von einer Person desselben Geschlechts oder von einem Arzt unter Achtung der Würde der zu untersuchenden Person vorzunehmen.
§ 122. (1) Über jede Durchsuchung nach § 120 Abs. 1 erster Satz letzter Halbsatz hat die Kriminalpolizei sobald wie möglich der Staatsanwaltschaft zu berichten (§ 100 Abs. 2 Z 2), welche im Nachhinein eine Entscheidung des Gerichts über die Zulässigkeit der Durchsuchung (§ 99 Abs. 3) zu beantragen hat. Wird die Bewilligung nicht erteilt, so haben Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln den der gerichtlichen Entscheidung entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
(2) Werden bei einer Durchsuchung Gegenstände gefunden, die auf die Begehung einer anderen als der Straftat schließen lassen, derentwegen die Durchsuchung vorgenommen wird, so sind sie zwar sicherzustellen; es muss jedoch hierüber ein besonderes Protokoll aufgenommen und sofort der Staatsanwaltschaft berichtet werden.
(3) In jedem Fall ist dem Betroffenen sogleich oder längstens binnen 24 Stunden eine Bestätigung über die Durchsuchung und deren Ergebnis sowie gegebenenfalls die Anordnung der Staatsanwaltschaft samt gerichtlicher Entscheidung auszufolgen oder zuzustellen.
Körperliche Untersuchung
§ 123. (1) Eine körperliche Untersuchung ist zulässig, wenn
1. auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass eine Person Spuren hinterlassen hat, deren Sicherstellung und Untersuchung für die Aufklärung einer Straftat wesentlich sind,
2. auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass eine Person Gegenstände im Körper verbirgt, die der Sicherstellung unterliegen, oder
3. Tatsachen, die für die Aufklärung einer Straftat oder die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit von maßgebender Bedeutung sind, auf andere Weise nicht festgestellt werden können.
(2) Eine körperliche Untersuchung nach Abs. 1 Z 1 ist auch an Personen zulässig, die einem durch bestimmte Merkmale individualisierbaren Personenkreis angehören, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich der Täter in diesem Personenkreis befindet und die Aufklärung einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Straftat oder eines Verbrechens nach dem 10. Abschnitt des Strafgesetzbuches andernfalls wesentlich erschwert wäre.
(3) Eine körperliche Untersuchung ist von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen. Bei Gefahr im Verzug kann die Untersuchung auch auf Grund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden, doch hat die Staatsanwaltschaft in diesem Fall unverzüglich die gerichtliche Bewilligung einzuholen. Wird diese nicht erteilt, so hat die Staatsanwaltschaft die Anordnung sofort zu widerrufen und das Ergebnis der körperlichen Untersuchung vernichten zu lassen. Einen Mundhöhlenabstrich kann die Kriminalpolizei jedoch von sich aus abnehmen.
(4) Operative Eingriffe und alle Eingriffe, die eine Gesundheitsschädigung von mehr als dreitägiger Dauer bewirken könnten, sind unzulässig. Andere Eingriffe dürfen vorgenommen werden, wenn die zu untersuchende Person nach vorheriger Aufklärung über die möglichen Folgen ausdrücklich zustimmt. Ohne Einwilligung des Betroffenen darf eine Blutabnahme oder ein vergleichbar geringfügiger Eingriff, bei dem der Eintritt von anderen als bloß unbedeutenden Folgen ausgeschlossen ist, vorgenommen werden, wenn
1. die Person im Verdacht steht, durch Ausübung einer gefährlichen Tätigkeit in alkoholisiertem oder sonst durch ein berauschendes Mittel beeinträchtigtem Zustand eine Straftat gegen Leib oder Leben begangen zu haben, oder
2. die körperliche Untersuchung des Beschuldigten zur Aufklärung einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Straftat oder eines Verbrechens nach dem 10. Abschnitt des Strafgesetzbuches erforderlich ist.
(5) Jede körperliche Untersuchung ist von einem Arzt vorzunehmen; ein Mundhöhlenabstrich kann jedoch auch von einer anderen Person, die für diesen Zweck besonders geschult ist, abgenommen werden. Im Übrigen gelten die Bestimmungen der §§ 121 sowie 122 Abs. 1 letzter Satz und 3 über die Durchsuchung sinngemäß.
(6) Als Beweismittel dürfen die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung nur verwendet werden, wenn
1. die Voraussetzungen für eine körperliche Untersuchung vorlagen,
2. die körperliche Untersuchung rechtmäßig angeordnet worden ist und
3. die Verwendung zum Nachweis einer Straftat, deretwegen die körperliche Untersuchung angeordnet wurde oder hätte angeordnet werden können, dient.
(7) Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, die aus anderen als strafprozessualen Gründen durchgeführt wurde, dürfen in einem Strafverfahren nur als Beweismittel verwendet werden, wenn dies zum Nachweis einer Straftat, deretwegen die körperliche Untersuchung hätte angeordnet werden können, erforderlich ist.
Molekulargenetische Untersuchung
§ 124. (1) Zur Aufklärung einer Straftat ist es zulässig, einerseits biologische Spuren und andererseits Material, das einer bestimmten Person zugehört oder zugehören dürfte, molekulargenetisch zu untersuchen, um die Spur einer Person zuzuordnen oder die Identität einer Person oder deren Abstammung festzustellen, und mit nach diesem Gesetz oder nach dem Sicherheitspolizeigesetz rechtmäßig gewonnenen Ergebnissen molekulargenetischer Untersuchungen abzugleichen.
(2) Eine molekulargenetische Untersuchung ist von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen, sofern es sich nicht bloß um eine biologische Tatortspur handelt; eine solche kann die Kriminalpolizei von sich aus untersuchen lassen.
(3) Mit der molekulargenetischen Untersuchung ist ein Sachverständiger aus dem Fachgebiet der Gerichtlichen Medizin oder der Forensischen Molekularbiologie zu beauftragen. Diesem ist das Untersuchungsmaterial in anonymisierter Form zu übergeben. Im Übrigen ist dafür Sorge zu tragen, dass Daten aus molekulargenetischen Untersuchungen nur insoweit einer bestimmten Person zugeordnet werden können, als dies für den Untersuchungszweck (Abs. 1 und 4) erforderlich ist.
(4) Untersuchungsmaterial, das einer bestimmten Person zugehört oder zugehören dürfte, und die Ergebnisse der Untersuchung dürfen nur so lange verwendet und verarbeitet werden, als die Zuordnung zur Spur oder die Feststellung der Identität oder der Abstammung nicht ausgeschlossen ist; danach sind sie zu vernichten. Sicherheitspolizeiliche Vorschriften (§§ 65 bis 67, 75 SPG) bleiben hievon unberührt.
(5) Daten, die auf Grund dieser Bestimmung ermittelt wurden, sind den Sicherheitsbehörden auf deren Verlangen zu übermitteln, soweit Ermittlung und Verarbeitung dieser Daten nach sicherheitspolizeilichen Vorschriften (§§ 65 bis 67, 75 SPG) zulässig wäre.
3. Abschnitt
Sachverständige und Dolmetscher, Leichenbeschau und Obduktion
Definitionen
§ 125. Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. "Sachverständiger" eine Person, die auf Grund besonderen Fachwissens in der Lage ist, beweiserhebliche Tatsachen festzustellen (Befundaufnahme) oder aus diesen rechtsrelevante Schlüsse zu ziehen und sie zu begründen (Gutachtenserstattung),
2. "Dolmetscher" eine Person, die auf Grund besonderer Kenntnissein der Lage ist, aus der Verfahrenssprache in eine andere Sprache oder von einer anderen in die Verfahrenssprache zu übersetzen,
3. "Leichenbeschau" die Besichtigung der äußeren Beschaffenheit einer Leiche,
4. "Obduktion" die Öffnung einer Leiche durch einen Sachverständigen zum Zweck der Feststellung von Anlass und Ursache des Todes oder von anderen für die Aufklärung einer Straftat wesentlichen Umständen.
Sachverständige und Dolmetscher
§ 126. (1) Sachverständige sind zu bestellen, wenn für Ermittlungen oder für Beweisaufnahmen besonderes Fachwissen erforderlich ist, über welches die Strafverfolgungsbehörden durch ihre Organe, besondere Einrichtungen oder bei ihnen dauernd angestellte Personen nicht verfügen. Dolmetscher sind im Rahmen der Übersetzungshilfe und dann zu bestellen, wenn eine Person vernommen wird, die der Verfahrenssprache nicht kundig ist (§ 56), oder für die Ermittlungen wesentliche Schriftstücke in die Verfahrenssprache zu übersetzen sind.
(2) Als Sachverständige sind vor allem Personen zu bestellen, die in die Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste (§ 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die allgemein beeideten und gerichtlichen zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher – SDG, BGBl. Nr. 137/1975) eingetragen sind. Werden andere Personen bestellt, so sind sie zuvor über ihre wesentlichen Rechte und Pflichten zu informieren.
(2a) Als Dolmetscher ist von der Staatsanwaltschaft oder vom Gericht eine vom Bundesministerium für Justiz oder in dessen Auftrag von der Justizbetreuungsagentur zur Verfügung gestellte geeignete Person zu bestellen. Für diese gilt § 127 Abs. 1 nicht.
(2b) Steht eine geeignete Person nach Abs. 2a nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung oder besteht Grund zur Annahme, dass hinsichtlich aller nach Abs. 2a in Betracht kommenden Personen einer der Gründe des Abs. 4 vorliegt, so kann auch eine andere geeignete Person als Dolmetscher bestellt werden. Dabei ist vorrangig eine in die Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste (§ 2 Abs. 1 SDG) eingetragene Person zu bestellen, im Übrigen jedoch nach Abs. 2 letzter Satz vorzugehen.
(2c) Bei der Wahl von Sachverständigen oder Dolmetschern und der Bestimmung des Umfangs ihres Auftrags ist nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit vorzugehen.
(3) Sachverständige sind von der Staatsanwaltschaft, für gerichtliche Ermittlungen oder Beweisaufnahmen (§§ 104, 105) und für das Hauptverfahren (§ 210 Abs. 2) jedoch vom Gericht zu bestellen. Werden Angehörige des wissenschaftlichen Personals einer Universitätseinheit als Sachverständige bestellt, so ist eine Ausfertigung des Auftrags auch dem Leiter der Einheit zuzustellen. Der Beschuldigte hat das Recht, binnen einer angemessen festzusetzenden, eine Woche nicht übersteigenden Frist begründete Einwände gegen die ausgewählte Person zu erheben; darüber ist er zu informieren, wobei ihm eine Ausfertigung der Bestellung zuzustellen ist.
(4) Für Sachverständige und Dolmetscher gelten die Befangenheitsgründe des § 47 Abs. 1 sinngemäß. Soweit sie befangen sind oder ihre Sachkunde in Zweifel steht, sind sie von der Staatsanwaltschaft, im Fall einer Bestellung durch das Gericht von diesem, von Amts wegen oder auf Grund von Einwänden (Abs. 3) ihres Amtes zu entheben, bei Vorliegen eines Befangenheitsgrundes gemäß § 47 Abs. 1 Z 1 und 2 bei sonstiger Nichtigkeit. Im Hauptverfahren kann die Befangenheit eines Sachverständigen oder Dolmetschers nicht bloß mit der Begründung geltend gemacht werden, dass er bereits im Ermittlungsverfahren tätig gewesen ist.
§ 127. (1) Sachverständige und Dolmetscher haben Anspruch auf Gebühren nach dem Gebührenanspruchsgesetz 1975. Sofern nicht besondere Gründe entgegen stehen, ist ihnen die Anwesenheit bei Vernehmungen zu gestatten und im erforderlichen Umfang Akteneinsicht zu gewähren. Sie unterliegen der Amtsverschwiegenheit.
(2) Sachverständige haben den Befund und das Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen und nach den Regeln ihrer Wissenschaft oder Kunst oder ihres Gewerbes abzugeben. Sie haben Ladungen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts zu befolgen und bei Verhandlungen, Vernehmungen und Tatrekonstruktionen Fragen zu beantworten.
(3) Ist der Befund unbestimmt oder das Gutachten widersprüchlich oder sonst mangelhaft oder weichen die Angaben zweier Sachverständiger über die von ihnen wahrgenommenen Tatsachen oder die hieraus gezogenen Schlüsse erheblich voneinander ab und lassen sich die Bedenken nicht durch Befragung beseitigen, so ist ein weiterer Sachverständiger beizuziehen. Handelt es sich um eine Begutachtung psychischer Zustände und Entwicklungen, so ist in einem solchen Fall das Gutachten eines Sachverständigen mit Lehrbefugnis an einer in- oder ausländischen Universität einzuholen.
(4) Dolmetscher haben nach bestem Wissen und Gewissen zu übersetzen, Ladungen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts zu befolgen und bei Verhandlungen, Vernehmungen und Tatrekonstruktionen Fragen zu beantworten.
(5) Wenn ein Sachverständiger oder ein Dolmetscher die ihm gesetzte Frist zur Erstattung des Befundes oder Gutachtens oder der Übersetzung trotz Mahnung wesentlich überschreitet, kann er seines Amtes enthoben werden. Überdies kann das Gericht, wenn der Sachverständige oder Dolmetscher die Verzögerung verschuldet hat, über ihn eine Geldstrafe bis zu 10 000 Euro verhängen.
Leichenbeschau und Obduktion
§ 128. (1) Sofern nicht ein natürlicher Tod feststeht, hat die Kriminalpolizei einen Arzt beizuziehen und grundsätzlich am Ort der Auffindung die äußere Beschaffenheit der Leiche zu besichtigen, der Staatsanwaltschaft über das Ergebnis der Leichenbeschau zu berichten (§ 100 Abs. 2 Z 2) und dafür zu sorgen, dass die Leiche für den Fall der Obduktion zur Verfügung steht.
(2) Eine Obduktion ist zulässig, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Tod einer Person durch eine Straftat verursacht worden ist. Sie ist von der Staatsanwaltschaft anzuordnen, die mit der Durchführung eine Universitätseinheit für Gerichtliche Medizin oder einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Gerichtsmedizin, der kein Angehöriger des wissenschaftlichen Personals einer solchen Einrichtung ist, zu beauftragen hat.
(2a) Im Fall einer Beauftragung einer Universitätseinheit hat die Leitung dieser Einheit die persönliche Verantwortung für die Obduktion im Sinne des § 127 Abs. 2 einem Angehörigen des wissenschaftlichen Personals dieser Einheit zu übertragen, der die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen für die Eintragung in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen erfüllt. Ersucht eine Staatsanwaltschaft oder ein Gericht um die Übertragung an eine bestimmte Person, so hat die Leitung diesem Ersuchen zu entsprechen, es sei denn, dass wichtige Gründe entgegenstehen. Ist dies der Fall, so hat die Leitung die Zustimmung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts zu einer anderweitigen Übertragung einzuholen. Die Universitätseinrichtung kann Gebühren in sinngemäßer Anwendung des Gebührensanspruchsgesetzes (GebAG), BGBl. Nr. 136/1975, geltend machen, wobei sie die Gebühr für Mühewaltung nach Abzug der Gebühren für die Nutzung der Untersuchungsräumlichkeiten, einschließlich der Infrastruktur der Person zu überweisen hat, der die Verantwortung für die Obduktion übertragen wurde.
(3) Wenn dies zur Aufklärung einer Straftat erforderlich ist, ist auch die Exhumierung einer Leiche zum Zweck einer Obduktion (Abs. 2) zulässig. Sie ist von der Staatsanwaltschaft anzuordnen.
4. Abschnitt
Observation, verdeckte Ermittlung und Scheingeschäft
Definitionen
§ 129. Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. "Observation" das heimliche Überwachen des Verhaltens einer Person,
2. "verdeckte Ermittlung" der Einsatz von kriminalpolizeilichen Organen oder anderen Personen im Auftrag der Kriminalpolizei, die ihre amtliche Stellung oder ihren Auftrag weder offen legen noch erkennen lassen,
3. "Scheingeschäft" der Versuch oder die scheinbare Ausführung von Straftaten, soweit diese im Erwerben, Ansichbringen, Besitzen, Ein-, Aus- oder Durchführen von Gegenständen oder Vermögenswerten bestehen, die entfremdet wurden, aus einem Verbrechen herrühren oder der Begehung eines solchen gewidmet sind oder deren Besitz absolut verboten ist.
Observation
§ 130. (1) Observation ist zulässig, wenn sie zur Aufklärung einer Straftat oder zur Ausforschung des Aufenthalts des Beschuldigten erforderlich erscheint.
(2) Der Einsatz technischer Mittel, die im Wege der Übertragung von Signalen eine Feststellung des räumlichen Bereichs ermöglichen, in dem sich die überwachte Person aufhält, und das Öffnen von Fahrzeugen und Behältnissen zum Zweck der Einbringung solcher technischer Mittel ist zur Unterstützung der Observation zulässig, sofern die Observation ansonsten aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(3) Sofern die Observation
1. durch den Einsatz technischer Mittel (Abs. 2) unterstützt wird,
2. über einen Zeitraum von mehr als 48 Stunden oder
3. außerhalb des Bundesgebietes durchgeführt wird oder werden soll,
ist sie nur dann zulässig, wenn der Verdacht einer vorsätzlich begangenen Straftat besteht, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, und auf Grund bestimmter Tatsachen angenommen werden kann, dass die überwachte Person die strafbare Handlung begangen habe oder mit dem Beschuldigten Kontakt herstellen werde oder dadurch der Aufenthalt eines flüchtigen oder abwesenden Beschuldigten ermittelt werden kann.
Verdeckte Ermittlung
§ 131. (1) Verdeckte Ermittlung ist zulässig, wenn sie zur Aufklärung einer Straftat erforderlich erscheint.
(2) Eine systematische, über längere Zeit durchgeführte verdeckte Ermittlung ist nur dann zulässig, wenn die Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, oder die Verhinderung einer im Rahmen einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung oder einer kriminellen Organisation (§§ 278 bis 278b StGB) geplanten Straftat ansonsten wesentlich erschwert wäre. Soweit dies für die Aufklärung oder Verhinderung unerlässlich ist, ist es auch zulässig, nach Maßgabe des § 54a SPG Urkunden, die über die Identität eines Organs der Kriminalpolizei täuschen, herzustellen und sie im Rechtsverkehr zur Erfüllung des Ermittlungszwecks zu gebrauchen.
(3) Der verdeckte Ermittler ist von der Kriminalpolizei zu führen und regelmäßig zu überwachen. Sein Einsatz und dessen nähere Umstände sowie Auskünfte und Mitteilungen, die durch ihn erlangt werden, sind in einem Bericht oder in einem Amtsvermerk (§ 95) festzuhalten, sofern sie für die Untersuchung von Bedeutung sein können.
(4) Wohnungen und andere vom Hausrecht geschützte Räume dürfen verdeckte Ermittler nur im Einverständnis mit dem Inhaber betreten. Das Einverständnis darf nicht durch Täuschung über eine Zutrittsberechtigung herbeigeführt werden.
Scheingeschäft
§ 132. Die Durchführung eines Scheingeschäfts ist zulässig, wenn die Aufklärung eines Verbrechens (§ 17 Abs. 1 StGB) oder die Sicherstellung von Gegenständen oder Vermögenswerten, die aus einem Verbrechen herrühren oder von der Konfiskation (§ 19a StGB), vom Verfall (§ 20 StGB), vom erweiterten Verfall (§ 20b StGB) oder von der Einziehung (§ 26 StGB) bedroht sind, andernfalls wesentlich erschwert wäre. Unter diesen Voraussetzungen ist es auch zulässig, zur Ausführung eines Scheingeschäfts durch Dritte beizutragen (§ 12 dritter Fall StGB).
Gemeinsame Bestimmungen
§ 133. (1) Observation nach § 130 Abs. 1 und verdeckte Ermittlung nach § 131 Abs. 1 sowie ein Scheingeschäft (§ 132), das zur Sicherstellung von Suchtmitteln und Falschgeld dient, kann die Kriminalpolizei von sich aus durchführen. Der Abschluss eines anderen Scheingeschäfts, Observation nach § 130 Abs. 3 und verdeckte Ermittlung nach § 131 Abs. 2 sind von der Staatsanwaltschaft anzuordnen. Eine Observation darf über den in § 130 Abs. 3 Z 2 vorgesehenen Zeitraum bis längstens vierzehn Tagen fortgesetzt werden, sofern die Kriminalpolizei der Staatsanwaltschaft unverzüglich nach der Fristüberschreitung berichtet (§ 100 Abs. 2 Z 2).
(2) Observation nach § 130 Abs. 3 und verdeckte Ermittlung nach § 131 Abs. 2 dürfen nur für jenen Zeitraum angeordnet oder genehmigt werden, der zur Erreichung ihres Zweckes voraussichtlich erforderlich ist, längstens jedoch für drei Monate. Eine neuerliche Anordnung ist jeweils zulässig, soweit die Voraussetzungen fortbestehen und auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die weitere Observation oder die weitere Durchführung verdeckter Ermittlungen Erfolg haben werde; § 99 Abs. 2 ist jedoch nicht anzuwenden. Observation und verdeckte Ermittlung sind zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen, wenn ihr Zweck erreicht ist oder voraussichtlich nicht mehr erreicht werden kann oder wenn die Staatsanwaltschaft die Einstellung anordnet.
(3) Observation, verdeckte Ermittlungen und Scheingeschäft sind durch die Kriminalpolizei durchzuführen. Die Verwendung technischer Mittel zur optischen oder akustischen Überwachung von Personen im Zuge dieser Ermittlungsmaßnahmen ist nur unter den Voraussetzungen des § 136 zulässig.
(4) Nach Beendigung der Observation nach § 130 Abs. 3 und der verdeckten Ermittlung nach § 131 Abs. 2 und nach Abschluss des Scheingeschäfts sind dem Beschuldigten und den Betroffenen, sofern ihre Identität bekannt oder ohne besonderen Verfahrensaufwand feststellbar ist, die Anordnungen und Genehmigungen nach Abs. 1 und 2 zuzustellen. Diese Zustellung kann jedoch aufgeschoben werden, solange durch sie der Zweck der Ermittlungen in diesem oder in einem anderen Verfahren gefährdet wäre.
5. Abschnitt
Beschlagnahme von Briefen, Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung sowie Überwachung von Nachrichten und von Personen
Definitionen
§ 134. Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
1. "Beschlagnahme von Briefen" das Öffnen und Zurückbehalten von Telegrammen, Briefen oder anderen Sendungen, die der Beschuldigte abschickt oder die an ihn gerichtet werden,
2. "Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung" die Erteilung einer Auskunft über Verkehrsdaten (§ 92 Abs. 3 Z 4 TKG), Zugangsdaten (§ 92 Abs. 3 Z 4a TKG) und Standortdaten (§ 92 Abs. 3 Z 6 TKG) eines Telekommunikationsdienstes oder eines Dienstes der Informationsgesellschaft (§ 1 Abs. 1 Z 2 des Notifikationsgesetzes),
3. "Überwachung von Nachrichten" das Ermitteln des Inhalts von Nachrichten (§ 92 Abs. 3 Z 7 TKG), die über ein Kommunikationsnetz (§ 3 Z 11 TKG) oder einen Dienst der Informationsgesellschaft (§ 1 Abs. 1 Z 2 des Notifikationsgesetzes) ausgetauscht oder weitergeleitet werden,
4. "optische und akustische Überwachung von Personen" die Überwachung des Verhaltens von Personen unter Durchbrechung ihrer Privatsphäre und der Äußerungen von Personen, die nicht zur unmittelbaren Kenntnisnahme Dritter bestimmt sind, unter Verwendung technischer Mittel zur Bild- oder Tonübertragung und zur Bild- oder Tonaufnahme ohne Kenntnis der Betroffenen,
5. "Ergebnis" (der unter Z 1 bis 4 angeführten Beschlagnahme, Auskunft oder Überwachung) der Inhalt von Briefen (Z 1), die Daten einer Nachrichtenübermittlung oder des Inhaltsübertragener Nachrichten (Z 2 und 3) und die Bild- oder Tonaufnahme einer Überwachung (Z 4).
Beschlagnahme von Briefen, Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung sowie Überwachung von Nachrichten
§ 135. (1) Beschlagnahme von Briefen ist zulässig, wenn sie zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, erforderlich ist und sich der Beschuldigte wegen einer solchen Tat in Haft befindet oder seine Vorführung oder Festnahme deswegen angeordnet wurde.
(2) Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung ist zulässig,
1. wenn und solange der dringende Verdacht besteht, dass eine von der Auskunft betroffene Person eine andere entführt oder sich sonst ihrer bemächtigt hat, und sich die Auskunft auf Daten einer solchen Nachricht beschränkt, von der anzunehmen ist, dass sie zur Zeit der Freiheitsentziehung vom Beschuldigten übermittelt, empfangen oder gesendet wird,
2. wenn zu erwarten ist, dass dadurch die Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten bedroht ist, gefördert werden kann und der Inhaber der technischen Einrichtung, die Ursprung oder Ziel einer Übertragung von Nachrichten war oder sein wird, der Auskunft ausdrücklich zustimmt, oder
3. wenn zu erwarten ist, dass dadurch die Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist, gefördert werden kann und auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dadurch Daten des Beschuldigten ermittelt werden können.
(3) Überwachung von Nachrichten ist zulässig,
1. in den Fällen des Abs. 2 Z 1,
2. in den Fällen des Abs. 2 Z 2, sofern der Inhaber der technischen Einrichtung, die Ursprung oder Ziel einer Übertragung von Nachrichten war oder sein wird, der Überwachung zustimmt,
3. wenn dies zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist, erforderlich erscheint oder die Aufklärung oder Verhinderung von im Rahmen einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung oder einer kriminellen Organisation (§§ 278 bis 278b StGB) begangenen oder geplanten strafbaren Handlungen ansonsten wesentlich erschwert wäre und
a. der Inhaber der technischen Einrichtung, die Ursprung oder Ziel einer Übertragung von Nachrichten war oder sein wird, der vorsätzlich begangenen Straftat, die mit Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist, oder einer Straftat gemäß §§ 278 bis 278b StGB dringend verdächtig ist, oder
b. auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass eine der Tat (lit. a) dringend verdächtige Person die technische Einrichtung benützen oder mit ihr eine Verbindung herstellen werde;
4. wenn auf Grund bestimmter Tatsachen zu erwarten ist, dass dadurch der Aufenthalt eines flüchtigen oder abwesenden Beschuldigten, der einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung dringend verdächtig ist, ermittelt werden kann.
Optische und akustische Überwachung von Personen
§ 136. (1) Die optische und akustische Überwachung von Personen ist zulässig,
1. wenn und solange der dringende Verdacht besteht, dass eine von der Überwachung betroffene Person eine andere entführt oder sich ihrer sonst bemächtigt hat, und sich die Überwachung auf Vorgänge und Äußerungen zur Zeit und am Ort der Freiheitsentziehung beschränkt,
2. wenn sie sich auf Vorgänge und Äußerungen beschränkt, die zur Kenntnisnahme eines verdeckten Ermittlers oder sonst einer von der Überwachung informierten Person bestimmt sind oder von dieser unmittelbar wahrgenommen werden können, und sie zur Aufklärung eines Verbrechens (§ 17 Abs. 1 StGB) erforderlich scheint oder
3. wenn die Aufklärung eines mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens oder des Verbrechens der kriminellen Organisation oder der terroristischen Vereinigung (§§ 278a und 278b StGB) oder die Aufklärung oder Verhinderung von im Rahmen einer solchen Organisation oder Vereinigung begangenen oder geplanten strafbaren Handlungen oder die Ermittlung des Aufenthalts des wegen einer solchen Straftat Beschuldigten ansonsten aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre und
a. die Person, gegen die sich die Überwachung richtet, des mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens oder eines Verbrechens nach § 278a oder § 278b StGB dringend verdächtig ist oder
b. auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass ein Kontakt einer solcherart dringend verdächtigen Person mit der Person hergestellt werde, gegen die sich die Überwachung richtet.
(2) Soweit dies zur Durchführung einer Überwachung nach Abs. 1 Z 3 unumgänglich ist, ist es zulässig, in eine bestimmte Wohnung oder in andere durch das Hausrecht geschützte Räume einzudringen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass der Beschuldigte die betroffenen Räume benützen werde.
(3) Die optische Überwachung von Personen zur Aufklärung einer Straftat ist überdies zulässig,
1. wenn sie sich auf Vorgänge außerhalb einer Wohnung oder anderer durch das Hausrecht geschützter Räume beschränkt und ausschließlich zu dem Zweck erfolgt, Gegenstände oder Örtlichkeiten zu beobachten, um das Verhalten von Personen zu erfassen, die mit den Gegenständen in Kontakt treten oder die Örtlichkeiten betreten, oder
2. wenn sie ausschließlich zu dem in Z 1 erwähnten Zweck in einer Wohnung oder anderen durch das Hausrecht geschützten Räumen erfolgt, die Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist, ansonsten wesentlich erschwert wäre und der Inhaber dieser Wohnung oder Räume in die Überwachung ausdrücklich einwilligt.
(4) Eine Überwachung ist nur zulässig, soweit die Verhältnismäßigkeit (§ 5) gewahrt wird. Eine Überwachung nach Abs. 1 Z 3 zur Verhinderung von im Rahmen einer terroristischen Vereinigung oder einer kriminellen Organisation (§§ 278a und 278b StGB) begangenen oder geplanten Straftaten ist überdies nur dann zulässig, wenn bestimmte Tatsachen auf eine schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit schließen lassen.
Gemeinsame Bestimmungen
§ 137. (1) Eine Überwachung nach § 136 Abs. 1 Z 1 kann die Kriminalpolizei von sich aus durchführen. Die übrigen Ermittlungsmaßnahmen nach den §§ 135 und 136 sind von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen, wobei das Eindringen in Räume nach § 136 Abs. 2 jeweils im Einzelnen einer gerichtlichen Bewilligung bedarf.
(2) Bei der Beschlagnahme von Briefen sind die §§ 111 Abs. 4 und 112 sinngemäß anzuwenden.
(3) Ermittlungsmaßnahmen nach den §§ 135 und 136 dürfen nur für einen solchen künftigen, in den Fällen des § 135 Abs. 2 auch vergangenen, Zeitraum angeordnet werden, der zur Erreichung ihres Zwecks voraussichtlich erforderlich ist. Eine neuerliche Anordnung ist jeweils zulässig, soweit auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die weitere Durchführung der Ermittlungsmaßnahme Erfolg haben werde. Im Übrigen ist die Ermittlungsmaßnahme zu beenden, sobald ihre Voraussetzungen wegfallen.
§ 138. (1) Anordnung und gerichtliche Bewilligung einer Beschlagnahme von Briefen nach § 135 Abs. 1 haben die Bezeichnung des Verfahrens, den Namen des Beschuldigten, die Tat, deren der Beschuldigte verdächtig ist und ihre gesetzliche Bezeichnung sowie die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die Anordnung oder Genehmigung zur Aufklärung der Tat erforderlich und verhältnismäßig ist, anzuführen; Anordnung und Bewilligung einer Ermittlungsmaßnahme nach den §§ 135 Abs. 2 und 3 sowie 136 haben überdies zu enthalten:
1. die Namen oder sonstigen Identifizierungsmerkmale des Inhabers der technischen Einrichtung, die Ursprung oder Ziel einer Übertragung von Nachrichten war oder sein wird, oder der Person, deren Überwachung angeordnet wird,
2. die für die Durchführung der Ermittlungsmaßnahme in Aussichtgenommenen Örtlichkeiten,
3. die Art der Nachrichtenübertragung, die technische Einrichtung und das Endgerät oder die Art der voraussichtlich für die optische und akustische Überwachung zu verwendenden technischen Mittel,
4. den Zeitpunkt des Beginns und der Beendigung der Überwachung,
5. die Räume, in die auf Grund einer Anordnung eingedrungen werden darf,
6. im Fall des § 136 Abs. 4 die Tatsachen, aus denen sich die schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit ergibt.
(2) Betreiber von Post- und Telegrafendiensten sind verpflichtet, an der Beschlagnahme von Briefen mitzuwirken und auf Anordnung der Staatsanwaltschaft solche Sendungen bis zum Eintreffen einer gerichtlichen Bewilligung zurückzuhalten; ergeht eine solche Bewilligung nicht binnen drei Tagen, so dürfen sie die Beförderung nicht weiter verschieben. Anbieter (§ 92 Abs. 1 Z 3 TKG) und sonstige Diensteanbieter (§§ 13, 16 und 18 Abs. 2 des E - Commerce - Gesetzes, BGBl. I Nr. 152/2001) sind verpflichtet, Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung (§ 135 Abs. 2) zu erteilen und an einer Überwachung von Nachrichten (§ 135 Abs. 3) mitzuwirken.
(3) Die Verpflichtung nach Abs. 2 und ihren Umfang sowie die allfällige Verpflichtung, mit der Anordnung und Bewilligung verbundene Tatsachen und Vorgänge gegenüber Dritten geheim zu halten, hat die Staatsanwaltschaft dem Anbieter mit gesonderter Anordnung aufzutragen; diese Anordnung hat die entsprechende gerichtliche Bewilligung anzuführen. Die §§ 93 Abs. 2, 111 Abs. 3 sowie die Bestimmungen über die Durchsuchung gelten sinngemäß.
(4) Die Staatsanwaltschaft hat die Ergebnisse (§ 134 Z 5) zu prüfen und diejenigen Teile in Bild- oder Schriftform übertragen zu lassen und zu den Akten zu nehmen, die für das Verfahren von Bedeutung sind und als Beweismittel verwendet werden dürfen (§§ 140 Abs. 1, 144, 157 Abs. 2).
(5) Nach Beendigung einer Ermittlungsmaßnahme nach den §§ 135 Abs. 2 und 3 sowie 136 hat die Staatsanwaltschaft ihre Anordnung und deren gerichtliche Bewilligung dem Beschuldigten und den von der Durchführung der Ermittlungsmaßnahme Betroffenen unverzüglich zuzustellen. Die Zustellung kann jedoch aufgeschoben werden, solange durch sie der Zweck dieses oder eines anderen Verfahrens gefährdet wäre. Wenn die Ermittlungsmaßnahme später begonnen oder früher beendet wurde als zu den in Abs. 1 Z 4 genannten Zeitpunkten, ist auch der Zeitraum der tatsächlichen Durchführung mitzuteilen.
§ 139. (1) Dem Beschuldigten ist zu ermöglichen, die gesamten Ergebnisse (§ 134 Z 5) einzusehen und anzuhören. Soweit berechtigte Interessen Dritter dies erfordern, hat die Staatsanwaltschaft jedoch Teile der Ergebnisse, die nicht für das Verfahren von Bedeutung sind, von der Kenntnisnahme durch den Beschuldigten auszunehmen. Dies gilt nicht, soweit während der Hauptverhandlung von den Ergebnissen Gebrauch gemacht wird.
(2) Die von der Durchführung der Ermittlungsmaßnahme betroffenen Personen haben das Recht, die Ergebnisse insoweit einzusehen, als ihre Daten einer Nachrichtenübermittlung, für sie bestimmte oder von ihnen ausgehende Nachrichten oder von ihnen geführte Gespräche oder Bilder, auf denen sie dargestellt sind, betroffen sind. Über dieses und das ihnen nach Abs. 4 zustehende Recht sind diese Personen, sofern ihre Identität bekannt oder ohne besonderen Verfahrensaufwand feststellbar ist, von der Staatsanwaltschaft zu informieren.
(3) Auf Antrag des Beschuldigten sind weitere Ergebnisse in Bild- oder Schriftform zu übertragen, wenn diese für das Verfahren von Bedeutung sind und ihre Verwendung als Beweismittel zulässig ist (§§ 140 Abs. 1, 144, 157 Abs. 2).
(4) Auf Antrag des Beschuldigten oder von Amts wegen sind Ergebnisse der Ermittlungsmaßnahme zu vernichten, wenn diese für ein Strafverfahren nicht von Bedeutung sein können oder als Beweismittel nicht verwendet werden dürfen. Dieses Antragsrecht steht auch den von der Ermittlungsmaßnahme Betroffenen zu, insoweit für sie bestimmte oder von ihnen ausgehende Nachrichten oder Bilder, auf denen sie dargestellt sind, oder von ihnen geführte Gespräche betroffen sind.
§ 140. (1) Als Beweismittel dürfen Ergebnisse (§ 134 Z 5), bei sonstiger Nichtigkeit nur verwendet werden,
1. wenn die Voraussetzungen für die Ermittlungsmaßnahme nach § 136 Abs. 1 Z 1 vorlagen,
2. wenn die Ermittlungsmaßnahme nach den §§ 135 oder 136 Abs. 1Z 2 oder 3 oder Abs. 3 rechtmäßig angeordnet und bewilligt wurde (§ 137), und
3. in den Fällen des § 136 Abs. 1 Z 2 und 3 nur zum Nachweis eines Verbrechens (§ 17 Abs. 1 StGB),
4. in den Fällen der §§ 135 Abs. 1, Abs. 2 Z 2 und 3, Abs. 3 Z 2 bis 4 nur zum Nachweis einer vorsätzlich begangenen strafbaren Handlung, deretwegen die Ermittlungsmaßnahme angeordnet wurde oder hätte angeordnet werden können.
(2) Ergeben sich bei Prüfung der Ergebnisse Hinweise auf die Begehung einer anderen strafbaren Handlung als derjenigen, die Anlass zur Überwachung gegeben hat, so ist mit diesem Teil der Ergebnisse ein gesonderter Akt anzulegen, soweit die Verwendung als Beweismittel zulässig ist (Abs. 1, § 144, § 157 Abs. 2).
(3) In anderen gerichtlichen und in verwaltungsbehördlichen Verfahren dürfen Ergebnisse nur insoweit als Beweismittel verwendet werden, als ihre Verwendung in einem Strafverfahren zulässig war oder wäre.
6. Abschnitt
Automationsunterstützter Datenabgleich
Datenabgleich
§ 141. (1) Im Sinne dieses Gesetzes ist "Datenabgleich" der automationsunterstützte Vergleich von Daten (§ 4 Z 1 DSG 2000) einer Datenanwendung, die bestimmte, den mutmaßlichen Täter kennzeichnende oder ausschließende Merkmale enthalten, mit Daten einer anderen Datenanwendung, die solche Merkmale enthalten, um Personen festzustellen, die auf Grund dieser Merkmale als Verdächtige in Betracht kommen.
(2) Datenabgleich ist zulässig, wenn die Aufklärung eines Verbrechens (§ 17 Abs. 1 StGB) ansonsten wesentlich erschwert wäre und nur solche Daten einbezogen werden, die Gerichte, Staatsanwaltschaften und Sicherheitsbehörden für Zwecke eines bereits anhängigen Strafverfahrens oder sonst auf Grund bestehender Bundes- oder Landesgesetze ermittelt oder verarbeitet haben.
(3) Sofern die Aufklärung eines mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens oder eines Verbrechens nach § 278a oder § 278b StGB ansonsten aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre, ist es zulässig, in einen Datenabgleich auch Daten, die Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie der Kriminalpolizei nach § 76 Abs. 2 zu übermitteln sind, und Daten über Personen einzubeziehen, die von einem bestimmten Unternehmen bestimmte Waren oder Dienstleistungen bezogen haben oder die Mitglieder von Personenvereinigungen des Privatrechts oder von juristischen Personen des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts sind.
(4) Sensible Daten (§ 4 Z 2 DSG 2000) dürfen in einen Datenabgleich nicht einbezogen werden. Dies gilt nicht für Daten über die Staatsangehörigkeit, Daten zur tatbildmäßigen Bezeichnung einer Tätergruppe sowie für Daten, die Staatsanwaltschaften oder Sicherheitsbehörden durch erkennungsdienstliche Maßnahmen, durch Durchsuchung einer Person, durch körperliche Untersuchung oder durch molekulargenetische Analyse rechtmäßig ermittelt haben, sofern diese Daten ausschließlich für einen Datenabgleich nach Abs. 1 verwendet werden. Daten von Personenvereinigungen, deren Zweck in unmittelbarem Zusammenhang mit einem der besonders geschützten Merkmale steht, dürfen in einen Datenabgleich in keinem Fall einbezogen werden.
Durchführung
§ 142. (1) Der Datenabgleich ist von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen. Die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpolizei hat dieses Ergebnis des Datenabgleichs, soweit es für das Verfahren von Bedeutung ist, in Schriftform zu übertragen.
(2) Die Anordnung des Datenabgleichs sowie ihre gerichtliche Bewilligung haben außer den in § 102 Abs. 2 genannten Angaben zu enthalten:
1. die Bezeichnung jener Merkmale, nach deren Übereinstimmung gesucht wird,
2. die Datenanwendung (§ 4 Z 7 DSG 2000) und jene ihrer Daten, welche die gesuchten Merkmale enthalten,
3. die zur Datenübermittlung verpflichteten Auftraggeber (§ 4 Z 4 DSG 2000).
(3) Eine Anordnung nach Abs. 2 ist samt ihrer gerichtlichen Bewilligung der Datenschutzkommission und allen Personen zuzustellen, welche durch den Datenabgleich ausgeforscht werden; die Zustellung an die ausgeforschten Personen kann jedoch aufgeschoben werden, solange durch sie der Zweck dieses oder eines anderen bereits anhängigen Strafverfahrens gefährdet wäre.
(4) Der Datenschutzkommission steht gegen die gerichtliche Bewilligung einer Anordnung gemäß Abs. 2 das Rechtsmittel der Beschwerde gemäß § 87 zu.
Mitwirkungspflicht
§ 143. (1) Jeder Auftraggeber einer Datenanwendung, deren Daten in einen Abgleich nach § 141 einbezogen werden sollen, ist verpflichtet, die Datenanwendung auf die gesuchten Merkmale hin zu durchsuchen und alle Daten, die diese Merkmale enthalten, auf einem elektronischen Datenträger in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat zu übermitteln. Hierbei hat er sich neben den gesuchten Merkmalen auf die Übermittlung der Namen, der Geburtsdaten und der Anschriften zu beschränken. Danach hat er allfällige Ergebnisse des Suchvorganges zu vernichten und - abweichend von den §§ 14 Abs. 2 Z 7 und Abs. 3 bis 4 DSG 2000 - lediglich die Daten der Übermittlung und die Anordnung nach Abs. 2 zu protokollieren.
(2) Die Verpflichtung nach Abs. 1 hat die Staatsanwaltschaft dem Auftraggeber mit gesonderter Anordnung aufzutragen; diese Anordnung hat die entsprechende gerichtliche Bewilligung anzuführen. Die §§ 93 Abs. 2 und 112 sowie die Bestimmungen über die Durchsuchung gelten sinngemäß.
7. Abschnitt
Geistliche Amtsverschwiegenheit und Berufsgeheimnisse
Schutz der geistlichen Amtsverschwiegenheit und von Berufsgeheimnissen
§ 144. (1) Die geistliche Amtsverschwiegenheit ist geschützt (§ 155 Z 1), sie darf bei sonstiger Nichtigkeit nicht umgangen werden, insbesondere nicht durch Anordnung oder Durchführung der in diesem Hauptstück enthaltenen Ermittlungsmaßnahmen. Die Anordnung oder Durchführung einer optischen oder akustischen Überwachung von Geistlichen unter Verwendung technischer Mittel in Beichtstühlen oder in Räumen, die zur geistlichen Aussprache bestimmt sind, ist in jedem Fall unzulässig.
(2) Die Anordnung oder Durchführung der in diesem Hauptstück enthaltenen Ermittlungsmaßnahmen ist auch unzulässig, soweit dadurch das Recht einer Person, gemäß § 157 Abs. 1 Z 2 bis 4 die Aussage zu verweigern, umgangen wird.
(3) Ein Umgehungsverbot nach Abs. 1 erster Satz oder Abs. 2 besteht insoweit nicht, als die betreffende Person selbst der Tat dringend verdächtig ist. In einem solchen Fall ist für die Anordnung und Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme in den Fällen des § 135 Abs. 2 und 3 sowie des § 136 Abs. 1 Z 2 und 3 eine Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten (§ 147 Abs. 2) Voraussetzung.
8. Abschnitt
Besondere Durchführungsbestimmungen, Rechtsschutz und Schadenersatz
Besondere Durchführungsbestimmungen
§ 145. (1) Sämtliche Ergebnisse einer der im 4. bis 6. Abschnitt geregelten Ermittlungsmaßnahmen sind von der Staatsanwaltschaft zu verwahren und dem Gericht beim Einbringen der Anklage zu übermitteln. Das Gericht hat diese Ergebnisse nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens zu löschen, soweit sie nicht in einem anderen, bereits anhängigen Strafverfahren als Beweismittel Verwendung finden. Gleiches gilt für die Staatsanwaltschaft im Fall der Einstellung des Verfahrens.
(2) Anordnungen und Genehmigungen dieser Ermittlungsmaßnahmen (Abs. 1), ihre gerichtlichen Bewilligungen sowie in Bild- oder Schriftform übertragene Ergebnisse (§ 134 Z 5) sind zunächst getrennt aufzubewahren und erst dann zum Akt zu nehmen, wenn die betreffende Anordnung dem Beschuldigten gegenüber rechtskräftig geworden ist, spätestens jedoch beim Einbringen der Anklage. Bis zur Zustellung der Anordnung an den Beschuldigten können sie von der Einsicht durch diesen sowie durch Privatbeteiligte und Opfer ausgenommen werden, wenn zu befürchten ist, dass andernfalls der Zweck der Ermittlungen oder die Persönlichkeitsrechte von Personen, die von diesen Ermittlungsmaßnahmen betroffen sind, gefährdet wären; im Übrigen gilt § 51 Abs. 2.
(3) Solange in Bild- oder Schriftform übertragene Ergebnisse einer Ermittlungsmaßnahme in den Fällen des § 135 Abs. 2 und 3 und des § 136 Abs. 1 Z 2 und 3 nicht zum Akt genommen werden, sind sie samt den zugehörigen Anordnungen, gerichtlichen Bewilligungen und sonstigen Aktenstücken unter Verschluss aufzubewahren. Näheres hat der Bundesminister für Justiz durch Verordnung zu bestimmen.
Rechtsschutz
§ 146. (entfällt - BGBl 108/2010)
§ 147. (1) Dem Rechtsschutzbeauftragten obliegt die Prüfung und Kontrolle der Anordnung, Genehmigung, Bewilligung und Durchführung
1. einer verdeckten Ermittlung nach § 131 Abs. 2,
2. des Abschlusses eines Scheingeschäfts nach § 132, wenn dieses von der Staatsanwaltschaft anzuordnen ist (§ 133 Abs. 1)
3. einer optischen oder akustischen Überwachung von Personen nach § 136 Abs. 1 Z 3,
4. eines automationsunterstützten Datenabgleichs nach § 141 sowie
5. einer Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung, einer Überwachung von Nachrichten und einer optischen und akustischen Überwachung von Personen nach den §§ 135 Abs. 2 und 3, 136 Abs. 1 Z 2, die gegen eine Person gerichtet ist, die gemäß § 157 Abs. 1 Z 2 bis 4 berechtigt ist, die Aussage zu verweigern (§ 144 Abs. 3).
(2) Beantragt die Staatsanwaltschaft die gerichtliche Bewilligung einer in Abs. 1 angeführten Ermittlungsmaßnahme, so hat sie dem Rechtsschutzbeauftragten zugleich eine Ausfertigung dieses Antrags samt einer Kopie der Anzeige und der maßgebenden Ermittlungsergebnisse zu übermitteln. Gleiches gilt für Anordnungen und Genehmigungen der im Abs. 1 Z 1 und 2 angeführten Ermittlungsmaßnahmen durch die Staatsanwaltschaft. Im Fall des § 144 Abs. 3 hat die Staatsanwaltschaft zugleich um Ermächtigung zur Antragstellung zu ersuchen. Eine Ermächtigung zu einem Antrag auf Bewilligung einer Überwachung nach § 136 Abs. 1 Z 3 in den ausschließlich der Berufsausübung gewidmeten Räumen einer der in § 157 Abs. 1 Z 2 bis 4 erwähnten Personen darf der Rechtsschutzbeauftragte nur erteilen, wenn besonders schwer wiegende Gründe vorliegen, die diesen Eingriff verhältnismäßig erscheinen lassen.
(3) Die Anordnung und die Bewilligung der im Abs. 1 angeführten Ermittlungsmaßnahme hat die Staatsanwaltschaft samt Kopien aller Aktenstücke, die für die Beurteilung der Anordnungsgründe von Bedeutung sein können, unverzüglich dem Rechtsschutzbeauftragten zu übermitteln. Diesem steht gegen eine Anordnung nach Abs. 1 Z 1 oder 2 Einspruch, gegen die Bewilligung einer Ermittlungsmaßnahme nach Abs. 1 Z 3 bis 5 Beschwerde zu; dieses Recht erlischt mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist des Beschuldigten.
(4) Nach Beendigung der Ermittlungsmaßnahme ist dem Rechtsschutzbeauftragten Gelegenheit zu geben, die gesamten Ergebnisse einzusehen und anzuhören, bevor diese zum Akt genommen werden (§ 145 Abs. 2). Er ist ferner berechtigt, die Vernichtung von Ergebnissen oder Teilen von ihnen (§ 139 Abs. 4) zu beantragen und sich von der ordnungsgemäßen Vernichtung dieser Ergebnisse zu überzeugen. Das Gleiche gilt für die ordnungsgemäße Löschung von Daten, die in einen Datenabgleich einbezogen oder durch ihn gewonnen wurden. Beabsichtigt die Staatsanwaltschaft, einem solchen Antrag des Rechtsschutzbeauftragten nicht nachzukommen, so hat sie unverzüglich die Entscheidung des Gerichts einzuholen.
(5) (entfällt - BGBl 108/2010)
Schadenersatz
§ 148. Der Bund haftet für vermögensrechtliche Nachteile, die durch die Durchführung einer Überwachung von Personen nach § 136 Abs. 1 Z 3 oder eines Datenabgleichs nach § 141 entstanden sind. Der Ersatzanspruch ist ausgeschlossen, wenn der Geschädigte die Anordnung vorsätzlich herbeigeführt hat. Weitergehende Ansprüche bleiben unberührt. Auf das Verfahren ist das Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, anzuwenden.
9. Abschnitt
Augenschein und Tatrekonstruktion
Augenschein und Tatrekonstruktion
§ 149. (1) Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. "Augenschein" jede unmittelbare sinnliche Wahrnehmung und deren Dokumentation durch Ton- oder Bildaufnahme, soweit es sich nicht um eine Vernehmung handelt,
2. "Tatrekonstruktion" die Vernehmung einer Person im Zuge eines Nachstellens des wahrscheinlichen Verlaufs der Tat am Tatort oder an einem anderen mit der Straftat im Zusammenhang stehenden Ort sowie die Ton- oder Bildaufnahme über diese Vorgänge.
(2) Ein Augenschein kann durch die Kriminalpolizei durchgeführt werden. Wenn er besondere Sachkunde erfordert, über welche Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft nicht durch besondere Einrichtungen oder deren Organe verfügen, kann mit seiner Durchführung auch ein Sachverständiger im Rahmen der Befundaufnahme beauftragt werden. Art und Weise der Durchführung des Augenscheines und seine Ergebnisse sind in einem Amtsvermerk (§ 95) festzuhalten.
(3) Eine Tatrekonstruktion hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch das Gericht zu erfolgen (§ 104).
Durchführung der Tatrekonstruktion
§ 150. (1) Der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten, dem Opfer, dem Privatbeteiligten und deren Vertretern ist Gelegenheit zu geben, sich an der Tatrekonstruktion zu beteiligen. Sie haben das Recht, Fragen zu stellen sowie ergänzende Ermittlungen und Feststellungen zu verlangen. Soweit die Kriminalpolizei nicht an der Durchführung beteiligt wird, ist sie vom Termin zu verständigen.
(2) Der Beschuldigte kann von der Teilnahme vorübergehend ausgeschlossen werden, wenn seine Anwesenheit den Zweck des Verfahrens gefährden könnte oder besondere Interessen dies erfordern (§ 250 Abs. 1). Dem Opfer und dem Privatbeteiligten ist die Beteiligung vorübergehend zu versagen, wenn zu besorgen ist, dass seine Anwesenheit den Beschuldigten oder Zeugen bei der Ablegung einer freien und vollständigen Aussage beeinflussen könnte. In diesen Fällen ist den betroffenen Beteiligten sogleich eine Kopie des Protokolls zu übermitteln. Die Beteiligung des Verteidigers darf jedoch in keinem Fall eingeschränkt werden. Im Übrigen ist § 97 anzuwenden.
10. Abschnitt
Erkundigungen und Vernehmungen
Definitionen
§ 151. Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. "Erkundigung" das Verlangen von Auskunft und das Entgegennehmen einer Mitteilung von einer Person,
2. "Vernehmung" das Befragen von Personen nach förmlicher Information über ihre Stellung und ihre Rechte im Verfahren.
Erkundigungen
§ 152. (1) Erkundigungen dienen der Aufklärung einer Straftat und der Vorbereitung einer Beweisaufnahme; die Bestimmungen über die Vernehmung des Beschuldigten und von Zeugen dürfen durch Erkundigungen bei sonstiger Nichtigkeit nicht umgangen werden.
(2) Soweit die Kriminalpolizei nicht verdeckt ermittelt, hat sie bei Erkundigungen auf ihre amtliche Stellung hinzuweisen, wenn diese nicht aus den Umständen offensichtlich ist. Die Auskunft erfolgt freiwillig und darf nicht erzwungen werden, soweit sie nicht auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung zu erteilen ist.
(3) Auskünfte und sonstige Umstände, die durch Erkundigungen erlangt wurden und für das Verfahren von Bedeutung sein können, sind in einem Amtsvermerk festzuhalten.
Vernehmungen
§ 153. (1) Vernehmungen dienen der Aufklärung einer Straftat und der Beweisaufnahme.
(2) Eine Person, die vernommen werden soll, ist in der Regel schriftlich vorzuladen. Die Ladung muss den Gegenstand des Verfahrens und der Vernehmung sowie den Ort, den Tag und die Stunde ihres Beginns enthalten. Der Beschuldigte und das Opfer sind darin über ihre wesentlichen Rechte im Verfahren (§§ 50 und 70) zu informieren, soweit dies nicht bereits zuvor geschehen ist. Jedermann ist verpflichtet, eine solche Ladung zu befolgen und kann im Fall seines ungerechtfertigten Ausbleibens vorgeführt werden, wenn dies in der Ladung ausdrücklich angedroht wurde.
(3) Die Staatsanwaltschaft, in den Fällen der §§ 104, 105 und 107 das Gericht, kann die Vorführung des Beschuldigten zur sofortigen Vernehmung anordnen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass der Beschuldigte sich andernfalls dem Verfahren entziehen oder Beweismittel beeinträchtigen werde. Wenn eine solche Anordnung wegen Gefahr im Verzug nicht eingeholt werden kann oder wenn der Beschuldigte auf frischer Tat betreten oder unmittelbar danach glaubwürdig der Tatbegehung beschuldigt wird oder mit Gegenständen betreten wird, die auf seine Beteiligung an der Tat hinweisen, kann die Kriminalpolizei ihn von sich aus vorführen.
(4) Ist der Aufenthaltsort eines Zeugen oder Beschuldigten außerhalb des Sprengels der zuständigen Staatsanwaltschaft oder des zuständigen Gerichts gelegen, so ist die unmittelbare Vernehmung am Sitz der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, in deren oder dessen Sprengel sich der Zeuge oder der Beschuldigte befindet, unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung durchzuführen, es sei denn, dass es unter Berücksichtigung der Verfahrensökonomie zweckmäßiger oder sonst aus besonderen Gründen erforderlich ist, den Zeugen oder Beschuldigten vor die zuständige Staatsanwaltschaft oder vor das zuständige Gericht zu laden.
Zeuge und Wahrheitspflicht
§ 154. (1) Im Sinne dieses Gesetzes ist Zeuge eine vom Beschuldigten verschiedene Person, die zur Aufklärung der Straftat wesentliche oder sonst den Gegenstand des Verfahrens betreffende Tatsachen mittelbar oder unmittelbar wahrgenommen haben könnte und darüber im Verfahren aussagen soll.
(2) Zeugen sind verpflichtet, richtig und vollständig auszusagen.
Verbot der Vernehmung als Zeuge
§ 155. (1) Als Zeugen dürfen bei sonstiger Nichtigkeit nicht vernommen werden:
1. Geistliche über das, was ihnen in der Beichte oder sonst unter dem Siegel geistlicher Amtsverschwiegenheit anvertraut wurde,
2. Beamte (§ 74 Abs. 1 Z 4 bis 4c StGB) über Umstände, die der Amtsverschwiegenheit unterliegen, soweit sie nicht von der Verschwiegenheitspflicht entbunden wurden,
3. Mitglieder eines Ausschusses gemäß Art. 53 B-VG und eines nach Art. 52a B-VG eingesetzten ständigen Unterausschusses sowie Personen, die sonst berechtigterweise bei der Sitzung anwesend waren, soweit sie gemäß § 310 Abs. 2 StGB zur Verschwiegenheit verpflichtet sind,
4. Personen, die wegen einer psychischen Krankheit, wegen einer geistigen Behinderung oder aus einem anderen Grund unfähig sind, die Wahrheit anzugeben.
(2) Eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit nach Abs. 1 Z 2 besteht jedenfalls nicht, soweit der Zeuge im Dienste der Strafrechtspflege Wahrnehmungen zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat oder Anzeigepflicht (§ 78) besteht.
Aussagebefreiung
§ 156. (1) Von der Pflicht zur Aussage sind befreit:
1. Personen, die im Verfahren gegen einen Angehörigen aussagen sollen (§ 72 StGB), wobei die durch eine Ehe oder eingetragene Partnerschaft begründete Eigenschaft einer Person als Angehöriger für die Beurteilung der Berechtigung zur Aussageverweigerung aufrecht bleibt, auch wenn die Ehe oder eingetragene Partnerschaft nicht mehr besteht,
2. Personen, die durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte Straftat verletzt worden sein könnten und zur Zeit ihrer Vernehmung das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder in ihrer Geschlechtssphäre verletzt worden sein könnten, wenn die Parteien Gelegenheit hatten, sich an einer vorausgegangenen kontradiktorischen Einvernahme zu beteiligen (§§ 165, 247).
(2) Nach Abs. 1 Z 1 ist eine erwachsene Person, die als Privatbeteiligte am Verfahren mitwirkt (§ 67), von der Aussage nicht befreit.
(3) Besteht die Befreiung von der Aussage im Verfahren gegen mehrere Beschuldigte nur gegenüber einem von ihnen, so ist der Zeuge hinsichtlich der anderen nur dann befreit, wenn eine Trennung der Aussagen nicht möglich ist. Gleiches gilt, wenn sich der Befreiungsgrund nur auf einen von mehreren Sachverhalten bezieht.
Aussageverweigerung
§ 157. (1) Zur Verweigerung der Aussage sind berechtigt:
1. Personen, soweit sie ansonsten sich oder einen Angehörigen (§ 156 Abs. 1 Z 1) der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder im Zusammenhang mit einem gegen sie geführten Strafverfahren der Gefahr aussetzen würden, sich über ihre bisherige Aussage hinaus selbst zu belasten,
2. Verteidiger, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare und Wirtschaftstreuhänder über das, was ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden ist,
3. Fachärzte für Psychiatrie, Psychotherapeuten, Psychologen, Bewährungshelfer, eingetragene Mediatoren nach dem Zivilrechts- Mediations-Gesetz, BGBl. I Nr. 29/2003, und Mitarbeiter anerkannter Einrichtungen zur psychosozialen Beratung und Betreuung über das, was ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden ist,
4. Medieninhaber (Herausgeber), Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes über Fragen, welche die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmannes von Beiträgen und Unterlagen betreffen oder die sich auf Mitteilungen beziehen, die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemacht wurden,
5. Wahlberechtigte darüber, wie sie ein gesetzlich für geheim erklärtes Wahl- oder Stimmrecht ausgeübt haben.
(2) Das Recht der in Abs. 1 Z 2 bis 5 angeführten Personen, die Aussage zu verweigern, darf bei sonstiger Nichtigkeit nicht umgangen werden, insbesondere nicht durch Sicherstellung und Beschlagnahme von Unterlagen oder auf Datenträgern gespeicherten Informationen oder durch Vernehmung der Hilfskräfte oder der Personen, die zur Ausbildung an der berufsmäßigen Tätigkeit nach Abs. 1 Z 2 bis 4 teilnehmen.
§ 158. (1) Die Beantwortung einzelner Fragen können verweigern:
1. Personen, soweit sie ansonsten sich oder einen Angehörigen (§ 156 Abs. 1 Z 1) der Schande oder der Gefahr eines unmittelbaren und bedeutenden vermögensrechtlichen Nachteils aussetzen würden,
2. Personen, die durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte Straftat in ihrer Geschlechtssphäre verletzt wurden oder verletzt worden sein könnten, soweit sie Einzelheiten der Tat zu offenbaren hätten, deren Schilderung sie für unzumutbar halten,
3. Personen, soweit sie Umstände aus ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich oder dem höchstpersönlichen Lebensbereich einer anderen Person zu offenbaren hätten.
(2) Die in Abs. 1 angeführten Personen können jedoch trotz Weigerung zur Aussage verpflichtet werden, wenn dies wegen der besonderen Bedeutung ihrer Aussage für den Gegenstand des Verfahrens unerlässlich ist.
Information und Nichtigkeit
§ 159. (1) Über ihre Befreiung von der Aussagepflicht oder ihr Recht auf Verweigerung der gesamten oder eines Teiles der Aussage sind Zeugen vor Beginn ihrer Vernehmung zu informieren. Werden Anhaltspunkte für ein solches Recht erst während der Vernehmung bekannt, so ist die Information zu diesem Zeitpunkt vorzunehmen.
(2) Ein Zeuge, der einen Befreiungs- oder Verweigerungsgrund in Anspruch nehmen will, hat diesen, soweit er nicht offenkundig ist, glaubhaft zu machen. Darüber abgegebene Erklärungen sind zu protokollieren.
(3) Hat ein Zeuge auf seine Befreiung von der Aussagepflicht nach § 156 Abs. 1 Z 1 nicht ausdrücklich verzichtet, so ist seine gesamte Aussage nichtig. Wurde ein Zeuge, der ein Recht auf Verweigerung der Aussage nach § 157 Abs. 1 Z 2 bis 5 hat, darüber nicht rechtzeitig informiert, so ist jener Teil seiner Aussage nichtig, auf den sich das Verweigerungsrecht bezieht. Das aufgenommene Protokoll ist insoweit zu vernichten.
Durchführung der Vernehmung
§ 160. (1) In der Regel ist jeder Zeuge einzeln und in Abwesenheit der Verfahrensbeteiligten und anderer Zeugen zu vernehmen. Personen, die durch Krankheit oder Gebrechlichkeit oder aus anderen berücksichtigungswürdigen Umständen verhindert sind, eine Ladung zu befolgen, können in ihrer Wohnung oder an ihrem sonstigen Aufenthaltsort gehört werden.
(2) Auf Verlangen des Zeugen ist einer Person seines Vertrauens die Anwesenheit bei der Vernehmung zu gestatten. Auf dieses Recht ist in der Ladung hinzuweisen. Als Vertrauensperson kann ausgeschlossen werden, wer der Mitwirkung an der Straftat verdächtig ist, wer als Zeuge vernommen wurde oder werden soll und wer sonst am Verfahren beteiligt ist oder besorgen lässt, dass seine Anwesenheit den Zeugen an einer freien und vollständigen Aussage beeinflussen könnte. Vertrauenspersonen sind zur Verschwiegenheit über ihre Wahrnehmungen im Zuge der Vernehmung verpflichtet (§ 301 Abs. 2 StGB).
(3) Der Vernehmung einer Person, die psychisch krank oder geistig behindert ist oder die das vierzehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt hat, ist jedenfalls eine Person ihres Vertrauens beizuziehen.
§ 161. (1) Der Zeuge ist vor Beginn der Vernehmung zu ermahnen, richtig, vollständig und derart auszusagen, dass er seine Aussage erforderlichenfalls vor Gericht beeiden könne. Sodann ist er über Vor- und Familienname, Geburtsort und -datum, Beruf und Wohnort oder eine sonstige zur Ladung geeignete Anschrift sowie über sein Verhältnis zum Beschuldigten zu befragen. Im Falle der Anwesenheit anderer Personen ist darauf zu achten, dass die persönlichen Verhältnisse des Zeugen möglichst nicht öffentlich bekannt werden.
(2) Danach ist der Zeuge um eine zusammenhängende Darstellung seiner Wahrnehmungen zu ersuchen. Sodann sind allfällige Unklarheiten oder Widersprüche aufzuklären.
(3) Fragen, mit denen dem Zeugen Umstände vorgehalten werden, die erst durch seine Antwort festgestellt werden sollen, dürfen nur dann gestellt werden, wenn dies zum Verständnis des Zusammenhanges erforderlich ist; solche Fragen und die darauf gegebenen Antworten sind wörtlich zu protokollieren. Fragen nach allfälligen strafgerichtlichen Verfahren gegen den Zeugen und nach deren Ausgang sowie Fragen nach Umständen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich des Zeugen dürfen nicht gestellt werden, es sei denn, dass dies nach den besonderen Umständen des Falles unerlässlich ist.
Anonyme Aussage
§ 162. Ist auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten, dass der Zeuge sich oder einen Dritten durch die Bekanntgabe des Namens und anderer Angaben zur Person (§ 161 Abs. 1) oder durch Beantwortung von Fragen, die Rückschlüsse darauf zulassen, einer ernsten Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit aussetzen würde, so kann ihm gestattet werden, solche Fragen nicht zu beantworten. In diesem Fall ist auch zulässig, dass der Zeuge seine äußere Erscheinung derart verändert, dass er nicht wieder erkannt werden kann. Es ist ihm jedoch nicht gestattet, sein Gesicht derart zu verhüllen, dass sein Mienenspiel nicht soweit wahrgenommen werden kann, als dies für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit seiner Aussage unerlässlich ist.
Gegenüberstellung
§ 163. (1) Einem Zeugen können mehrere Personen - offen oder verdeckt - gegenübergestellt werden, unter denen sich eine befindet, die verdächtig ist. Zuvor ist der Zeuge aufzufordern, zur Unterscheidung erforderliche Kennzeichen des Verdächtigen zu beschreiben; dieser Beschreibung haben die gegenübergestellten Personen möglichst ähnlich zu sein. Sodann ist der Zeuge zur Angabe darüber aufzufordern, ob er eine Person erkenne und auf Grund welcher Umstände dies der Fall sei. Dieser Vorgang ist zu protokollieren und kann durch geeignete bildgebende Verfahren unterstützt werden.
(2) Gleiches gilt bei der Einsicht in Lichtbilder und der Anhörung von Stimmproben. Auch wenn der Zeuge Gegenstände wieder erkennen soll, die als Beweismittel von Bedeutung sind, ist er zunächst aufzufordern, diesen Gegenstand und gegebenenfalls seine Unterscheidungsmerkmale zu beschreiben.
(3) Im Übrigen ist eine Konfrontation des Beschuldigten oder eines Zeugen mit anderen Zeugen oder Beschuldigten zulässig, wenn die jeweiligen Aussagen in erheblichen Umständen von einander abweichen und anzunehmen ist, dass die Aufklärung der Widersprüche dadurch gefördert werden kann. Die einander gegenüber gestellten Personen sind über jeden einzelnen Umstand ihrer von einander abweichenden oder einander widersprechenden Aussagen besonders zu vernehmen; die beiderseitigen Antworten sind zu protokollieren.
Vernehmung des Beschuldigten
§ 164. (1) Dem Beschuldigten ist vor Beginn der Vernehmung mitzuteilen, welcher Tat er verdächtig ist. Sodann ist er im Sinn des Abs. 2 und darüber zu informieren, dass er berechtigt sei, sich zur Sache zu äußern oder nicht auszusagen und sich zuvor mit einem Verteidiger zu beraten, soweit dieser Kontakt nicht gemäß § 59 Abs. 1 beschränkt werden kann. Der Beschuldigte ist auch darauf aufmerksam zu machen, dass seine Aussage seiner Verteidigung dienen, aber auch als Beweis gegen ihn Verwendung finden könne.
(2) Der Beschuldigte hat das Recht, seiner Vernehmung einen Verteidiger beizuziehen; dieser darf sich an der Vernehmung selbst auf keine Weise beteiligen, jedoch nach deren Abschluss ergänzende Fragen an den Beschuldigten richten. Während der Vernehmung darf sich der Beschuldigte nicht mit dem Verteidiger über die Beantwortung einzelner Fragen beraten. Von der Beiziehung eines Verteidigers kann jedoch abgesehen werden, soweit dies erforderlich erscheint, um eine Gefahr für die Ermittlungen oder eine Beeinträchtigung von Beweismitteln abzuwenden. In diesem Fall ist nach Möglichkeit eine Ton- oder Bildaufnahme (§ 97) anzufertigen.
(3) Der Beschuldigte ist zunächst über seine persönlichen Verhältnisse zu befragen. Dann ist ihm Gelegenheit zu geben, sich in einer zusammenhängenden Darstellung zu dem gegen ihn erhobenen Tatvorwurf zu äußern. Zu schwierigen Fragen, die besondere Sachkunde voraussetzen oder eine Beurteilung durch einen Sachverständigen erfordern, ist ihm zu gestatten, sich binnen angemessener Frist ergänzend schriftlich zu äußern.
(4) Es dürfen weder Versprechungen oder Vorspiegelungen noch Drohungen oder Zwangsmittel angewendet werden, um den Beschuldigten zu einem Geständnis oder zu anderen Angaben zu bewegen. Die Freiheit seiner Willensentschließung und seiner Willensbetätigung sowie sein Erinnerungsvermögen und seine Einsichtsfähigkeit dürfen durch keinerlei Maßnahmen oder gar Eingriffe in seine körperliche Integrität beeinträchtigt werden. Dem Beschuldigten gestellte Fragen müssen deutlich und klar verständlich und dürfen nicht unbestimmt, mehrdeutig oder verfänglich sein. Fragen, mit denen ihm Umstände vorgehalten werden, die erst durch seine Antwort festgestellt werden sollen, dürfen nur dann gestellt werden, wenn dies zum Verständnis des Zusammenhanges erforderlich ist; solche Fragen und die darauf gegebenen Antworten sind wörtlich zu protokollieren. Fragen, die eine vom Beschuldigten nicht zugestandene Tatsache als bereits zugestanden behandeln, sind nicht zulässig.
Kontradiktorische Vernehmung des Beschuldigten oder eines Zeugen
§ 165. (1) Eine kontradiktorische Vernehmung sowie die Ton- oder Bildaufnahme einer solchen Vernehmung des Beschuldigten oder eines Zeugen ist zulässig, wenn zu besorgen ist, dass die Vernehmung in einer Hauptverhandlung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich sein werde.
(2) Die kontradiktorische Vernehmung hat das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen der §§ 249 und 250 durchzuführen (§ 104). Das Gericht hat der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten, dem Opfer, dem Privatbeteiligten und deren Vertretern Gelegenheit zu geben, sich an der Vernehmung zu beteiligen und Fragen zu stellen.
(3) Bei der Vernehmung eines Zeugen ist in seinem Interesse, besonders mit Rücksicht auf sein geringes Alter oder seinen seelischen oder gesundheitlichen Zustand, oder im Interesse der Wahrheitsfindung auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen die Gelegenheit zur Beteiligung derart zu beschränken, dass die Beteiligten des Verfahrens (Abs. 2) und ihre Vertreter die Vernehmung unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung mitverfolgen und ihr Fragerecht ausüben können, ohne bei der Befragung anwesend zu sein. Insbesondere wenn der Zeuge das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, kann in diesem Fall ein Sachverständiger mit der Befragung beauftragt werden. In jedem Fall ist dafür Sorge zu tragen, dass eine Begegnung des Zeugen mit dem Beschuldigten und anderen Verfahrensbeteiligten möglichst unterbleibt.
(4) Einen Zeugen, der das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat und durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte Straftat in seiner Geschlechtssphäre verletzt worden sein könnte, hat das Gericht in jedem Fall auf die in Abs. 3 beschriebene Art und Weise zu vernehmen, die übrigen im § 156 Abs. 1 Z 1 und 2 erwähnten Zeugen dann, wenn sie oder die Staatsanwaltschaft dies beantragen.
(5) Vor der Vernehmung hat das Gericht den Zeugen überdies darüber zu informieren, dass das Protokoll in der Hauptverhandlung verlesen und Ton- oder Bildaufnahmen der Vernehmung vorgeführt werden können, auch wenn er im weiteren Verfahren die Aussage verweigern sollte. Soweit ein Sachverständiger mit der Durchführung der Befragung beauftragt wurde (Abs. 3), obliegt diesem die Vornahme dieser Information und jener nach § 161 Abs. 1. Auf das Alter und den Zustand des Zeugen ist dabei Rücksicht zu nehmen. Die Informationen und darüber abgegebene Erklärungen sind zu protokollieren.
(6) Im Übrigen sind die Bestimmungen dieses Abschnitts sinngemäß anzuwenden.
Beweisverbot
§ 166. (1) Zum Nachteil eines Beschuldigten - außer gegen eine Person, die im Zusammenhang mit einer Vernehmung einer Rechtsverletzung beschuldigt ist - dürfen seine Aussagen sowie jene von Zeugen und Mitbeschuldigten nicht als Beweis verwendet werden, soweit sie:
1. unter Folter (Art. 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, BGBl. Nr. 591/1978, Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, und Art. 1 Abs. 1 sowie 15 des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, BGBl. Nr. 492/1987) zustande gekommen sind, oder
2. sonst durch unerlaubte Einwirkung auf die Freiheit der Willensentschließung oder Willensbetätigung oder durch unzulässige Vernehmungsmethoden, soweit sie fundamentale Verfahrensgrundsätze verletzen, gewonnen wurden und ihr Ausschluss zur Wiedergutmachung dieser Verletzung unerlässlich ist.
(2) Aussagen, die auf die im Abs. 1 beschriebene Art und Weise zustande gekommen sind oder gewonnen wurden, sind nichtig.
9. Hauptstück
Fahndung, Festnahme und Untersuchungshaft
1. Abschnitt
Fahndung
Definitionen
§ 167. Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. "Personenfahndung" jede Maßnahme zur Ermittlung des Aufenthaltes einer Person und zur Festnahme des Beschuldigten auf Grund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft,
2. "Sachenfahndung" jede Maßnahme zur Feststellung des Verbleibes einer Sache und zu ihrer Sicherstellung.
Fahndung
§ 168. (1) Personenfahndung zur Aufenthaltsermittlung ist zulässig, wenn der Aufenthalt des Beschuldigten oder einer Person, deren Identität festgestellt oder die als Zeuge vernommen werden soll, unbekannt ist.
(2) Personenfahndung zur Festnahme ist zulässig, wenn eine solche nicht vollzogen werden kann, weil der Beschuldigte flüchtig oder sein Aufenthalt unbekannt ist, oder weil er einer Ladung keine Folge geleistet hat und zu einer Vernehmung, einer anderen Beweisaufnahme oder zur Hauptverhandlung vorgeführt werden soll.
(3) Sachenfahndung ist zulässig, wenn ein Gegenstand, der sichergestellt werden soll, nicht aufgefunden werden kann.
§ 169. (1) Personenfahndung durch Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung oder zur Festnahme ist von der Staatsanwaltschaft anzuordnen. Über weitere Anordnung der Staatsanwaltschaft kann sie öffentlich bekannt gemacht werden, wenn die Ausforschung des Beschuldigten, weiterer Opfer oder die Auffindung einer anderen Person andernfalls wenig erfolgversprechend wäre und der Beschuldigte einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist, dringend verdächtig ist. Abbildungen von Personen dürfen jedoch nur dann veröffentlicht oder zur Veröffentlichung in Medien oder sonst öffentlich zugänglichen Dateien freigegeben werden, wenn der damit angestrebte Vorteil den mit der Veröffentlichung verbundenen Eingriff in die Intimsphäre deutlich überwiegt oder die Veröffentlichung zum Schutz der Rechte und Interessen von durch den Beschuldigten gefährdeten Personen erforderlich scheint.
(1a) Eine Veröffentlichung von Abbildungen eines in Untersuchungshaft angehaltenen Beschuldigten ist auf Grund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft unter den Voraussetzungen des Abs. 1 letzter Satz zulässig, soweit anderenfalls die Aufklärung weiterer Straftaten, deren Begehung er verdächtig ist, wesentlich erschwert wäre.
(2) Sachenfahndung kann die Kriminalpolizei von sich aus anordnen und durchführen; sie hat die erforderlichen Veröffentlichungen und anderen notwendigen Maßnahmen zu veranlassen.
2. Abschnitt
Festnahme
Zulässigkeit
§ 170. (1) Die Festnahme einer Person, die der Begehung einer strafbaren Handlung verdächtig ist, ist zulässig,
1. wenn sie auf frischer Tat betreten oder unmittelbar danach entweder glaubwürdig der Tatbegehung beschuldigt oder mit Gegenständen betreten wird, die auf ihre Beteiligung an der Tat hinweisen,
2. wenn sie flüchtig ist oder sich verborgen hält oder, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, sie werde flüchten oder sich verborgen halten,
3. wenn sie Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versucht hat oder auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, sie werde dies versuchen,
4. wenn die Person einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Tat verdächtig und auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie werde eine eben solche, gegen dasselbe Rechtsgut gerichtete Tat begehen, oder die ihr angelastete versuchte oder angedrohte Tat (§ 74 Abs. 1 Z 5 StGB) ausführen.
(2) Wenn es sich um ein Verbrechen handelt, bei dem nach dem Gesetz auf mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist, muss die Festnahme angeordnet werden, es sei denn, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, das Vorliegen aller im Abs. 1 Z 2 bis 4 angeführten Haftgründe sei auszuschließen.
(3) Festnahme und Anhaltung sind nicht zulässig, soweit sie zur Bedeutung der Sache außer Verhältnis stehen (§ 5).
Anordnung
§ 171. (1) Die Festnahme ist durch die Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen.
(2) Die Kriminalpolizei ist berechtigt, den Beschuldigten von sich aus festzunehmen
1. in den Fällen des § 170 Abs. 1 Z 1 und
2. in den Fällen des § 170 Abs. 1 Z 2 bis 4, wenn wegen Gefahr im Verzug eine Anordnung der Staatsanwaltschaft nicht rechtzeitig eingeholt werden kann.
(3) Im Fall des Abs. 1 ist dem Beschuldigten sogleich oder innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach seiner Festnahme die gerichtliche Bewilligung der Festnahme zuzustellen; im Falle des Abs. 2 eine schriftliche Begründung der Kriminalpolizei über Tatverdacht und Haftgrund. Überdies ist der Beschuldigte sogleich oder unmittelbar nach seiner Festnahme darüber zu informieren, dass er das Recht habe,
1. einen Angehörigen oder eine andere Vertrauensperson und einen Verteidiger von seiner Festnahme zu verständigen oder verständigen zu lassen (Art. 4 Abs. 7 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit),
2. gegebenenfalls die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zu beantragen,
3. Beschwerde bzw. Einspruch gegen seine Festnahme zu erheben und im Übrigen jederzeit seine Freilassung zu beantragen.
Durchführung
§ 172. (1) Vom Vollzug einer Anordnung auf Festnahme hat die Kriminalpolizei die Staatsanwaltschaft und diese das Gericht unverzüglich zu verständigen. Der Beschuldigte ist ohne unnötigen Aufschub, längstens aber binnen 48 Stunden ab Festnahme in die Justizanstalt des zuständigen Gerichts einzuliefern. Wenn dies, insbesondere wegen der Entfernung des Ortes der Festnahme nur mit unverhältnismäßigen Aufwand möglich oder wegen Erkrankung oder Verletzung des Beschuldigten nicht tunlich wäre, ist es zulässig, ihn der Justizanstalt eines unzuständigen Gerichts einzuliefern oder einer Krankenanstalt zu überstellen. In diesen Fällen kann das Gericht den Beschuldigten unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung vernehmen und ihm den Beschluss über die Untersuchungshaft auf gleiche Weise verkünden (§ 174).
(2) Hat die Kriminalpolizei den Beschuldigten von sich aus festgenommen, so hat sie ihn unverzüglich zur Sache, zum Tatverdacht und zum Haftgrund zu vernehmen. Sie hat ihn freizulassen, sobald sich ergibt, dass kein Grund zur weiteren Anhaltung vorhanden ist. Kann der Zweck der weiteren Anhaltung durch gelindere Mittel nach § 173 Abs. 5 Z 1 bis 7 erreicht werden, so hat die Kriminalpolizei dem Beschuldigten auf Anordnung der Staatsanwaltschaft unverzüglich die erforderlichen Weisungen zu erteilen, die Gelöbnisse von ihm entgegenzunehmen oder ihm die in § 173 Abs. 5 Z 3 und 6 erwähnten Schlüssel und Dokumente abzunehmen oder die aufgetragene Sicherheitsleistung nach § 172a einzuheben und ihn freizulassen. Die Ergebnisse der Ermittlungen samt den Protokollen über die erteilten Weisungen und die geleisteten Gelöbnisse sowie den abgenommenen Schlüsseln und Dokumenten sind der Staatsanwaltschaft binnen 48 Stunden nach der Festnahme zu übermitteln. Über die Aufrechterhaltung dieser gelinderen Mittel entscheidet das Gericht.
(3) Ist der Beschuldigte nicht nach Abs. 2 freizulassen, so hat ihn die Kriminalpolizei ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen 48 Stunden nach der Festnahme, in die Justizanstalt des zuständigen Gerichts einzuliefern oder - im Fall seiner Erkrankung (Abs. 1) - einer Krankenanstalt zu überstellen. Sie hat jedoch vor der Einlieferung rechtzeitig die Staatsanwaltschaft zu verständigen. Erklärt diese, keinen Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft zu stellen, so hat die Kriminalpolizei den Beschuldigten sogleich freizulassen.
Sicherheitsleistung
§ 172a. (1) Der Auftrag an den Beschuldigten, eine angemessene Sicherheit zur Sicherstellung der Durchführung des Strafverfahrens, der Zahlung der zu erwartenden Geldstrafe und der Kosten des Verfahrens sowie der dem Opfer zustehenden Entschädigung (§ 67 Abs. 1) zu leisten, ist zulässig, wenn der Beschuldigte einer bestimmten Straftat dringend verdächtig ist sowie zur Sache, zum Tatverdacht und zu den Voraussetzungen der Sicherheitsleistung vernommen wurde und auf Grund bestimmter Tatsachen zu besorgen ist, dass sich der Beschuldigte dem Verfahren entziehen oder die Durchführung des Strafverfahrens sonst offenbar unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde.
(2) Die Sicherheitsleistung und deren Höhe sind von der Staatsanwaltschaft anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen. Für den Fall, dass die aufgetragene Sicherheitsleistung nicht unverzüglich in barem Geld erfolgt, hat die Kriminalpolizei Gegenstände zwangsweise sicherzustellen, die der Beschuldigte mit sich führt, die ihm allem Anschein nach gehören und deren Wert nach Möglichkeit die Höhe des zulässigen Betrags der Sicherheit nicht übersteigt. Die Kriminalpolizei hat der Staatsanwaltschaft die Ergebnisse der Ermittlungen samt der übergebenen Sicherheit oder den sichergestellten Gegenständen unverzüglich zu übermitteln.
(3) Die Sicherheit wird frei, sobald das Strafverfahren rechtswirksam beendet ist, im Fall der Verurteilung des Angeklagten jedoch erst zu, sobald er die Geldstrafe und die ihm auferlegten Kosten des Verfahrens und gegebenenfalls dem Privatbeteiligten die im Strafurteil zugesprochene Entschädigung gezahlt sowie im Fall einer nicht bedingt nachgesehenen Geld – oder Freiheitsstrafe die Freiheitsstrafe angetreten hat. Als Sicherheit sichergestellte Gegenstände und Vermögenswerte werden auch frei, sobald der Beschuldigte die aufgetragene Sicherheit in Geld erlegt oder ein Dritter, dem keine Beteiligung an der Tat zur Last liegt, Rechte an den Gegenständen oder Vermögenswerten glaubhaft macht.
(4) Die Sicherheit ist vom Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen mit Beschluss für verfallen zu erklären, wenn sich der Beschuldigte dem Verfahren oder der Vollstreckung der Strafe und der Kosten des Verfahrens oder der Zahlung der Entschädigung an den Privatbeteiligten entzieht, insbesondere dadurch, dass er eine Ladung oder die Aufforderung zum Strafantritt oder Zahlung der Geldstrafe oder der Kosten des Verfahrens nicht befolgt. § 180 Abs. 4 letzter Satz und Abs. 5 gelten sinngemäß.
3. Abschnitt
Untersuchungshaft
Zulässigkeit
§ 173. (1) Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft sind nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nur dann zulässig, wenn der Beschuldigte einer bestimmten Straftat dringend verdächtig, vom Gericht zur Sache und zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft vernommen worden ist und einer der im Abs. 2 angeführten Haftgründe vorliegt. Sie darf nicht angeordnet oder fortgesetzt werden, wenn sie zur Bedeutung der Sache oder zu der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis steht oder ihr Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel (Abs. 5) erreicht werden kann.
(2) Ein Haftgrund liegt vor, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, der Beschuldigte werde auf freiem Fuß
1. wegen Art und Ausmaß der ihm voraussichtlich bevorstehenden Strafe oder aus anderen Gründen flüchten oder sich verborgen halten,
2. Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versuchen,
3. ungeachtet des wegen einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Straftat gegen ihn geführten Strafverfahrens
a. eine strafbare Handlung mit schweren Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete Straftat mit schweren Folgen,
b. eine strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete strafbare Handlung, wenn er entweder wegen einer solchen Straftat bereits verurteilt worden ist oder wenn ihm nunmehr wiederholte oder fortgesetzte Handlungen angelastet werden,
c. eine strafbare Handlung mit einer Strafdrohung von mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe begehen, die ebenso wie die ihm angelastete strafbare Handlung gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die Straftaten, derentwegen er bereits zweimal verurteilt worden ist, oder d. die ihm angelastete versuchte oder angedrohte Tat (§ 74 Abs. 1 Z 5 StGB) ausführen.
(3) Fluchtgefahr ist jedenfalls nicht anzunehmen, wenn der Beschuldigte einer Straftat verdächtig ist, die nicht strenger als mit fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, er sich in geordneten Lebensverhältnissen befindet und einen festen Wohnsitz im Inland hat, es sei denn, er habe bereits Vorbereitungen zur Flucht getroffen. Bei Beurteilung von Tatbegehungsgefahr nach Abs. 2 Z 3 fällt es besonders ins Gewicht, wenn vom Beschuldigten eine Gefahr für Leib und Leben von Menschen oder die Gefahr der Begehung von Verbrechen in einer kriminellen Organisation oder terroristischen Vereinigung ausgeht. Im Übrigen ist bei Beurteilung dieses Haftgrundes zu berücksichtigen, inwieweit sich die Gefahr dadurch vermindert hat, dass sich die Verhältnisse, unter denen die dem Beschuldigten angelastete Tat begangen worden ist, geändert haben.
(4) Die Untersuchungshaft darf nicht verhängt, aufrecht erhalten oder fortgesetzt werden, wenn die Haftzwecke auch durch eine gleichzeitige Strafhaft oder Haft anderer Art erreicht werden können. Im Fall der Strafhaft hat die Staatsanwaltschaft die Abweichungen vom Vollzug anzuordnen, die für die Zwecke der Untersuchungshaft unentbehrlich sind. Wird die Untersuchungshaft dennoch verhängt, so tritt eine Unterbrechung des Strafvollzuges ein.
(5) Als gelindere Mittel sind insbesondere anwendbar:
1. das Gelöbnis, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens weder zu fliehen noch sich verborgen zu halten noch sich ohne Genehmigung der Staatsanwaltschaft von seinem Aufenthaltsort zu entfernen,
2. das Gelöbnis, keinen Versuch zu unternehmen, die Ermittlungen zu erschweren,
3. in Fällen von Gewalt in Wohnungen (§ 38a SPG) das Gelöbnis, jeden Kontakt mit dem Opfer zu unterlassen, und die Weisung, eine bestimmte Wohnung und deren unmittelbare Umgebung nicht zu betreten oder ein bereits erteiltes Betretungsverbot nach § 38a Abs. 2 SPG oder eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO nicht zu übertreten, samt Abnahme aller Schlüssel zur Wohnung,
4. die Weisung, an einem bestimmten Ort, bei einer bestimmten Familie zu wohnen, eine bestimmte Wohnung, bestimmte Orte oder bestimmten Umgang zu meiden, sich alkoholischer Getränke oder anderer Suchtmittel zu enthalten oder einer geregelten Arbeit nachzugehen,
5. die Weisung, jeden Wechsel des Aufenthaltes anzuzeigen oder sich in bestimmten Zeitabständen bei der Kriminalpolizei oder einer anderen Stelle zu melden,
6. die vorübergehende Abnahme von Identitäts-, Kraftfahrzeugs- oder sonstigen Berechtigungsdokumenten,
7. vorläufige Bewährungshilfe nach § 179,
8. die Leistung einer Sicherheit nach den §§ 180 und 181,
9. mit Zustimmung des Beschuldigten die Weisung, sich einer Entwöhnungsbehandlung, sonst einer medizinischen Behandlung oder einer Psychotherapie (§ 51 Abs. 3 StGB) oder einer gesundheitsbezogenen Maßnahme (§ 11 Abs. 2 SMG) zu unterziehen.
(6) Wenn es sich um ein Verbrechen handelt, bei dem nach dem Gesetz auf mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist, muss die Untersuchungshaft verhängt werden, es sei denn, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, das Vorliegen aller im Abs. 2 angeführten Haftgründe sei auszuschließen.
Hausarrest
§ 173a. (1) Auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Beschuldigten kann die Untersuchungshaft als Hausarrest fortgesetzt werden, der in der Unterkunft zu vollziehen ist, in welcher der Beschuldigte seinen inländischen Wohnsitz begründet hat. Die Anordnung des Hausarrests ist zulässig, wenn die Untersuchungshaft nicht gegen gelindere Mittel (§ 173 Abs. 5) aufgehoben, der Zweck der Anhaltung (§ 182 Abs. 1) aber auch durch diese Art des Vollzugs der Untersuchungshaft erreicht werden kann, weil sich der Beschuldigte in geordneten Lebensverhältnissen befindet und er zustimmt, sich durch geeignete Mittel der elektronischen Aufsicht (§ 156b Abs. 1 und 2 StVG) überwachen zu lassen. Im Übrigen gelten die Bestimmungen über die Fortsetzung, Aufhebung und Höchstdauer der Untersuchungshaft mit der Maßgabe sinngemäß, dass ab Anordnung des Hausarrests Haftverhandlungen von Amts wegen nicht mehr stattfinden und der Beschluss über die Fortsetzung oder Aufhebung der Untersuchungshaft ohne vorangegangene mündliche Verhandlung schriftlich ergehen kann.
(2) Über einen Antrag nach Abs. 1 ist in einer Haftverhandlung zu entscheiden (§ 176 Abs. 1). Gegebenenfalls hat das Gericht sogleich nach Antragstellung vorläufige Bewährungshilfe nach § 179 anzuordnen und die Bewährungshilfe zu beauftragen, dem Gericht spätestens in der Haftverhandlung über die Lebensverhältnisse des Beschuldigten und seine sozialen Bindungen, einschließlich der Möglichkeit, einer Beschäftigung oder Ausbildung ohne Gefährdung der Haftzwecke nachzugehen, sowie über die mit dem Beschuldigten vereinbarten Bedingungen für den Vollzug des Hausarrests zu berichten, deren Einhaltung der Beschuldigte in der Haftverhandlung durch Gelöbnis zu bekräftigen hat. Das Verlassen der Unterkunft ist außer zur Erreichung des Arbeits- oder Ausbildungsplatzes, zur Beschaffung des notwendigen Lebensbedarfs und zur Inanspruchnahme notwendiger medizinischer Hilfe auf der jeweils kürzesten Wegstrecke nicht zulässig.
(3) Wird dem Antrag Folge gegeben, so hat die Staatsanwaltschaft die Kriminalpolizei und die Sicherheitsbehörde des Ortes, an dem der Hausarrest vollzogen wird, zu verständigen und die Justizanstalt zu beauftragen, den Beschuldigten nach Einrichtung der zur elektronischen Aufsicht erforderlichen technischen Mittel in den Hausarrest zu überstellen.
(4) Das Gericht hat den Hausarrest zu widerrufen und den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft in der Justizanstalt anzuordnen, wenn der Beschuldigte erklärt, seine Zustimmung zu widerrufen. Gleiches gilt auf Antrag der Staatsanwaltschaft, wenn der Beschuldigte seinem Gelöbnis zuwider die Bedingungen nicht einhält oder wenn sonst hervorkommt, dass die Haftzwecke durch den Hausarrest nicht erreicht werden können. Mit der Durchführung der Überstellung ist die Kriminalpolizei zu beauftragen.
(5) Wird der Hausarrest nicht nach Abs. 4 widerrufen, so gilt für den Fall der Rechtskraft des Urteils § 3 Abs. 2 StVG sinngemäß.
Verhängung der Untersuchungshaft
§ 174. (1) Jeder festgenommene Beschuldigte ist vom Gericht unverzüglich nach seiner Einlieferung in die Justizanstalt zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft zu vernehmen. Das Gericht kann aber vor seiner Entscheidung sofortige Ermittlungen vornehmen oder durch die Kriminalpolizei vornehmen lassen, wenn deren Ergebnis maßgebenden Einfluss auf die Beurteilung von Tatverdacht oder Haftgrund erwarten lässt. In jedem Fall hat das Gericht längstens binnen 48 Stunden nach der Einlieferung zu entscheiden, ob der Beschuldigte, allenfalls unter Anwendung gelinderer Mittel (§ 173 Abs. 5), freigelassen oder ob die Untersuchungshaft verhängt wird.
(2) Der Beschluss nach Abs. 1 ist dem Beschuldigten sofort mündlich zu verkünden. Ein Beschluss auf Freilassung ist der Staatsanwaltschaft binnen 24 Stunden zuzustellen und der Kriminalpolizei zur Kenntnis zu bringen. Wird die Untersuchungshaft verhängt, so ist die Zustellung an den Beschuldigten binnen 24 Stunden zu veranlassen und unverzüglich eine Ausfertigung der Staatsanwaltschaft, dem Verteidiger, der Justizanstalt und einem gegebenenfalls bestellten Bewährungshelfer zu übermitteln. Der Beschuldigte kann auf die Zustellung nicht wirksam verzichten.
(3) Ein Beschluss, mit dem die Untersuchungshaft verhängt wird, hat zu enthalten:
1. den Namen des Beschuldigten sowie weitere Angaben zur Person,
2. die strafbare Handlung, deren Begehung der Beschuldigte dringend verdächtig ist, Zeit, Ort und Umstände ihrer Begehung sowie ihre gesetzliche Bezeichnung,
3. den Haftgrund,
4. die bestimmten Tatsachen, aus denen sich der dringende Tatverdacht und der Haftgrund ergeben, und aus welchen Gründen der Haftzweck durch Anwendung gelinderer Mittel nicht erreicht werden kann,
5. die Mitteilung, bis zu welchem Tag der Beschluss längstens wirksam sei sowie dass vor einer allfälligen Fortsetzung der Haft eine Haftverhandlung stattfinden werde, sofern nicht einer der im Abs. 4 oder im § 175 Abs. 3, 4 oder 5 erwähnten Fälle eintritt,
6. die Mitteilung, dass der Beschuldigte, soweit dies nicht bereits geschehen ist, einen Verteidiger, einen Angehörigen oder eine andere Vertrauensperson verständigen oder verständigen lassen könne,
7. die Mitteilung, dass der Beschuldigte durch einen Verteidiger vertreten sein müsse, solange er sich in Untersuchungshaft befinde,
8. die Mitteilung, dass dem Beschuldigten Beschwerde zustehe und dass er im Übrigen jederzeit seine Enthaftung oder die Anordnung des Hausarrests (§ 173a) beantragen könne.
(4) Eine Beschwerde des Beschuldigten gegen die Verhängung der Untersuchungshaft löst die Haftfrist nach § 175 Abs. 2 Z 2 aus. Ein darauf ergehender Beschluss des Oberlandesgerichts auf Fortsetzung der Untersuchungshaft löst die nächste Haftfrist aus; Abs. 3 Z 1 bis 5 gilt sinngemäß.
Haftfristen
§ 175. (1) Ein Beschluss, mit dem die Untersuchungshaft verhängt oder fortgesetzt wird, ist längstens für einen bestimmten Zeitraum wirksam (Haftfrist); der Ablauftag ist im Beschluss anzuführen. Vor Ablauf der Haftfrist ist eine Haftverhandlung durchzuführen oder der Beschuldigte zu enthaften.
(2) Die Haftfrist beträgt
1. 14 Tage ab Verhängung der Untersuchungshaft,
2. einen Monat ab erstmaliger Fortsetzung der Untersuchungshaft,
3. zwei Monate ab weiterer Fortsetzung der Untersuchungshaft.
(3) Ist die Durchführung der Haftverhandlung vor Ablauf der Haftfrist wegen eines unvorhersehbaren oder unabwendbaren Ereignisses unmöglich, so kann die Haftverhandlung auf einen der drei dem Fristablauf folgenden Arbeitstage verlegt werden; in diesem Fall verlängert sich die Haftfrist entsprechend.
(4) Haben bereits zwei Haftverhandlungen stattgefunden, so kann der Beschuldigte auf die Durchführung einer bevorstehenden weiteren Haftverhandlung verzichten. In diesem Fall kann der Beschluss über die Aufhebung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft (§ 176 Abs. 4) ohne vorangegangene mündliche Verhandlung schriftlich ergehen.
(5) Nach Einbringen der Anklage ist die Wirksamkeit eines Beschlusses auf Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft durch die Haftfrist nicht mehr begrenzt; Haftverhandlungen finden nach diesem Zeitpunkt nur statt, wenn der Beschuldigte seine Enthaftung beantragt und darüber nicht ohne Verzug in einer Hauptverhandlung entschieden werden kann.
Haftverhandlung
§ 176. (1) Eine Haftverhandlung hat das Gericht von Amts wegen anzuberaumen:
1. vor Ablauf der Haftfrist,
2. ohne Verzug, wenn der Beschuldigte seine Freilassung beantragt und sich die Staatsanwaltschaft dagegen ausspricht oder die Anordnung des Hausarrests (§ 173a) beantragt wird,
3. sofern das Gericht Bedenken gegen die Fortsetzung der Untersuchungshaft hegt.
(2) Die Haftverhandlung leitet das Gericht; sie ist nicht öffentlich. Die Staatsanwaltschaft, der Beschuldigte, sein gesetzlicher Vertreter, sein Verteidiger, die Kriminalpolizei, soweit sie darum ersucht hat und der Bewährungshelfer sind vom Termin zu verständigen.
(3) Der Beschuldigte ist zur Verhandlung vorzuführen, es sei denn, dass dies wegen Krankheit nicht möglich ist. Er muss durch einen Verteidiger vertreten sein. Anstelle der Vorführung kann bei Beschuldigten, die nicht in der Justizanstalt des zuständigen Gerichts angehalten werden (§ 183), gemäß § 153 Abs. 4 vorgegangen werden.
(4) Zunächst trägt die Staatsanwaltschaft ihren Antrag auf Fortsetzung der Untersuchungshaft vor und begründet ihn. Der Beschuldigte, sein gesetzlicher Vertreter und sein Verteidiger haben das Recht zu erwidern. Der Bewährungshelfer kann sich zur Haftfrage äußern. Staatsanwaltschaft und Beschuldigter können ergänzende Feststellungen aus dem Akt begehren. Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Anregung Zeugen vernehmen oder andere Beweise aufnehmen, soweit dies für die Beurteilung der Haftfrage erforderlich ist. Dem Beschuldigten oder seinem Verteidiger gebührt das Recht der letzten Äußerung. Sodann entscheidet das Gericht über die Aufhebung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft. § 174 Abs. 3 Z 1 bis 5 und 8 gilt sinngemäß.
(5) Eine Beschwerde gegen einen Beschluss nach Abs. 4 ist binnen drei Tagen nach Verkündung des Beschlusses einzubringen; § 174 Abs. 4 zweiter Satz ist anzuwenden.
Aufhebung der Untersuchungshaft
§ 177. (1) Sämtliche am Strafverfahren beteiligten Behörden sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Haft so kurz wie möglich dauere. Die Ermittlungen sind von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei mit Nachdruck und unter besonderer Beschleunigung zu führen.
(2) Der Beschuldigte ist sogleich freizulassen und gelindere Mittel sind aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Anhaltung, der Untersuchungshaft oder der Anwendung gelinderer Mittel nicht mehr vorliegen oder ihre Dauer unverhältnismäßig wäre.
(3) Ist die Staatsanwaltschaft der Ansicht, dass die Untersuchungshaft aufzuheben sei, so beantragt sie dies beim Gericht, das den Beschuldigten sogleich freizulassen hat.
(4) Ist die Staatsanwaltschaft der Ansicht, dass die Aufhebung gelinderer Mittel zu verfügen sei, so beantragt sie dies beim Gericht, das daraufhin entsprechend zu verfügen hat. Beantragt die Staatsanwaltschaft eine Änderung oder der Beschuldigte eine Aufhebung oder Änderung gelinderer Mittel und spricht sich die Staatsanwaltschaft dagegen aus, so hat das Gericht zu entscheiden. Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss ist binnen drei Tagen ab seiner Bekanntmachung einzubringen.
(5) Soweit das Opfer dies beantragt hat, ist es von einer Freilassung des Beschuldigten vor Fällung des Urteils erster Instanz unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe und der dem Beschuldigten auferlegten gelinderen Mittel sogleich zu verständigen. Opfer von Gewalt in Wohnungen (§ 38a SPG) und Opfer gemäß § 65 Z 1 lit. a sind jedenfalls unverzüglich von Amts wegen in diesem Sinn zu informieren. Diese Verständigung hat die Kriminalpolizei, bei der Entlassung aus der Untersuchungshaft jedoch die Staatsanwaltschaft zu veranlassen.
Höchstdauer der Untersuchungshaft
§ 178. (1) Bis zum Beginn der Hauptverhandlung darf die Untersuchungshaft folgende Fristen nicht übersteigen:
1. zwei Monate, wenn der Beschuldigte nur aus dem Grunde der Verdunkelungsgefahr (§ 173 Abs. 2 Z 2), im Übrigen
2. sechs Monate, wenn er wegen des Verdachts eines Vergehens, ein Jahr, wenn er wegen des Verdachts eines Verbrechens und zwei Jahre, wenn er wegen des Verdachts eines Verbrechens, das mit einer fünf Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, angehalten wird.
(2) Über sechs Monate hinaus darf die Untersuchungshaft jedoch nur dann aufrecht erhalten werden, wenn dies wegen besonderer Schwierigkeiten oder besonderen Umfangs der Ermittlungen im Hinblick auf das Gewicht des Haftgrundes unvermeidbar ist.
(3) Muss ein wegen Fristablaufs freigelassener Beschuldigter zum Zweck der Durchführung der Hauptverhandlung neuerlich in Haft genommen werden, so darf dies jeweils höchstens für die Dauer von sechs weiteren Wochen geschehen.
Vorläufige Bewährungshilfe
§ 179. (1) Vorläufige Bewährungshilfe ist anzuordnen, wenn der Beschuldigte dem zustimmt und es geboten scheint, dadurch seine Bemühungen um eine Lebensführung und Einstellung, die ihn in Zukunft von der Begehung strafbarer Handlungen abhalten werde, zu fördern.
(2) Hat der Beschuldigte einen gesetzlichen Vertreter, so ist diesem die Anordnung der vorläufigen Bewährungshilfe mitzuteilen.
(3) Die vorläufige Bewährungshilfe endet spätestens mit rechtskräftiger Beendigung des Strafverfahrens. Im Übrigen gelten die Bestimmungen über die Bewährungshilfe dem Sinne nach.
Kaution
§ 180. (1) Gegen Kaution oder Bürgschaft sowie gegen Ablegung der im § 173 Abs. 5 Z 1 und 2 erwähnten Gelöbnisse kann der Beschuldigte freigelassen werden, sofern ausschließlich der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 173 Abs. 2 Z 1) vorliegt; dies hat zu erfolgen, wenn die Straftat nicht strenger als mit fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist.
(2) Die Höhe der Sicherheitsleistung ist vom Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft unter Bedachtnahme auf das Gewicht der dem Beschuldigten angelasteten Straftat, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie das Vermögen der Person zu bestimmen, welche die Sicherheit leistet.
(3) Die Sicherheit ist entweder in barem Geld oder in mündelsicheren Wertpapieren, nach dem Börsekurs des Erlagstages berechnet, gerichtlich zu hinterlegen oder durch Belastung oder Verpfändung von Liegenschaften oder Rechten, die in einem öffentlichen Buch eingetragen sind, oder durch taugliche Bürgen (§ 1374 ABGB), die sich zugleich als Zahler verpflichten, zu leisten. Wenn besondere Umstände den Verdacht nahe legen, dass die angebotene Sicherheit aus einer Straftat des Beschuldigten herrührt, hat das Gericht vor der Annahme der Sicherheitsleistung Ermittlungen über die Redlichkeit der Herkunft zu veranlassen.
(4) Die Sicherheit ist vom Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen mit Beschluss für verfallen zu erklären, wenn sich der Beschuldigte dem Verfahren oder, im Fall der Verurteilung zu einer nicht bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, dem Antritt dieser Strafe entzieht, insbesondere dadurch, dass er sich ohne Erlaubnis von seinem Wohnort entfernt oder eine Ladung nicht befolgt. Diese Ladung und der Beschluss über den Verfall sind dem Beschuldigten im Falle seiner Nichtauffindung nach § 8 Abs. 2 des Zustellgesetzes zuzustellen.
(5) Mit Rechtskraft des Beschlusses nach Abs. 4 ist die verfallene Sicherheit für den Bund einzuziehen, doch hat das Opfer das Recht zu verlangen, dass seine Entschädigungsansprüche aus der Sicherheit oder ihrem Verwertungserlös vorrangig befriedigt werden.
§ 181. (1) Wenn der Beschuldigte nach seiner Freilassung gegen Sicherheit seine Flucht vorbereitet oder wenn neue Umstände hervorkommen, die seine Verhaftung erfordern, so ist er ungeachtet der Sicherheit festzunehmen, doch wird in diesen Fällen die Sicherheitsleistung frei.
(2) Dasselbe ist der Fall, sobald das Strafverfahren rechtswirksam beendet ist, bei Verurteilung zu einer nicht bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe aber erst, sobald der Verurteilte die Strafe angetreten hat.
(3) Über die Freigabe der Sicherheit entscheidet das Gericht.
4. Abschnitt
Vollzug der Untersuchungshaft
Allgemeines
§ 182. (1) Zweck der Anhaltung eines Beschuldigten in Untersuchungshaft ist, dem Haftgrund (§ 173 Abs. 2) entgegenzuwirken.
(2) Das Leben in Untersuchungshaft soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich angeglichen werden. Beschränkungen dürfen verhafteten Beschuldigten nur insoweit auferlegt werden, als dies gesetzlich zulässig und zur Erreichung des Haftzwecks (Abs. 1) oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Justizanstalt notwendig ist.
(3) Beim Vollzug der Untersuchungshaft ist insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, dass
1. für Beschuldigte die Vermutung der Unschuld gilt,
2. Beschuldigte ausreichend Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung haben und
3. schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges auf geeignete Weise entgegengewirkt wird.
(3a) Ein Waffengebrauch im Sinne des § 105 Abs. 6 Z 3 StVG ist nur zulässig, wenn der Beschuldigte wegen des Verdachts eines Verbrechens in Untersuchungshaft angehalten wird und auf Grund der Art oder Ausführung der vorgeworfenen Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder seines Vorlebens anzunehmen ist, dass er für die Sicherheit des Staates, von Leib und Leben, die sexuelle Integrität oder das Vermögen anderer Personen eine besondere Gefahr darstellt.
(4) Im Übrigen sind, soweit dieses Gesetz im Einzelnen nichts anderes bestimmt, auf den Vollzug der Untersuchungshaft die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit 18 Monate nicht übersteigt, dem Sinn nach anzuwenden.
(5) Soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, gelten die Bestimmungen über den Vollzug der Untersuchungshaft für alle Anhaltungen nach diesem Gesetz, die in einer Justizanstalt vollzogen werden.
Haftort
§ 183. (1) Beschuldigte sind in der Justizanstalt des für die Entscheidung über die Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft zuständigen Gerichts anzuhalten. Soweit dies - insbesondere im Interesse einer wirtschaftlichen Führung der Justizanstalten - notwendig ist, können weibliche Beschuldigte in der Justizanstalt eines benachbarten Gerichts angehalten werden.
(2) Wenn dies zur Erreichung des Haftzwecks oder zur Wahrung der in § 182 enthaltenen Grundsätze notwendig ist, hat die Vollzugsdirektion die Zuständigkeit einer anderen Justizanstalt anzuordnen. Eine solche Anordnung kann mit Zustimmung des Beschuldigten auch zur Vermeidung eines Überbelags getroffen werden.
(3) Nach Fällung des Urteils erster Instanz kann die Vollzugsdirektion die Zuständigkeit einer anderen als der nach Abs. 1 bestimmten Justizanstalt anordnen, wenn eine dort zu vollziehende Freiheitsstrafe erwartet werden kann, die Überstellung im Interesse des Angeklagten liegt oder einer besseren Auslastung der Vollzugseinrichtungen dient, Nachteile für das Strafverfahren nicht zu befürchten sind und der Angeklagte zustimmt.
(4) Vor einer Änderung des Haftortes sind Staatsanwaltschaft und Gericht zu hören; nach der Überstellung sind sie und der Verteidiger durch die nunmehr zuständige Justizanstalt unverzüglich zu verständigen.
(5) Nach Rechtswirksamkeit der Anklage ist der Angeklagte, soweit die Zuständigkeit eines anderen Landesgerichts begründet wird, unverzüglich in die Justizanstalt des nunmehr zuständigen Landesgerichts zu überstellen.
Ausführungen
§ 184. Für Vernehmungen, Ausführungen und Überstellungen von Beschuldigten gelten die Bestimmungen der §§ 97 und 98 StVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass
1. Vernehmungen auch dann in der Anstalt durchzuführen sind, wenn sie nicht vom Gericht oder von der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden,
2. Ausführungen auf Ersuchen der Kriminalpolizei oder anderer Behörden (§ 98 Abs. 1 StVG) nur auf Anordnung oder mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und nur zum Zweck der Teilnahme an Verhandlungen, Tatrekonstruktionen und anderen kontradiktorischen Einvernahmen, an Gegenüberstellungen, Augenscheinen sowie sonstigen Befundaufnahmen zulässig sind.
Getrennte Anhaltung
§ 185. (1) Beschuldigte sollen nicht in Gemeinschaft mit Strafgefangenen untergebracht werden. Beschuldigte, die sich das erste Mal in Haft befinden, sind jedenfalls getrennt von Strafgefangenen anzuhalten. Bei der Bewegung im Freien, bei der Arbeit, beim Gottesdienst und bei Veranstaltungen sowie bei der Krankenbetreuung kann jedoch von einer Trennung abgesehen werden, soweit eine solche nach den zur Verfügung stehenden Einrichtungen nicht möglich ist.
(2) Soweit das zur Erreichung der Haftzwecke erforderlich ist, sind der Beteiligung an derselben Straftat verdächtige Beschuldigte so anzuhalten, dass sie nicht miteinander verkehren können. Solange die Staatsanwaltschaft hierüber keine Entscheidung getroffen hat, sind solche Beschuldigte jedenfalls getrennt anzuhalten.
(3) Weibliche Beschuldigte sind in jedem Fall von männlichen Beschuldigten und männlichen Strafgefangenen getrennt unterzubringen.
Kleidung und Bedarfsgegenstände
§ 186. (1) Angehaltene Beschuldigte sind unter Achtung ihrer Persönlichkeit und ihres Ehrgefühls sowie mit möglichster Schonung ihrer Person zu behandeln. Sie sind berechtigt, eigene Kleidung zu tragen, soweit die regelmäßige Reinigung in der Anstalt möglich ist oder außerhalb der Anstalt durch deren Vermittlung besorgt werden kann. Verfügt ein angehaltener Beschuldigter über keine geeignete Kleidung, so ist ihm eine solche für Verhandlungen vor Gericht, für Ausführungen und für Überstellungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Verfügung zu stellen.
(2) Angehaltene Beschuldigte sind berechtigt, sich auf eigene Kosten Bedarfsgegenstände, Dienstleistungen und andere Annehmlichkeiten zu verschaffen, soweit dies mit dem Haftzweck vereinbar ist und weder die Sicherheit gefährdet noch die Ordnung in der Anstalt erheblich beeinträchtigt oder Mithäftlinge belästigt.
Arbeit und Arbeitsvergütung
§ 187. (1) Angehaltene Beschuldigte sind zur Arbeit nicht verpflichtet. Ein arbeitsfähiger Beschuldigter kann jedoch unter den für Strafgefangene geltenden Bedingungen (§§ 44 bis 55 StVG) arbeiten, wenn er sich dazu bereit erklärt und Nachteile für das Verfahren nicht zu befürchten sind.
(2) Die Arbeitsvergütung ist dem Beschuldigten nach Abzug des Vollzugskostenbeitrages (§ 32 Abs. 2 und 3 StVG) zur Gänze als Hausgeld gutzuschreiben. Im Fall eines Freispruchs, des Rücktritts von Verfolgung oder einer Einstellung des Strafverfahrens ist ihm der einbehaltene Vollzugskostenbeitrag auszuzahlen.
(3) (entfällt - BGBl 111/2010)
(4) Angehaltene Beschuldigte dürfen sich auf ihre Kosten selbst beschäftigen, soweit dies mit dem Haftzweck vereinbar ist und die Ordnung in der Anstalt nicht stört. Aus dieser Beschäftigung erzielte Einkünfte sind dem Hausgeld gutzuschreiben.
Verkehr mit der Außenwelt
§ 188. (1) Angehaltene Beschuldigte dürfen Besuche innerhalb der festgesetzten Besuchszeiten so oft und in dem zeitlichen Ausmaß empfangen, als die Abwicklung ohne unvertretbaren Aufwand gewährleistet werden kann. Im Übrigen gelten für den Empfang von Besuchen die §§ 85 bis 87 und 93 bis 96 StVG sinngemäß mit folgenden Maßgaben:
1. Beschuldigten darf nicht verwehrt werden, wenigstens zweimal in jeder Woche einen Besuch in der Dauer von mindestens einer halben Stunde zu empfangen,
2. auf den Inhalt des zwischen einem Beschuldigten und einem Besucher geführten Gesprächs hat sich die Überwachung nur zu erstrecken, wenn dies die Staatsanwaltschaft zur Sicherung des Haftzwecks oder der Anstaltsleiter zur Aufrechterhaltung der Sicherheit in der Anstalt anordnet,
3. der Besuch bestimmter Personen, von denen eine Gefährdung des Zweckes der Untersuchungshaft oder der Sicherheit der Anstalt zu befürchten ist, kann untersagt oder abgebrochen werden.
(2) Angehaltene Beschuldigte sind berechtigt, auf eigene Kosten mit anderen Personen und Stellen schriftlich zu verkehren und zu telefonieren, es sei denn, dass durch den außerordentlichen Umfang des Brief- oder Telefonverkehrs die Überwachung beeinträchtigt wird. In diesem Fall sind diejenigen Beschränkungen anzuordnen, die für eine einwandfreie Überwachung notwendig sind. Schreiben, von denen eine Beeinträchtigung des Haftzweckes zu befürchten ist, sind zurückzuhalten, soweit sich nicht aus den Bestimmungen der §§ 88, 90a bis 90b und 96a des Strafvollzugsgesetzes über den schriftlichen Verkehr mit Behörden und Rechtsbeiständen etwas anderes ergibt. Schreiben angehaltener Beschuldigter an einen inländischen allgemeinen Vertretungskörper, ein inländisches Gericht, eine andere inländische Behörde oder an Organe der Europäischen Union sowie an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dürfen in keinem Fall zurückgehalten werden. Für die Überwachung des Inhalts von Telefongesprächen gilt Abs. 1 Z 2.
(3) Für die Überwachung des mündlichen und schriftlichen Verkehrs des angehaltenen Beschuldigten mit seinem Verteidiger gilt § 59 Abs. 2.
Zuständigkeit für Entscheidungen
§ 189. (1) Die Entscheidung darüber, mit welchen Personen angehaltene Beschuldigte schriftlich verkehren und welche Besuche sie empfangen dürfen, die Überwachung ihres Briefverkehrs und ihrer Besuche sowie alle übrigen Anordnungen und Entscheidungen, die sich auf den Verkehr der angehaltenen Beschuldigten mit der Außenwelt (§§ 86 bis 100 des Strafvollzugsgesetzes) beziehen, stehen, mit Ausnahme der Überwachung der Paketsendungen, im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, im Hauptverfahren dem Gericht zu. Von der Überwachung des Brief- und Telefonverkehrs darf nur insoweit abgesehen werden, als davon keine Beeinträchtigung des Haftzweckes zu befürchten ist.
(2) Die Entscheidungen nach § 16 Abs. 2 Z 2, 4 und 5 des Strafvollzugsgesetzes stehen dem für die Entscheidung über die Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft zuständigen Gericht zu.
(3) Im Übrigen stehen alle Anordnungen und Entscheidungen hinsichtlich der Anhaltung in Untersuchungshaft dem Anstaltsleiter oder dem von diesem dazu bestellten Vollzugsbediensteten zu. Vor jeder Entscheidung nach den §§ 185 Abs. 2, 186 Abs. 2 und 187 Abs. 1 ist im Ermittlungsverfahren die Staatsanwaltschaft, nach Einbringung der Anklage das Gericht zu hören. Ordnungswidrigkeiten, die von angehaltenen Beschuldigten begangen wurden, sind der Staatsanwaltschaft und dem Gericht mitzuteilen. Das gleiche gilt von Vorfällen, von denen eine Beeinträchtigung der Haftzwecke zu befürchten ist.
3. TEIL
Beendigung des Ermittlungsverfahrens
10. Hauptstück
Einstellung, Abbrechung und Fortführung des Ermittlungsverfahrens
Einstellung des Ermittlungsverfahrens
§ 190. Die Staatsanwaltschaft hat von der Verfolgung einer Straftat abzusehen und das Ermittlungsverfahren insoweit einzustellen, als
1. die dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst die weitere Verfolgung des Beschuldigten aus rechtlichen Gründen unzulässig wäre oder
2. kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten besteht.
Einstellung wegen Geringfügigkeit
§ 191. (1) Von der Verfolgung einer Straftat, die nur mit Geldstrafe, mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist, deren Höchstmaß drei Jahre nicht übersteigt, oder mit einer solchen Freiheitsstrafe und Geldstrafe hat die Staatsanwaltschaft abzusehen und das Ermittlungsverfahren einzustellen, wenn
1. in Abwägung der Schuld, der Folgen der Tat und des Verhaltens des Beschuldigten nach der Tat, insbesondere im Hinblick auf eine allfällige Schadensgutmachung, sowie weiterer Umstände, die auf die Strafbemessung Einfluss hätten, der Störwert der Tat als gering anzusehen wäre und
2. eine Bestrafung oder ein Vorgehen nach dem 11. Hauptstück nicht geboten erscheint, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegen zu wirken.
(2) Nach Einbringen der Anklage, im Verfahren vor dem Landesgericht als Geschworenen- oder Schöffengericht nach Rechtswirksamkeit der Anklageschrift wegen Begehung einer strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist, hat das Gericht unter denselben Voraussetzungen (Abs. 1) das Verfahren bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen. § 209 Abs. 2 erster Satz gilt sinngemäß.
Einstellung bei mehreren Straftaten
§ 192. (1) Von der Verfolgung einzelner Straftaten kann die Staatsanwaltschaft endgültig oder unter Vorbehalt späterer Verfolgung absehen und das Ermittlungsverfahren insoweit einstellen, wenn dem Beschuldigten mehrere Straftaten zur Last liegen und
1. dies voraussichtlich weder auf die Strafen oder vorbeugenden Maßnahmen, auf die mit der Verurteilung verbundenen Rechtsfolgen noch auf diversionelle Maßnahmen wesentlichen Einfluss hat oder
2. der Beschuldigte schon im Ausland für die ihm zur Last liegende Straftat bestraft oder dort nach Diversion außer Verfolgung gesetzt worden ist und nicht anzunehmen ist, dass das inländische Gericht eine strengere Strafe verhängen werde oder er wegen Begehung anderer strafbarer Handlungen an einen anderen Staat ausgeliefert wird und die im Inland zu erwartenden Strafen oder vorbeugenden Maßnahmen gegenüber jenen, auf die voraussichtlich im Ausland erkannt werden wird, nicht ins Gewicht fallen.
(2) Eine nach Abs. 1 vorbehaltene Verfolgung kann innerhalb dreier Monate nach rechtskräftigem Abschluss des inländischen oder innerhalb eines Jahres nach rechtskräftigem Abschluss des ausländischen Strafverfahrens wieder aufgenommen werden. Ein abermaliger Vorbehalt wegen einzelner Straftaten ist sodann unzulässig.
Fortführung des Verfahrens
§ 193. (1) Nach der Einstellung des Verfahrens sind weitere Ermittlungen gegen den Beschuldigten zu unterlassen; erforderlichenfalls hat die Staatsanwaltschaft seine Freilassung anzuordnen. Sofern jedoch für eine Entscheidung über die Fortführung des Verfahrens bestimmte Ermittlungen oder Beweisaufnahmen erforderlich sind, kann die Staatsanwaltschaft solche im Einzelnen anordnen oder durchführen.
(2) Die Fortführung eines nach den §§ 190 oder 191 beendeten Ermittlungsverfahrens kann die Staatsanwaltschaft anordnen, solange die Strafbarkeit der Tat nicht verjährt ist und wenn
1. der Beschuldigte wegen dieser Tat nicht vernommen (§§ 164, 165) und kein Zwang gegen ihn ausgeübt wurde oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel entstehen oder bekannt werden, die für sich allein oder im Zusammenhalt mit übrigen Verfahrensergebnissen geeignet erscheinen, die Bestrafung des Beschuldigten oder ein Vorgehen nach dem 11. Hauptstück zu begründen.
(3) Die Fortführung eines nach § 192 beendeten Ermittlungsverfahrens kann die Staatsanwaltschaft anordnen, wenn sie sich die spätere Verfolgung vorbehalten hat (§ 192 Abs. 2) oder die Voraussetzungen des Abs. 2 Z 2 vorliegen.
Verständigungen
§ 194. Von der Einstellung und der Fortführung des Verfahrens hat die Staatsanwaltschaft neben dem Beschuldigten und der Kriminalpolizei alle Personen zu verständigen, die zur Einbringung eines Antrags auf Fortführung berechtigt sind (§ 195 Abs. 1). Das Gericht ist zu verständigen, wenn es mit dem Verfahren befasst war; ein Zustellnachweis ist in keinem Fall erforderlich.
(2) In einer Verständigung von der Einstellung des Ermittlungsverfahrens ist anzuführen, aus welchem Grund (§§ 190 bis 192) das Verfahren eingestellt wurde; gegebenenfalls ist der Vorbehalt späterer Verfolgung (§ 192 Abs. 2) aufzunehmen. Überdies sind Personen, die zur Einbringung eines Antrags auf Fortführung berechtigt sind (§ 195 Abs. 1), über die Möglichkeit der Einbringung eines Antrags auf Fortführung und seine Voraussetzungen sowie darüber zu informieren, dass sie binnen 14 Tagen eine Begründung verlangen können, in welcher die Tatsachen und Erwägungen, die der Einstellung zu Grunde gelegt wurden, in gedrängter Darstellung anzuführen sind.
(3) Von der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens,
1. das von der
WKStA geführt wurde und an dem wegen der Bedeutung der Straftat oder der
Person des Beschuldigten ein besonderes öffentliches Interesse besteht, oder
in dem noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfragen von grundsätzlicher
Bedeutung beurteilt wurden, oder
2. das sonst wegen einer Straftat
geführt wurde, für das im Hauptverfahren das Landesgericht zuständig wäre
und in dem kein Opfer im Sinne des § 65 Z 1 ermittelt werden konnte,
ist
überdies der Rechtsschutzbeauftragte unter Anführung des Grundes der
Einstellung (§§ 190 bis 192) zu verständigen. Auf sein Verlangen ist ihm der
Ermittlungsakt zu übersenden, in welchem Fall die Frist zur Einbringung
eines Antrags auf Fortführung (§ 195 Abs. 2) mit dem Einlangen des Aktes in
Lauf gesetzt wird. Die Staatsanwaltschaft hat dem Rechtsschutzbeauftragten
auf sein innerhalb der erwähnten Frist gestelltes Verlangen für die
Einbringung eines Antrags auf Fortführung eine angemessene, sechs Monate
nicht übersteigende Frist zu setzen.
Antrag auf Fortführung
§ 195. (1) Solange die Strafbarkeit der Tat nicht
verjährt ist, hat das Gericht auf Antrag des Opfers die Fortführung eines nach
den §§ 190 bis 192 beendeten Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft
anzuordnen, wenn
1. das Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet wurde,
2. erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Tatsachen bestehen, die der
Entscheidung über die Beendigung zu Grunde gelegt wurden, oder
3. neue
Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die für sich allein oder im
Zusammenhalt mit übrigen Verfahrensergebnissen geeignet erscheinen, den
Sachverhalt soweit zu klären, dass nach dem 11. oder 12. Hauptstück vorgegangen
werden kann.
(2) Der Antrag ist binnen vierzehn Tagen nach Verständigung von der Einstellung (§ 194) oder im Fall eines fristgerecht eingebrachten Verlangens nach § 194 Abs. 2 nach Zustellung der Einstellungsbegründung, wurde jedoch das Opfer von der Einstellung nicht verständigt, innerhalb von drei Monaten ab der Einstellung des Verfahrens bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. Der Antrag hat das Verfahren, dessen Fortführung begehrt wird, zu bezeichnen und die zur Beurteilung seiner fristgemäßen Einbringung notwendigen Angaben zu enthalten. Überdies sind die Gründe einzeln und bestimmt zu bezeichnen, aus denen die Verletzung oder unrichtige Anwendung des Gesetzes oder die erheblichen Bedenken abzuleiten sind. Werden neue Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht, so gilt § 55 Abs. 1 sinngemäß.
(2a) In den in § 194 Abs. 3 genannten Fällen steht überdies dem Rechtsschutzbeauftragten das Recht auf Einbringung eines Antrags auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens zu.
(3) Erachtet die Staatsanwaltschaft den Antrag für berechtigt, so hat sie das Verfahren unabhängig von den Voraussetzungen des § 193 Abs. 2 Z 1 oder 2 fortzuführen. Andernfalls hat sie ihn mit dem Akt und einer Stellungnahme dem Gericht zu übermitteln.“
(3) Die Staatsanwaltschaft hat den Antrag, sofern sie nicht die Fortführung des Verfahrens anordnet (§ 193), mit dem Akt und einer allfälligen Stellungnahme im Wege der Oberstaatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zu übermitteln.
§ 196. (1) Das Gericht entscheidet in nichtöffentlicher Sitzung. Zuvor hat es dem Beschuldigten und dem Antragsteller Gelegenheit zur Äußerung zur Stellungnahme der Staatsanwaltschaft binnen angemessener Frist einzuräumen, wobei der Antragsteller gegebenenfalls auf die Pflicht zur bestimmten Bezeichnung der geltend gemachten Fortführungsgründe hinzuweisen ist. Vor seiner Entscheidung kann es auch die Kriminalpolizei mit Ermittlungen beauftragen oder von der Staatsanwaltschaft tatsächliche Aufklärungen über die behaupteten Rechtsverletzungen oder Verfahrensmängel verlangen. Gegebenenfalls kann es nach § 107 Abs. 2 vorgehen.
(2) Anträge, die verspätet oder von einer nicht berechtigten Person eingebracht wurden, bereits rechtskräftig erledigt sind oder den Voraussetzungen des § 195 nicht entsprechen, hat das Gericht als unzulässig zurückzuweisen und im Übrigen in der Sache zu entscheiden. Wird ein Antrag zurück- oder abgewiesen, so ist die Zahlung eines Pauschalkostenbeitrags von 90 Euro aufzutragen. Haben mehrere Opfer wegen derselben Handlung erfolglos eine Fortführung beantragt, so haften sie für den Pauschalkostenbeitrag zur ungeteilten Hand; dem Rechtsschutzbeauftragten ist in keinem Fall ein Pauschalkostenbeitrag aufzuerlegen. § 391 gilt sinngemäß.
(3) Gibt das Gericht dem Antrag statt, so hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren fortzuführen. Gegen seine Entscheidung steht ein Rechtsmittel nicht zu.
Abbrechung des Ermittlungsverfahrens gegen Abwesende und gegen unbekannte Täter
§ 197. (1) Wenn der Beschuldigte flüchtig oder unbekannten Aufenthalts ist, ist das Ermittlungsverfahren soweit fortzuführen, als dies zur Sicherung von Spuren und Beweisen erforderlich ist. Ermittlungshandlungen und Beweisaufnahmen, bei denen der Beschuldigte das Recht hat, sich zu beteiligen (§§ 150, 165), können in diesem Fall auch in seiner Abwesenheit durchgeführt werden. Der Beschuldigte kann zur Ermittlung seines Aufenthalts oder zur Festnahme ausgeschrieben werden. Danach hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren abzubrechen und nach Ausforschung des Beschuldigten fortzusetzen.
(2) In Verfahren gegen unbekannte Täter ist Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(2a) Das Verfahren gegen eine Person, gegen die nach einer gesetzlichen Vorschrift die Verfolgung nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden kann, ist abzubrechen und nach Wegfall des Hinderungsgrundes fortzusetzen. Maßnahmen zur Sicherung und Aufnahme von Beweisen dürfen nur vorgenommen werden, soweit dies nach den das Verfolgungshindernis betreffenden Bestimmungen zulässig ist.
(3) Von der Abbrechung des Verfahrens gegen einen bekannten Täter und von der Fortsetzung oder Einleitung des Verfahrens sind die Kriminalpolizei und das Opfer zu verständigen.
(4) Einem abwesenden oder flüchtigen Beschuldigten, der freiwillig erklärt, sich dem Verfahren stellen zu wollen, kann sicheres Geleit vom Bundesministerium für Justiz nach Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft, in deren Sprengel die zuständige Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat, allenfalls gegen Sicherheitsleistung sowie gegen Ablegung der im § 173 Abs. 5 Z 1 und 2 erwähnten Gelöbnisse mit der Wirkung erteilt werden, dass der Beschuldigte wegen der Straftat, für die das sichere Geleit erteilt wurde, bis zur Urteilsfällung in erster Instanz von der Haft befreit bleiben soll. Für die Sicherheitsleistung, ihren Verfall und den Verlust der Wirkung des sicheren Geleits gilt § 180 sinngemäß.
11. Hauptstück
Rücktritt von der Verfolgung (Diversion)
Allgemeines
§ 198. (1) Die Staatsanwaltschaft hat nach diesem Hauptstück vorzugehen und von Verfolgung einer Straftat zurückzutreten, wenn auf Grund hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass eine Einstellung des Verfahrens nach den §§ 190 bis 192 nicht in Betracht kommt, eine Bestrafung jedoch im Hinblick auf
1. die Zahlung eines Geldbetrages (§ 200) oder
2. die Erbringung gemeinnütziger Leistungen (§ 201) oder
3. die Bestimmung einer Probezeit, in Verbindung mit Bewährungshilfe und der Erfüllung von Pflichten (§ 203), oder
4. einen Tatausgleich (§ 204)
nicht geboten erscheint, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
(2) Ein Vorgehen nach diesem Hauptstück ist jedoch nur zulässig, wenn
1. die Straftat nicht in die Zuständigkeit des Landesgerichts als Schöffen- oder Geschworenengericht fällt,
2. die Schuld des Beschuldigten nicht als schwer (§ 32 StGB) anzusehen wäre und
3. die Tat nicht den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat.
§ 199. Nach Einbringen der Anklage wegen Begehung einer strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist, hat das Gericht die für die Staatsanwaltschaft geltenden Bestimmungen der §§ 198, 200 bis 209 sinngemäß anzuwenden und das Verfahren unter den für die Staatsanwaltschaft geltenden Voraussetzungen bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen.
Zahlung eines Geldbetrages
§ 200. (1) Unter den Voraussetzungen des § 198 kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Straftat zurücktreten, wenn der Beschuldigte einen Geldbetrag zu Gunsten des Bundes entrichtet.
(2) Der Geldbetrag darf den Betrag nicht übersteigen, der einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zuzüglich der im Fall einer Verurteilung zu ersetzenden Kosten des Strafverfahrens (§§ 389 Abs. 2 und 3, 391 Abs. 1) entspricht. Er ist innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung der Mitteilung nach Abs. 4 zu bezahlen. Sofern dies den Beschuldigten unbillig hart träfe, kann ihm jedoch ein Zahlungsaufschub für längstens sechs Monate gewährt oder die Zahlung von Teilbeträgen innerhalb dieses Zeitraums gestattet werden.
(3) Soweit nicht aus besonderen Gründen darauf verzichtet werden kann, ist der Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages überdies davon abhängig zu machen, dass der Beschuldigte binnen einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten den aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht und dies unverzüglich nachweist.
(4) Die Staatsanwaltschaft hat dem Beschuldigten mitzuteilen, dass Anklage gegen ihn wegen einer bestimmten Straftat beabsichtigt sei, aber unterbleiben werde, wenn er einen festgesetzten Geldbetrag und gegebenenfalls Schadensgutmachung in bestimmter Höhe leiste. Des weiteren hat die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten im Sinne des § 207 sowie über die Möglichkeit eines Zahlungsaufschubs (Abs. 2) zu informieren, soweit sie ihm einen solchen nicht von Amts wegen in Aussicht stellt.
(5) Nach Leistung des Geldbetrages und allfälliger Schadensgutmachung hat die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung zurückzutreten, sofern das Verfahren nicht gemäß § 205 nachträglich fortzusetzen ist.
Gemeinnützige Leistungen
§ 201. (1) Unter den Voraussetzungen des § 198 kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Straftat vorläufig zurücktreten, wenn sich der Beschuldigte ausdrücklich bereit erklärt hat, innerhalb einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten unentgeltlich gemeinnützige Leistungen zu erbringen.
(2) Gemeinnützige Leistungen sollen die Bereitschaft des Beschuldigten zum Ausdruck bringen, für die Tat einzustehen. Sie sind in der Freizeit bei einer geeigneten Einrichtung zu erbringen, mit der das Einvernehmen herzustellen ist.
(3) Soweit nicht aus besonderen Gründen darauf verzichtet werden kann, ist der Rücktritt von der Verfolgung nach gemeinnützigen Leistungen überdies davon abhängig zu machen, dass der Beschuldigte binnen einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten den aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beiträgt und dies unverzüglich nachweist.
(4) Die Staatsanwaltschaft hat dem Beschuldigten mitzuteilen, dass Anklage gegen ihn wegen einer bestimmten Straftat beabsichtigt sei, aber vorläufig unterbleiben werde, wenn er sich bereit erklärt, binnen bestimmter Frist gemeinnützige Leistungen in nach Art und Ausmaß bestimmter Weise zu erbringen und gegebenenfalls Tatfolgenausgleich zu leisten. Die Staatsanwaltschaft hat den Beschuldigten dabei im Sinne des § 207 zu informieren; sie kann auch eine in der Sozialarbeit erfahrene Person um die Erteilung dieser Informationen sowie darum ersuchen, die gemeinnützigen Leistungen zu vermitteln (§ 29b des Bewährungshilfegesetzes). Die Einrichtung (Abs. 2) hat dem Beschuldigten oder dem Sozialarbeiter eine Bestätigung über die erbrachten Leistungen auszustellen, die unverzüglich vorzulegen ist.
(5) Nach Erbringung der gemeinnützigen Leistungen und allfälligem Tatfolgenausgleich hat die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung endgültig zurückzutreten, sofern das Verfahren nicht gemäß § 205 nachträglich fortzusetzen ist.
§ 202. (1) Gemeinnützige Leistungen dürfen täglich nicht mehr als acht Stunden, wöchentlich nicht mehr als 40 Stunden und insgesamt nicht mehr als 240 Stunden in Anspruch nehmen; auf eine gleichzeitige Aus- und Fortbildung oder eine Berufstätigkeit des Beschuldigten ist Bedacht zu nehmen. Gemeinnützige Leistungen, die einen unzumutbaren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte oder in die Lebensführung des Beschuldigten darstellen würden, sind unzulässig.
(2) Die Leiter der Staatsanwaltschaften haben jeweils eine Liste von Einrichtungen, die für die Erbringung gemeinnütziger Leistungen geeignet sind, zu führen und erforderlichenfalls zu ergänzen. In diese Liste ist auf Verlangen jedermann Einsicht zu gewähren.
(3) Fügt der Beschuldigte bei der Erbringung gemeinnütziger Leistungen der Einrichtung oder deren Träger einen Schaden zu, so ist auf seine Ersatzpflicht das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz, BGBl. Nr. 80/1965, sinngemäß anzuwenden. Fügt der Beschuldigte einem Dritten einen Schaden zu, so haftet dafür neben ihm auch der Bund nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Die Einrichtung oder deren Träger haftet in diesem Fall dem Geschädigten nicht.
(4) Der Bund hat den Schaden nur in Geld zu ersetzen. Von der Einrichtung, bei der die gemeinnützigen Leistungen erbracht wurden, oder deren Träger kann er Rückersatz begehren, insoweit diesen oder ihren Organen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, insbesondere durch Vernachlässigung der Aufsicht oder Anleitung, zur Last fällt. Auf das Verhältnis zwischen dem Bund und dem Beschuldigten ist das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz, BGBl. Nr. 80/1965, sinngemäß anzuwenden.
(5) Erleidet der Beschuldigte bei Erbringung gemeinnütziger Leistungen einen Unfall oder eine Krankheit, so gelten die Bestimmungen der §§ 76 bis 84 des Strafvollzugsgesetzes dem Sinne nach.
Probezeit
§ 203. (1) Unter den Voraussetzungen des § 198 kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Straftat unter Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr bis zu zwei Jahren vorläufig zurücktreten. Der Lauf der Probezeit beginnt mit der Zustellung der Verständigung über den vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung.
(2) Soweit nicht aus besonderen Gründen darauf verzichtet werden kann, ist der vorläufige Rücktritt von der Verfolgung überdies davon abhängig zu machen, dass sich der Beschuldigte ausdrücklich bereit erklärt, während der Probezeit bestimmte Pflichten zu erfüllen, die als Weisungen (§ 51 StGB) erteilt werden könnten, und sich durch einen Bewährungshelfer (§ 52 StGB) betreuen zu lassen. Dabei kommt insbesondere die Pflicht in Betracht, den entstandenen Schaden nach Kräften gutzumachen oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beizutragen.
(3) Die Staatsanwaltschaft hat dem Beschuldigten mitzuteilen, dass Anklage gegen ihn wegen einer bestimmten Straftat für eine bestimmte Probezeit vorläufig unterbleibe, und ihn im Sinne des § 207 zu informieren. Gegebenenfalls hat die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten mitzuteilen, dass dieser vorläufige Rücktritt von der Verfolgung voraussetze, dass er sich ausdrücklich bereit erklärt, bestimmte Pflichten auf sich zu nehmen und sich von einem Bewährungshelfer betreuen zu lassen (Abs. 2). In diesem Fall kann die Staatsanwaltschaft auch eine in der Sozialarbeit erfahrene Person um die Erteilung dieser Informationen sowie darum ersuchen, den Beschuldigten bei der Erfüllung solcher Pflichten zu betreuen (§ 29b des Bewährungshilfegesetzes).
(4) Nach Ablauf der Probezeit und Erfüllung allfälliger Pflichten hat die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung endgültig zurückzutreten, sofern das Verfahren nicht gemäß § 205 nachträglich fortzusetzen ist.
Tatausgleich
§ 204. (1) Unter den Voraussetzungen des § 198 kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Straftat zurücktreten, wenn durch die Tat Rechtsgüter einer Person unmittelbar beeinträchtigt sein könnten und der Beschuldigte bereit ist, für die Tat einzustehen und sich mit deren Ursachen auseinander zu setzen, wenn er allfällige Folgen der Tat auf eine den Umständen nach geeignete Weise ausgleicht, insbesondere dadurch, dass er aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beiträgt, und wenn er erforderlichenfalls Verpflichtungen eingeht, die seine Bereitschaft bekunden, Verhaltensweisen, die zur Tat geführt haben, künftig zu unterlassen.
(2) Das Opfer ist in Bemühungen um einen Tatausgleich einzubeziehen, soweit er dazu bereit ist. Das Zustandekommen eines Ausgleichs ist von seiner Zustimmung abhängig, es sei denn, dass es diese aus Gründen nicht erteilt, die im Strafverfahren nicht berücksichtigungswürdig sind. Seine berechtigten Interessen sind jedenfalls zu berücksichtigen (§ 206).
(3) Die Staatsanwaltschaft kann einen Konfliktregler ersuchen, das Opfer und den Beschuldigten über die Möglichkeit eines Tatausgleichs sowie im Sinne der §§ 206 und 207 zu informieren und bei ihren Bemühungen um einen solchen Ausgleich anzuleiten und zu unterstützen (§ 29a des Bewährungshilfegesetzes).
(4) Der Konfliktregler hat der Staatsanwaltschaft über Ausgleichsvereinbarungen zu berichten und deren Erfüllung zu überprüfen. Einen abschließenden Bericht hat er zu erstatten, wenn der Beschuldigte seinen Verpflichtungen zumindest soweit nachgekommen ist, dass unter Berücksichtigung seines übrigen Verhaltens angenommen werden kann, er werde die Vereinbarungen weiter einhalten, oder wenn nicht mehr zu erwarten ist, dass ein Ausgleich zustande kommt.
Nachträgliche Fortsetzung des Strafverfahrens
§ 205. (1) Nach einem nicht bloß vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung des Beschuldigten nach diesem Hauptstück (§§ 200 Abs. 5, 201 Abs. 5, 203 Abs. 4 und 204 Abs. 1) ist eine Fortsetzung des Strafverfahrens nur unter den Voraussetzungen der ordentlichen Wiederaufnahme zulässig. Vor einem solchen Rücktritt ist das Strafverfahren jedenfalls dann fortzusetzen, wenn der Beschuldigte dies verlangt.
(2) Hat die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten vorgeschlagen, einen Geldbetrag zu bezahlen (§ 200 Abs. 4), gemeinnützige Leistungen zu erbringen (§ 201 Abs. 4) oder eine Probezeit und allfällige Pflichten auf sich zu nehmen (§ 203 Abs. 3), oder ist die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat vorläufig zurückgetreten (§§ 201 Abs. 1, 203 Abs. 1), so hat sie das Strafverfahren fortzusetzen, wenn
1. der Beschuldigte den Geldbetrag samt allfälliger Schadensgutmachung oder die gemeinnützigen Leistungen samt allfälligem Tatfolgenausgleich nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zahlt oder erbringt,
2. der Beschuldigte übernommene Pflichten nicht hinreichend erfüllt oder sich beharrlich dem Einfluss des Bewährungshelfers entzieht oder
3. gegen den Beschuldigten vor Ablauf der Probezeit wegen einer anderen Straftat ein Strafverfahren eingeleitet wird. In diesem Fall ist die nachträgliche Fortsetzung des Verfahrens zulässig, sobald gegen den Beschuldigten wegen der neuen oder neu hervorgekommenen Straftat Anklage eingebracht wird, und zwar auch noch während dreier Monate nach dem Einbringen, selbst wenn inzwischen die Probezeit abgelaufen ist. Das nachträglich fortgesetzte Strafverfahren ist jedoch nach Maßgabe der übrigen Voraussetzungen zu beenden, wenn das neue Strafverfahren auf andere Weise als durch einen Schuldspruch beendet wird.
(3) Von der Fortsetzung des Verfahrens kann jedoch abgesehen werden, wenn dies in den Fällen des Abs. 2 Z 1 aus besonderen Gründen vertretbar erscheint, in den Fällen des Abs. 2 Z 2 und 3 nach den Umständen nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Im Übrigen ist die Fortsetzung des Verfahrens in den im Abs. 2 angeführten Fällen außer unter den in Z 1 bis 3 angeführten Voraussetzungen nur zulässig, wenn der Beschuldigte den dort erwähnten Vorschlag der Staatsanwaltschaft nicht annimmt.
(4) Wenn der Beschuldigte den Geldbetrag nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zahlen oder den übernommenen Verpflichtungen nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommen kann, weil ihn dies wegen einer erheblichen Änderung der für die Höhe des Geldbetrages oder die Art oder den Umfang der Verpflichtungen maßgeblichen Umstände unbillig hart träfe, so kann die Staatsanwaltschaft die Höhe des Geldbetrages oder die Verpflichtung angemessen ändern.
(5) Verpflichtungen, die der Beschuldigte übernommen, und Zahlungen, zu denen er sich bereit erklärt hat, werden mit der nachträglichen Fortsetzung des Verfahrens gegenstandslos. Die Bewährungshilfe endet; § 179 bleibt jedoch unberührt. Geldbeträge, die der Beschuldigte geleistet hat (§ 200), sind auf eine nicht bedingt nachgesehene Geldstrafe unter sinngemäßer Anwendung des § 38 Abs. 1 Z 1 StGB anzurechnen; im Übrigen sind sie zurückzuzahlen. Andere Leistungen sind nicht zu ersetzen, im Fall einer Verurteilung jedoch gleichfalls angemessen auf die Strafe anzurechnen. Dabei sind insbesondere Art und Dauer der Leistung zu berücksichtigen.
Rechte und Interessen der Opfer
§ 206. (1) Bei einem Vorgehen nach diesem Hauptstück sind stets die Interessen des Opfers zu prüfen und im größtmöglichen Ausmaß zu fördern. Das Opfer hat das Recht, eine Vertrauensperson beizuziehen. Es ist jedenfalls so bald wie möglich umfassend über seine Rechte und über geeignete Opferschutzeinrichtungen zu informieren. Wenn noch keine volle Schadensgutmachung erfolgt ist oder dies zur Wahrung seiner Interessen sonst geboten erscheint, ist dem Opfer vor einem Rücktritt von der Verfolgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(2) Das Opfer ist jedenfalls zu verständigen, wenn sich der Beschuldigte bereit erklärt, aus der Tat entstandenen Schaden gutzumachen oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beizutragen. Gleiches gilt für den Fall, dass der Beschuldigte eine Pflicht übernimmt, welche die Interessen des Geschädigten unmittelbar berührt.
Information des Beschuldigten
§ 207. Bei einem Vorgehen nach diesem Hauptstück ist der Beschuldigte eingehend über seine Rechte zu informieren, insbesondere über die Voraussetzungen für einen Rücktritt von der Verfolgung, über das Erfordernis seiner Zustimmung, über seine Möglichkeit, eine Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen, über die sonstigen Umstände, die eine Fortsetzung des Verfahrens bewirken können (§ 205 Abs. 2) und über die Notwendigkeit eines Pauschalkostenbeitrags (§ 388).
Gemeinsame Bestimmungen
§ 208. (1) Um die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach diesem Hauptstück abzuklären, kann die Staatsanwaltschaft den Leiter der für den Tatausgleich zuständigen Einrichtung ersuchen, mit dem Opfer, mit dem Beschuldigten und gegebenenfalls auch mit jener Einrichtung, bei der gemeinnützige Leistungen zu erbringen oder eine Schulung oder ein Kurs zu besuchen wären, Verbindung aufzunehmen und sich dazu zu äußern, ob die Zahlung eines Geldbetrages, die Erbringung gemeinnütziger Leistungen, die Bestimmung einer Probezeit, die Übernahme bestimmter Pflichten, die Betreuung durch einen Bewährungshelfer oder ein Tatausgleich zweckmäßig wäre.
(2) Auf begründeten Antrag des Beschuldigten kann ein nach § 200 festgesetzter Geldbetrag niedriger bemessen oder das gestellte Anbot geändert werden, wenn neu hervorgekommene oder nachträglich eingetretene Umstände ein solches Vorgehen erfordern.
(3) Vom Rücktritt von Verfolgung hat die Staatsanwaltschaft die Kriminalpolizei, den Beschuldigten, das Opfer und, sofern es mit dem Verfahren befasst war, das Gericht zu verständigen. Hat das Gericht das Verfahren gemäß § 199 eingestellt, obliegen die Verständigungen diesem. In der Verständigung sind die maßgebenden Umstände für die Erledigung in Schlagworten darzustellen.
§ 209. (1) Die Staatsanwaltschaft kann nach diesem Hauptstück von der Verfolgung zurücktreten, solange sie noch nicht Anklage eingebracht hat. Danach hat sie bei Gericht zu beantragen, das Verfahren einzustellen (§ 199).
(2) Gerichtliche Beschlüsse nach diesem Hauptstück sind in der Hauptverhandlung vom erkennenden Gericht, sonst vom Vorsitzenden, in der Hauptverhandlung vor dem Geschworenengericht jedoch vom Schwurgerichtshof zu fassen. Bevor das Gericht dem Beschuldigten eine Mitteilung nach den §§ 200 Abs. 4, 201 Abs. 4, 203 Abs. 3 oder einen Beschluss, mit dem das Verfahren eingestellt wird, zustellt, hat es die Staatsanwaltschaft zu hören. Gegen einen solchen Beschluss steht nur der Staatsanwaltschaft Beschwerde zu; dem Beschuldigten ist dieser Beschluss erst dann zuzustellen, wenn er der Staatsanwaltschaft gegenüber in Rechtskraft erwachsen ist.
(3) Solange über eine Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem ein Antrag auf Einstellung des Strafverfahrens nach diesem Hauptstück abgewiesen wurde, noch nicht entschieden wurde, ist die Durchführung einer Hauptverhandlung nicht zulässig. Eine Beschwerde gegen die nachträgliche Fortsetzung des Strafverfahrens hat aufschiebende Wirkung.
Rücktritt von der Verfolgung wegen Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft
§ 209a.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann nach den §§ 200 bis 203 und 205 bis 209
vorgehen, wenn ihr der Beschuldigte freiwillig sein Wissen über Tatsachen
offenbart, die noch nicht Gegenstand eines gegen ihn geführten
Ermittlungsverfahrens sind und deren Kenntnis wesentlich dazu beiträgt,
1. die Aufklärung einer der Zuständigkeit des Landesgerichts als Schöffen-
oder Geschworenengericht oder der WKStA (§§ 20a und 20b) unterliegenden
Straftat entscheidend zu fördern, oder
2. eine Person auszuforschen, die
in einer kriminellen Vereinigung, kriminellen Organisation oder
terroristischen Organisation führend tätig ist oder war.
(2) Ein Vorgehen nach Abs. 1 setzt voraus, dass eine Bestrafung im Hinblick auf die übernommenen Leistungen (§ 198 Abs. 1 Z 1 bis 3), das Aussageverhalten, insbesondere die vollständige Darstellung der eigenen Taten, und den Beweiswert der Informationen nicht geboten erscheint, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten; es ist im Fall des § 198 Abs. 2 Z 3 sowie bei einer Straftat des Beschuldigten unzulässig, durch die eine Person in ihrem Recht auf sexuelle Integrität und Selbstbestimmung verletzt worden sein könnte. Abweichend von § 200 Abs. 2 darf der zu entrichtende Geldbetrag einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen entsprechen.
(3) Nach Erbringung der Leistungen hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren unter dem Vorbehalt späterer Verfolgung einzustellen.
(4) Wenn
1. die eingegangene Verpflichtung zur Mitwirkung an der
Aufklärung verletzt wurde oder
2. die zur Verfügung gestellten
Unterlagen und Informationen falsch waren, keinen Beitrag zur Verurteilung
des Täters zu liefern vermochten oder nur zur Verschleierung der eigenen
führenden Tätigkeit in einer in Abs. 1 Z 2 genannten Vereinigung oder
Organisation gegeben wurden,
kann die nach Abs. 3 vorbehaltene
Verfolgung wieder aufgenommen werden, es sei denn, dass die
Staatsanwaltschaft die für die Wiederaufnahme erforderlichen Anordnungen
nicht binnen einer Frist von vierzehn Tagen ab Zustellung der das Verfahren
beendenden Entscheidung gestellt hat, in der einer der in Z 1 oder 2
umschriebenen Umstände festgestellt wurde.
(5) Die Staatsanwaltschaft hat ihre Anordnungen nach Abs. 3 und 4 dem Rechtsschutzbeauftragten samt einer Begründung für das Vorgehen zuzustellen. Der Rechtsschutzbeauftragte ist berechtigt, im Fall des Abs. 3 die Fortführung, im Fall des Abs. 4 jedoch die Einstellung des Verfahrens zu beantragen.
(6) Im Verfahren gegen Verbände nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG), BGBl. I Nr. 151/2005, ist sinngemäß mit der Maßgabe vorzugehen, dass die Bestimmungen des § 19 Abs. 1 Z 1 bis 3 VbVG anzuwenden sind. Der zu entrichtende Geldbetrag darf abweichend von § 19 Abs. 1 Z 1 VbVG einer Verbandsgeldbuße von 75 Tagessätzen entsprechen.
Rücktritt von der Verfolgung wegen Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft im Zusammehang mit einer kartellrechtlichen Zuwiderhandlung
§ 209b. (1) Der Bundeskartellanwalt hat die Staatsanwaltschaft von einem Vorgehen der Bundeswettbewerbsbehörde nach § 11 Abs. 3 des Wettbewerbsgesetzes, BGBl. I Nr. 62/2002, oder von einem solchen Vorgehen der Europäischen Kommission oder von Wettbewerbsbehörden der anderen Mitgliedstaaten (§ 84 des Kartellgesetzes, BGBl. I Nr. 61/2005) zu verständigen, wenn es im Hinblick auf das Gewicht des Beitrags zur Aufklärung einer Zuwiderhandlung im Sinne von § 11 Abs. 3 Z 1 Wettbewerbsgesetz unverhältnismäßig wäre, die Mitarbeiter eines Unternehmens, die für das Unternehmen an einer solchen Zuwiderhandlung beteiligt waren, wegen einer durch eine solche Zuwiderhandlung begangenen Straftat zu verfolgen.
(2) Die Staatsanwaltschaft hat sodann das Ermittlungsverfahren gegen die Mitarbeiter, die erklärt haben, Staatsanwaltschaft und Gericht ihr gesamtes Wissen über die eigenen Taten und andere Tatsachen, die für die Aufklärung der durch die Zuwiderhandlung begangenen Straftaten von entscheidender Bedeutung sind, zu offenbaren, unter dem Vorbehalt späterer Verfolgung einzustellen. § 209a Abs. 4 und 5 gelten sinngemäß.
(3) In gleicher Weise ist im Verfahren gegen Verbände nach dem VbVG vorzugehen.
4. TEIL
Haupt- und Rechtsmittelverfahren
12. Hauptstück
Die Anklage
1. Abschnitt
Allgemeines
Die Anklage
§ 210. (1) Wenn auf Grund ausreichend geklärten Sachverhalts eine Verurteilung nahe liegt und kein Grund für die Einstellung des Verfahrens oder den Rücktritt von Verfolgung vorliegt, hat die Staatsanwaltschaft bei dem für das Hauptverfahren zuständigen Gericht Anklage einzubringen; beim Landesgericht als Geschworenen- oder Schöffengericht mit Anklageschrift, beim Landesgericht als Einzelrichter und beim Bezirksgericht mit Strafantrag.
(2) Durch das Einbringen der Anklage beginnt das Hauptverfahren, dessen Leitung dem Gericht obliegt. Die Staatsanwaltschaft wird zur Beteiligten des Verfahrens.
(3) Die Festnahme des Angeklagten ist auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom Gericht anzuordnen, auch andere Zwangsmittel und Beweisaufnahmen, die im Ermittlungsverfahren einer Anordnung oder Genehmigung der Staatsanwaltschaft bedürfen, sind nach Einbringen der Anklage durch das Gericht anzuordnen oder zu bewilligen. Die Durchführung obliegt weiterhin der Kriminalpolizei; Berichte und Verständigungen hat sie an das Gericht zu richten. Anträge auf Einstellung des Verfahrens (§ 108) sind nach dem Einbringen der Anklage nicht mehr zulässig, bereits eingebrachte werden gegenstandslos.
(4) Außerhalb der Hauptverhandlung bestimmt sich die Zuständigkeit des Landesgerichts als Geschworenen- oder Schöffengericht nach § 32 Abs. 3.
2. Abschnitt
Die Anklageschrift
Inhalt der Anklageschrift
§ 211. (1) Die Anklageschrift hat anzuführen:
1. den Namen des Angeklagten sowie weitere Angaben zur Person,
2. Zeit, Ort und die näheren Umstände der Begehung der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat und die gesetzliche Bezeichnung der durch sie verwirklichten strafbaren Handlung,
3. die übrigen anzuwendenden Strafgesetze.
(2) In der Anklageschrift hat die Staatsanwaltschaft ihre Anträge für das Hauptverfahren zu stellen und dabei insbesondere auch die Beweise anzuführen, die im Hauptverfahren aufgenommen werden sollen; die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ist erforderlichenfalls zu begründen. Schließlich ist der Sachverhalt nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens zusammenzufassen und zu beurteilen.
Einspruch gegen die Anklageschrift
§ 212. Gegen die Anklageschrift steht dem Angeklagten Einspruch zu, wenn
1. die zur Last gelegte Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst ein Grund vorliegt, der die Verurteilung des Angeklagten aus rechtlichen Gründen ausschließt,
2. Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts trotz hinreichend geklärten Sachverhalts nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Angeklagten auch nur für möglich zu halten und von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist,
3. der Sachverhalt nicht soweit geklärt ist, dass eine Verurteilung des Angeklagten nahe liegt,
4. die Anklageschrift sonst an wesentlichen formellen Mängeln leidet (§ 211)
5. die Anklageschrift ein für die angeklagte Straftat sachlich nicht zuständiges Gericht anruft,
6. die Anklageschrift ein örtlich nicht zuständiges Gericht anruft oder
7. der nach dem Gesetz erforderliche Antrag eines hiezu Berechtigten fehlt.
§ 213. (1) Das Gericht hat die Anklageschrift dem Angeklagten zuzustellen.
(2) Der Angeklagte hat das Recht, gegen die Anklageschrift binnen 14 Tagen Einspruch bei Gericht zu erheben. Darüber ist er ebenso zu informieren wie über die seine Verteidigung betreffenden Vorschriften.
(3) Befindet sich der Angeklagte zum Zeitpunkt des Einbringens der Anklage in Haft oder wird er zugleich verhaftet, so ist die Anklageschrift, gegebenenfalls mit der Anordnung der Festnahme (§ 171 Abs. 1 und 2), sogleich ihm auszufolgen und seinem Verteidiger zuzustellen; die Frist zur Erhebung des Einspruchs richtet sich in diesem Fall nach der zuletzt bewirkten Zustellung.
(4) Verzichtet der Angeklagte auf einen Einspruch oder erhebt er einen solchen nicht fristgerecht, so hat das Gericht, sofern es keine Bedenken gegen seine Zuständigkeit hat, mit Beschluss festzustellen, dass die Anklageschrift rechtswirksam sei, und ohne Verzug die Hauptverhandlung anzuordnen. § 199 bleibt unberührt.
(5) Sobald die Anklageschrift rechtswirksam geworden ist, kann die örtliche Unzuständigkeit des Gerichts des Hauptverfahrens nicht mehr geltend gemacht werden.
(6) Ein Einspruch ist dem Oberlandesgericht vorzulegen. Hat das Gericht Bedenken gegen seine Zuständigkeit, so hat es diese dem Oberlandesgericht unter Angabe der Gründe mitzuteilen, und zwar auch dann, wenn ein Einspruch nicht erhoben wurde. Für ein solches Begehren gelten die Vorschriften über den Einspruch sinngemäß.
Verfahren vor dem Oberlandesgericht
§ 214. (1) Das Oberlandesgericht hat der Oberstaatsanwaltschaft Gelegenheit zu geben, sich zum Einspruch zu äußern; § 89 Abs. 5 letzter Satz gilt. Sodann hat es über den Einspruch in nicht öffentlicher Sitzung zu entscheiden; gegen seine Entscheidung steht ein Rechtsmittel nicht zu.
(2) Treffen dieselben Gründe auch auf eine Person zu, die keinen Einspruch erhoben hat, so hat das Oberlandesgericht so vorzugehen, als ob ein solcher Einspruch vorläge.
(3) Wird der Einspruch von einem Angeklagten erhoben, der sich in Untersuchungshaft befindet, so hat das Oberlandesgericht von Amts wegen über die Haft zu entscheiden. Beschließt das Oberlandesgericht die Fortsetzung der Haft, so gilt § 174 Abs. 3 Z 1 bis 5 sinngemäß.
§ 215. (1) Verspätete Einsprüche und solche, die von einer hiezu nicht berechtigten Person eingebracht wurden, hat das Oberlandesgericht als unzulässig zurückzuweisen.
(2) In den Fällen des § 212 Z 1, 2 und 7 hat das Oberlandesgericht dem Einspruch Folge zu geben und das Verfahren einzustellen.
(3) In den Fällen des § 212 Z 3 und 4 hat das Oberlandesgericht die Anklageschrift zurückzuweisen; dadurch wird das Hauptverfahren beendet und das Ermittlungsverfahren wieder eröffnet.
(4) In den Fällen des § 212 Z 5 und 6 hat das Oberlandesgericht die Sache dem zuständigen Gericht zuzuweisen. Hält es jedoch für möglich, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht zuständig sei, so legt es den Einspruch dem Obersten Gerichtshof vor, der zunächst die Frage der Zuständigkeit zu klären hat, bevor er die Sache dem zuständigen Oberlandesgericht zur Entscheidung über den Einspruch übermittelt.
(5) Das Oberlandesgericht kann auch einzelne Anklagepunkte teils auf die eine, teils auf die andere Art erledigen. Mit seiner Begründung darf es der Entscheidung des erkennenden Gerichts in der Hauptsache nicht vorgreifen.
(6) Liegt keiner der Fälle der Abs. 2 bis 4 vor, so hat das Oberlandesgericht den Einspruch abzuweisen und die Rechtswirksamkeit der Anklageschrift festzustellen.
13. Hauptstück
Vorbereitungen zur Hauptverhandlung
§ 220. Beteiligte des Hauptverfahrens sind neben der Staatsanwaltschaft (§ 210 Abs. 2) der Angeklagte (§ 48 Abs. 1 Z 2), der Haftungsbeteiligte (§ 64), der Privatankläger (§ 71), der Subsidiarankläger (§ 72) sowie der Privatbeteiligte (§ 67).
§ 221. (1) Zur Hauptverhandlung sind die Beteiligten sowie deren Vertreter zu laden; vom Termin der Hauptverhandlung sind gegebenenfalls die Einrichtung, die Prozessbegleitung gewährt, und ein Bewährungshelfer sowie die Kriminalpolizei, soweit sie darum ersucht hat, zu verständigen. Opfer sind vom Termin der Hauptverhandlung nur zu verständigen, soweit sie dies im Rahmen einer Vernehmung nach § 165 verlangt haben und nicht ohnedies im Wege einer Ladung als Zeuge oder der ihnen gewährten Prozessbegleitung von diesem Termin Kenntnis erhalten. Erforderlichenfalls ist für die Bestellung eines Verteidigers und die Beiziehung eines Dolmetschers Vorsorge zu treffen (§§ 61 und 126). Die Ladung von Privatbeteiligten darf insoweit unterbleiben, als diese einem Auftrag gemäß § 10 des Zustellgesetzes nicht entsprochen oder auf ihr Recht, während der Hauptverhandlung anwesend zu sein, verzichtet haben. Gleiches gilt unabhängig von diesen Voraussetzungen, wenn eine Ausforschung des Aufenthalts von Opfern und Privatbeteiligten oder die Zustellung einer Ladung oder Verständigung an diese im Rechtshilfeweg zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens, insbesondere einer bedeutenden Verlängerung der Haft des Angeklagten führen würde.
(2) Der Vorsitzende hat den Tag der Hauptverhandlung in der Art zu bestimmen, dass dem Angeklagten und seinem Verteidiger bei sonstiger Nichtigkeit von der Zustellung der Ladung (§§ 61 Abs. 3 und 63) eine Frist von wenigstens acht Tagen, im Fall des Abs. 4 jedoch 14 Tagen zur Vorbereitung der Verteidigung bleibt, sofern diese nicht selbst in eine Verkürzung dieser Frist einwilligen. Durch den Wechsel der Person des Verteidigers wird die dem Verteidiger zustehende Vorbereitungsfrist nicht verlängert. Die Ladung von Zeugen, Sachverständigen und Dolmetschern soll grundsätzlich so erfolgen, dass zwischen der Zustellung und dem Tag, an dem ihre Anwesenheit in der Hauptverhandlung erforderlich ist, eine Frist von wenigstens drei Tagen liegt.
(3) Die Hauptverhandlung findet grundsätzlich am Sitz des Landesgerichts statt; zu Zwecken der Wahrheitsfindung kann der Vorsitzende die Hauptverhandlung an einem anderen im Sprengel des Landesgerichts gelegenen Ort durchführen.
(4) Ist zu erwarten, dass die Hauptverhandlung von längerer Dauer sein wird, so ist für den Fall der Verhinderung eines Richters oder Schöffen die erforderliche Anzahl von Ersatzrichtern und Ersatzschöffen, und zwar nach der in der Geschäftsverteilung beziehungsweise Dienstliste (§§ 13 und 14 des Geschworenen- und Schöffengesetzes – GSchG, BGBl. Nr. 256/1990) zu bestimmenden Reihenfolge zu laden. Auf § 32 Abs. 2 ist Bedacht zu nehmen.
§ 222. (1) Beweise, die nicht bereits nach der Anklageschrift oder dem über den Einspruch ergangenen Beschluss aufzunehmen sind, sollen Beteiligte des Verfahrens so rechtzeitig beantragen (§ 55 Abs. 1), dass die Beweisaufnahme noch zum Termin der Hauptverhandlung vorgenommen werden kann. Der Antrag ist in so vielen Ausfertigungen einzubringen, dass jedem der Beteiligten eine Ausfertigung zugestellt werden kann.
(2) Ist dem Antrag stattzugeben, so hat der Vorsitzende die Liste der neuen Beweismittel samt jeweiligem Beweisthema den übrigen Beteiligten längstens drei Tage vor der Hauptverhandlung mitzuteilen. Im gegenteiligen Fall hat der Vorsitzende die Entscheidung über den Beweisantrag einer erneuten Antragstellung in der Hauptverhandlung vorzubehalten (§ 238) und davon den Antragsteller und die übrigen Beteiligten durch Zustellung einer Ausfertigung des Antrags (Abs. 1 letzter Satz) zu verständigen.
(3) Dem Verteidiger steht es auch frei, eine schriftliche Gegenäußerung (§ 244 Abs. 3) zur Anklageschrift einzubringen, in die er die Anträge gemäß Abs. 1 aufzunehmen hat. Für eine solche Gegenäußerung gilt Abs. 1.
§ 223. (Aufgehoben)
§ 226. (1) Die Hauptverhandlung kann auf Antrag eines Beteiligten des Verfahrens oder von Amts wegen durch Beschluss des Vorsitzenden vertagt werden, wenn
1. sich dem rechtzeitigen Erscheinen eines Beteiligten ein für ihn unabwendbares oder doch ein sehr erhebliches Hindernis entgegenstellt;
2. das Gericht durch anderweitige unaufschiebbare Amtshandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen an der Durchführung der Hauptverhandlung verhindert ist;
3. eine in der Hauptverhandlung nicht sofort durchführbare, für die Urteilsfällung jedoch wesentliche Beweisaufnahme angeordnet wird;
4. die Hauptverhandlung aus anderen Gründen nicht geschlossen werden kann.
(2) Ein Antrag auf Vertagung ist zu begründen, gegebenenfalls vorhandene Bescheinigungsmittel sind vorzulegen.
(3) Wegen einer Verhinderung des Verteidigers findet eine Vertagung nur dann statt, wenn das Hindernis dem Angeklagten oder dem Gericht so spät bekannt wurde, dass ein anderer Verteidiger nicht mehr bestellt werden konnte. Wegen Verhinderung anderer Beteiligter als des Angeklagten findet eine Vertagung nur statt, soweit dies nicht zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens, insbesondere einer bedeutenden Verlängerung der Haft des Angeklagten führen würde.
(4) Gegen einen Beschluss gemäß Abs. 1 steht den Beteiligten ein selbständiges, die weitere Verhandlung hemmendes Rechtsmittel nicht zu.
§ 227. (1) Tritt die Staatsanwaltschaft vor Beginn der Hauptverhandlung von der Anklage zurück, so ist nach § 72 Abs. 3 vorzugehen, im Übrigen jedoch das Verfahren durch Beschluss des Vorsitzenden einzustellen.
(2) Die Staatsanwaltschaft hat das Recht, die von ihr eingebrachte Anklageschrift unter gleichzeitiger Einbringung einer neuen zurückzuziehen, wenn dies erforderlich ist, um eine gemeinsame Verfahrensführung wegen neuer Vorwürfe oder einer auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel geänderten rechtlichen Beurteilung zu ermöglichen. Mit der neuen Anklageschrift ist sodann nach den im 12. Hauptstück enthaltenen Bestimmungen zu verfahren.
14. Hauptstück
Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Schöffengericht und Rechtsmittel gegen dessen Urteile
I. Hauptverhandlung und Urteil
1. Öffentlichkeit der Hauptverhandlung
§ 228. (1) Die Hauptverhandlung ist öffentlich bei sonstiger Nichtigkeit.
(2) An einer Hauptverhandlung dürfen nur unbewaffnete Personen als Beteiligte oder Zuhörer teilnehmen. Doch darf Personen, die wegen ihres öffentlichen Dienstes zum Tragen einer Waffe verpflichtet sind oder denen nach den §§ 2 und 8 des Gerichtsorganisationsgesetzes die Mitnahme einer Waffe gestattet worden ist, die Anwesenheit deswegen nicht verweigert werden.
(3) Unmündige können als Zuhörer von der Hauptverhandlung ausgeschlossen werden, sofern durch ihre Anwesenheit eine Gefährdung ihrer persönlichen Entwicklung zu besorgen wäre.
(4) Fernseh- und Hörfunkaufnahmen und -übertragungen sowie Film- und Fotoaufnahmen von Verhandlungen der Gerichte sind unzulässig.
§ 229. (1) Die Öffentlichkeit einer Hauptverhandlung darf von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten des Verfahrens oder eines Opfers ausgeschlossen werden:
1. wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit;
2. vor Erörterung des persönlichen Lebens- oder Geheimnisbereiches eines Angeklagten, Opfers, Zeugen oder Dritten;
3. zum Schutz der Identität eines Zeugen oder eines Dritten aus den in § 162 angeführten Gründen.
(2) Über einen Ausschluss gemäß Abs. 1 entscheidet das Schöffengericht in jeder Lage des Verfahrens mit Beschluss. Der Ausschluss kann das gesamte Verfahren oder einen Teil dessen umfassen, insoweit dies bei Überwiegen der schutzwürdigen Interessen (Abs. 1) geboten ist.
(3) Ein Beschluss gemäß Abs. 2 ist samt Gründen in öffentlicher Sitzung zu verkünden; gegen ihn steht ein selbständiges, die weitere Verhandlung hemmendes Rechtsmittel nicht zu.
(4) Die Verkündung des Urteils (§§ 259, 260) hat stets in öffentlicher Sitzung zu erfolgen.
§ 230. (1) Nach der öffentlichen Verkündung dieses Beschlusses müssen sich alle Zuhörer entfernen.
(2) Richter und Staatsanwälte des Dienststandes, Richteramtsanwärter und Rechtspraktikanten sowie die in § 48 Abs. 1 Z 4 genannten Personen dürfen niemals ausgeschlossen werden. Angeklagte, Opfer, Privatbeteiligte oder Privatankläger können verlangen, dass drei Personen ihres Vertrauens der Zutritt gestattet werde. § 160 Abs. 2 und 3 ist sinngemäß anzuwenden.
§ 230a. Soweit die Öffentlichkeit einer Verhandlung ausgeschlossen worden ist, ist es untersagt, Mitteilungen daraus zu veröffentlichen. Auch kann das Gericht den anwesenden Personen die Geheimhaltung der Tatsachen zur Pflicht machen, die durch die Verhandlung zu ihrer Kenntnis gelangen. Dieser Beschluß ist im Verhandlungsprotokoll zu beurkunden. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 70)
2. Amtsverrichtungen des Vorsitzenden und des Schöffengerichts während der Hauptverhandlung
§ 232. (1) Der Vorsitzende leitet die Verhandlung.
(2) Er ist verpflichtet, die Ermittelung (Anm.: richtig: Ermittlung) der Wahrheit zu fördern, und hat dafür zu sorgen, daß Erörterungen unterbleiben, die die Hauptverhandlung ohne Nutzen für die Aufklärung der Sache verzögern würden.
(3) Er vernimmt den Angeklagten und die Zeugen und bestimmt die Reihenfolge, in der die Personen zu sprechen haben, die das Wort verlangen.
(4) Wenn mehrere Anklagepunkte vorliegen, kann er verfügen, daß über jeden oder über einzelne davon abgesondert zu verhandeln sei.
§ 233. (1) Dem Vorsitzenden liegt die Erhaltung der Ruhe und Ordnung und des der Würde des Gerichtes entsprechenden Anstandes im Gerichtssaal ob.
(2) Vor Gericht ist jedermann ein Sitz zu gestatten.
(3) Zeichen des Beifalles oder der Mißbilligung sind untersagt. Der Vorsitzende ist berechtigt, Personen, die die Sitzung durch solche Zeichen oder auf eine andere Weise stören, zur Ordnung zu ermahnen und nötigenfalls einzelne oder alle Zuhörer aus dem Sitzungssaal entfernen zu lassen. Widersetzt sich jemand oder werden die Störungen wiederholt, so kann der Vorsitzende über die Widersetzlichen eine Ordnungsstrafe bis zu 1 000 Euro, wenn es aber zur Aufrechterhaltung der Ordnung unerläßlich ist, eine Freiheitsstrafe bis zu acht Tagen verhängen.
§ 234. Wenn der Angeklagte die Ordnung der Verhandlung durch ungeziemendes Benehmen stört und ungeachtet der Ermahnung des Vorsitzenden und der Androhung, daß er aus der Sitzung werde entfernt werden, nicht davon absteht, so kann er durch Beschluß des Schöffengerichts auf einige Zeit oder für die ganze Dauer der Verhandlung aus dieser entfernt, die Sitzung in seiner Abwesenheit fortgesetzt und ihm das Urteil durch ein Mitglied des Schöffengerichts in Gegenwart des Schriftführers verkündet werden.
§ 235. Der Vorsitzende hat darüber zu wachen, daß gegen niemand Beschimpfungen oder offenbar ungegründete oder zur Sache nicht gehörige Beschuldigungen vorgebracht werden. Haben sich Angeklagte, Privatankläger, Privatbeteiligte, Opfer, Haftungsbeteiligte, Zeugen oder Sachverständige solche Äußerungen erlaubt, so kann das Schöffengericht gegen sie auf Antrag des Betroffenen oder der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen gemäß §§ 233 Abs. 3 und 234 vorgehen. Gegebenenfalls ist der Betroffene über seine Rechte zu belehren.
§ 236. (1) Macht sich ein Verteidiger (§ 48 Abs. 1 Z 4) oder ein Vertreter (§ 73), der nicht der Disziplinargewalt einer Standesbehörde unterliegt, eines solchen Verhaltens schuldig oder verletzt er die dem Gerichte gebührende Achtung, so kann er vom Schöffengericht mit einem Verweis oder einer Geldstrafe bis zum Betrage von 1 000 Euro belegt werden.
(2) Setzt ein solcher Vertreter sein ungebührliches Benehmen fort, so kann ihm der Vorsitzende das Wort entziehen und den Beteiligten zur Wahl eines anderen Vertreters auffordern. Kommt der Angeklagte einer solchen Aufforderung nicht nach, so kann ihm auch von Amts wegen ein Verteidiger beigegeben werden.
(3) Bei erschwerenden Umständen kann das Oberlandesgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft dem schuldigen Vertreter auch die Befugnis, als Vertreter in Strafsachen vor Gericht zu erscheinen, für die Dauer von einem bis zu sechs Monaten entziehen.
§ 236a. Macht sich ein Vertreter eines Beteiligten des Verfahrens, der der Disziplinargewalt einer Standesbehörde unterliegt, des im § 235 umschriebenen Verhaltens schuldig oder verletzt er die dem Gerichte gebührende Achtung, so kann der Vorsitzende nach Abmahnung die im § 236 Abs. 2 vorgesehenen Maßnahmen treffen.
§ 237. (1) Die auf Grund der §§ 233 bis 235 und 236 Abs. 1 und 2 ergehenden Beschlüsse sind sofort zu vollstrecken.
(2) Eine in den vorstehenden Bestimmungen vorgesehene Ordnungsstrafe ist nicht zu verhängen, soweit das Verhalten den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt (§§ 278 und 279), es sei denn, dass einer der in § 71 Abs. 2 zweiter Satz oder § 92 Abs. 1 zweiter Satz erwähnten Umstände eintritt.
(3) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 93/2007)
§ 238. (1) Über Beweisanträge (§ 55 Abs. 1 und 2), die in der Hauptverhandlung gestellt werden, entscheidet das Schöffengericht mit Beschluss (§ 40 Abs. 2 und § 116 Abs. 4 Geo), soweit ihnen der Vorsitzende (§ 254) nicht Folge zu geben gedenkt.
(2) Nach Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn von den Beteiligten des Verfahrens in der Hauptverhandlung sonst gegensätzliche Anträge gestellt werden oder der Vorsitzende einem unbestrittenen Antrag eines Beteiligten nicht Folge zu geben gedenkt.
(3) Der Beschluss ist samt seinen Entscheidungsgründen sofort, jedenfalls jedoch vor Schluss der Verhandlung mündlich zu verkünden. Den Beteiligten steht ein selbständiges, die weitere Verhandlung hemmendes Rechtsmittel gegen ihn nicht zu (§ 86 Abs. 3).
3. Beginn der Hauptverhandlung
§ 239. Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Angeklagte erscheint ungefesselt, jedoch, wenn er in Untersuchungshaft ist, in Begleitung einer Wache. Die zur Beweisführung etwa erforderlichen Gegenstände, die dem Angeklagten oder den Zeugen zur Anerkennung vorzulegen sind, müssen vor dem Beginn der Verhandlung in den Gerichtssaal gebracht werden.
§ 240. Der Vorsitzende befragt hierauf den Angeklagten um seinen Vor- und Familiennamen sowie alle früher geführten Namen, Tag und Ort seiner Geburt, seine Staatsangehörigkeit, die Vornamen seiner Eltern, seinen Beruf, seine Anschrift und erforderlichenfalls über andere persönliche Verhältnisse und ermahnt ihn zur Aufmerksamkeit auf die vorzutragende Anklage und auf den Gang der Verhandlung.
§ 240a. (1) Nach der Ermahnung des Angeklagten sind die Schöffen, die in demselben Jahre noch nicht beeidigt worden sind, bei sonstiger Nichtigkeit zu beeidigen. Die Schöffen erheben sich von den Sitzen und der Vorsitzende richtet an sie folgende Anrede: "Sie schwören und geloben vor Gott, die Beweise, die gegen und für den Angeklagten werden vorgebracht werden, mit der gewissenhaftesten Aufmerksamkeit zu prüfen, nichts unerwogen zu lassen, was zum Vorteil oder zum Nachteil des Angeklagten gereichen kann, das Gesetz, dem Sie Geltung verschaffen sollen, treu zu beobachten, vor Ihrem Ausspruch über den Gegenstand der Verhandlung mit niemand, außer mit den Mitgliedern des Schöffengerichts, Rücksprache zu nehmen, der Stimme der Zu- oder Abneigung, der Furcht oder der Schadenfreude kein Gehör zu geben, sondern sich mit Unparteilichkeit und Festigkeit nur nach den für und wider den Angeklagten vorgeführten Beweismitteln und Ihrer darauf gegründeten Überzeugung so zu entscheiden, wie Sie es vor Gott und Ihrem Gewissen verantworten können."
(2) Sodann wird jeder Schöffe einzeln vom Vorsitzenden aufgerufen und antwortet: "Ich schwöre, so wahr mir Gott helfe." Das Religionsbekenntnis der Schöffen macht hiebei keinen Unterschied. Nur solche, die keinem Religionsbekenntnis angehören oder deren Bekenntnis die Eidesleistung untersagt, werden durch Handschlag verpflichtet.
(3) Die Beeidigung gilt für die Dauer des Kalenderjahres; sie ist im Verhandlungsprotokoll und fortlaufend in einem besonderen Buche zu beurkunden.
§ 241. (1) Hierauf werden die Zeugen und Sachverständigen aufgerufen, soweit sie nicht erst für einen späteren Zeitpunkt vorgeladen worden sind; der Vorsitzende teilt ihnen mit, wo sie sich bis zu ihrer Vernehmung aufhalten können und zu welchem Zeitpunkt sie sich für die Vernehmung bereitzuhalten haben. Der Vorsitzende hat die nach den Umständen erforderlichen Vorkehrungen zu veranlassen, um Verabredungen und Besprechungen der Zeugen zu verhindern.
(2) Bei den Sachverständigen kann der Vorsitzende in allen Fällen, in denen er es für die Erforschung der Wahrheit zweckdienlich findet, verfügen, daß sie sowohl während der Vernehmung des Angeklagten als auch der Zeugen im Sitzungssaale bleiben.
§ 242. (1) Wenn Zeugen oder Sachverständige, der an sie ergangenen Vorladung ungeachtet, bei der Hauptverhandlung nicht erscheinen, so kann der Vorsitzende deren unverzügliche Vorführung anordnen.
(2) Ist die unverzügliche Vorführung nicht möglich, so ist über eine allfällige Verlesung der im Ermittlungsverfahren abgelegten Aussagen gemäß § 252 zu entscheiden oder aber die Hauptverhandlung zu vertagen.
(3) Über den Ausgebliebenen ist mit Beschluss des Vorsitzenden eine Geldstrafe bis zu 1 000 Euro zu verhängen. Musste die Hauptverhandlung vertagt werden, so ist der Ausgebliebene überdies in diesem Beschluss zum Ersatz der durch sein Ausbleiben verursachten Kosten zu verpflichten. Soweit dies erforderlich ist, um Anwesenheit des Ausgebliebenen beim neuen Termin sicherzustellen, hat der Vorsitzende dessen Vorführung anzuordnen (§ 210 Abs. 3).
§ 243. (1) Eine Beschwerde gegen einen Beschluss gemäß § 242 Abs. 3 ist beim erkennenden Schöffengericht einzubringen; ihr kommt aufschiebende Wirkung zu.
(2) Der Vorsitzende hat die verhängte Strafe nachzusehen, wenn der Zeuge oder Sachverständige bescheinigt, dass ihm die Ladung zur Hauptverhandlung nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist oder dass ihn ein unvorhergesehenes und unabwendbares Hindernis von der Teilnahme an der Hauptverhandlung abgehalten hat. Der Vorsitzende kann auch eine Milderung aussprechen, wenn die Bescheinigung erbracht wird, dass die Strafe oder der Kostenersatz zur Schuld oder den Folgen des Ausbleibens unverhältnismäßig wäre.
(3) Wird der Beschwerde nicht durch eine im Abs. 2 erwähnten Maßnahme zur Gänze entsprochen, so hat sie der Vorsitzende dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorzulegen (§ 89). Im Übrigen ist gegen einen Beschluss gemäß Abs. 2 kein Rechtsmittel zulässig.
§ 244. (1) Nachdem die Zeugen abgetreten sind, erteilt der Vorsitzende dem Ankläger das Wort zum Vortrag der Anklage. Im Vortrag sind alle Anklagepunkte anzuführen und so weit zu begründen, wie dies zum Verständnis der Anklage erforderlich erscheint. Bei mehreren Angeklagten ist hiebei auf jeden einzelnen von ihnen Bezug zu nehmen. Falls ein Beschluss des Oberlandesgerichts vorliegt, nach dem ein Anklagepunkt zu entfallen hat, ist auch dieser zu berücksichtigen.
(2) Nach dem Vortrag der Anklage hat sich der Vorsitzende zu vergewissern, daß der Angeklagte von Gegenstand und Umfang der Anklage ausreichend in Kenntnis gesetzt ist.
(3) Der Verteidiger hat das Recht, auf den Vortrag der Anklage mit einer Gegenäußerung zu erwidern.
4. Vernehmung des Angeklagten
§ 245. (1) Hierauf wird der Angeklagte vom Vorsitzenden über den Inhalt der Anklage vernommen. Beantwortet der Angeklagte die Anklage mit der Erklärung, er sei nicht schuldig, so hat ihm der Vorsitzende zu eröffnen, daß er berechtigt sei, der Anklage eine zusammenhängende Erklärung des Sachverhaltes entgegenzustellen und nach Anführung jedes einzelnen Beweismittels seine Bemerkungen darüber vorzubringen. Weicht der Angeklagte von seinen früheren Aussagen ab, so ist er um die Gründe dieser Abweichung zu befragen. Der Vorsitzende kann in diesem Falle sowie dann, wenn der Angeklagte eine Antwort verweigert, das über die früheren Aussagen aufgenommene Protokoll ganz oder teilweise vorlesen sowie technische Aufnahmen über die Vernehmung des Beschuldigten (§ 172 Abs. 1) vorführen lassen.
(1a) Der Angeklagte ist auch über die gegen ihn erhobenen privatrechtlichen Ansprüche (§§ 67 Abs. 1 und 1 Abs. 3) zu vernehmen und zur Erklärung aufzufordern, ob und in welchem Umfang er diese anerkennt (§ 69 Abs. 2).
(eigene Anmerkung: Der Verweis dürfte richtig lauten: §§ 67 Abs. 1 und 71 Abs. 3)
(2) Für die Vernehmung des Angeklagten gilt § 164 Abs. 4.
(3) Der Angeklagte darf sich während der Hauptverhandlung mit seinem Verteidiger besprechen, jedoch nicht über die Beantwortung einzelner Fragen beraten.
5. Beweisverfahren
§ 246. (1) Nach der Vernehmung des Angeklagten sind die Beweise in der vom Vorsitzenden bestimmten Ordnung vorzuführen und in der Regel die vom Ankläger vorgebrachten Beweise zuerst aufzunehmen.
(2) Der Ankläger und der Angeklagte können im Laufe der Hauptverhandlung Beweismittel fallen lassen, jedoch nur, wenn der Gegner zustimmt.
§ 247. Zeugen und Sachverständige werden einzeln aufgerufen und in Anwesenheit der Beteiligten des Verfahrens vernommen. Sie sind vor ihrer Vernehmung zur Angabe der Wahrheit zu erinnern und über die Folgen einer falschen Aussage zu belehren.
§ 247a. (1) Ein Zeuge, der wegen seines Alters, wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit oder aus sonstigen erheblichen Gründen nicht in der Lage ist, vor Gericht zu erscheinen, kann unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung vernommen werden. Gleiches gilt in dem in § 153 Abs. 4 geregelten Fall, soweit Ankläger und Verteidiger einverstanden sind oder dies übereinstimmend beantragen.
(2) Ein Zeuge, der wegen seines Aufenthalts im Ausland nicht in der Lage oder nicht willens ist, vor Gericht zu erscheinen, kann in gleicher Weise vernommen werden, sofern die zuständige ausländische Behörde Rechtshilfe leistet.
§ 248. (1) Der Vorsitzende hat bei der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen grundsätzlich nach den für Vernehmungen im Ermittlungsverfahren geltenden Bestimmungen vorzugehen. Ist zu besorgen, dass der zu vernehmende Zeuge durch die Anwesenheit von anderen Zeugen in einer freien und vollständigen Aussage beeinflusst werden könnte, so hat der Vorsitzende anzuordnen, dass die betreffenden Zeugen den Verhandlungsort verlassen.
(2) Zeugen und Sachverständige haben nach ihrer Vernehmung so lange in der Sitzung anwesend zu bleiben, bis sie der Vorsitzende entlässt. Zeugen dürfen einander wegen ihrer Aussagen nicht zur Rede stellen.
(3) Dem Angeklagten muss nach der Vernehmung eines jeden Zeugen, Sachverständigen oder Mitangeklagten die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den jeweiligen Aussagen geboten werden.
§ 249. (1) Außer dem Vorsitzenden sind auch die übrigen Mitglieder des Schöffengerichts, die Beteiligten des Verfahrens und Opfer sowie deren Vertreter befugt, an jede zu vernehmende Person, nachdem sie das Wort hiezu vom Vorsitzenden erhalten haben, Fragen zu stellen.
(2) Der Vorsitzende hat unzulässige Fragen zurückzuweisen; Fragen, die sonst unangemessen erscheinen, kann er untersagen.
(3) Der Angeklagte kann zur Befragung eines Sachverständigen eine Person mit besonderem Fachwissen beiziehen, der ein Sitz neben dem Verteidiger zu gestatten ist. Diese darf den Verteidiger bei der Fragestellung unterstützen, ohne jedoch selbst Fragen an den Sachverständigen richten zu dürfen.
§ 250. (1) Der Vorsitzende ist befugt, ausnahmsweise den Angeklagten während der Abhörung eines Zeugen oder eines Mitangeklagten aus dem Sitzungssaal abtreten zu lassen. Er muß ihn aber, sobald er ihn nach seiner Wiedereinführung über den in seiner Abwesenheit verhandelten Gegenstand vernommen hat, von allem in Kenntnis setzen, was in seiner Abwesenheit vorgenommen wurde, insbesondere von den Aussagen, die inzwischen gemacht worden sind.
(2) Ist diese Mitteilung unterblieben, so muß sie jedenfalls bei sonstiger Nichtigkeit vor Schluß des Beweisverfahrens nachgetragen werden.
(3) Opfer gemäß § 65 Z 1 lit. a hat der Vorsitzende auf ihren Antrag auf die in § 165 Abs. 3 beschriebene Art und Weise zu vernehmen; im Übrigen hat er bei der Vernehmung von Zeugen § 165 sinngemäß anzuwenden. Dabei hat er auch den bei der Befragung nicht anwesenden Mitgliedern des Schöffengerichts Gelegenheit zu geben, die Vernehmung des Zeugen mitzuverfolgen und den Zeugen zu befragen.
§ 251. Die Beteiligten des Verfahrens können verlangen, dass sich Zeugen nach ihrer Vernehmung aus dem in § 248 Abs. 1 letzter Satz genannten Grund aus dem Sitzungssaal entfernen und später wieder aufgerufen und entweder allein oder in Gegenwart anderer Zeugen erneut vernommen werden. Der Vorsitzende kann dies auch von Amts wegen anordnen.
§ 252. (1) Protokolle über die Vernehmung von Mitbeschuldigten und Zeugen, Protokolle über die Aufnahme von Beweisen, Amtsvermerke und andere amtliche Schriftstücke, in denen Aussagen von Zeugen oder Mitbeschuldigten festgehalten worden sind, Gutachten von Sachverständigen sowie Ton- und Bildaufnahmen über die Vernehmung von Mitbeschuldigten oder Zeugen dürfen bei sonstiger Nichtigkeit nur in den folgenden Fällen verlesen oder vorgeführt werden.
1. wenn die Vernommenen in der Zwischenzeit gestorben sind; wenn ihr Aufenthalt unbekannt oder ihr persönliches Erscheinen wegen ihres Alters, wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit oder wegen entfernten Aufenthaltes oder aus anderen erheblichen Gründen füglich nicht bewerkstelligt werden konnte;
2. wenn die in der Hauptverhandlung Vernommenen in wesentlichen Punkten von ihren früher abgelegten Aussagen abweichen;
2a. wenn Zeugen die Aussage berechtigt verweigern (§§ 156, 157 und 158) und die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte Gelegenheit hatten, sich an einer gerichtlichen Vernehmung zu beteiligen (§§ 165, 247);
3. wenn Zeugen, ohne dazu berechtigt zu sein, oder wenn Mitangeklagte die Aussage verweigern; endlich
4. wenn über die Vorlesung Ankläger und Angeklagter einverstanden sind.
(2) Amtsvermerke über einen Augenschein (§ 149 Abs. 2) und Befunde, gegen den Angeklagten früher ergangene Straferkenntnisse sowie Urkunden und Schriftstücke anderer Art, die für die Sache von Bedeutung sind, müssen vorgelesen werden.
(2a) Anstelle der Vorlesung oder Vorführung (Abs. 1 und 2) kann der Vorsitzende den erheblichen Inhalt der Aktenstücke vortragen, soweit die Beteiligten des Verfahrens zustimmen und die Aktenstücke sowohl allen Mitgliedern des Schöffengericht als auch den Beteiligten zugänglich sind.
(3) Nach jeder Vorlesung und jedem Vortrag (Abs. 2a) ist der Angeklagte zu befragen, ob er darüber etwas zu bemerken habe. Er kann dabei auch auf andere Teile der vorgetragenen Aktenstücke eingehen und die Vorlesung dieser oder anderer Aktenstücke verlangen, die für die Sache von Bedeutung sind.
(4) Die Bestimmungen des Abs. 1 dürfen bei sonstiger Nichtigkeit nicht umgangen werden.
§ 253. Im Laufe oder am Schlusse des Beweisverfahrens läßt der Vorsitzende dem Angeklagten und, soweit es nötig ist, den Zeugen und Sachverständigen die Gegenstände, die zur Aufklärung des Sachverhaltes dienen können, vorlegen und fordert sie auf, sich zu erklären, ob sie diese anerkennen.
§ 254. (1) Der Vorsitzende ist ermächtigt, ohne Antrag der Beteiligten des Verfahrens Zeugen und Sachverständige, von denen nach dem Gange der Verhandlung Aufklärung über erhebliche Tatsachen zu erwarten ist, im Laufe des Verfahrens vorladen und nötigenfalls vorführen zu lassen und zu vernehmen.
(2) Der Vorsitzende kann auch neue Sachverständige bestellen oder die Aufnahme anderer Beweise anordnen, insbesondere einen Augenschein in Anwesenheit der Beteiligten des Verfahrens durchführen oder durch den beisitzenden Richter vornehmen lassen. Soweit besondere Umstände eine Durchführung der Beweisaufnahme vor dem Schöffengericht nicht zulassen, ist über die Ergebnisse in der Hauptverhandlung zu berichten.
6. Vorträge der Parteien
§ 255. (1) Nachdem der Vorsitzende das Beweisverfahren für geschlossen erklärt hat, erhält zuerst der Ankläger das Wort, um die Ergebnisse der Beweisführung zusammenzufassen und seine Anträge sowohl wegen der Schuld des Angeklagten als auch wegen der gegen ihn anzuwendenden Strafbestimmungen zu stellen und zu begründen. Einen bestimmten Antrag über die Bemessung der Strafe innerhalb des gesetzlichen Strafsatzes hat der Ankläger nicht zu stellen.
(2) Der Privatbeteiligte erhält zunächst nach dem Staatsanwalte das Wort.
(3) Dem Angeklagten und seinem Verteidiger steht das Recht zu, darauf zu antworten. Findet der Staatsanwalt, der Privatankläger oder der Privatbeteiligte hierauf etwas zu erwidern, so gebührt dem Angeklagten und seinem Verteidiger jedenfalls die Schlußrede.
§ 256. (1) In der Regel ist in den Schlußvorträgen über alle im Urteile zu entscheidenden Fragen zu verhandeln.
(2) Doch steht es dem Vorsitzenden oder dem Schöffengericht (§ 238) frei, zu verfügen, daß die Schlußvorträge über die Schuldfrage von denen über die Strafbestimmungen, über die privatrechtlichen Ansprüche und über die Prozeßkosten zu trennen seien. In diesen Fällen werden, nachdem das Schöffengericht über die Schuld des Angeklagten entschieden und seinen Ausspruch verkündet hat, neuerlich Schlußvorträge gehalten, die jedoch auf die noch zu entscheidenden Fragen einzuschränken sind.
7. Urteil des Gerichtshofes
§ 257. Nachdem der Vorsitzende die Verhandlung für geschlossen erklärt hat, zieht sich das Schöffengericht zur Urteilsfällung in das Beratungszimmer zurück. Der Angeklagte wird, wenn er verhaftet ist, einstweilen aus dem Sitzungssaal abgeführt.
§ 258. (1) Das Gericht hat bei der Urteilsfällung nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in der Hauptverhandlung vorgekommen ist. Aktenstücke können nur insoweit als Beweismittel dienen, als sie bei der Hauptverhandlung vorgelesen oder vom Vorsitzenden vorgetragen (§ 252 Abs. 2a) worden sind.
(2) Das Gericht hat die Beweismittel auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft sowohl einzeln als auch in ihrem inneren Zusammenhange sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen. Über die Frage, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen sei, entscheiden die Richter nicht nach gesetzlichen Beweisregeln, sondern nur nach ihrer freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnenen Überzeugung.
(3) Bei der Beurteilung der Aussage eines Zeugen, dem nach § 162 gestattet worden ist, bestimmte Fragen nicht zu beantworten, ist insbesondere zu prüfen, ob dem Gericht und den Beteiligten ausreichend Gelegenheit geboten war, sich mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Beweiskraft seiner Aussage auseinanderzusetzen.
§ 259. Der Angeklagte wird durch Urteil des Schöffengerichts von der Anklage freigesprochen:
1. wenn sich zeigt, daß das Strafverfahren ohne den Antrag eines gesetzlich berechtigten Anklägers eingeleitet oder gegen dessen Willen fortgesetzt worden sei;
2. wenn der Ankläger nach Eröffnung der Hauptverhandlung und ehe das Schöffengericht sich zur Schöpfung des Urteiles zurückzieht, von der Anklage zurücktritt;
3. wenn das Schöffengericht erkennt, daß die der Anklage zugrunde liegende Tat vom Gesetze nicht mit Strafe bedroht oder der Tatbestand nicht hergestellt oder nicht erwiesen sei, daß der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat begangen habe, oder daß Umstände vorliegen, durch die die Strafbarkeit aufgehoben oder die Verfolgung aus anderen als den unter Z. 1 und 2 angegebenen Gründen ausgeschlossen ist.
§ 260. (1) Wird der Angeklagte schuldig befunden, so muß das Strafurteil aussprechen:
1. welcher Tat der Angeklagte schuldig befunden worden ist, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände;
2. welche strafbare Handlung durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen, deren der Angeklagte schuldig befunden worden ist, begründet wird, unter gleichzeitigem Ausspruch, ob die strafbare Handlung ein Verbrechen oder ein Vergehen ist;
3. zu welcher Strafe der Angeklagte verurteilt wird; und zwar diese drei Punkte bei sonstiger Nichtigkeit; außerdem ist noch beizufügen:
4. welche strafgesetzlichen Bestimmungen auf ihn angewendet wurden;
5. die Entscheidung über die geltend gemachten Entschädigungsansprüche und über die Prozeßkosten.
(2) Wird der Angeklagte wegen vorsätzlicher und fahrlässiger Taten
1. zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, so ist im Anschluss an den Strafausspruch festzustellen, ob auf eine oder mehrere vorsätzlich begangene Straftaten eine mehr als einjährige Freiheitsstrafe entfällt, oder
2. zu einer nicht bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist im Anschluss an den Strafausspruch festzustellen, ob auf eine oder mehrere vorsätzlich begangene Straftaten eine nicht bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten entfällt.
(3) Ist die im Abs. 2 genannte Feststellung im Strafurteil unterblieben, so ist sie von Amts wegen oder auf Antrag eines zur Ergreifung der Nichtigkeitsbeschwerde Berechtigten mit Beschluß nachzuholen. Gegen diesen Beschluß, der dem Ankläger und dem Angeklagten zuzustellen ist, steht jedem zur Ergreifung der Nichtigkeitsbeschwerde Berechtigten die binnen vierzehn Tagen einzubringende Beschwerde an das Oberlandesgericht zu. Ist außer über die Beschwerde noch über eine von wem immer ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde zu entscheiden, so entscheidet der Oberste Gerichtshof auch über die Beschwerde.
§ 261. (1) Erachtet das Schöffengericht, daß die der Anklage zugrunde liegenden Tatsachen an sich oder in Verbindung mit den in der Hauptverhandlung hervorgetretenen Umständen eine zur Zuständigkeit des Geschworenengerichtes gehörige strafbare Handlung begründen, so spricht es seine Unzuständigkeit aus.
(2) Sobald dieses Urteil rechtskräftig ist, hat die Staatsanwaltschaft binnen dreier Monate bei sonstigem Verlust des Verfolgungsrechts das Ermittlungsverfahren fortzuführen oder die Anordnung der Hauptverhandlung vor dem Geschworenengericht zu beantragen, wenn weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind. Im ersten Falle muß eine neue Anklageschrift eingebracht werden; außer diesem Fall aber ist bei der neuen Hauptverhandlung die ursprüngliche Anklageschrift und der nach diesem Paragraphen gefällte Ausspruch des Schöffengerichtes zu verlesen.
§ 262. Erachtet das Schöffengericht, daß die der Anklage zugrunde liegenden Tatsachen an sich oder in Verbindung mit den erst in der Hauptverhandlung hervorgetretenen Umständen eine andere als die in der Anklage bezeichnete, nicht einem Gerichte höherer Ordnung vorbehaltene strafbare Handlung begründen, so hat es die Beteiligten des Verfahrens über den geänderten rechtlichen Gesichtspunkt zu hören und über einen allfälligen Vertagungsantrag zu entscheiden. Das Urteil schöpft es nach seiner rechtlichen Überzeugung, ohne an die in der Anklageschrift enthaltene Bezeichnung der Tat gebunden zu sein.
§ 263. (1) Wird der Angeklagte bei der Hauptverhandlung noch einer anderen Tat beschuldigt, als wegen der er angeklagt ist, so kann das Schöffengericht, wenn sie von Amts wegen zu verfolgen ist, auf Antrag des Staatsanwaltes oder des Opfers, in anderen Fällen aber nur auf Begehren des zur Privatanklage Berechtigten die Verhandlung und das Urteil auch auf diese Tat ausdehnen. Die Zustimmung des Angeklagten ist nur dann erforderlich, wenn er bei seiner Verurteilung wegen dieser Tat unter ein strengeres als das Strafgesetz fiele, das auf die in der Anklageschrift angeführte strafbare Handlung anzuwenden wäre.
(2) Verweigert in einem solchen Falle der Angeklagte seine Zustimmung zur sofortigen Aburteilung oder kann nicht sofort geurteilt werden, weil eine sorgfältigere Vorbereitung nötig erscheint oder weil das Schöffengericht zur Aburteilung über die hinzugekommene Straftat nicht zuständig ist, so hat sich das Urteil auf den Gegenstand der Anklage zu beschränken und dem Ankläger - auf sein Verlangen - die selbständige Verfolgung wegen der hinzugekommenen Tat vorzubehalten, außer welchem Falle wegen dieser Tat eine Verfolgung nicht mehr zulässig ist.
(3) Nach Umständen kann das Schöffengericht auch, wenn es über die hinzugekommene Tat nicht sofort aburteilt, die Hauptverhandlung abbrechen und die Entscheidung über alle dem Angeklagten zur Last fallenden Straftaten einer neuen Hauptverhandlung vorbehalten.
(4) In beiden Fällen muss der Ankläger binnen dreier Monate bei sonstigem Verlust des Verfolgungsrechts von der Verfolgung zurücktreten (§ 209 Abs. 1), die Anklage einbringen oder das Ermittlungsverfahren fortführen.
§ 264. (1) Wird gegen den Angeklagten ein Strafurteil gefällt, so steht dessen Vollstreckung der Umstand nicht entgegen, daß die Verfolgung wegen einer anderen Straftat noch vorbehalten ist.
(2) Macht der Ankläger von dem im § 263 erwähnten Vorbehalte Gebrauch, so kann das Schöffengericht anordnen, daß die Vollstreckung des unter diesem Vorbehalt erlassenen Urteiles bis zur Entscheidung über die neue Anklage auf sich zu beruhen habe. In diesem Falle sind beide Urteile hinsichtlich der Rechtsmittel so zu behandeln, als wären sie gleichzeitig gefällt worden.
§ 265. (1) Liegen die zeitlichen Voraussetzungen für die bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe infolge Anrechnung einer Vorhaft, einer im Ausland verbüßten Strafe oder des verbüßten Teils einer Freiheitsstrafe, auf die nach §§ 31, 40 StGB Bedacht zu nehmen ist, schon im Zeitpunkt des Urteils vor, so hat das Gericht dem Angeklagten den Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit mit Beschluss bedingt nachzusehen, wenn auch die übrigen im § 46 StGB genannten Voraussetzungen vorliegen. Gleiches gilt, wenn die Voraussetzungen im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung vorliegen.
(2) Für den Beschluß nach Abs. 1 und für das Verfahren nach einer solchen bedingten Entlassung gelten die Bestimmungen des 24. Hauptstückes dem Sinne nach.
§ 265a. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 82)
§ 265b. (Aufgehoben)
§ 265c. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 82)
§ 266. (1) Das Gericht kann im Strafurteil aussprechen, dass eine Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest (§ 156b StVG) für einen bestimmten, längstens für den im § 46 Abs. 1 StGB genannten Zeitraum nicht in Betracht kommt, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass eine solche Anhaltung nicht genügen werde, um den Verurteilten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, oder es ausnahmsweise der Vollstreckung der Strafe in der Anstalt bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. § 43 Abs. 1 letzter Satz StGB gilt dabei sinngemäß. Dieser Ausspruch oder sein Unterbleiben bildet einen Teil des Ausspruchs über die Strafe und kann zugunsten und zum Nachteil des Beschuldigten mit Berufung angefochten werden.
(2) Wenn nachträglich Umstände eintreten oder bekannt werden, bei deren Vorliegen im Zeitpunkt des Urteils kein Ausspruch nach Abs. 1 gefällt worden wäre, so hat das Gericht diesen aufzuheben.
§ 267. An die Anträge des Anklägers ist das Schöffengericht nur insoweit gebunden, daß es den Angeklagten nicht einer Tat schuldig erklären kann, auf die die Anklage weder ursprünglich gerichtet noch während der Hauptverhandlung ausgedehnt wurde (§ 4 Abs. 3).
8. Verkündung und Ausfertigung des Urteiles
§ 268. Unmittelbar nach dem Beschlusse des Schöffengerichts ist der Angeklagte wieder vorzuführen oder vorzurufen und ist in öffentlicher Sitzung vom Vorsitzenden das Urteil samt dessen wesentlichen Gründen unter Verlesung der angewendeten Gesetzesbestimmungen zu verkünden. Zugleich belehrt der Vorsitzende den Angeklagten über die ihm zustehenden Rechtsmittel.
§ 269. Hat sich der Angeklagte zur Urteilsverkündung nicht eingefunden, so kann der Vorsitzende ihn zu diesem Zwecke vorführen lassen oder anordnen, daß ihm das Urteil entweder durch einen hiezu abgeordneten Richter mündlich eröffnet oder in Abschrift zugestellt werde.
§ 270. (1) Jedes Urteil muß binnen vier Wochen vom Tage der Verkündung schriftlich ausgefertigt und vom Vorsitzenden unterschrieben werden.
(2) Die Urteilsausfertigung muß enthalten:
1. die Bezeichnung des Gerichtes und die Namen der anwesenden Mitglieder des Schöffengerichts sowie der Beteiligten des Verfahrens;
2. den Vor- und den Familiennamen sowie alle früher geführten Namen, Tag und Ort der Geburt, die Staatsangehörigkeit und den Beruf des Angeklagten sowie den Namen des Verteidigers;
3. den Tag der Hauptverhandlung und des ergehenden Urteiles;
4. den Ausspruch des Schöffengerichts über die Schuld des Angeklagten, und zwar im Fall einer Verurteilung mit allen in § 260 angeführten Punkten; schließlich
5. die Entscheidungsgründe. In diesen muß in gedrängter Darstellung, aber mit voller Bestimmtheit angegeben sein, welche Tatsachen und aus welchen Gründen das Schöffengericht sie als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen hat, von welchen Erwägungen es bei der Entscheidung der Rechtsfragen und bei Beseitigung der vorgebrachten Einwendungen geleitet wurde und, im Fall einer Verurteilung, welche Erschwerungs- und Milderungsumstände er gefunden hat. Im Falle einer Verurteilung zu einer in Tagessätzen bemessenen Geldstrafe sind die für die Bemessung des Tagessatzes maßgebenden Umstände (§ 19 Abs. 2 StGB) anzugeben. Bei einem freisprechenden Urteile haben die Entscheidungsgründe insbesondere deutlich anzugeben, aus welchem der im § 259 angegebenen Gründe sich das Schöffengericht zur Freisprechung bestimmt gefunden hat.
(3) Schreib- und Rechenfehler, ferner solche Formgebrechen und Auslassungen, die nicht die im § 260 Abs. 1 Z. 1 bis 3 und Abs. 2 erwähnten Punkte betreffen, hat der Vorsitzende jederzeit, allenfalls nach Anhörung der Beteiligten, zu berichtigen. Die Zurückweisung eines auf eine solche Berichtigung abzielenden Antrages sowie die vorgenommene Berichtigung können von jedem zur Ergreifung der Nichtigkeitsbeschwerde Berechtigten oder sonst Beteiligten mit der binnen vierzehn Tagen einzubringenden Beschwerde an das Oberlandesgericht angefochten werden. Ist außer über die Beschwerde noch über eine von wem immer ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde zu entscheiden, so entscheidet der Oberste Gerichtshof auch über die Beschwerde. Die beschlossene Verbesserung ist am Rande des Urteils beizusetzen und muß allen Ausfertigungen beigefügt werden.
(4) Verzichten die Beteiligten des Verfahrens auf ein Rechtsmittel oder melden sie innerhalb der dafür offen stehenden Frist kein Rechtsmittel an, so kann das Urteil in gekürzter Form ausgefertigt werden, es sei denn, dass eine zwei Jahre übersteigende Freiheitsstrafe verhängt oder eine mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme oder ein Tätigkeitsverbot (§ 220b StGB) angeordnet worden ist. Die gekürzte Urteilsausfertigung hat zu enthalten: 1. die im Abs. 2 enthaltenen Angaben mit Ausnahme der Entscheidungsgründe; 2. im Fall einer Verurteilung die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung sowie die für die Strafbemessung und gegebenenfalls die für die Bemessung des Tagessatzes (§ 19 Abs. 2 StGB) maßgebenden Umstände in Schlagworten; 3. im Fall eines Freispruchs eine gedrängte Darstellung der dafür maßgebenden Gründe.
9. Protokollführung
§ 271. (1) Über die Hauptverhandlung ist bei sonstiger Nichtigkeit ein Protokoll aufzunehmen, für das – soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt wird - § 96 Abs. 2 und 3 anzuwenden ist; es hat insbesondere zu enthalten:
1. die Bezeichnung des Gerichts sowie Ort, Beginn und Ende der Hauptverhandlung,
2. die Namen der Mitglieder des Schöffengerichts, der Beteiligten des Verfahrens und ihrer Vertreter und, wenn ein Schriftführer beigezogen wurde, dessen Namen,
3. die Namen der beigezogenen Dolmetscher, der vernommenen Zeugen und Sachverständigen,
4. alle wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens,
5. die Bezeichnung der verlesenen und vorgetragenen Schriftstücke (§ 252 Abs. 2a und 3),
6. alle Anträge der Beteiligten des Verfahrens und die darüber getroffenen Entscheidungen,
7. den Spruch des Urteils mit den in § 260 Abs. 1 Z 1 bis 3 bezeichneten Angaben.
Den Beteiligten des Verfahrens steht es frei, die Feststellung einzelner Punkte im Protokoll zur Wahrung ihrer Rechte zu verlangen.
(1a) Unter den Voraussetzungen des § 270 Abs. 4 kann das Verhandlungsprotokoll durch einen vom Vorsitzenden zu unterschreibenden Vermerk ersetzt werden, der lediglich die in Abs. 1 Z 1 bis 3 angeführten Angaben enthält.
(2) Dem Schriftführer kann bei entsprechender Eignung die selbstständige Abfassung der Verhandlungsmitschrift und deren Übertragung überlassen werden, ansonsten nach Abs. 4 zweiter Satz vorzugehen ist. Der Schriftführer darf sich zur Unterstützung eines technischen Hilfsmittels bedienen.
(3) Die Antworten des Angeklagten (§ 245) und die Aussagen von Zeugen und Sachverständigen sind ihrem wesentlichen Inhalt nach zusammengefasst in das Protokoll aufzunehmen, soweit nicht deren wörtliche Wiedergabe für die Urteilsfällung erforderlich erscheint. Werden Zeugen oder Sachverständige in der Hauptverhandlung nicht das erste Mal vernommen, so sind nur Abweichungen, Veränderungen oder Zusätze der bereits in den Akten enthaltenen Angaben in das Protokoll aufzunehmen.
(4) Hat der Vorsitzende von der Beiziehung eines Schriftführers abgesehen, so sind die Angaben nach Abs. 1 Z 1 bis 3 in Vollschrift festzuhalten. Im Übrigen sind die Angaben über Verlauf und Inhalt der Hauptverhandlung nach Abs. 1 Z 4 bis 7 und Abs. 3 vom Vorsitzenden oder einem von ihm beauftragten richterlichen Mitglied des Schöffengerichts für die Anwesenden hörbar zu diktieren. Das Diktat ist unter Verwendung eines technischen Hilfsmittels aufzunehmen oder sofort zu übertragen.
(5) Sachverständige haben auf Anordnung des Vorsitzenden Befund und Gutachten sowie deren Ergänzungen selbst auf die im Abs. 4 beschriebene Art zu diktieren.
(6) Der Inhalt der Aufnahme oder der Mitschrift ist auf Verlangen eines Beteiligten des Verfahrens wiederzugeben. Tonaufnahme und Verhandlungsmitschrift sind unverzüglich in Vollschrift zu übertragen. Diese Übertragung sowie die bereits in Vollschrift aufgenommenen Angaben bilden das Verhandlungsprotokoll, das vom Vorsitzenden sowie, soweit ein solcher beigezogen wurde, vom Schriftführer zu unterschreiben ist. Eine Ausfertigung des Protokolls ist den Beteiligten, soweit sie nicht darauf verzichtet haben, ehestmöglich, spätestens aber zugleich mit der Urteilsausfertigung zuzustellen.
(7) Für die Berichtigung von Schreib- und Rechenfehlern im Verhandlungsprotokoll gilt § 270 Abs. 3 erster Satz sinngemäß. Im Übrigen hat der Vorsitzende das Protokoll von Amts wegen oder auf Antrag einer zur Ergreifung von Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde berechtigten Partei nach Vornahme der erforderlichen Erhebungen durch Beschluss zu ergänzen oder zu berichtigen, soweit erhebliche Umstände oder Vorgänge im Protokoll der Hauptverhandlung zu Unrecht nicht erwähnt oder unrichtig wiedergegeben wurden. Der Antrag ist spätestens mit Ablauf der für die Ausführung einer gegen das Urteil angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung offen stehenden Frist einzubringen, ansonsten als unzulässig zurückzuweisen. Den Parteien ist Gelegenheit zur Stellungnahme zur in Aussicht genommenen oder begehrten Berichtigung oder Ergänzung und zu den Ergebnissen der gepflogenen Erhebungen binnen festzusetzender angemessener Frist einzuräumen. § 270 Abs. 3 zweiter bis vierter Satz gilt sinngemäß. Wird eine Ergänzung oder Berichtigung des Verhandlungsprotokolls nach Zustellung der Abschrift des Urteils an den Beschwerdeführer vorgenommen, so löst erst die neuerliche Zustellung die Fristen zur Ausführung angemeldeter Rechtsmittel (§§ 285 und 294) aus.
§ 271a. (1) Wenn der Vorsitzende es für zweckmäßig erachtet, kann die Protokollführung nach Maßgabe der den Gerichten zur Verfügung stehenden Ausstattung durch die Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- oder Bildaufnahme unterstützt werden. In diesem Fall ist der gesamte Verlauf der Hauptverhandlung unmittelbar aufzunehmen und dies allen Beteiligten zuvor bekannt zu machen. Abgesehen von den in § 271 Abs. 1 Z 1 bis 3 erwähnten Angaben kann der Vorsitzende Verhandlungsmitschrift oder Diktat auf die Anordnung beschränken, welche Teile der Aufnahme in Schriftform zu übertragen sind.
(2) Den Beteiligten des Verfahrens steht das Recht zu, die Wiedergabe der Aufnahme oder ihre Übersendung auf einem elektronischen Datenträger in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat zu verlangen. Zu übertragen ist eine solche Aufnahme nur, wenn es der Vorsitzende für zweckmäßig erachtet oder ein Beteiligter ein besonderes rechtliches Interesse daran glaubhaft macht und die vom Vorsitzenden zu bestimmenden Kosten der Übertragung übernimmt; § 77 Abs. 1 und 3 ist anzuwenden. Die Aufnahme ist als Beilage zum Akt zu nehmen.
(3) Wurde der gesamte Verlauf der Hauptverhandlung nach Abs. 1 aufgenommen und verzichten die Beteiligten des Verfahrens auf ein Rechtsmittel oder melden sie innerhalb der hiefür offen stehenden Frist kein Rechtsmittel an, so kann das Verhandlungsprotokoll durch einen vom Vorsitzenden zu unterschreibenden Vermerk ersetzt werden, der lediglich die in § 271 Abs. 1 Z 1 bis 3 angeführten Angaben enthält. Sofern sie ein rechtliches Interesse glaubhaft machen, können die Beteiligten des Verfahrens binnen vierzehn Tagen nach Verkündung des Urteils die Herstellung des Protokolls und die Zustellung einer Ausfertigung verlangen.
§ 272. Über die Beratungen und Abstimmungen während und am Schlusse der Hauptverhandlung ist in den Fällen, wo sich das Gericht zur Beschlußfassung in das Beratungszimmer zurückgezogen hat, ein abgesondertes Protokoll zu führen.
10. Vertagung der Hauptverhandlung
§ 273. Die Hauptverhandlung darf, wenn sie begonnen hat, nur insoweit unterbrochen werden, als es der Vorsitzende zur nötigen Erholung der dabei beteiligten Personen oder zur unverzüglichen Herbeischaffung von Beweismitteln erforderlich findet; sie kann nach dem Ermessen des Schöffengerichts in dringenden Fällen auch an einem Sonn- oder Feiertage fortgesetzt werden.
§ 274. Ist der Verteidiger, ungeachtet gehöriger Ladung, bei der Hauptverhandlung nicht erschienen oder hat er sich vor deren Schluß entfernt oder tritt der im § 236 Abs. 2 vorgesehene Fall ein, und kann ein anderer Verteidiger überhaupt nicht oder doch nicht ohne Beeinträchtigung der Verteidigung des Angeklagten bestellt werden, so ist die Verhandlung zu vertagen. Die Kosten der Bestellung eines anderen Vertreters und der Vertagung hat der schuldige Verteidiger zu tragen.
§ 275. Erkrankt der Angeklagte während der Hauptverhandlung in dem Maße, daß er ihr nicht weiter beiwohnen kann, und willigt er nicht selbst ein, daß die Verhandlung in seiner Abwesenheit fortgesetzt und seine im Ermittlungsverfahren oder in einer früheren Hauptverhandlung abgelegte Aussage vorgelesen werde, so ist die Verhandlung zu vertagen.
§ 276. Für die Vertagung der Hauptverhandlung gilt § 226.
§ 276a. Ist die Verhandlung, nachdem sie begonnen hatte, vertagt worden (§§ 274 bis 276), so kann der Vorsitzende in der späteren Verhandlung die wesentlichen Ergebnisse der früheren nach dem Protokoll und den sonst zu berücksichtigenden Akten mündlich vortragen und die Fortsetzung der Verhandlung daran anknüpfen. Die Verhandlung ist jedoch zu wiederholen, wenn sich die Zusammensetzung des Gerichtes geändert hat oder seit der Vertagung mehr als zwei Monate verstrichen sind, es sei denn, dass beide Teile auf die Wiederholung wegen Überschreitung der Frist von zwei Monaten verzichten.
11. Zwischenfälle
§ 277. Ergibt sich aus der Hauptverhandlung mit Wahrscheinlichkeit, daß ein Zeuge wissentlich falsch ausgesagt habe, so kann der Vorsitzende über dessen Aussage ein Protokoll aufnehmen und nach geschehener Vorlesung und Genehmigung vom Zeugen unterfertigen lassen; er kann den Zeugen auch festnehmen und dem Einzelrichter des Landesgerichts vorführen lassen.
§ 278. (1) Wird während der Hauptverhandlung im Sitzungssaal eine strafbare Handlung verübt und dabei der Täter auf frischer Tat betreten, so kann darüber mit Unterbrechung der Hauptverhandlung oder an deren Schluß auf Antrag des dazu berechtigten Anklägers sowie nach Vernehmung des Beschuldigten und der vorhandenen Zeugen vom versammelten Gerichte sogleich abgeurteilt werden. Rechtsmittel gegen ein solches Urteil haben keine aufschiebende Wirkung.
(2) Ist zur Aburteilung ein Gericht höherer Ordnung zuständig oder die sofortige Aburteilung nicht tunlich, so läßt der Vorsitzende den Täter dem Einzelrichter des Landesgerichts vorführen.
(3) Über einen solchen Vorgang ist ein besonderes Protokoll aufzunehmen.
§ 279. Hat der Angeklagte während der Hauptverhandlung eine strafbare Handlung begangen, so sind die Bestimmungen des § 263 voll anzuwenden.
II. Rechtsmittel gegen das Urteil
§ 280. Gegen die Urteile der Landesgerichte als Schöffengerichte (§ 31 Abs. 3) stehen nur die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung offen. Die Nichtigkeitsbeschwerde geht an den Obersten Gerichtshof, die Berufung an das Oberlandesgericht.
§ 281. (1) Die Nichtigkeitsbeschwerde kann gegen ein freisprechendes Urteil nur zum Nachteile, gegen ein verurteilendes sowohl zum Vorteile als auch zum Nachteile des Angeklagten ergriffen werden, jedoch, sofern sie nicht nach besonderen gesetzlichen Vorschriften auch in anderen Fällen zugelassen ist, nur wegen eines der folgenden Nichtigkeitsgründe:
1. wenn das Schöffengericht nicht gehörig besetzt war, wenn nicht alle Richter der ganzen Verhandlung beiwohnten oder wenn sich ein ausgeschlossener Richter (§§ 43 und 46) an der Entscheidung beteiligte; es sei denn, daß der die Nichtigkeit begründende Tatumstand dem Beschwerdeführer noch vor oder während der Hauptverhandlung bekannt und von ihm nicht gleich beim Beginne der Hauptverhandlung oder sofort, nachdem er in dessen Kenntnis gelangt war, geltend gemacht wurde;
1a. wenn der Angeklagte nicht während der ganzen Hauptverhandlung durch einen Verteidiger vertreten war, obwohl dies zwingend vorgeschrieben war;
2. wenn ein Protokoll oder ein anderes amtliches Schriftstück über eine nichtige Erkundigung oder Beweisaufnahme im Ermittlungsverfahren trotz Widerspruchs des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung verlesen wurde;
3. wenn in der Hauptverhandlung eine Bestimmung verletzt oder missachtet worden ist, deren Einhaltung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet (§§ 126 Abs. 4, 140 Abs. 1, 144 Abs. 1, 155 Abs. 1, 157 Abs. 2 und 159 Abs. 3, 221 Abs. 2, 228, 240a, 250, 252, 260, 271, 427, 430 Abs. 3 und 4 sowie 439 Abs. 1 und 2);
4. wenn während der Hauptverhandlung über einen Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt worden ist oder wenn durch einen gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefassten Beschluss Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet worden sind, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften, insbesondere durch Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 oder sonst durch das Wesen eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens geboten ist;
5. wenn der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen (§ 270 Abs. 2 Z. 4 und 5) undeutlich, unvollständig oder mit sich selbst im Widerspruch ist; wenn für diesen Ausspruch keine oder nur offenbar unzureichende Gründe angegeben sind; oder wenn zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über den Inhalt einer bei den Akten befindlichen Urkunde oder über eine Aussage und der Urkunde oder dem Vernehmungs- oder Sitzungsprotokoll selbst ein erheblicher Widerspruch besteht;
5a. wenn sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben;
6. wenn das Schöffengericht zu Unrecht seine Unzuständigkeit (§ 261) ausgesprochen hat;
7. wenn das ergangene Endurteil die Anklage nicht erledigt oder
8. diese gegen die Vorschrift der §§ 262, 263 und 267 überschritten hat;
9. wenn durch den Ausspruch über die Frage,
a) ob die dem Angeklagten zur Last fallende Tat eine zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründe;
b) ob Umstände vorhanden seien, durch die die Strafbarkeit der Tat aufgehoben oder die Verfolgung wegen der Tat ausgeschlossen ist, endlich
c) ob die nach dem Gesetz erforderliche Anklage fehle, ein Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet wurde;
10. wenn die der Entscheidung zugrunde liegende Tat durch unrichtige Gesetzesauslegung einem Strafgesetz unterzogen wurde, das darauf nicht anzuwenden ist;
10a. wenn nach der Bestimmung des § 199 über die Einstellung des Verfahrens, anderen auf sie verweisenden Vorschriften oder nach § 37 SMG vorzugehen gewesen wäre;
11. wenn das Schöffengericht seine Strafbefugnis überschritten oder bei dem Ausspruch über die Strafe für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Tatsachen offenbar unrichtig beurteilt oder in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen hat.
(2) Die im Abs. 1 Z. 1a und 5a erwähnten Nichtigkeitsgründe können zum Nachteil des Angeklagten nicht geltend gemacht werden.
(3) Die unter Abs. 1 Z. 2, 3 und 4 erwähnten Nichtigkeitsgründe können zum Vorteile des Angeklagten nicht geltend gemacht werden, wenn unzweifelhaft erkennbar ist, daß die Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte. Zum Nachteile des Angeklagten können sie, abgesehen von dem im § 282 Abs. 2 geregelten Fall, nur geltend gemacht werden, wenn erkennbar ist, daß die Formverletzung einen die Anklage beeinträchtigenden Einfluß auf die Entscheidung zu üben vermochte, und wenn außerdem der Ankläger sich ihr widersetzt, die Entscheidung des Schöffengerichts begehrt und sich sofort nach der Verweigerung oder Verkündung dieser Entscheidung die Nichtigkeitsbeschwerde vorbehalten hat.
§ 281a. Der Umstand, dass ein unzuständiges Oberlandesgericht die Rechtswirksamkeit der Anklageschrift festgestellt hat (§ 215), kann mit einer gegen das Urteil gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden.
§ 282. (1) Zugunsten des Angeklagten kann die Nichtigkeitsbeschwerde sowohl von ihm selbst als auch von seinem gesetzlichen Vertreter ergriffen werden. Soweit es sich um die Beurteilung der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe handelt, ist die zugunsten des Angeklagten von anderen ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde als von ihm selbst eingelegt anzusehen.
(2) Zum Nachteile des Angeklagten kann die Nichtigkeitsbeschwerde nur vom Staatsanwalt oder vom Privatankläger sowie vom Privatbeteiligten, jedoch von diesem nur im Fall eines Freispruchs und aus dem Grund des § 281 Abs. 1 Z 4 ergriffen werden. Der Privatbeteiligte kann den zuvor angeführten Nichtigkeitsgrund überdies nur insoweit geltend machen, als er wegen des Freispruchs auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde und erkennbar ist, dass die Abweisung eines von ihm in der Hauptverhandlung gestellten Antrags einen auf die Geltendmachung seiner privatrechtlichen Ansprüche nachteiligen Einfluss zu üben vermochte.
§ 283. (1) Die Berufung kann nur gegen den Ausspruch über die Strafe und gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche ergriffen werden.
(2) Wegen des Ausspruches über die Strafe kann die Berufung von allen zur Ergreifung der Nichtigkeitsbeschwerde Berechtigten mit Ausnahme des Privatbeteiligten ergriffen werden. Eine unterbliebene oder fehlerhafte Anrechnung einer Vorhaft oder einer im Ausland verbüßten Strafe kann mit Berufung nur dann geltend gemacht werden, wenn die Berufung zugleich aus anderen Gründen ergriffen wird.
(3) Die im § 260 Abs. 2 erwähnte Feststellung kann zugunsten und zum Nachteil des Angeklagten mit Berufung angefochten werden.
(4) Gegen die Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche können nur der Angeklagte und dessen gesetzlicher Vertreter und Erben Berufung einlegen. Gegen die Verweisung auf den Zivilrechtsweg können nach Maßgabe des § 366 Abs. 3 der Privatbeteiligte und seine Erben Berufung einlegen.
1. Verfahren bei Nichtigkeitsbeschwerden
§ 284. (1) Die Nichtigkeitsbeschwerde ist binnen drei Tagen nach Verkündung des Urteiles beim Landesgericht anzumelden. War der Angeklagte bei der Verkündung des Urteiles nicht gegenwärtig (§ 234), so ist sie binnen drei Tagen anzumelden, nachdem er vom Urteile verständigt wurde (§ 269).
(2) Für die im § 282 erwähnten Angehörigen des Angeklagten läuft die Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde von demselben Tage, von dem an sie für den Angeklagten beginnt.
(3) Die Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Entlassung eines freigesprochenen Angeklagten aus der Haft darf nur wegen einer Nichtigkeitsbeschwerde des Staatsanwaltes, und zwar bloß dann aufgeschoben werden, wenn diese sogleich bei Verkündung des Urteiles angemeldet wird und nach den Umständen die Annahme begründet ist, daß sich der Angeklagte dem Verfahren durch die Flucht entziehen werde. Gegen die Entlassung aus der Haft ist kein Rechtsmittel zulässig.
(4) Dem Beschwerdeführer muß, sofern dies nicht schon geschehen ist, eine Urteilsabschrift zugestellt werden.
§ 285. (1) Der Beschwerdeführer hat das Recht, binnen vier Wochen nach der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde, wenn ihm eine Urteilsabschrift aber erst nach der Anmeldung des Rechtsmittels zugestellt wurde, binnen vier Wochen nach der Zustellung eine Ausführung seiner Beschwerdegründe beim Gericht in zweifacher Ausfertigung zu überreichen. Er muss entweder in dieser Schrift oder bei Anmeldung seiner Beschwerde die Nichtigkeitsgründe einzeln und bestimmt bezeichnen, widrigens auf seine Beschwerde vom Obersten Gerichtshofe keine Rücksicht zu nehmen ist.
(2) Im Falle extremen Umfangs des Verfahrens hat das Landesgericht die in Abs. 1 genannte Frist auf Antrag des Beschwerdeführers um den Zeitraum zu verlängern, der - insbesondere im Hinblick auf eine ganz außergewöhnliche Dauer der Hauptverhandlung, einen solchen Umfang des Hauptverhandlungsprotokolls, des übrigen Akteninhalts und der Urteilsausfertigung - erforderlich ist, um eine ausreichende Vorbereitung der Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 lit. b der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, und Art. 2 des 7. Zusatzprotokolls, BGBl. Nr. 628/1988) oder der Verfolgung der Anklage zu gewährleisten.
(3) Ein Antrag nach Abs. 2 ist beim Landesgericht innerhalb der zur Ausführung der Beschwerde ansonsten zur Verfügung stehenden Frist schriftlich einzubringen. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende nach Maßgabe der in Abs. 2 genannten Kriterien und unter Bedachtnahme auf das Erfordernis einer angemessenen Dauer des Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958); gegen seinen Beschluss steht eine Beschwerde nicht zu. Die Zeit von der Antragstellung bis zur Bekanntmachung des Beschlusses wird in die Frist zur Ausführung der Gründe der Nichtigkeitsbeschwerde nicht eingerechnet; diese beginnt jedenfalls nicht zu laufen, ehe der Beschluss über den Antrag bekannt gemacht ist.
(4) Hat der Beschwerdeführer eine Beschwerdeschrift eingebracht, so ist sie seinem Gegner mit der Belehrung zuzustellen, dass er binnen vier Wochen seine Gegenausführung überreichen könne. Diese Frist kann unter sinngemäßer Anwendung der Abs. 2 und 3 verlängert werden.
(5) Die Gegenausführung ist dem Beschwerdeführer zuzustellen. Danach sind alle Akten an den Obersten Gerichtshof zu senden, der darüber zu entscheiden hat.
§ 285a. Das Landesgericht, bei dem eine gegen ein Endurteil gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet wird, hat diese zurückzuweisen:
1. wenn sie zu spät angemeldet oder wenn sie von einer Person eingebracht wurde, der die Nichtigkeitsbeschwerde nicht zukommt oder die auf sie verzichtet hat;
2. wenn nicht bei der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde oder in ihrer Ausführung einer der im § 281 Abs. 1 Z. 1 bis 11 oder im § 281a angegebenen Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet, insbesondere wenn der Tatumstand, der den Nichtigkeitsgrund bilden soll, nicht ausdrücklich oder doch durch deutliche Hinweisung angeführt ist;
3. wenn die unter Z. 2 geforderte Angabe, soweit es sich nicht um eine von der Staatsanwaltschaft erhobene Nichtigkeitsbeschwerde handelt, nicht entweder zu Protokoll oder in einer Eingabe gemacht wird, die von einem Verteidiger (§ 48 Abs. 1 Z 4) unterschrieben ist. Besteht der Mangel lediglich im Fehlen der Unterschrift eines berechtigten Verteidigers, so ist die Eingabe vorerst zur Behebung dieses Mangels und Wiedervorlage binnen vierzehn Tagen zurückzustellen.
§ 285b. (1) Der im § 285a erwähnte Beschluß ist vom Vorsitzenden zu fassen, und zwar in den im § 285a unter Z. 2 und 3 erwähnten Fällen nicht früher, als die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde überreicht oder die hiezu bestimmte Frist abgelaufen ist.
(2) Gegen den Beschluß steht die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof offen; sie ist binnen vierzehn Tagen nach Bekanntmachung des Beschlusses beim Landesgericht einzubringen und von diesem binnen weiteren drei Tagen an den Obersten Gerichtshof einzusenden.
(3) Diese Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
(4) Der Oberste Gerichtshof entscheidet über die Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung nach Anhörung des Generalprokurators.
(5) Gibt der Oberste Gerichtshof der Beschwerde Folge, so läuft im Falle des § 285a Z. 1 die Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde, sofern diese nicht schon erstattet ist, vom Tage der Bekanntmachung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes; dem Beschwerdeführer ist gleichzeitig mit dieser Bekanntmachung, wenn es nicht bereits geschehen ist, eine Ausfertigung des Urteiles zuzustellen; im übrigen ist nach § 285 vorzugehen.
§ 285c. (1) Der Oberste Gerichtshof hat über die nach § 285 Abs. 5 an ihn gelangte Nichtigkeitsbeschwerde nur dann zuerst in nichtöffentlicher Sitzung nach Anhörung des Generalprokurators zu beraten, wenn der Generalprokurator oder der Berichterstatter einen der in den §§ 285d, 285e und 285f bezeichneten Beschlüsse beantragt.
(2) Außerdem wird der Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung der Sache unter Beobachtung der hiefür im § 286 erteilten Vorschrift angeordnet, ohne daß es hiezu eines Beschlusses des Obersten Gerichtshofes bedarf.
§ 285d. (1) Bei der nichtöffentlichen Beratung kann die Nichtigkeitsbeschwerde sofort zurückgewiesen werden:
1. wenn sie schon gemäß § 285a hätte zurückgewiesen werden sollen oder wenn der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund bereits durch eine in derselben Sache ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes beseitigt ist;
2. wenn die Nichtigkeitsbeschwerde sich auf die im § 281 Abs. 1 Z. 1 bis 8 und 11 oder im § 281a angegebenen Nichtigkeitsgründe stützt und der Oberste Gerichtshof einstimmig erachtet, daß die Beschwerde, ohne daß es einer weiteren Erörterung bedarf, als offenbar unbegründet zu verwerfen sei.
(2) Der vorstehende Beschluß kann bei der nichtöffentlichen Beratung auch dann ergehen, wenn wegen anderer Nichtigkeitsgründe oder weil der Oberste Gerichtshof sich die Ausübung der ihm nach § 290 Abs. 1 zustehenden Befugnis vorbehalten will, ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung anzuberaumen ist.
§ 285e. Bei der nichtöffentlichen Beratung über eine zum Vorteile des Angeklagten ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde kann dieser sofort Folge gegeben werden, wenn sich zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat. Gleiches gilt, wenn nach dem 11. Hauptstück oder § 37 SMG vorzugehen sein wird.
§ 285f. Bei der nichtöffentlichen Beratung kann ferner die Einholung tatsächlicher Aufklärungen über behauptete Formverletzungen oder Verfahrensmängel angeordnet werden.
§ 285g. Den im § 285d erwähnten Beschluß kann der Oberste Gerichtshof auch bei der Beratung über eine auf Grund des § 285b an ihn gelangte Beschwerde fassen, wenn die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde überreicht oder die Frist hiezu verstrichen ist.
§ 285h. Die Bestimmungen der §§ 285c bis 285g sind auch auf Nichtigkeitsbeschwerden nach § 281a anzuwenden.
§ 285i. Weist der Oberste Gerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung die Nichtigkeitsbeschwerde oder die Beschwerde gegen deren Zurückweisung durch das Landesgericht zurück und war mit der Nichtigkeitsbeschwerde die Berufung verbunden, so entscheidet über diese das Oberlandesgericht. Dasselbe gilt, wenn der Nichtigkeitsbeschwerde eines Angeklagten sofort Folge gegeben wird (§ 285e) und der Oberste Gerichtshof nur noch über die Berufung in Ansehung eines anderen Angeklagten zu entscheiden hätte.
§ 286. (1) Vom Termin des Gerichtstags zur öffentlichen Verhandlung sind die Beteiligten des Verfahrens zu verständigen. Der Angeklagte, ist er jedoch bereits durch einen Verteidiger vertreten, nur sein Verteidiger sowie der allenfalls einschreitende Privatbeteiligte oder Privatankläger sind so rechtzeitig zu laden, dass ihnen eine Vorbereitungszeit von acht Tagen verbleibt. In der Ladung sind sie darauf aufmerksam zu machen, dass im Fall ihres Ausbleibens ihre Ausführungen und Beschwerden vorgetragen und der Entscheidung zu Grunde gelegt werden würden.
(2) Ist der Angeklagte verhaftet, so wird er vom Gerichtstage mit dem Beisatz in Kenntnis gesetzt, daß er nur durch einen Verteidiger erscheinen könne.
(3) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 93/2007)
(4) Hat er noch keinen Verteidiger, so ist ihm von Amts wegen ein Rechtsanwalt als Verteidiger beizugeben (§ 61 Abs. 3). Liegen die Voraussetzungen des § 61 Abs. 2 vor, so ist dem Angeklagten nach dieser Gesetzesstelle ein Rechtsanwalt als Verteidiger beizugeben.
§ 287. (1) Die Verhandlung der Sache vor dem Obersten Gerichtshof am angesetzten Gerichtstag ist öffentlich nach den Vorschriften der §§ 228 bis 230a.
(2) Zuerst trägt der Berichterstatter eine Darstellung des bisherigen Ganges des Strafverfahrens vor und bezeichnet die vom Beschwerdeführer aufgestellten Nichtigkeitsgründe und die sich daraus ergebenden Streitpunkte, ohne eine Ansicht über die zu fällende Entscheidung zu äußern.
(3) Hierauf erhält der Beschwerdeführer das Wort zur Begründung seiner Beschwerde und sodann sein Gegner zur Erwiderung. Dem Angeklagten oder seinem Verteidiger gebührt jedenfalls das Recht der letzten Äußerung. Ist ein Teil nicht erschienen, so wird dessen Beschwerdeschrift oder Gegenausführung vorgelesen. Hierauf zieht sich der Gerichtshof in sein Beratungszimmer zurück.
§ 288. (1) Findet der Oberste Gerichtshof die Nichtigkeitsbeschwerde unbegründet, so hat er sie zu verwerfen.
(2) Ist die Nichtigkeitsbeschwerde begründet, so ist das Urteil, soweit es angefochten und durch den Nichtigkeitsgrund berührt ist, aufzuheben und nach Verschiedenheit der Nichtigkeitsgründe gemäß den folgenden Vorschriften zu erkennen und weiter zu verfahren:
1. Liegt einer der im § 281 Abs. 1 unter Z. 1 bis 5a angeführten Nichtigkeitsgründe vor, so ordnet der Oberste Gerichtshof eine neue Hauptverhandlung an und verweist die Sache nach seinem Ermessen entweder an dasselbe oder an ein anderes Landesgericht.
2. Hat das Schöffengericht mit Unrecht seine Unzuständigkeit ausgesprochen oder die Anklage nicht erledigt (§ 281 Abs. 1 Z. 6 und 7), so trägt ihm der Oberste Gerichtshof auf, sich der Verhandlung und Urteilsfällung zu unterziehen, die sich im Falle der Z. 7 auf die unerledigt gebliebenen Anklagepunkte zu beschränken hat.
2a. Hat das Schöffengericht das Vorliegen der Voraussetzungen einer Einstellung des Verfahrens nach dem 11. Hauptstück oder § 37 SMG zu Unrecht nicht angenommen, so verweist der Oberste Gerichtshof die Sache an dasselbe oder an ein anderes Landesgericht, erforderlichenfalls auch an das zuständige Bezirksgericht, mit dem Auftrag, nach den Bestimmungen dieses Hauptstückes vorzugehen.
3. In allen anderen Fällen erkennt der Oberste Gerichtshof in der Sache selbst, indem er seiner Entscheidung die Tatsachen zugrunde legt, die das Schöffengericht ohne Überschreitung der Anklage (§ 281 Abs. 1 Z. 8) festgestellt hat. Findet der Oberste Gerichtshof jedoch im Urteil und dessen Entscheidungsgründen die Tatsachen nicht festgestellt, die bei richtiger Anwendung des Gesetzes dem Erkenntnisse zugrunde zu legen wären, so verweist er die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dasselbe oder an ein anderes Landesgericht, geeignetenfalls auch an das zuständige Bezirksgericht.
§ 288a. Findet der Oberste Gerichtshof die Nichtigkeitsbeschwerde nach § 281a gegründet, so vernichtet er die Hauptverhandlung, verweist die Sache zur nochmaligen Verhandlung vor das zuständige Landesgericht und verfügt die sonst nötige Verbesserung des Verfahrens.
§ 289. War die Nichtigkeitsbeschwerde nur gegen einzelne im Urteil enthaltene Verfügungen gerichtet und findet der Oberste Gerichtshof, daß diese vom Inhalte des ganzen Urteiles trennbar seien, so steht ihm auch frei, das angefochtene Urteil nur teilweise aufzuheben. Eben dies ist der Fall, wenn dem angefochtenen Urteile mehrere strafbare Handlungen zugrunde liegen und die Nichtigkeitsbeschwerde sich nur auf das Verfahren oder die Beurteilung hinsichtlich einzelner von ihnen beschränkt, zugleich aber die erforderliche teilweise Wiederholung des Verfahrens oder auch ohne diese ein neuer Ausspruchs hinsichtlich dieser einzelnen strafbaren Handlung ausführbar erscheint.
§ 290. (1) Der Oberste Gerichtshof hat sich auf die vom Beschwerdeführer ausdrücklich oder doch durch deutliche Hinweisung geltend gemachten Nichtigkeitsgründe zu beschränken. Überzeugt er sich jedoch aus Anlaß einer von wem immer ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde, daß zum Nachteile des Angeklagten das Strafgesetz unrichtig angewendet worden sei (§ 281 Abs. 1 Z. 9 bis 11) oder daß dieselben Gründe, auf denen seine Verfügung zugunsten eines Angeklagten beruht, auch einem Mitangeklagten zustatten kommen, der die Nichtigkeitsbeschwerde nicht ergriffen hat, so hat er von Amts wegen so vorzugehen, als wäre der in Frage kommende Nichtigkeitsgrund geltend gemacht worden. Ist der im § 281 Abs. 1 Z. 11 angeführte Nichtigkeitsgrund geltend gemacht worden, so ist so vorzugehen, als wäre auch die Berufung ergriffen worden.
(2) Ist die Nichtigkeitsbeschwerde lediglich zugunsten des Angeklagten ergriffen worden, so kann der Oberste Gerichtshof keine strengere Strafe über den Angeklagten verhängen, als das angefochtene Urteil ausgesprochen hatte.
§ 291. Das Urteil des Obersten Gerichtshofes ist, nachdem sich dieser in den Gerichtssaal zurückbegeben hat, samt den Entscheidungsgründen mündlich zu verkünden; hat der Angeklagte der Verhandlung beim Obersten Gerichtshofe nicht beigewohnt, so ist ihm ohne Verzug eine amtlich beglaubigte Abschrift des Urteiles durch das Landesgericht zuzustellen. Für die Ausfertigung des Urteiles und die Führung des Protokolls bei den Verhandlungen des Obersten Gerichtshofes sind die in den §§ 260, 268 bis 271 enthaltenen Vorschriften zu beobachten.
§ 292. Das Verfahren auf Grund einer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde richtet sich im allgemeinen nach den in den §§ 286 Abs. 1 bis 3 und 287 bis 291 enthaltenen Vorschriften. Dem Angeklagten (Verurteilten) oder seinem Verteidiger ist eine Gleichschrift der Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Bedeuten mitzuteilen, daß er sich binnen einer festzusetzenden angemessenen Frist hiezu äußern könne; vom Gerichtstag ist er mit der Bemerkung in Kenntnis zu setzen, daß es ihm freistehe zu erscheinen. Ist der Aufenthaltsort des Angeklagten nicht bekannt und ohne besonderen Verfahrensaufwand nicht feststellbar, so kann die Zustellung an ihn unterbleiben. Das gleiche gilt für den Privatbeteiligten, sofern der Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche von der Nichtigkeitsbeschwerde betroffen ist, und für die sonst Beteiligten, sofern ihre Rechte betroffen sind. Findet der Oberste Gerichtshof die zur Wahrung des Gesetzes erhobene Beschwerde gegründet, so hat er zu erkennen, daß in der fraglichen Strafsache durch den angefochtenen Beschluß oder Vorgang, durch das gepflogene Verfahren oder durch das erlassene Urteil das Gesetz verletzt worden sei. Dieser Ausspruch ist in der Regel ohne Wirkung auf den Angeklagten. Ist jedoch der Angeklagte durch ein solches nichtiges Urteil zu einer Strafe verurteilt worden, so steht es dem Obersten Gerichtshofe frei, nach seinem Ermessen entweder den Angeklagten freizusprechen oder einen milderen Strafsatz anzuwenden oder nach Umständen eine Erneuerung des gegen diesen gepflogenen Verfahrens anzuordnen.
§ 293. (1) Das Gericht, an das die Sache nach den §§ 288 und 292 zu neuer Verhandlung verwiesen wird, hat dabei die ursprüngliche Anklage zugrunde zu legen, sofern nicht der Oberste Gerichtshof eine Abweichung angeordnet hat.
(2) Es ist an die Rechtsansicht gebunden, von der der Oberste Gerichtshof bei seiner Entscheidung ausgegangen ist.
(3) Die Bestimmung des § 290 Abs. 2 ist auch für das auf Grund der neuen Hauptverhandlung ergehende Urteil maßgebend.
(4) Gegen dieses Urteil kann die Nichtigkeitsbeschwerde aus allen im § 281 erwähnten Gründen ergriffen werden, soweit diese nicht bereits durch eine in derselben Sache ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes beseitigt sind.
2. Verfahren bei Berufungen
§ 294. (1) Die Berufung ist innerhalb der im § 284 bezeichneten Frist beim Landesgericht anzumelden. Sie hat aufschiebende Wirkung, es sei denn, daß der Angeklagte selbst erklärt, eine Freiheitsstrafe einstweilen antreten zu wollen.
(2) Dem Beschwerdeführer muß, sofern dies nicht schon geschehen ist, eine Urteilsabschrift zugestellt werden. Der Beschwerdeführer hat das Recht, binnen vier Wochen nach der Anmeldung der Berufung, wenn ihm eine Urteilsabschrift aber erst nach der Anmeldung des Rechtsmittels zugestellt wurde, binnen vier Wochen nach der Zustellung eine Ausführung seiner Beschwerdegründe beim Gericht in zweifacher Ausfertigung zu überreichen. Wurde dem Beschwerdeführer für die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 Abs. 2 eine längere Frist gewährt, so gilt diese auch für die Ausführung der Berufung. Er muß entweder in dieser Schrift oder bei der Anmeldung erklären, ob er sich durch den Ausspruch über die Strafe oder durch den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche beschwert erachtet, widrigenfalls das Oberlandesgericht darauf keine Rücksicht zu nehmen hat; ist mehr als eine Strafe oder sonstige Unrechtsfolge ausgesprochen worden, so muß der Beschwerdeführer auch erklären, gegen welche von ihnen sich die Berufung richtet. Die Anmeldung, die die Berufungsgründe enthält, oder die rechtzeitig eingebrachte Ausführung ist dem Gegner mit dem Bedeuten mitzuteilen, daß er binnen vier Wochen seine Gegenausführung überreichen könne.
(3) Die Gegenausführung ist dem Beschwerdeführer zuzustellen. Danach sind alle Akten dem Oberlandesgericht vorzulegen, das über die Berufung nur dann in nichtöffentlicher Sitzung berät, wenn der Berichterstatter oder der Oberstaatsanwalt beantragt, die Berufung aus einem der im folgenden Absatz angeführten Gründe zurückzuweisen.
(4) Das Oberlandesgericht kann die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung zurückweisen, wenn sie zu spät angemeldet oder von einer Person ergriffen worden ist, der das Berufungsrecht überhaupt nicht oder nicht in der Richtung zusteht, in der es in Anspruch genommen wird, oder die darauf verzichtet hat; ferner, wenn der Berufungswerber weder bei der Anmeldung der Berufung noch in ihrer Ausführung die Punkte des Erkenntnisses, durch die er sich beschwert findet, deutlich und bestimmt bezeichnet hat, auf die Berufung daher keine Rücksicht zu nehmen ist.
(5) Wird über die Berufung nicht schon in der nichtöffentlichen Sitzung entschieden, so hat der Vorsitzende einen Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über die Berufung anzuordnen. Für die Anberaumung und Durchführung des Gerichtstages gelten die Bestimmungen der §§ 286 und 287 dem Sinne nach mit der Maßgabe, dass der nicht verhaftete Angeklagte vorzuladen und auch die Vorführung des verhafteten Angeklagten zu veranlassen ist, es sei denn, dieser hätte durch seinen Verteidiger ausdrücklich darauf verzichtet. Ist die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche gerichtet, so ist auch der Privatbeteiligte vorzuladen.
§ 295. (1) Das Oberlandesgericht hat sich bei seiner Entscheidung auf die der Berufung unterzogenen Punkte zu beschränken und dabei den Ausspruch des Gerichtes über die Schuld des Angeklagten und über das anzuwendende Strafgesetz zugrunde zu legen. Setzt es die Strafe zugunsten eines oder mehrerer Mitschuldiger aus Gründen herab, die auch anderen zustatten kommen, so hat es von Amts wegen so vorzugehen, als hätten auch diese Mitschuldigen die Berufung ergriffen.
(2) Ist die Berufung lediglich zugunsten des Angeklagten ergriffen worden, so kann das Oberlandesgericht keine strengere Strafe über den Angeklagten verhängen, als das erste Urteil ausgesprochen hatte. Auf Antrag des Angeklagten oder mit seiner Zustimmung kann jedoch an Stelle einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe eine Geldstrafe verhängt werden, die nicht bedingt nachgesehen wird.
(3) Gegen seine Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.
§ 296. (1) Ist außer über die Berufung auch über eine Nichtigkeitsbeschwerde zu entscheiden, die von der einen oder der anderen Seite ergriffen worden ist, so sind bei Vorlegung der Akten an den Obersten Gerichtshof auch die Aktenstücke beizulegen, die die Berufung betreffen. In diesem Fall entscheidet der Oberste Gerichtshof, sofern er nicht nach § 285i vorgeht, auch über die Berufung.
(2) Der Oberste Gerichtshof berät über die Berufung nur dann in nichtöffentlicher Sitzung, wenn der Berichterstatter oder der Generalprokurator die Zurückweisung der Berufung aus einem der im § 294 Abs. 4 angeführten Gründe beantragt und nicht über die Nichtigkeitsbeschwerde bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über die Nichtigkeitsbeschwerde entschieden werden muß.
(3) Wird über die Berufung nicht schon in der nichtöffentlichen Sitzung entschieden, so entscheidet der Oberste Gerichtshof über die Berufung beim Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über die Nichtigkeitsbeschwerde. In diesem Fall ist zum Gerichtstag der nicht verhaftete Angeklagte vorzuladen und die Vorführung des verhafteten Angeklagten zu veranlassen, es sei denn, dieser hätte durch seinen Verteidiger ausdrücklich darauf verzichtet. Ist die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche gerichtet, so ist auch der Privatbeteiligte vorzuladen.
3. Gemeinsame Bestimmung
§ 296a. Ist nach der Entscheidung über eine Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung
1. an dem in Untersuchungshaft angehaltenen Angeklagten eine Freiheitsstrafe oder eine mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme zu vollziehen oder
2. der Angeklagte in Freiheit zu setzen,
so hat der Oberste Gerichtshof oder das Oberlandesgericht den Vorsitzenden des Schöffengerichtes davon sogleich unter Anschluß der erforderlichen Angaben zu verständigen, es sei denn, daß im Falle der Z. 2 die Entscheidung bei einem Gerichtstag in Anwesenheit des Angeklagten ergeht (§ 396).
5. TEIL
Besondere Verfahren
15. Hauptstück
Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Geschworenengericht und Rechtsmittel gegen dessen Urteile
I. Allgemeine Bestimmungen
§ 297. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 92)
§ 298. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 92)
§ 299. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 92)
§ 301. (1) Die Mitglieder des Schwurgerichtshofes, die Ersatzrichter und die Reihenfolge ihres Eintrittes werden durch die Geschäftsverteilung bestimmt. Als Vorsitzender und als dessen Ersatzmann sollen nur Richter bestimmt werden, die mindestens fünf Jahre als Richter bei einem Landesgericht in Strafsachen oder als Staatsanwälte tätig gewesen sind.
(2) Die Bildung der Listen, denen die Geschworenen zu entnehmen sind, die Heranziehung der in diesen Listen verzeichneten Personen zum Dienst als Geschworene und die wegen Pflichtverletzungen der Geschworenen zulässigen Maßnahmen regelt ein besonderes Gesetz.
(3) § 221 Abs. 4 ist sinngemäß anzuwenden.
II. Hauptverhandlung vor dem Geschworenengerichte 1. Allgemeine Bestimmungen
§ 302. (1) Die Hauptverhandlung richtet sich, soweit in diesem Hauptstücke nichts anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des 14. Hauptstückes. Was dort für das Schöffengericht und den Vorsitzenden bestimmt ist, gilt für den Schwurgerichtshof und dessen Vorsitzenden.
(2) Der Vorsitzende des Schwurgerichtshofes ist insbesondere verpflichtet, den Geschworenen auch außer den Fällen, für die es im Gesetz ausdrücklich vorgeschrieben ist, die zur Ausübung ihres Amtes erforderlichen Anleitungen zu geben und sie nötigenfalls an ihre Pflichten zu erinnern.
§ 303. Soweit nach den folgenden Vorschriften der Schwurgerichtshof gemeinsam mit den Geschworenen zu entscheiden hat, richten sich Abstimmung und Beschlußfassung nach den für die Schöffengerichte geltenden Bestimmungen.
2. Beginn der Hauptverhandlung
§ 304. Sobald die Geschworenen ihre Sitze in der alphabetischen Reihenfolge ihrer Namen, Ersatzgeschworene nach den übrigen Geschworenen, eingenommen haben, beginnt die Hauptverhandlung mit dem Aufrufe der Sache durch den Schriftführer. Der Vorsitzende stellt an den Angeklagten die im § 240 vorgeschriebenen Fragen und ermahnt ihn zur Aufmerksamkeit auf die vorzutragende Anklage und auf den Gang der Verhandlung.
§ 305. (1) Hierauf beeidigt der Vorsitzende bei sonstiger Nichtigkeit die Geschworenen, die in demselben Jahre noch nicht beeidigt worden sind. Er gibt die Namen der schon beeidigten Geschworenen bekannt und erinnert diese an die Bedeutung des von ihnen abgelegten Eides. Sodann fordert er die Geschworenen auf, sich von den Sitzen zu erheben, und hält an sie folgende Anrede: "Sie schwören und geloben vor Gott, die Beweise, die gegen und für den Angeklagten werden vorgebracht werden, mit der gewissenhaftesten Aufmerksamkeit zu prüfen, nichts unerwogen zu lassen, was zum Vorteil oder zum Nachteil des Angeklagten gereichen kann, das Gesetz, dem Sie Geltung verschaffen sollen, treu zu beobachten, vor Ihrem Ausspruch über den Gegenstand der Verhandlung mit niemand außer mit den Mitgliedern des Schwurgerichtshofes und Ihren Mitgeschworenen Rücksprache zu nehmen, der Stimme der Zu- oder Abneigung, der Furcht oder der Schadenfreude kein Gehör zu geben, sondern sich mit Unparteilichkeit und Festigkeit nur nach den für und wider den Angeklagten vorgeführten Beweismitteln und Ihrer darauf gegründeten Überzeugung so zu entscheiden, wie Sie es vor Gott und Ihrem Gewissen verantworten können."
(2) Sodann wird jeder noch nicht beeidigte Geschworenen einzeln vom Vorsitzenden aufgerufen und antwortet: "Ich schwöre, so wahr mir Gott helfe." Das Religionsbekenntnis der Geschworenen macht dabei keinen Unterschied. Nur Geschworene, die keinem Religionsbekenntnis angehören oder deren Bekenntnis die Eidesleistung untersagt, werden durch Handschlag verpflichtet.
(3) Die Beeidigung gilt für die Dauer des Kalenderjahres. Sie ist im Verhandlungsprotokoll und fortlaufend in einem besonderen Abschnitte des Buches über die Beeidigung der Schöffen (§ 240a Abs. 3) zu beurkunden.
3. Beweisverfahren
§ 306. Nach der Beeidigung der Geschworenen läßt der Vorsitzende durch den Schriftführer die Zeugen und Sachverständigen aufrufen und trifft die im § 241 angeführten Verfügungen. Das Verfahren gegen ungehorsame Zeugen oder Sachverständige richtet sich nach den Vorschriften der §§ 242 und 243.
§ 308. (1) Der Vorsitzende vernimmt hierauf den Angeklagten und leitet die Vorführung der Beweismittel unter Beobachtung der in den §§ 245 bis 254 enthaltenen Anordnungen.
(2) Das Recht der Fragestellung (§ 249) steht auch dem Ersatzrichter und den Geschworenen mit Einschluß der Ersatzgeschworenen zu.
§ 309. (1) Auch Geschworene einschließlich der Ersatzgeschworenen können Beweisaufnahmen zur Aufklärung von erheblichen Tatsachen, die Gegenüberstellung von Zeugen, deren Aussagen voneinander abweichen, und die nochmalige Vernehmung bereits abgehörter Zeugen (§ 251) begehren.
(2) Über ein solches Begehren entscheidet der Schwurgerichtshof.
4. Fragestellung an die Geschworenen
§ 310. (1) Nach Schluß des Beweisverfahrens stellt der Vorsitzende nach vorläufiger Beratung des Schwurgerichtshofes die an die Geschworenen zu richtenden Fragen fest. Sie sind schriftlich abzufassen, vom Vorsitzenden zu unterfertigen und bei sonstiger Nichtigkeit vorzulesen. Sowohl dem Ankläger als auch dem Verteidiger ist eine Niederschrift der Fragen zu übergeben.
(2) Nach Verlesung der Fragen ist ein Rücktritt des Anklägers von der Anklage nicht mehr zulässig.
(3) Die Parteien sind berechtigt, eine Änderung oder Ergänzung der Fragen zu beantragen. Über einen solchen Antrag entscheidet der Schwurgerichtshof; gibt er ihm statt, so müssen die Fragen von neuem schriftlich abgefaßt, vom Vorsitzenden unterfertigt und bei sonstiger Nichtigkeit nochmals vorgelesen werden.
(4) Der Vorsitzende übergibt sodann mindestens zwei Ausfertigungen der Fragen den Geschworenen.
§ 311. (1) Die Fragestellung an die Geschworenen entfällt, wenn der Schwurgerichtshof nach Anhörung der Parteien erkennt, daß der Angeklagte freizusprechen sei, weil einer der im § 259 Z. 1 und 2 erwähnten Fälle vorliegt oder die Verfolgung aus anderen Gründen des Prozeßrechtes ausgeschlossen ist.
(2) Kann jedoch über diese Frage nicht entschieden werden, ohne einer den Geschworenen vorbehaltenen Feststellung entscheidender Tatsachen oder der rechtlichen Beurteilung der Tat durch die Geschworenen vorzugreifen, so ist vorerst der Wahrspruch der Geschworenen abzuwarten (§ 337).
§ 312. (1) Die Hauptfrage ist darauf gerichtet, ob der Angeklagte schuldig ist, die der Anklage zugrunde liegende strafbare Handlung begangen zu haben. Dabei sind alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung in die Frage aufzunehmen und die besonderen Umstände der Tat nach Ort, Zeit, Gegenstand usw. soweit beizufügen, als es zur deutlichen Bezeichnung der Tat oder für die Entscheidung über die Entschädigungsansprüche notwendig ist.
(2) Treffen in der dem Angeklagten in der Anklage zur Last gelegten Tat die Merkmale mehrerer strafbarer Handlungen zusammen, ohne daß eine in der anderen aufgeht, so ist für jede der zusammentreffenden strafbaren Handlungen eine besondere Hauptfrage zu stellen.
§ 313. Sind in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden, die - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben würden, so ist eine entsprechende Frage nach dem Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgrunde (Zusatzfrage) zu stellen.
§ 314. (1) Sind in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - ein eines vollendeten Verbrechens oder Vergehens Angeklagter nur des Versuches schuldig oder ein als unmittelbarer Täter Angeklagter als Täter anzusehen wäre, der einen anderen dazu bestimmt hat, die Tat auszuführen, oder der sonst zu ihrer Ausführung beigetragen hat, oder wonach die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte, so sind entsprechende Schuldfragen (Eventualfragen) an die Geschworenen zu stellen.
(2) Eine Frage, nach der die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein strengeres Strafgesetz als das in der Anklageschrift angegebene fiele, kann gestellt werden, sofern der Schwurgerichtshof nach Anhörung der Parteien die Vertagung der Hauptverhandlung oder die Ausscheidung des Verfahrens wegen dieser Tat nicht für notwendig erachtet.
§ 315. (1) Ist der Angeklagte in der Hauptverhandlung noch einer anderen als der der Anklageschrift zugrunde liegenden Tat beschuldigt worden oder hat er während der Hauptverhandlung eine strafbare Handlung begangen, so sind die Bestimmungen der §§ 263 und 279 anzuwenden.
(2) Ist die Verhandlung auf die neue Tat ausgedehnt worden, so sind auch wegen dieser Tat die entsprechenden Fragen zu stellen. Die Stellung solcher Fragen unterbleibt jedoch, wenn sich in der Hauptverhandlung ergibt, daß eine bessere Vorbereitung der Anklage oder Verteidigung notwendig ist. In diesem Falle hat der Schwurgerichtshof die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten, dem die hinzugekommene Tat zur Last gelegt ist, abzubrechen und die Entscheidung über alle diesem Angeklagten zur Last liegenden strafbaren Handlungen einer neuen Hauptverhandlung vorzubehalten oder, falls er diesen Vorgang nicht für zweckmäßig erachtet, dem Ankläger auf dessen Verlangen die Verfolgung wegen der hinzugekommenen Tat im Urteile vorzubehalten.
§ 316. Erschwerungs- und Milderungsumstände sind nur unter der Voraussetzung Gegenstand einer Zusatzfrage an die Geschworenen, daß in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, die - wenn sie als erwiesen angenommen werden - einen im Gesetze namentlich angeführten Erschwerungs- oder Milderungsumstand begründen würden, der nach dem Gesetze die Anwendung eines anderen Strafsatzes bedingt.
§ 317. (1) Die an die Geschworenen zu richtenden Fragen sind so zu fassen, daß sie sich mit Ja oder Nein beantworten lassen.
(2) Welche Tatsachen in einer Frage zusammenzufassen oder zum Gegenstande besonderer Fragen zu machen sind, bleibt ebenso wie die Reihenfolge der Fragen der Beurteilung des Schwurgerichtshofes im einzelnen Fall überlassen.
(3) Fragen, die nur für den Fall der Bejahung (Zusatzfragen) oder für den Fall der Verneinung einer anderen Frage (Eventualfragen) gestellt werden, sind als solche ausdrücklich zu bezeichnen.
5. Vorträge der Parteien; Schluß der Verhandlung
§ 318. (1) Nach Verlesung der Fragen werden der Ankläger und der Privatbeteiligte, der Angeklagte und sein Verteidiger in der im § 255 bezeichneten Reihenfolge gehört.
(2) In den Schlußvorträgen sind alle im Urteile zu entscheidenden Punkte zu behandeln.
§ 319. Hierauf erklärt der Vorsitzende die Verhandlung für geschlossen; der Angeklagte wird, wenn er verhaftet ist, einstweilen aus dem Sitzungssaal abgeführt.
6. Wahl des Obmannes der Geschworenen; Rechtsbelehrung durch den Vorsitzenden
§ 320. (1) Die Geschworenen begeben sich hierauf in das für sie bestimmte Beratungszimmer und wählen einen Obmann aus ihrer Mitte mit einfacher Stimmenmehrheit. Der Schwurgerichtshof zieht sich indessen in sein Beratungszimmer zurück.
(2) Der Ersatzrichter und die Ersatzgeschworenen dürfen im Beratungszimmer nur anwesend sein, sofern sie vor Schluß der Verhandlung an die Stelle eines verhinderten Mitgliedes des Geschworenengerichtes getreten sind.
§ 321. (1) Der Vorsitzende verfaßt nach Beratung mit den übrigen Mitgliedern des Schwurgerichtshofes die den Geschworenen zu erteilende Rechtsbelehrung. Das Schriftstück ist von ihm zu unterfertigen und dem Protokoll über die Hauptverhandlung anzuschließen.
(2) Die Rechtsbelehrung muß - für jede Frage gesondert - eine Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf die die Haupt- oder Eventualfrage gerichtet ist, sowie eine Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes enthalten und das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander sowie die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage klarlegen.
§ 322. Nach Ausfertigung der Rechtsbelehrung begibt sich der Schwurgerichtshof mit dem Schriftführer in das Beratungszimmer der Geschworenen. Der Vorsitzende läßt die Anklageschrift, den gemäß § 244 Abs. 1 vorgelesenen Beschluss des Oberlandesgerichts, die Beweisgegenstände, Augenscheinprotokolle und die übrigen Akten mit Ausnahme der in der Hauptverhandlung nicht vorgelesenen Vernehmungsprotokolle in das Beratungszimmer schaffen.
§ 323. (1) Im Beratungszimmer der Geschworenen erteilt ihnen der Vorsitzende die Rechtsbelehrung. Weicht er dabei von der Niederschrift (§ 321 Abs. 1) ab oder geht er über sie hinaus, insbesondere wegen Fragen der Geschworenen, so sind die Änderungen und Ergänzungen der Niederschrift über die Rechtsbelehrung in einem Anhange beizufügen, den der Vorsitzende unterfertigt.
(2) Im Anschluß an die Rechtsbelehrung bespricht der Vorsitzende mit den Geschworenen die einzelnen Fragen; er führt die in die Fragen aufgenommenen gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung auf den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt zurück, hebt die für die Beantwortung der Frage entscheidenden Tatsachen hervor, verweist auf die Verantwortung des Angeklagten und auf die in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweise, ohne sich in eine Würdigung der Beweismittel einzulassen, und gibt die von den Geschworenen etwa begehrten Aufklärungen. Er bespricht mit den Geschworenen das Wesen der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2). Ist einem Zeugen nach § 162 gestattet worden, bestimmte Fragen nicht zu beantworten, so fordert der Vorsitzende die Geschworenen auf, insbesondere zu prüfen, ob ihnen und den Beteiligten ausreichend Gelegenheit geboten war, sich mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Beweiskraft seiner Aussage auseinanderzusetzen. Er belehrt ferner den Obmann der Geschworenen über die ihm obliegenden Aufgaben, insbesondere über den Vorgang bei der Abstimmung und Aufzeichnung ihres Ergebnisses.
(3) Am Schlusse seines Vortrages überzeugt sich der Vorsitzende, ob seine Belehrung von den Geschworenen verstanden worden ist, und ergänzt sie, wenn es zur Behebung von Zweifeln erforderlich ist. Er übergibt sodann dem Obmann der Geschworenen die Niederschrift der Rechtsbelehrung und des allfälligen Anhanges zu ihr.
7. Beratung und Abstimmung der Geschworenen
§ 324. (1) Ist der Schwurgerichtshof einstimmig der Ansicht, daß seine Anwesenheit während der Beratung der Geschworenen zur besseren Aufklärung schwieriger Tat- oder Rechtsfragen zweckmäßig sei, so beschließt er, ohne einen darauf abzielenden Antrag zuzulassen, dieser Beratung ganz oder teilweise beizuwohnen.
(2) Vor dieser Beschlußfassung ist der Obmann der Geschworenen zu hören; dieser hat die Meinung der Geschworenen einzuholen. Spricht sich die Mehrheit der Geschworenen gegen die Teilnahme des Schwurgerichtshofes an der Beratung aus, so kann ein Beschluß im Sinne des Abs. 1 nicht gefaßt werden.
(3) Ein Beschluß im Sinne des Abs. 1 ist vom Vorsitzenden den Geschworenen mitzuteilen. Eine schriftliche Ausfertigung dieses Beschlusses samt Gründen ist von den Mitgliedern des Schwurgerichtshofes zu unterfertigen und dem Hauptverhandlungsprotokoll anzuschließen. Ein Rechtsmittel steht gegen den Beschluß nicht offen.
§ 325. (1) Der Obmann leitet die Beratung der Geschworenen damit ein, daß er ihnen folgende Belehrung vorliest: "Das Gesetz fordert von den Geschworenen nur, daß sie alle für und wider den Angeklagten vorgebrachten Beweismittel sorgfältig und gewissenhaft prüfen und sich dann selbst fragen, welchen Eindruck in der Hauptverhandlung die wider den Angeklagten vorgeführten Beweise und die Gründe seiner Verteidigung auf sie gemacht haben. Nach der durch diese Prüfung der Beweismittel gewonnenen Überzeugung allein haben die Geschworenen ihren Ausspruch über Schuld oder Nichtschuld des Angeklagten zu fällen. Sie dürfen dabei ihrem Eide gemäß der Stimme der Zu- oder Abneigung, der Furcht oder Schadenfreude kein Gehör geben, haben vielmehr mit Unparteilichkeit und Festigkeit so zu entscheiden, wie sie es vor Gott und ihrem Gewissen verantworten können. Die Beratung und Abstimmung hat sich nur auf die den Geschworenen vorgelegten Fragen zu beschränken. Welche gesetzlichen Folgen den Angeklagten treffen, wenn er schuldig gesprochen wird, werden die Geschworenen gemeinsam mit dem Gerichtshof in einer späteren Beratung zu entscheiden haben. Die Geschworenen haben sich bei ihrer Abstimmung ständig ihre beschworene Pflicht vor Augen zu halten, das Gesetz treu zu beobachten und ihm Geltung zu verschaffen. Sie sind dazu berufen, Recht zu sprechen, aber nicht berechtigt, Gnade zu üben."
(2) Mehrere Abdrucke dieser Belehrung sowie der Bestimmungen der §§ 326, 329, 330, 331, 332 Abs. 1 bis 3 sowie des § 340 sollen im Beratungszimmer der Geschworenen angeschlagen sein.
§ 326. Die Geschworenen dürfen ihr Beratungszimmer nicht verlassen, bevor sie ihren Ausspruch über die an sie gerichteten Fragen gefällt haben. Niemand darf während der Beratung und Abstimmung ohne Bewilligung des Vorsitzenden in ihr Beratungszimmer eintreten; auch ist den Geschworenen jeder Verkehr mit dritten Personen untersagt. Gegen Geschworene und dritte Personen, die diesem Verbot zuwiderhandeln, ist vom Schwurgerichtshof eine Ordnungsstrafe bis zu 1 000 Euro zu verhängen.
§ 327. (1) Entstehen bei den Geschworenen im Zuge der Beratung Zweifel über den Sinn der ihnen gestellten Fragen, über das von ihnen bei der Abstimmung zu beobachtende Verfahren oder über die Fassung einer Antwort, oder äußern die Geschworenen den Wunsch nach einer Ergänzung des Beweisverfahrens zur Aufklärung erheblicher Tatsachen oder nach Änderung oder Ergänzung der an sie gerichteten Fragen, so ersucht der Obmann der Geschworenen, wenn der Schwurgerichtshof nicht an der Beratung teilnimmt, den Vorsitzenden schriftlich, sich in das Beratungszimmer zu begeben. Der Schwurgerichtshof begibt sich hierauf mit dem Schriftführer in das Beratungszimmer. Der Vorsitzende erteilt den Geschworenen die erforderliche Belehrung.
(2) Die Belehrung ist zu Protokoll zu nehmen und das Protokoll dem Hauptverhandlungsprotokoll anzuschließen.
(3) Im übrigen wird über die Beratung der Geschworenen kein Protokoll geführt.
§ 328. Äußern die Geschworenen bei der Beratung den Wunsch nach einer Ergänzung des Beweisverfahrens zur Aufklärung erheblicher Tatsachen (§ 309) oder nach Änderung oder Ergänzung der an sie gerichteten Fragen, so ist die Verhandlung wieder zu eröffnen; sofern es sich um eine Ergänzung oder Änderung der Fragen handelt, gelten die Bestimmungen des § 310 Abs. 3 und 4 sinngemäß.
§ 329. Der Abstimmung der Geschworenen darf bei sonstiger Nichtigkeit niemand beiwohnen.
§ 330. (1) Der Obmann der Geschworenen läßt über die einzelnen Fragen der Reihe nach mündlich abstimmen, indem er jeden Geschworenen um seine Meinung befragt; er selbst gibt seine Stimme zuletzt ab.
(2) Die Geschworenen stimmen über jede Frage mit "ja" oder "nein" ab; doch ist ihnen auch gestattet, eine Frage nur teilweise zu bejahen. In diesem Fall ist die Beschränkung kurz beizufügen (zum Beispiel: "Ja, aber nicht mit diesen oder jenen in der Frage enthaltenen Umständen").
§ 331. (1) Zur Bejahung der an die Geschworenen gerichteten Fragen ist absolute Stimmenmehrheit, das ist mehr als die Hälfte sämtlicher Stimmen, erforderlich; bei Stimmengleichheit gibt die dem Angeklagten günstigere Meinung den Ausschlag. Ist eine Schuldfrage zuungunsten des Angeklagten bejaht worden, so können sich die überstimmten Geschworenen der Abstimmung über die für diesen Fall gestellten Zusatzfragen enthalten; ihre Stimmen werden dann den dem Angeklagten günstigsten zugezählt.
(2) Der Obmann zählt die Stimmen und schreibt in zwei Niederschriften der Fragen neben jede Frage, je nachdem sie durch die Geschworenen beantwortet worden ist, "ja" oder "nein", mit den allfälligen Beschränkungen, unter Angabe des Stimmenverhältnisses und unterschreibt diese Aufzeichnung des Wahrspruches der Geschworenen. Es dürfen darin keine Radierungen vorkommen; Ausstreichungen, Randbemerkungen oder Einschaltungen müssen vom Obmanne durch eine von ihm unterschriebene Bemerkung ausdrücklich genehmigt sein.
(3) Nach Beendigung der Abstimmung hat der Obmann in einer kurzen Niederschrift, gesondert für jede Frage, die Erwägungen anzugeben, von denen die Mehrheit der Geschworenen bei der Beantwortung dieser Frage ausgegangen ist. Die Niederschrift ist im Einvernehmen mit diesen Geschworenen abzufassen und vom Obmanne zu unterfertigen.
(4) Der Obmann der Geschworenen benachrichtigt sodann den Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes schriftlich von der Beendigung der Abstimmung.
8. Verbesserung des Wahrspruches der Geschworenen
§ 332. (1) Der Schwurgerichtshof begibt sich darauf mit dem Schriftführer, dem Ankläger und dem Verteidiger in das Beratungszimmer der Geschworenen.
(2) Der Obmann der Geschworenen übergibt eine von ihm unterschriebene Aufzeichnung des Wahrspruches und der im § 331 Abs. 3 bezeichneten Niederschrift dem Vorsitzenden. Dieser unterzeichnet sie, läßt sie vom Schriftführer vorlesen und von ihm mitfertigen.
(3) Nach der Verlesung kann in der Regel kein Geschworener von seiner Meinung abgehen.
(4) Wird jedoch von einem oder mehreren Geschworenen behauptet, daß bei der Abstimmung ein Mißverständnis unterlaufen sei, oder kommt der Schwurgerichtshof nach Anhörung des Anklägers und des Verteidigers zu der Überzeugung, daß der Wahrspruch der Geschworenen undeutlich, unvollständig oder in sich widersprechend ist oder mit dem Inhalte der im § 331 Abs. 3 bezeichneten Niederschrift in Widerspruch steht, so trägt er den Geschworenen die Verbesserung des Wahrspruches auf.
(5) Hält in einem solchen Falle der Schwurgerichtshof eine Änderung oder Ergänzung der Fragen für wünschenswert oder wird eine solche vom Ankläger oder vom Verteidiger beantragt, so ist die Verhandlung wieder zu eröffnen und nach Vorschrift des § 310 Abs. 3 und 4 zu verfahren.
(6) Das über die Beratung des Schwurgerichtshofes (Abs. 4 und 5) aufgenommene Protokoll und der ursprüngliche Wahrspruch und die im § 331 Abs. 3 bezeichnete Niederschrift sind dem Hauptverhandlungsprotokoll anzuschließen.
§ 333. Hält der Schwurgerichtshof eine Verbesserung des Wahrspruches für erforderlich oder ist in diesem Fall auch die Fragestellung geändert oder ergänzt worden, so eröffnet der Vorsitzende den Geschworenen, daß sie nur zur Änderung der beanstandeten Antworten (§ 332 Abs. 4) und zur Beantwortung der neu oder in geänderter Fassung vorgelegten Fragen (§ 332 Abs. 5) berechtigt sind. Die neuen oder geänderten Fragen sind dem Obmanne der Geschworenen in zwei Ausfertigungen zu übergeben.
9. Weiteres Verfahren bis zur gemeinsamen Beratung über die Strafe
§ 334. (1) Ist der Schwurgerichtshof einstimmig der Ansicht, daß sich die Geschworenen bei ihrem Ausspruch in der Hauptsache geirrt haben, so beschließt er - ohne einen darauf abzielenden Antrag zuzulassen -, daß die Entscheidung ausgesetzt und die Sache dem Obersten Gerichtshofe vorgelegt werde. Betrifft der Irrtum der Geschworenen nur den Ausspruch über einen von mehreren Angeklagten oder den Ausspruch über einzelne von mehreren Anklagepunkten und bestehen gegen die gesonderte Verhandlung und Entscheidung keine Bedenken, so hat sich die Aussetzung der Entscheidung auf diesen Angeklagten oder diesen Anklagepunkt zu beschränken und bleibt ohne Einfluß auf die übrigen. Ist die Entscheidung über einen oder mehrere denselben Angeklagten betreffende Anklagepunkte ausgesetzt worden, so sind die Bestimmungen des § 264 dem Sinne nach anzuwenden.
(2) Der Oberste Gerichtshof verweist die Sache vor ein anderes Geschworenengericht desselben oder eines anderen Sprengels, wenn aber nur noch über eine strafbare Handlung zu entscheiden ist, die für sich allein nicht vor das Geschworenengericht gehört, an das von ihm zu bezeichnende sachlich zuständige Gericht.
(3) Bei der wiederholten Verhandlung darf keiner der Richter den Vorsitz führen und keiner der Geschworenen zugelassen werden, die an der ersten Verhandlung teilgenommen haben.
(4) Stimmt der Wahrspruch des zweiten Geschworenengerichtes mit dem des ersten überein, so ist er dem Urteile zugrunde zu legen.
§ 335. Wird die Entscheidung nicht ausgesetzt, so ist der Wahrspruch der Geschworenen dem Urteile zugrunde zu legen.
§ 336. Haben die Geschworenen die Schuldfragen verneint oder Zusatzfragen (§ 313) bejaht, so fällt der Schwurgerichtshof sofort ein freisprechendes Urteil.
§ 337. Ebenso wird der Angeklagte durch Urteil des Schwurgerichtshofes freigesprochen, wenn ihn die Geschworenen zwar schuldig gesprochen haben, der Schwurgerichtshof jedoch der Meinung ist, daß bei Zugrundelegung der Tatsachen, die im Wahrspruche der Geschworenen festgestellt sind, und der rechtlichen Beurteilung, die die Geschworenen der Tat haben angedeihen lassen, die Verfolgung aus Gründen des Prozeßrechtes ausgeschlossen sei (§ 311), oder daß die Tat, die der Angeklagte nach dem Ausspruche der Geschworenen begangen hat, vom Gesetze nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht sei.
10. Gemeinsame Beratung über die Strafe
§ 338. Ist der Angeklagte schuldig befunden worden und ist er nicht nach § 336 oder § 337 freizusprechen, so entscheidet der Schwurgerichtshof gemeinsam mit den Geschworenen (§ 303) über die zu verhängende Strafe und die etwa anzuwendenden Maßnahmen der Besserung und Sicherung sowie über die privatrechtlichen Ansprüche und die Kosten des Strafverfahrens.
§ 339. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974, Art. I. Z. 98)
11. Verkündung des Wahrspruches und des Urteiles
§ 340. (1) Nach Wiedereröffnung der Sitzung läßt der Vorsitzende den Angeklagten vorführen oder vorrufen und fordert den Obmann der Geschworenen auf, den Wahrspruch mitzuteilen. Dieser erhebt sich und spricht: "Die Geschworenen haben nach Eid und Gewissen die an sie gestellten Fragen beantwortet, wie folgt:"
(2) Der Obmann verliest sodann bei sonstiger Nichtigkeit in Gegenwart aller Geschworenen die an sie gerichteten Fragen und unmittelbar nach jeder den beigefügten Wahrspruch der Geschworenen.
§ 341. (1) Der Vorsitzende verkündet sodann in der öffentlichen Gerichtssitzung in Gegenwart des Anklägers, des Angeklagten (§§ 234, 269) und des Verteidigers das Urteil samt den wesentlichen Gründen oder den Beschluß auf Aussetzung der Entscheidung (§ 334), diesen ohne Begründung.
(2) Anschließend belehrt der Vorsitzende den Angeklagten über die ihm zustehenden Rechtsmittel.
12. Ausfertigung des Urteiles, Protokollführung
§ 342. Das Urteil ist in der im § 270 Abs. 1 bis 3 vorgeschriebenen Weise auszufertigen. In der Ausfertigung sind auch die Namen der Geschworenen anzuführen, die der Ersatzgeschworenen jedoch nur dann, wenn diese vor Schluß der Verhandlung an die Stelle eines verhinderten Geschworenen getreten sind. Die Ausfertigung muß auch die an die Geschworenen gestellten Fragen und ihre Beantwortung enthalten. Auf die im § 331 Abs. 3 bezeichnete Niederschrift darf im Urteile kein Bezug genommen werden.
§ 343. (1) Für die Führung des Protokolls über die Hauptverhandlung sowie über die Beratungen und Abstimmungen des Schwurgerichtshofs oder des Geschworenengerichtes während und am Schlusse der Hauptverhandlung gelten die Vorschriften der §§ 271, 271a, 272 und 305 Abs. 3 mit der Maßgabe, dass stets ein Schriftführer beizuziehenund ein Protokollvermerk (§ 271 Abs. 1a) nicht zulässig ist.
(2) Das Hauptverhandlungsprotokoll muß auch die Namen der Geschworenen einschließlich der Ersatzgeschworenen enthalten. Ist infolge Verhinderung eines Geschworenen ein Ersatzgeschworner an dessen Stelle getreten, so ist das im Hauptverhandlungsprotokoll zu beurkunden.
III. Rechtsmittel gegen Urteile der Geschworenengerichte
§ 344. Gegen die Urteile der Geschworenengerichte stehen die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung offen. Die für Rechtsmittel gegen Urteile der Schöffengerichte und für das Verfahren über solche Rechtsmittel geltenden Vorschriften (§§ 280 bis 296a) sind auf Rechtsmittel gegen Urteile der Geschworenengerichte dem Sinne nach anzuwenden, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist. An die Stelle der in den §§ 285a und 285d bezeichneten Nichtigkeitsgründe treten die folgenden Nichtigkeitsgründe des § 345 Abs. 1, und zwar im § 285a die der Z. 1 bis 13 und im § 285d die der Z. 1 bis 5, 10a und 13.
§ 345. (1) Die Nichtigkeitsbeschwerde kann, sofern sie nicht nach besonderen gesetzlichen Vorschriften auch in anderen Fällen zugelassen ist, nur wegen eines der folgenden Nichtigkeitsgründe ergriffen werden:
1. wenn der Schwurgerichtshof oder die Geschworenenbank nicht gehörig besetzt war, wenn nicht alle Richter und Geschworenen der ganzen Verhandlung beigewohnt haben oder wenn sich ein ausgeschlossener Richter oder Geschworener (§§ 43 und 46) an der Verhandlung beteiligt hat; als nicht gehörig besetzt gilt die Geschworenenbank auch dann, wenn in einer Jugendstrafsache nicht Geschworene für Jugendstrafsachen oder nicht mindestens zwei im Lehrberufe tätige oder tätig gewesene Personen der Geschworenenbank angehört haben;
2. wenn die Hauptverhandlung ohne Beiziehung eines Verteidigers geführt worden ist;
3. wenn ein Protokoll oder ein anderes amtliches Schriftstück über eine nichtige Erkundigung oder Beweisaufnahme im Ermittlungsverfahren trotz Widerspruchs des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung verlesen wurde;
4. wenn in der Hauptverhandlung eine Bestimmung verletzt oder missachtet worden ist, deren Einhaltung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet (§§ 126 Abs. 4, 140 Abs. 1, 144 Abs. 1, 155 Abs. 1, 157 Abs. 2 und 159 Abs. 3, 221 Abs. 2, 228, 250, 252, 260, 271, 305, 310, 329, 340, 427, 430 Abs. 3 und 4 sowie 439 Abs. 1 und 2);
5. wenn in der Hauptverhandlung über einen Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt worden ist oder wenn durch einen gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefassten Beschluss Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet worden sind, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften, insbesondere durch Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder sonst durch das Wesen eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens geboten ist;
6. wenn eine der in den §§ 312 bis 317 enthaltenen Vorschriften verletzt worden ist;
7. wenn an die Geschworenen eine Frage mit Verletzung der Vorschrift des § 267 gestellt und diese Frage bejaht worden ist;
8. wenn der Vorsitzende den Geschworenen eine unrichtige Rechtsbelehrung erteilt hat (§§ 321, 323, 327);
9. wenn die Antwort der Geschworenen auf die gestellten Fragen undeutlich, unvollständig oder in sich widersprechend ist;
10. wenn der Schwurgerichtshof den Geschworenen die Verbesserung des Wahrspruches gegen den Widerspruch des Beschwerdeführers mit Unrecht aufgetragen oder, obgleich ein oder mehrere Geschworenen ein bei der Abstimmung unterlaufenes Mißverständnis behauptet haben, mit Unrecht nicht aufgetragen hat (§ 332 Abs. 4);
10a. wenn sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen ergeben;
11. wenn durch die Entscheidung über die Frage,
a) ob die dem Angeklagten zur Last fallende Tat eine zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründet oder
b) ob die Verfolgung der Tat aus Gründen des Prozeßrechtes ausgeschlossen ist, ein Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet worden ist;
12. wenn die der Entscheidung zugrunde liegende Tat durch unrichtige Gesetzesauslegung einem Strafgesetz unterzogen worden ist, das darauf nicht anzuwenden ist;
12a. wenn nach der Bestimmung des § 199 über die Einstellung des Verfahrens, anderen auf sie verweisenden Vorschriften oder nach § 37 SMG vorzugehen gewesen wäre;
13. wenn das Geschworenengericht seine Strafbefugnis überschritten oder bei dem Ausspruch über die Strafe für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Tatsachen offenbar unrichtig beurteilt oder in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen hat.
(2) Die in der Z. 1 des Abs. 1 angeführten Nichtigkeitsgründe können nur dann geltend gemacht werden, wenn der Beschwerdeführer den die Nichtigkeit begründenden Umstand gleich bei Beginn der Verhandlung oder, wenn er ihm erst später bekanntgeworden ist, sogleich, nachdem er ihm zur Kenntnis gekommen war, geltend gemacht hat.
(3) Die unter Abs. 1 Z. 3 bis 6 und 10 erwähnten Nichtigkeitsgründe können zum Vorteile des Angeklagten nicht geltend gemacht werden, wenn unzweifelhaft erkennbar ist, daß die Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte.
(4) Zum Nachteile des Angeklagten können die unter Abs. 1 Z. 2, 7 und 10a erwähnten Nichtigkeitsgründe niemals, die unter Abs. 1 Z. 3 bis 6 und 10 erwähnten aber nur dann geltend gemacht werden, wenn erkennbar ist, daß die Formverletzung einen die Anklage beeinträchtigenden Einfluß auf die Entscheidung üben konnte, wenn sich außerdem der Ankläger widersetzt, die Entscheidung des Schwurgerichtshofes begehrt und sich sofort nach der Verweigerung oder Verkündung dieser Entscheidung die Nichtigkeitsbeschwerde vorbehalten hat. § 282 Abs. 2 gilt sinngemäß.
§ 346. Der Ausspruch über die Strafe kann in den im § 283 angeführten Fällen mit Berufung angefochten werden.
§ 347. Werden die Nichtigkeitsbeschwerde oder die Berufung oder beide Rechtsmittel nicht schon in der Sitzung des Geschworenengerichtes angemeldet, so sind sie beim Landesgericht einzubringen. Diesem steht das weitere Verfahren und die Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof oder an das Oberlandesgericht zu.
§ 348. Für den Gerichtstag beim Obersten Gerichtshof ist dem Angeklagten, wenn er keinen Verteidiger hat, ohne Rücksicht auf Art und Höhe der für die strafbare Handlung, die dem Angeklagten in der Anklageschrift oder im Urteil erster Instanz zur Last gelegt wird, angedrohten Strafe, ein Rechtsanwalt als Verteidiger beizugeben (§ 286 Abs. 4). (BGBl. Nr. 569/1973, Art. III Z. 7)
§ 349. (1) Liegt einer der im § 345 Abs. 1 Z. 1 bis 9 und 10a erwähnten Nichtigkeitsgründe vor, so hebt der Oberste Gerichtshof den Wahrspruch der Geschworenen und das darauf beruhende Urteil auf und verweist, sofern er nicht aus dem im § 345 Abs. 1 Z. 7 angeführten Grunde den Angeklagten freispricht, die Sache an das Geschworenengericht des von ihm zu bezeichnenden Landesgerichts zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung.
(2) Werden nicht alle Teile des Wahrspruches vom geltend gemachten Nichtigkeitsgrund getroffen und ist eine Sonderung möglich, so läßt der Oberste Gerichtshof die nicht betroffenen Teile des Wahrspruches und des Urteiles von dieser Verfügung unberührt und trägt dem Gericht, an das die Sache verwiesen wird, auf, die unberührt gebliebenen Teile des Wahrspruches der Entscheidung mit zugrunde zu liegen.
§ 350. (1) Liegt der im § 260 angeführte Nichtigkeitsgrund vor, so verweist der Oberste Gerichtshof die Sache an das Geschworenengericht, das das Urteil gefällt hat, mit dem Auftrage zurück, nach Tunlichkeit in der gleichen Zusammensetzung ein neues Urteil auf Grund des früheren Ausspruches der Geschworenen zu fällen.
(2) Liegt der im § 345 Abs. 1 Z. 10 bezeichnete Nichtigkeitsgrund vor, so hebt der Oberste Gerichtshof den Wahrspruch der Geschworenen, soweit er vom Nichtigkeitsgrunde betroffen ist, und das darauf beruhende Urteil auf. Ist den Geschworenen mit Unrecht die Verbesserung des Wahrspruches aufgetragen worden, so entscheidet er auf Grund des ursprünglichen Wahrspruches in der Sache selbst. Ist den Geschworenen die Verbesserung wegen eines von ihnen behaupteten Mißverständnisses mit Unrecht nicht aufgetragen worden, so verweist der Oberste Gerichtshof die Sache an das Geschworenengericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück.
§ 351. Liegt einer der im § 345 Abs. 1 Z. 11 bis 13 angeführten Nichtigkeitsgründe vor, so entscheidet der Oberste Gerichtshof in der Sache selbst. Sind jedoch die der Feststellung durch die Geschworenen vorbehaltenen Tatsachen, die er seiner Entscheidung zugrunde zu legen hätte, im Wahrspruche der Geschworenen nicht festgestellt, so verweist er die Sache an das Geschworenengericht des von ihm zu bezeichnenden Landesgerichts, wenn aber die strafbare Handlung bei richtiger Anwendung des Gesetzes nicht mehr vor das Geschworenengericht gehört, an das von ihm zu bezeichnende sachlich zuständige Gericht zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung.
16. Hauptstück
Wiederaufnahme und Erneuerung des Strafverfahrens sowie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
I. Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 352. (1) Abgesehen von den Bestimmungen über die Fortführung des Ermittlungsverfahrens (§§ 193, 195 und 196), kann dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Wiederaufnahme eines Verfahrens gegen einen Beschuldigten, das durch gerichtlichen Beschluss oder einen nicht bloß vorläufigen Rücktritt der Staatsanwaltschaft von der Verfolgung nach den im 11. Hauptstück enthaltenen Bestimmungen eingestellt wurde, nur dann stattgegeben werden, wenn die Strafbarkeit der Tat noch nicht durch Verjährung erloschen ist, und
1. die Einstellung durch Urkundenfälschung oder durch falsche Beweissaussage, Bestechung oder eine sonstige Straftat des Beschuldigten oder einer dritten Person herbeigeführt worden ist, oder
2. der Beschuldigte später ein Geständnis der ihm angelasteten Tat ablegt oder sich andere neue Tatsachen oder Beweismittel ergeben, die geeignet scheinen, die Verurteilung des Beschuldigten nahe zu legen (§ 210 Abs. 1).
(2) Dem Privatankläger steht der Antrag auf Wiederaufnahme ausschließlich im Fall einer Einstellung gemäß § 215 Abs. 2 zu.
§ 353. Der rechtskräftig Verurteilte kann die Wiederaufnahme des Strafverfahrens selbst nach vollzogener Strafe verlangen:
1. wenn dargetan ist, daß seine Verurteilung durch Urkundenfälschung oder durch falsche Beweisaussage, Bestechung oder eine sonstige Straftat einer dritten Person veranlaßt worden ist;
2. wenn er neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, seine Freisprechung oder die Verurteilung wegen einer unter ein milderes Strafgesetz fallenden Handlung zu begründen; oder
3. wenn wegen derselben Tat zwei oder mehrere Personen durch verschiedene Erkenntnisse verurteilt worden sind und bei der Vergleichung dieser Erkenntnisse sowie der ihnen zugrunde liegenden Tatsachen die Nichtschuld einer oder mehrerer dieser Personen notwendig anzunehmen ist.
§ 354. Den Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugunsten des Angeklagten können, und zwar auch nach dessen Tod, alle Personen stellen, die berechtigt wären, zu seinen Gunsten die Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung zu ergreifen. Erlangt die Staatsanwaltschaft die Kenntnis eines Umstandes, der einen Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugunsten des Angeklagten begründen kann (§ 353), so ist sie verpflichtet, hievon den Angeklagten oder sonst eine zur Stellung dieses Antrages berechtigte Person in Kenntnis zu setzen oder selbst den Antrag zu stellen.
§ 355. Die Staatsanwaltschaft oder der Privatankläger kann die Wiederaufnahme des Strafverfahrens wegen einer Handlung, hinsichtlich der der Angeklagte rechtskräftig freigesprochen worden ist, nur aus den in § 352 Abs. 1 genannten Gründen beantragen.
§ 356. Die Staatsanwaltschaft kann die Wiederaufnahme des Verfahrens, um zu bewirken, daß eine Handlung, wegen der der Angeklagte verurteilt worden ist, nach einem strengeren Strafgesetz beurteilt werde, nur unter den im § 352 Abs. 1 erwähnten Voraussetzungen und überdies nur dann beantragen, wenn die wirklich verübte Tat
1. mit mindestens zehnjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, während der Angeklagte nur wegen einer mit nicht mehr als zehnjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlung verurteilt wurde, oder
2. mit mehr als fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, während der Angeklagte nur wegen eines Vergehens verurteilt wurde, oder
3. sich als ein Verbrechen darstellt, während der Angeklagte nur wegen eines mit nicht mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens verurteilt wurde.
§ 357. (1) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens ist im Fall einer gerichtlichen Einstellung im Ermittlungsverfahren bei dem Landesgericht einzubringen, das die Einstellung beschlossen hat, im Falle eines nicht bloß vorläufigen Rücktritts der Staatsanwaltschaft von der Verfolgung nach den im 11. Hauptstück enthaltenen Bestimmungen bei dem Landesgericht, das im Ermittlungsverfahren zuständig gewesen wäre, in den übrigen Fällen jedoch bei dem Landesgericht, das für das Hauptverfahren zuständig war.
(2) Das Landesgericht (§ 31 Abs. 5 Z 2) hat den Antrag dem Gegner des Antragstellers mit der Belehrung zuzustellen, dass er seine Gegenäußerung binnen 14 Tagen überreichen könne. Das Landesgericht kann Ermittlungen durch die Kriminalpolizei anordnen oder Beweise selbst aufnehmen, wenn dies erforderlich ist, um die Gefahr abzuwenden, dass ein Beweismittel für eine erhebliche Tatsache verloren geht. Zum Ergebnis dieser Ermittlungen oder Beweisaufnahmen hat es Antragsteller und Antragsgegner Gelegenheit zur Äußerung binnen 14 Tagen einzuräumen. Sodann entscheidet das Landesgericht grundsätzlich nach nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss. Sofern sich jedoch die Tatsachen, durch die der Antrag begründet wird, und ihre Eignung, eine Änderung der rechtskräftigen Entscheidung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen herbeizuführen, nur durch eine unmittelbare Beweisaufnahme klären lassen, kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag eine mündliche Verhandlung anberaumen und in dieser über die Wiederaufnahme entscheiden. Die Verhandlung ist nicht öffentlich, doch hat das Gericht Antragsteller und Antragsgegner Gelegenheit zur Teilnahme und Stellungnahme zu geben.
(3) Der Antrag eines Verurteilten auf Wiederaufnahme des Verfahrens hemmt den Vollzug der Strafe nicht, es sei denn, dass das Gericht nach Anhörung der Staatsanwaltschaft oder des Privatanklägers die Hemmung des Strafvollzuges nach den Umständen des Falles für angemessen erachtet und mit Beschluss die Hemmung ausspricht.
§ 358. (1) Das frühere Urteil wird in den Fällen der §§ 353 bis 356 durch die Bewilligung der Wiederaufnahme insoweit für aufgehoben erklärt, als es die Straftat betrifft, hinsichtlich der die Wiederaufnahme bewilligt wird. Die gesetzlichen Folgen der im ersten Urteil ausgesprochenen Verurteilung bleiben bis zur neuerlichen Entscheidung aufrecht. Der Vollzug der Strafe ist unverzüglich einzustellen und über die Haft des Beschuldigten nach den im 9. Hauptstück enthaltenen Bestimmungen zu entscheiden.
(2) Das Verfahren tritt durch die Wiederaufnahme grundsätzlich (§ 360) in den Stand des Ermittlungsverfahrens. Die Staatsanwaltschaft hat die nach Maßgabe der bewilligenden Entscheidung erforderlichen Anordnungen oder Anträge zu stellen. Die für das Ermittlungsverfahren und die Anklage geltenden Bestimmungen sind auch hier anzuwenden.
(3) Wird das wiederaufgenommene Ermittlungsverfahren ohne Durchführung oder außerhalb einer Hauptverhandlung eingestellt, so hat der Beschuldigte das Recht, eine Veröffentlichung der Entscheidung zu verlangen.
(4) Wird der Angeklagte im wiederaufgenommenen Verfahren erneut verurteilt, so ist eine bereits erlittene Strafe auf Freiheits- und Geldstrafen anzurechnen (§ 38 StGB).
(5) Ist die Wiederaufnahme nur zugunsten des Angeklagten bewilligt worden, so gilt das Verbot der Verschlechterung (§ 16).
(6) Gegen das neue Erkenntnis stehen dieselben Rechtsmittel offen wie gegen jedes andere Urteil.
§ 360. (1) Das Gericht, das die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugunsten des Beschuldigten für zulässig erklärt, kann sofort ein Urteil fällen, wodurch der Beschuldigte freigesprochen oder seinem Antrag auf Anwendung eines milderen Strafsatzes stattgegeben wird.
(2) Der Freigesprochene kann die Veröffentlichung des Erkenntnisses verlangen.
§ 362. (1) Der Oberste Gerichtshof ist berechtigt, nach Anhörung des Generalprokurators im außerordentlichen Weg und ohne an die im § 353 vorgezeichneten Bedingungen gebunden zu sein, die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugunsten des wegen eines Verbrechens oder Vergehens Verurteilten zu verfügen, wenn sich ihm
1. bei der vorläufigen Beratung über eine Nichtigkeitsbeschwerde oder nach der öffentlichen Verhandlung über die Beschwerde oder
2. bei einer auf besonderen Antrag des Generalprokurators vorgenommenen Prüfung der Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Urteil zugrunde gelegten Tatsachen ergeben, die auch nicht durch einzelne vom Obersten Gerichtshof etwa angeordnete Erhebungen beseitigt werden.
(2) Der Oberste Gerichtshof kann in solchen Fällen auch sofort ein neues Urteil schöpfen, mit dem der Beschuldigte freigesprochen oder ein milderer Strafsatz auf ihn angewendet wird; hiefür ist jedoch Einstimmigkeit erforderlich. Der Freigesprochene kann die Veröffentlichung des Erkenntnisses verlangen.
(3) Anträge von Privaten, die auf Herbeiführung eines der vorstehend erwähnten Beschlüsse des Obersten Gerichtshofes abzielen, sind von den Gerichten abzuweisen, bei denen sie einlaufen; auch dürfen sie niemals zum Gegenstande der Erörterung in der mündlichen Verhandlung gemacht werden.
(4) Auf die vom Obersten Gerichtshofe verfügte Wiederaufnahme des Strafverfahrens ist § 358 anzuwenden.
(5) Die Entscheidung über die Hemmung des Strafvollzuges und über die Verweisung des weiteren Verfahrens an das Gericht eines anderen Sprengels steht nur dem Obersten Gerichtshofe zu.
§ 363. Das Hauptverfahren kann unabhängig von den Voraussetzungen der Wiederaufnahme durchgeführt werden, wenn der zur Klage noch berechtigte Privatankläger die Anklage einbringt, während im früheren Verfahren die Einstellung oder ein freisprechendes Urteil lediglich wegen Mangels des nach dem Gesetz erforderlichen Antrages eines Opfers (§ 71) erfolgt ist.
II. Erneuerung des Strafverfahrens
§ 363a. (1) Wird in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte eine Verletzung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder eines ihrer Zusatzprotokolle durch eine Entscheidung oder Verfügung eines Strafgerichtes festgestellt, so ist das Verfahren auf Antrag insoweit zu erneuern, als nicht auszuschließen ist, daß die Verletzung einen für den hievon Betroffenen nachteiligen Einfluß auf den Inhalt einer strafgerichtlichen Entscheidung ausüben konnte.
(2) Über den Antrag auf Erneuerung des Verfahrens entscheidet in allen Fällen der Oberste Gerichtshof. Den Antrag können der von der festgestellten Verletzung Betroffene und der Generalprokurator stellen; § 282 Abs. 1 ist sinngemäß anzuwenden. Der Antrag ist beim Obersten Gerichtshof einzubringen. Zu einem Antrag des Generalprokurators ist der Betroffene, zu einem Antrag des Betroffenen ist der Generalprokurator zu hören; § 35 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden.
§ 363b. (1) Der Oberste Gerichtshof hat über den Antrag auf Erneuerung des Verfahrens nur dann in nichtöffentlicher Sitzung zu beraten, wenn der Generalprokurator oder der Berichterstatter einen der im Abs. 2 oder 3 angeführten Beschlüsse beantragt.
(2) Bei der nichtöffentlichen Beratung kann der Oberste Gerichtshof den Antrag zurückweisen,
1. wenn der Antrag des Betroffenen nicht von einem Verteidiger unterschrieben ist,
2. wenn der Antrag von einer Person gestellt worden ist, der das Antragsrecht nicht zusteht, oder
3. wenn der Gerichtshof den Antrag einstimmig als offenbar unbegründet erachtet.
(3) Bei der nichtöffentlichen Beratung kann der Gerichtshof dem Antrag stattgeben, die strafgerichtliche Entscheidung aufheben und die Sache erforderlichenfalls an das Landesgericht oder Oberlandesgericht verweisen, wenn schon vor der öffentlichen Verhandlung über den Antrag feststeht, daß das Verfahren zu erneuern ist. Im erneuerten Verfahren darf keine strengere Strafe über den Verurteilten verhängt werden, als das frühere Urteil ausgesprochen hatte.
§ 363c. (1) Wird über den Antrag nicht schon in nichtöffentlicher Sitzung entschieden, so ist ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung der Sache anzuberaumen. Für dessen Anordnung und Durchführung gelten die §§ 286 und 287 dem Sinne nach mit der Maßgabe, daß der nicht verhaftete Angeklagte stets vorzuladen und auch die Vorführung des verhafteten Angeklagten zu veranlassen ist, wenn er dies beantragt hat oder die Vorführung sonst im Interesse der Rechtspflege geboten erscheint.
(2) Wenn der Oberste Gerichtshof den Antrag weder nach § 363b Abs. 2 Z 1 oder 2 zurückweist noch als unbegründet erachtet, gibt er ihm statt, hebt die strafgerichtliche Entscheidung auf und verweist die Sache erforderlichenfalls an das Landesgericht oder Oberlandesgericht.
III. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 364. (1) Gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung, Ausführung oder Erhebung eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs ist den Beteiligten des Verfahrens die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, sofern sie
1. nachweisen, daß es ihnen durch unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignisse unmöglich war, die Frist einzuhalten oder die Verfahrenshandlung vorzunehmen, es sei denn, daß ihnen oder ihren Vertretern ein Versehen nicht bloß minderen Grades zur Last liegt,
2. die Wiedereinsetzung innerhalb von vierzehn Tagen nach dem Aufhören des Hindernisses beantragen und
3. die versäumte schriftliche Verfahrenshandlung zugleich mit dem Antrag nachholen.
(2) Über die Wiedereinsetzung entscheidet:
1. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 93/2007)
2. im Falle des Einspruchs gegen das Abwesenheitsurteil eines Bezirksgerichts das Bezirksgericht;
3. in allen anderen Fällen das Gericht, dem die Entscheidung über das Rechtsmittel oder den Rechtsbehelf zusteht.
(3) Der Antrag ist bei dem Gericht einzubringen, bei dem die Verfahrenshandlung versäumt wurde. Das Gericht stellt ihn dem Gegner zur Äußerung binnen vierzehn Tagen zu und legt die Akten, sofern es nicht selbst zur Entscheidung berufen ist, nach Ablauf dieser Frist dem zuständigen Gericht vor.
(4) Dem Antrag kommt aufschiebende Wirkung nicht zu; das Gericht, bei dem der Antrag einzubringen ist, kann aber die Vollstreckung hemmen, sofern dies nach den Umständen des Falles angemessen erscheint. Wird die Wiedereinsetzung bewilligt, so sind die Folgen des Versäumnisses zu beseitigen und das Verfahren fortzusetzen.
(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 93/2007)
(6) Gegen die Versäumung der Frist für einen Wiedereinsetzungsantrag (Abs. 1 Z 2) ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zulässig.
17. Hauptstück
Verfahren über privatrechtliche Ansprüche
§ 365. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 93/2007)
§ 366. (1) Wird der Angeklagte freigesprochen, so ist der Privatbeteiligte mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.
(2) Wird der Angeklagte verurteilt, so ist im Urteil (§§ 260 Abs. 1 Z 5 und 270 Abs. 2 Z 4) über die privatrechtlichen Ansprüche des Privatbeteiligten zu entscheiden (§§ 395, 407 und 409 ZPO). Bieten die Ergebnisse des Strafverfahrens keine ausreichende Grundlage für eine auch nur teilweise Beurteilung des geltend gemachten privatrechtlichen Anspruchs (§ 69 Abs. 1), so ist der Privatbeteiligte auch in diesem Fall auf den Zivilrechtsweg zu verweisen, es sei denn, dass die erforderlichen Entscheidungsgrundlagen durch eine die Entscheidung in der Schuld- und Straffrage nicht erheblich verzögernde Beweisaufnahme ermittelt werden können.
(3) Wird der Privatbeteiligte trotz Verurteilung auf den Zivilrechtsweg verwiesen, so steht diesem, seinem Nachlass und seinen Erben die Berufung aus dem Grund zu, dass über den privatrechtlichen Anspruch bereits gemäß Abs. 2 hätte entschieden werden können.
§ 367. (1) Ist eine Sache, von der das Gericht sich überzeugt, daß sie dem Opfer gehöre, unter den Habseligkeiten des Angeklagten, eines Mitschuldigen oder eines Teilnehmers an der strafbaren Handlung oder an einem solchen Orte gefunden worden, wohin sie von diesen Personen nur zur Aufbewahrung gelegt oder gegeben wurde, so ordnet der das Gericht an, daß sie nach eingetretener Rechtskraft des Urteiles zurückzustellen sei. Mit ausdrücklicher Zustimmung des Beschuldigten kann jedoch die Ausfolgung auch sogleich geschehen.
(2) Ein solcher Gegenstand kann auch vor diesem Zeitpunkt auf Antrag des Opfers nach Anhörung des Beschuldigten und der übrigen Beteiligten, und zwar im Hauptverfahren durch das erkennende Gericht, im Ermittlungsverfahren jedoch durch die Staatsanwaltschaft zurückgestellt werden, wenn
1. der Gegenstand zur Herstellung des Beweises nicht oder nicht mehr benötigt wird und
2. weder der Beschuldigte oder ein Dritter bestimmte Tatsachen behaupten, aus denen sich ein Recht auf die Sache ergeben könnte, das der Ausfolgung an den Antragsteller entgegensteht, noch sonst Umstände vorliegen, welche die Rechte des Antragstellers zweifelhaft erscheinen lassen.
(3) Wird einem Ausfolgungsantrag nach Abs. 2 aus dem Grund der Z. 2 nicht stattgegeben, so ist die Beschlagnahme aufzuheben und der Gegenstand nach § 1425 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches bei dem für den Sitz des Gerichtes zuständigen Bezirksgericht zu hinterlegen.
§ 368. Ist das entzogene Gut bereits in die Hände eines Dritten, der sich an der strafbaren Handlung nicht beteiligt hat, auf eine zur Übertragung des Eigentumes gültige Art oder als Pfand geraten oder ist das Eigentum des entzogenen Gegenstandes unter mehreren Opfern streitig oder kann das Opfer sein Recht nicht sogleich genügend nachweisen, so ist das auf Zurückstellung des Gutes gerichtete Begehren auf den ordentlichen Zivilrechtsweg zu verweisen.
§ 369. (1) Wenn das dem Opfer entzogene Gut nicht mehr zurückgestellt werden kann, sowie in allen Fällen, in denen es sich nicht um die Rückstellung eines entzogenen Gegenstandes, sondern um den Ersatz eines erlittenen Schadens oder entgangenen Gewinnes oder um Tilgung einer verursachten Beleidigung handelt (§ 1323 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches), ist im Strafurteile die Schadloshaltung oder Genugtuung zuzuerkennen, insofern sowohl ihr Betrag als auch die Person, der sie gebührt, mit Zuverlässigkeit bestimmt werden kann.
(2) Ergeben sich aus den gepflogenen Erhebungen Gründe zu vermuten, dass das Opfer seinen Schaden zu hoch angebe, so kann ihn das Gericht nach Erwägung aller Umstände, allenfalls nach vorgenommener Schätzung durch Sachverständige ermäßigen.
§ 370. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 106)
§ 371. (1) Ergibt sich aus der Schuld des Angeklagten die gänzliche oder teilweise Ungültigkeit eines mit ihm eingegangenen Rechtsgeschäftes oder eines Rechtsverhältnisses, so ist im Strafurteil auch hierüber und über die daraus entspringenden Rechtsfolgen zu erkennen.
(2) Der rechtswirksame Ausspruch, daß eine Ehe nichtig sei, bleibt jedoch stets dem Zivilgerichte vorbehalten. Das Strafgericht kann die Nichtigkeit einer Ehe nur als Vorfrage beurteilen (§§ 15 und 69 Abs. 1).
§ 372. Dem Privatbeteiligten steht es frei, den Zivilrechtsweg zu betreten, wenn er sich mit der vom Strafgericht ihm zuerkannten Entschädigung nicht begnügen will.
§ 373. Ist das über die privatrechtlichen Ansprüche ergangene strafgerichtliche Erkenntnis in Rechtskraft erwachsen, so ist jeder Beteiligte berechtigt, vom Gerichte, das in erster Instanz erkannt hat, die Anmerkung der Rechtskräftigkeit des Erkenntnisses auf dem Urteile zu begehren; ein solches Erkenntnis hat dann die Wirkung, daß um seine Exekution unmittelbar beim Zivilgericht angesucht werden kann.
§ 373a. (1) Ist dem Privatbeteiligten rechtskräftig eine Entschädigung wegen Tötung, Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung oder wegen einer Schädigung am Vermögen zuerkannt worden, so kann der Bund dem Privatbeteiligten oder seinen Erben nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einen Vorschuß auf die Entschädigungssumme gewähren. Der Zuerkennung einer Entschädigung im Strafurteil steht die Erlangung eines anderen im Inland vollstreckbaren Exekutionstitels gegen den Verurteilten wegen der den Gegenstand der Verurteilung bildenden strafbaren Handlung durch das Opfer gleich.
(2) Ein Vorschuß kann nur auf Antrag des Anspruchsberechtigten und nur insoweit gewährt werden, als es offenbar ist, daß die alsbaldige Zahlung der Entschädigungssumme oder eines entsprechenden Teiles davon ausschließlich oder überwiegend dadurch vereitelt wird, daß an dem Verurteilten die im selben Verfahren ausgesprochene Freiheits- oder Geldstrafe vollzogen wird.
(3) Eine Vereitelung der alsbaldigen Zahlung einer Entschädigung im Sinne des Abs. 2 ist ohne weiteres anzunehmen, wenn der Verurteilte zwar die über ihn verhängte Geldstrafe, sei es auch in Teilbeträgen, zahlt oder diese Geldstrafe sonst von ihm eingebracht wird, Zahlungen an das Opfer oder seine Erben aber nicht erfolgen und auch im Wege einer Zwangsvollstreckung nicht erwartet werden können.
(4) Einzelrechtsnachfolgern, auf die der Entschädigungsanspruch kraft Gesetzes übergegangen ist, kann ein Vorschuß nicht gewährt werden. § 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen, BGBl. Nr. 288/1972, gilt dem Sinne nach.
(5) Die Gewährung eines Vorschusses ist ausgeschlossen, wenn dem Antragsteller mit Rücksicht auf seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse, auf die ihm von Gesetzes wegen obliegenden Unterhaltsverpflichtungen und auf seine sonstigen persönlichen Verhältnisse offenbar zugemutet werden kann, die Vereitelung hinzunehmen. Ein Vorschuß kann ferner nicht gewährt werden, soweit der Antragsteller gegen einen Dritten Anspruch auf entsprechende Leistungen hat und die Verfolgung dieses Anspruches zumutbar und nicht offenbar aussichtslos ist. Der Vorschuß darf jenen Entschädigungsbetrag nicht übersteigen, der vom Verurteilten ohne den Strafvollzug innerhalb eines Jahres hätte geleistet werden können (Abs. 2).
(6) Die Gewährung eines Vorschusses ist auch ausgeschlossen,
1. soweit ein Anspruch nach dem Bundesgesetz über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen gegeben ist;
2. soweit der Anspruch sich auf Leistungen erstreckt, die im Falle des Bestehens von Ansprüchen nach dem in der Z. 1 genannten Bundesgesetz nicht zu erbringen wären.
(7) Vorschüsse auf Ansprüche wegen Schädigung am Vermögen sind nur bis zum Ausmaß der eigentlichen Schadloshaltung (§ 1323 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches) zu gewähren.
(8) Über Anträge auf Gewährung von Vorschüssen entscheidet der Vorsitzende durch Beschluß. Der Beschluß kann anordnen, daß der Vorschuß innerhalb eines Jahres in Teilbeträgen auszuzahlen ist. Der Beschluß ist dem Antragsteller und dem Verurteilten zuzustellen. Dem Staatsanwalt und dem Antragsteller steht dagegen die binnen vierzehn Tagen nach Bekanntmachung einzubringende Beschwerde an das übergeordnete Gericht zu. Sobald der Beschluß über die Gewährung eines Vorschusses rechtskräftig ist, hat der Vorsitzende die Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Wien um die Auszahlung, allenfalls nach Maßgabe der hierüber getroffenen Anordnung, zu ersuchen.
(9) Soweit der Bund einen Vorschuß geleistet hat, gehen die Ansprüche des Antragstellers von Gesetzes wegen auf den Bund über. Für die Wirksamkeit dieses Forderungsüberganges gegenüber dem Verurteilten gelten der letzte Satz des § 1395 und der erste Satz des § 1396 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches dem Sinne nach. Sobald die Ansprüche auf den Bund übergegangen sind, hat der Verurteilte Zahlungen bis zur Höhe des gewährten Vorschusses an die Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Wien zu erbringen.
(10) Soweit der Verurteilte keine Zahlungen (Abs. 9) leistet, hat die Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Wien die Forderung zwangsweise hereinzubringen. Soweit eine sofortige zwangsweise Hereinbringung mit Rücksicht auf den Vollzug der Strafe offenbar aussichtslos wäre, kann sie bis nach dessen Beendigung aufgeschoben werden.
§ 373b. Ist im Fall eines Verfalls nach § 20 StGB oder eines erweiterten Verfalls nach § 20b StGB dem Opfer eine Entschädigung zwar rechtskräftig zuerkannt, aber noch nicht geleistet worden, so hat das Opfer unbeschadet des § 373a das Recht zu verlangen, daß seine Ansprüche aus dem vom Bund vereinnahmten Vermögenswert befriedigt werden.
§ 374. Um Änderung des rechtskräftigen strafgerichtlichen Ausspruches über privatrechtliche Ansprüche wegen neu aufgefundener Beweismittel sowie um Aufhebung seiner Vollstreckung wegen eines nachgefolgten Tatumstandes kann außer dem Fall einer aus anderen Gründen stattfindenden Wiederaufnahme des Strafverfahrens vom Verurteilten und dessen Rechtsnachfolgern nur vor dem Zivilrichter angesucht werden.
§ 375. (1) Werden bei einem Beschuldigten nach allem Anschein fremde Vermögenswerte aufgefunden, deren Eigentümer er nicht angeben kann oder will, so sind sie zu beschlagnahmen (§ 115 Abs. 1 Z 2) und in einem Edikt (§ 376) so zu beschreiben, dass der Eigentümer den Vermögenswert zwar als den seinen erkennen kann, jedoch der Beweis des Eigentumsrechts der Bezeichnung wesentlicher Unterscheidungsmerkmale vorbehalten wird.
(2) Für das Verfahren auf Grund von erhobenen Ansprüchen gelten die Bestimmungen der §§ 367 bis 369.
§ 376. (1) Eine solche Beschreibung ist durch Aufnahme in die Ediktsdatei öffentlich bekannt zu machen (§ 89j Abs. 1 GOG). In diesem Edikt ist der Eigentümer aufzufordern, sich binnen eines Jahres ab Bekanntmachung zu melden und sein Recht nachzuweisen.
(2) Die Auffindung von Gegenständen, derentwegen eine unverzügliche abgesonderte Bekanntmachung nicht notwendig erscheint, kann von Zeit zu Zeit in gemeinsamen Edikten bekanntgemacht werden.
§ 377. Ist das fremde Gut von solcher Beschaffenheit, daß es sich ohne Gefahr des Verderbens oder eines sonstigen raschen Wertverlusts nicht durch ein Jahr aufbewahren läßt, oder wäre die Aufbewahrung mit Kosten verbunden, so hat das Gericht die Veräußerung des Gutes durch öffentliche Versteigerung, bei sinngemäßem Vorliegen der im § 280 der Exekutionsordnung bezeichneten Voraussetzungen aber auf die dort vorgesehene Weise einzuleiten. In den Fällen des § 268 EO ist auch ein Freihandverkauf zulässig. Der Kaufpreis ist beim Strafgerichte zu erlegen. Zugleich ist eine genaue Beschreibung jedes verkauften Stückes unter Angabe des Käufers und des Kaufpreises auf die im § 376 beschriebene Weise zu veröffentlichen.
§ 378. Wenn binnen der Ediktalfrist niemand ein Recht auf die beschriebenen Gegenstände dartut, so sind sie, wenn sie aber der Dringlichkeit wegen verkauft wurden, so ist ihr Erlös dem Beschuldigten auf sein Verlangen auszufolgen, sofern nicht durch einen Beschluß des zur Entscheidung in erster Instanz berufenen Gerichtes ausgesprochen ist, daß die Rechtmäßigkeit des Besitzes des Beschuldigten nicht glaubwürdig sei.
§ 379. Gegenstände, die dem Beschuldigten nicht ausgefolgt werden, sind auf die im § 377 angeordnete Weise zu veräußern. Der Kaufpreis ist an die Bundeskasse abzugeben. Dem Berechtigten steht jedoch frei, seine Ansprüche auf den Kaufpreis gegen den Bund binnen dreißig Jahren vom Tage der dritten Einschaltung des Ediktes im Zivilrechtswege geltend zu machen.
18. Hauptstück
Kosten des Strafverfahrens
§ 380. Sofern die besonderen Vorschriften über die Gerichtsgebühren nichts anderes bestimmen, sind in Strafsachen keine Gebühren zu entrichten.
§ 381. (1) Die Kosten des Strafverfahrens, die von der zum Kostenersatze verpflichteten Partei zu ersetzen sind, umfassen:
1. einen Pauschalkostenbeitrag als Anteil an den im Folgenden nicht besonders angeführten Kosten des Strafverfahrens, einschließlich der Kosten der Ermittlungen der Kriminalpolizei und der zur Durchführung von Anordnungen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts notwendigen Amtshandlungen;
2. die Gebühren der Sachverständigen;
2a. soweit nicht nach Abs. 6 vorzugehen ist, die Gebühren der Dolmetscher, im Fall einer Bestellung nach § 126 Abs. 2a einen Pauschalbeitrag von 159 Euro;
3. eine Vergütung für Auskünfte, Befunde und Gutachten von Behörden (Ämtern, Anstalten) in der Höhe, wie sie für solche Auskünfte, Befunde und Gutachten in Privatangelegenheiten zu entrichten wäre;
4. die Kosten der Beförderung und Bewachung des Beschuldigten im Zusammenhang mit seiner Überstellung aus einem anderen Staat sowie die Kosten aus dem Ausland geladener Zeugen;
5. die Kosten einer Sicherstellung, einer Auskunft über Bankkonten und über Bankgeschäfte oder der Beschlagnahme von Briefen, der Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung und der Überwachung von Nachrichten gemäß §§ 111 Abs. 3, 116 Abs. 6 letzter Satz und 138 Abs. 3, es sei denn, dass dies im Hinblick auf die Tat oder die Strafe eine unverhältnismäßige Härte bedeuten würde;
6. die Kosten der Vollstreckung des Strafurteiles, ausgenommen die Kosten des Vollzuges einer Freiheitsstrafe;
7. die im Strafverfahren zu entrichtenden Gerichtsgebühren;
8. die Kosten der Verteidiger und anderer Vertreter;
9. einen Pauschalbetrag als Anteil an den Kosten der Prozessbegleitung (§ 66 Abs. 2) bis zu 1 000 Euro.
(2) Diese Kosten werden, soweit sich aus besonderen gesetzlichen Vorschriften nichts anderes ergibt, mit Ausnahme der unter Abs. 1 Z. 3 und 7 bis 9 bezeichneten Kosten vom Bunde vorgeschossen, vorbehaltlich des Rückersatzes nach den Bestimmungen der §§ 389 bis 391.
(3) Der Pauschalkostenbeitrag (Abs. 1 Z 1) ist innerhalb der folgenden Grenzen zu bemessen (Abs. 5):
1. im Verfahren vor den dem Landesgericht als Geschworenengericht von 500 bis 10.000 Euro
2. im Verfahren vor den dem Landesgericht als Schöffengericht von 250 bis 5.000 Euro
3. Im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts von 150 bis 3.000 Euro
4. im Verfahren vor dem Bezirksgericht von 50 bis 1.000 Euro
(4) Spricht ein Landesgericht lediglich eine Verurteilung wegen einer in die Zuständigkeit der Bezirksgerichte fallenden strafbaren Handlung aus, so darf der Pauschalkostenbeitrag den für das Verfahren vor den Bezirksgerichten vorgesehenen Betrag nicht übersteigen. Im Verfahren vor den Bezirksgerichten auf Grund einer Privatanklage ist ein Pauschalkostenbeitrag nicht zu bestimmen, wenn keine Hauptverhandlung stattgefunden hat und auch keine Zeugen- oder Sachverständigengebühren aufgelaufen sind.
(5) Bei Bemessung des Pauschalkostenbeitrages gemäß Abs. 3 sind die Belastung der im Strafverfahren tätigen Behörden und Dienststellen und das Ausmaß der diesen erwachsenen, nicht besonders zu vergütenden Auslagen sowie das Vermögen, das Einkommen und die anderen für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Ersatzpflichtigen maßgebenden Umstände zu berücksichtigen.
(5a) Bei Bemessung des Pauschalbetrages gemäß Abs. 1 Z 9 sind die Belastung der mit der Prozessbegleitung beauftragten Einrichtung und das Ausmaß ihrer Aufwendungen sowie die im Abs. 5 bezeichneten Umstände der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Ersatzpflichtigen zu berücksichtigen.
(6) Die Kosten für die Beiziehung eines Dolmetschers bilden keinen Teil der vom Angeklagten zu ersetzenden Kosten, wenn die Beiziehung notwendig war, weil der Angeklagte der Gerichtssprache nicht hinreichend kundig ist. Das gleiche gilt für Kosten, die daraus erwachsen, daß der Angeklagte wegen eines Gebrechens nicht fähig ist, sich mit dem Gericht zu verständigen, und eine Person zugezogen werden muß, die fähig ist, die Verständigung zwischen dem Gericht und dem Angeklagten zu vermitteln. Weitergehende Rechte, die sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumt sind, bleiben unberührt.
(7) Die durch eine Festnahme verursachten Kosten und die Kosten der Untersuchungshaft sind bei Bemessung des Pauschalkostenbeitrages nicht zu berücksichtigen.
§ 382. Die Gebühren der Organe der Kriminalpolizei für die Anfertigung von Kopien für Zwecke der Akteneinsicht, Zustellungen, Ladungen, Bewachung oder Beförderung des Beschuldigten oder anderer Personen werden durch besondere bundesgesetzliche Bestimmungen geregelt.
§ 383. (Aufgehoben)
§ 384. (Aufgehoben)
§ 385. (Aufgehoben)
§ 386. (Aufgehoben)
§ 387. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 145/1969, Art. II Z. 3)
§ 388. (1) Der vorläufige Rücktritt von der Verfolgung und die vorläufige Einstellung des Verfahrens unter Bestimmung einer Probezeit setzen die Leistung eines Beitrages zu den nach § 381 Abs. 1 Z 1 bis 3 zu ersetzenden Kosten bis zu 250 Euro voraus.
(2) Im Fall gemeinnütziger Leistungen oder eines Tatausgleichs kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung erst zurücktreten oder das Gericht das Strafverfahren erst einstellen, nachdem der Beschuldigte einen Pauschalkostenbeitrag bis zu 250 Euro bezahlt hat.
(3) Für die Bemessung der Kostenbeiträge gilt § 381 Abs. 5 sinngemäß. Die Zahlung ist insoweit nachzusehen, als dadurch der zu einer einfachen Lebensführung notwendige Unterhalt des Beschuldigten und seiner Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, Schadensgutmachung, Tatfolgenausgleich oder die Erfüllung des Tatausgleichs gefährdet würde.
§ 389. (1) Im Fall eines Schuldspruchs ist der Angeklagte auch zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens zu verpflichten (§ 260 Abs. 1 Z 5).
(2) Wird das Strafverfahren gegen einen Angeklagten wegen mehrerer Straftaten teils mit Schuld-, teils mit Freispruch erledigt, so ist der Angeklagte nur zum Ersatz jener Kosten zu verpflichten, die sich auf den Schuldspruch beziehen.
(3) Die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten trifft jedoch den rechtskräftig Verurteilten nur für seine Person; sie geht nicht auf die Erben über. Von mehreren Angeklagten ist jeder einzelne zur Tragung des Pauschalkostenbeitrages, der dem gegen ihn gefällten Erkenntnis entspricht, sowie der Kosten zu verurteilen, die durch seine Verteidigung oder durch besondere, nur bei ihm eingetretene Ereignisse oder durch sein besonderes Verschulden entstanden sind. Zur Bezahlung aller anderen Kosten des Strafverfahrens sind sämtliche Angeklagten zur ungeteilten Hand zu verurteilen, sofern das Gericht nicht besondere Gründe findet, eine Beschränkung dieser Haftung eintreten zu lassen.
§ 390. (1) Wird das Strafverfahren auf andere Weise als durch einen Schuldspruch beendigt, so sind die Kosten in der Regel vom Bunde zu tragen. Soweit aber das Strafverfahren auf Begehren eines Privatanklägers oder gemäß § 72 lediglich auf Antrag des Privatbeteiligten stattgefunden hat, ist diesen der Ersatz aller infolge ihres Einschreitens aufgelaufenen Kosten in der das Verfahren für die Instanz erledigenden Entscheidung aufzutragen. Den Privatbeteiligten trifft jedoch kein Kostenersatz, wenn das Strafverfahren nach dem 11. Hauptstück beendet wird.
(2) Haben mehrere Privatankläger oder Privatbeteiligte wegen derselben Handlung erfolglos Bestrafung derselben Person begehrt, so haften sie für die Kosten des Strafverfahrens zur ungeteilten Hand. Haben sie erfolglos die Bestrafung verschiedener Personen oder die Bestrafung derselben Personen wegen verschiedener Handlungen begehrt, so haftet jeder für die besonderen Kosten, die nur durch seinen Antrag entstanden sind, und für den Pauschalkostenbeitrag, der zu entrichten gewesen wäre, wenn seine Anklage den einzigen Gegenstand des Verfahrens gebildet hätte; die Anteile der einzelnen Ankläger an den gemeinsamen Kosten hat das Gericht nach dem Maß ihrer Beteiligung am Verfahren zu bestimmen.
(3) Die Staatsanwaltschaft kann nie zum Ersatz der Kosten verurteilt werden.
(4) Wurde endlich das Strafverfahren durch eine wissentlich falsche Anzeige veranlaßt, so hat die Kosten der Anzeiger zu ersetzen.
§ 390a. (1) Den nach den §§ 389 und 390 zum Kostenersatze Verpflichteten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last, sofern sie nicht durch ein ganz erfolglos gebliebenes Rechtsmittel des Gegners verursacht worden sind. Ist ein solches Rechtsmittel vom Privatankläger oder vom Privatbeteiligten ergriffen worden, so ist ihm der Ersatz der dadurch verursachten Kosten unabhängig vom Ausgange des Verfahrens aufzuerlegen.
(2) Für die durch ein erfolgloses Begehren um Wiederaufnahme des Verfahrens verursachten Kosten haftet der Antragsteller.
§ 391. (1) Die Kosten des Strafverfahrens sind jedoch vom Ersatzpflichtigen nur insoweit einzutreiben, als dadurch weder der zu einer einfachen Lebensführung notwendige Unterhalt des Ersatzpflichtigen und seiner Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, noch die Erfüllung der aus der strafbaren Handlung entspringenden Pflicht zur Schadensgutmachung gefährdet wird. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 110)
(2) Ist nach den im Verfahren hervorgekommenen Umständen mit Grund anzunehmen, daß die Kosten des Strafverfahrens wegen Mittellosigkeit des Zahlungspflichtigen auch nicht bloß zum Teile hereingebracht werden können, so hat das Gericht, soweit tunlich, gleich bei Schöpfung des Erkenntnisses die Kosten für uneinbringlich zu erklären; andernfalls entfällt eine Entscheidung über die Einbringlichkeit der Kosten. Der Beschluß, womit die Kosten für uneinbringlich erklärt werden, kann jederzeit aufgehoben und, wenn später Umstände der bezeichneten Art hervorkommen, nachträglich gefaßt werden.
(3) Gegen Entscheidungen der Gerichte, womit ein Antrag abgelehnt wird, die Kosten für uneinbringlich zu erklären, ist kein Rechtsmittel zulässig. (BGBl. Nr. 145/1969, Art. II Z. 4)
§ 393. (1) Wer sich im Strafverfahren eines Vertreters bedient, hat in der Regel auch die für diese Vertretung auflaufenden Kosten, und zwar selbst in dem Falle zu zahlen, wenn ihm ein solcher Vertreter von Amts wegen beigegeben wird.
(1a) Ein Beschuldigter, dem ein Verteidiger nach § 61 Abs. 2 beigegeben wurde, hat einen Pauschalbeitrag zu dessen Kosten zu tragen, wenn ihm der Ersatz der Prozeßkosten überhaupt zur Last fällt und sein und seiner Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zur einfachen Lebensführung notwendiger Unterhalt dadurch nicht beeinträchtigt wird. Für die Bemessung dieses Pauschalbeitrages gelten die im § 393a Abs. 1 angeführten Grundsätze und die dort genannten Höchstbeträge.
(2) Einem nach § 61 Abs. 2 beigegebenen Verteidiger sind, soweit nicht nach § 56 Abs. 1 dritter Satz vorzugehen ist, auf sein Verlangen die nötig gewesenen und wirklich bestrittenen baren Auslagen vom Bund zu vergüten. Zu diesen Auslagen gehören auch die Kosten eines Dolmetschers, soweit dessen Beiziehung zu den Besprechungen zwischen dem Verteidiger und dem Beschuldigten notwendig war; solche Kosten sind bis zu dem Ausmaß zu vergüten, das sich in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes 1975 ergibt.
(3) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 93/2007)
(4) In den Fällen, in denen dem Beschuldigten, dem Privatankläger, dem Privatbeteiligten (§ 72) oder dem, der eine wissentlich falsche Anzeige gemacht hat, der Ersatz der Prozeßkosten überhaupt zur Last fällt, haben diese Personen auch alle Kosten der Verteidigung und der Vertretung zu ersetzen.
(5) Soweit jedoch der Privatbeteiligte mit seinen privatrechtlichen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden ist, bilden die zur zweckentsprechenden Geltendmachung seiner Ansprüche im Strafverfahren aufgewendeten Kosten seines Vertreters einen Teil der Kosten des zivilgerichtlichen Verfahrens, in dem über den Anspruch erkannt wird.
§ 393a. (1) Wird ein nicht lediglich auf Grund einer Privatanklage oder der Anklage eines Privatbeteiligten (§ 72) Angeklagter freigesprochen oder das Strafverfahren nach Durchführung einer Hauptverhandlung gemäß § 227 oder nach einer gemäß den §§ 353, 362 oder 363a erfolgten Wiederaufnahme oder Erneuerung des Strafverfahrens eingestellt, so hat ihm der Bund auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfaßt die nötig gewesenen und vom Angeklagten wirklich bestrittenen baren Auslagen und außer im Fall des § 61 Abs. 2 auch einen Pauschalbeitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Angeklagte bedient. Der Pauschalbeitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang und die Schwierigkeit der Verteidigung und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Er darf folgende Beträge nicht übersteigen:
1. im Verfahren vor den Landesgerichten als Geschworenengericht ............................... 5 000 Euro,
2. im Verfahren vor den Landesgerichten als Schöffengericht .................................... 2 500 Euro,
3. im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts ..................................... 1 250 Euro,
4. im Verfahren vor den Bezirksgerichten ............. 450 Euro.
(2) Wird ein Angeklagter in einem Strafverfahren, in dem die Vertretung durch einen Verteidiger in der Hauptverhandlung zwingend vorgeschrieben war (§ 61 Abs. 1 Z 4 und 5), lediglich einer in die Zuständigkeit der Bezirksgerichte fallenden strafbaren Handlung für schuldig erkannt, so gebührt ihm ein angemessener Teil des im Fall eines Freispruches oder einer Einstellung nach Abs. 1 Z 1, 2 oder 3 zustehenden Betrages.
(3) Der Ersatzanspruch ist ausgeschlossen, soweit der Angeklagte den das Verfahren begründenden Verdacht vorsätzlich herbeigeführt hat oder das Verfahren lediglich deshalb beendet worden ist, weil der Angeklagte die Tat im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen hat oder weil die Ermächtigung zur Strafverfolgung in der Hauptverhandlung zurückgenommen worden ist. Der Ersatzanspruch steht auch dann nicht zu, wenn die Strafbarkeit der Tat aus Gründen entfällt, die erst nach Einbringung der Anklageschrift oder des Antrages auf Bestrafung eingetreten sind.
(4) Der Antrag ist bei sonstigem Ausschluß innerhalb von drei Jahren nach der Entscheidung oder Verfügung zu stellen.
(5) Einer rechtzeitig eingebrachten Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem über den Antrag entschieden worden ist, kommt aufschiebende Wirkung zu.
(6) Weitergehende Rechte des Angeklagten nach diesem Bundesgesetz und dem Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz bleiben unberührt.
§ 394. Gebührt dem Verteidiger oder dem Vertreter gemäß § 73 eine Belohnung, so ist ihre Bestimmung sowohl in dem Falle, wenn sich der Beschuldigte, der Privatankläger oder der Privatbeteiligte selbst einen solchen wählen, als auch dann, wenn dem Angeklagten ein Verteidiger von Amts wegen beigegeben wurde, dem freien Übereinkommen zwischen dem Vertreter und dem Zahlungspflichtigen überlassen.
§ 395. (1) Wird über die Höhe der gemäß § 393 Abs. 4 zu ersetzenden Kosten keine Einigung erzielt, so hat das Gericht, das in erster Instanz entschieden hat, auf Antrag eines der Beteiligten die zu ersetzenden Kosten mit Beschluss zu bestimmen. Vor der Bemessung der Gebühren ist dem Gegner des Antragstellers Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Wird der Antrag von der zum Ersatz der Kosten verurteilten Partei gestellt, so hat das Gericht dem Gegner aufzutragen, seine Gebührenrechnung binnen einer angemessenen Frist vorzulegen, widrigenfalls die Gebühren auf Grund der vom Antragsteller beigebrachten und sonst dem Gerichte zur Verfügung stehenden Behelfe bestimmt würden.
(2) Bei der Bemessung der Gebühren ist auch zu prüfen, ob die vorgenommenen Vertretungshandlungen notwendig waren oder sonst nach der Beschaffenheit des Falles gerechtfertigt sind. Die Kosten des Bemessungsverfahrens sind als Kosten des Strafverfahrens anzusehen.
(3) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 93/2007)
(4) Einer rechtzeitig eingebrachten Beschwerde gegen einen Beschluss gemäß Abs. 1 kommt aufschiebende Wirkung zu.
(5) Die vorhergehenden Absätze sind auch anzuwenden, wenn zwischen dem von Amts wegen bestellten Verteidiger und dem von ihm vertretenen Beschuldigten über die Entlohnung kein Übereinkommen erzielt wird. Das Gericht hat die Entlohnung des von Amts wegen bestellten Verteidigers festzusetzen und dem Beschuldigten die Zahlung aufzutragen. Der rechtskräftige Beschluß ist vollstreckbar.
19. Hauptstück
Vollstreckung der Urteile
§ 396. (1) Jeder durch ein Urteil freigesprochene Angeklagte ist, wenn er verhaftet ist, sogleich nach der Verkündung des Urteiles in Freiheit zu setzen; es sei denn, daß die Ergreifung eines Rechtsmittels mit aufschiebender Wirkung oder andere gesetzliche Gründe seine fernere Verwahrung nötig machten.
(2) Der auf freiem Fuß befindliche Angeklagte ist von der Rechtskraft zu verständigen, sobald der Ankläger ein angemeldetes Rechtsmittel zurückgezogen hat.
(3) Die Kriminalpolizei ist durch das Gericht, das in erster Instanz entschieden hat, von der Einstellung des Verfahrens sowie von einem Freispruch zu verständigen.
§ 397. Jedes Strafurteil ist ungesäumt in Vollzug zu setzen, sobald feststeht, daß der Vollstreckung kein gesetzliches Hindernis und insbesondere kein rechtzeitig und von einem hiezu Berechtigten ergriffenes Rechtsmittel entgegensteht, dem das Gesetz aufschiebende Wirkung beimißt (§ 284 Abs. 3, § 294 Abs. 1 und § 344). Ist ein Rechtsmittel zugunsten des verhafteten Angeklagten von solchen Personen ergriffen worden, die hiezu gegen seinen Willen nicht berechtigt sind, so ist der Angeklagte hievon in Kenntnis zu setzen und über den dadurch herbeigeführten Aufschub der Strafvollstreckung zu belehren. Dasselbe hat zu geschehen, wenn es zweifelhaft ist, ob der verhaftete Angeklagte der Einlegung des Rechtsmittels durch seinen Verteidiger zugestimmt habe. Die Anordnung des Vollzuges des Strafurteiles steht dem Vorsitzenden des erkennenden Gerichtes zu. (BGBl. Nr. 145/1969, Art. II Z. 5)
§ 398. Jede Rechtswirkung eines Strafurteils beginnt, wenn nichts anderes bestimmt ist, mit seiner Rechtskraft. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 112)
§ 399. Jedes Urteil gegen einen Beamten (§ 74 Abs. 1 Z 4 StGB) ist, sobald es rechtskräftig wurde, dem Leiter der Dienststelle bekannt zu machen.
§ 400. (1) Über die Anrechnung einer vom Verurteilten nach der Fällung des Urteiles erster Instanz in Vorhaft zugebrachten Zeit (§ 38 StGB) hat der Vorsitzende des Gerichtes, das in erster Instanz erkannt hat, mit Beschluß zu entscheiden.
(2) Einen Beschluß nach Abs. 1 hat der Vorsitzende auf Antrag oder von Amts wegen auch dann zu fassen, wenn im Urteil die Anrechnung einer Vorhaft oder einer im Ausland verbüßten Strafe (§ 66 StGB) unterblieben ist. Ist eine solche Anrechnung fehlerhaft erfolgt, so hat sie der Vorsitzende jederzeit zu berichtigen (§ 270 Abs. 3), zum Nachteil des Angeklagten jedoch nur, solange das Urteil nicht rechtskräftig ist. Die Abweisung eines darauf gerichteten Antrages sowie die vorgenommene Berichtigung können nach Maßgabe des § 270 Abs. 3 mit Beschwerde angefochten werden.
§ 401. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 145/1969, Art. II Z. 6)
§ 401a. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 145/1969, Art. II Z. 6)
§ 402. Ist in einem Strafurteil auf den Verlust eines Rechtes erkannt worden oder ist in einem Gesetz vorgesehen, daß die Verurteilung einen solchen Verlust nach sich zieht oder nach sich ziehen kann, so hat das Strafgericht die rechtskräftige Verurteilung der in Betracht kommenden Stelle bekanntzumachen. Sofern dieser Stelle nicht schon nach anderen gesetzlichen Bestimmungen eine Urteilsausfertigung zugestellt werden muß, ist ihr eine solche Ausfertigung auf ihr Ersuchen zu übersenden. (BGBl. Nr. 145/1969, Art. II Z. 7)
§ 403. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 74/1968, Art. IV Z. 2)
§ 404. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 74/1968, Art. IV Z. 2)
§ 405. Wie auf Freiheitsstrafen lautende Strafurteile zu vollziehen sind, bestimmen besondere Gesetze. (BGBl. Nr. 145/1969, Art. II Z. 8)
§ 406. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 145/1969, Art. II Z. 9)
§ 407. Von der Verurteilung einer Person, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, ist die für die Ausübung der Fremdenpolizei zuständige Behörde unverzüglich zu verständigen. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 114)
§ 408. (1) Ist der Verfall, der erweiterte Verfall, die Konfiskation oder die Einziehung von Vermögenswerten oder Gegenständen ausgesprochen und befinden sich diese nicht bereits in gerichtlicher Verwahrung, so ist der Verurteilte oder der Haftungsbeteiligte (§ 64) vom Strafgericht schriftlich aufzufordern, sie binnen vierzehn Tagen zu erlegen oder dem Gericht die Verfügungsmacht zu übertragen, widrigenfalls zwangsweise vorgegangen werden würde. Kommt der Verfügungsberechtigte dieser Aufforderung nicht nach, so ist die Einbringungsstelle um die Einleitung der Exekution zu ersuchen.
(2) Ein verfallener oder eingezogener Gegenstand, der in wissenschaftlicher oder geschichtlicher Beziehung oder für eine Lehr-, Versuchs-, Forschungs- oder sonstige Fachtätigkeit von Interesse ist, ist den hiefür in Österreich bestehenden staatlichen Einrichtungen und Sammlungen zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen sind Gegenstände, die zur Deckung des Sachaufwandes der Justiz unmittelbar herangezogen werden können, hiezu zu verwenden, andere Gegenstände aber auf die im § 377 angeordnete Weise zu veräußern. Gegenstände, die danach weder verwendet noch verwertet werden können, sind zu vernichten.
§ 409. (1) Wenn der Verurteilte eine über ihn verhängte Geldstrafe nicht unverzüglich nach Eintritt der Rechtskraft erlegt, ist er schriftlich aufzufordern, die Strafe binnen vierzehn Tagen zu zahlen, widrigens sie zwangsweise eingetrieben werde. Gleiches gilt für den Verfall nach § 20 Abs. 3 StGB.
(2) Wie Geldstrafen einzutreiben sind, ist im Gerichtlichen Einbringungsgesetz 1962, in der jeweils geltenden Fassung, bestimmt.
(3) Ersatzfreiheitsstrafen sind wie andere Freiheitsstrafen nach den Bestimmungen des StVG anzuordnen und zu vollziehen.
§ 409a. (1) Wenn die unverzügliche Zahlung einer Geldstrafe oder eines Geldbetrages nach § 20 StGB den Zahlungspflichtigen unbillig hart träfe, hat der Vorsitzende auf Antrag durch Beschluß einen angemessenen Aufschub zu gewähren.
(2) Der Aufschub darf jedoch
1. bei Zahlung der ganzen Strafe oder des gesamten Geldbetrages nach § 20 StGB auf einmal oder bei Entrichtung einer 180 Tagessätze nicht übersteigenden Strafe in Teilbeträgen nicht länger sein als ein Jahr,
2. bei Entrichtung einer 180 Tagessätze übersteigenden Strafe in Teilbeträgen nicht länger als zwei Jahre und
3. bei Entrichtung einer nicht in Tagessätzen bemessenen Geldstrafe oder eines Geldbetrages nach § 20 StGB in Teilbeträgen nicht länger als fünf Jahre.
(3) In die gewährte Aufschubsfrist werden Zeiten, in denen der Zahlungspflichtige auf behördliche Anordnung angehalten worden ist, nicht eingerechnet. Leistet der Zahlungspflichtige zur Schadloshaltung oder Genugtuung eines durch die strafbare Handlung Geschädigten Zahlungen, so ist dies bei der Entscheidung über einen Antrag auf Aufschub angemessen zu berücksichtigen. Mit Rücksicht auf Entschädigungszahlungen, die innerhalb der zur Zahlung der Geldstrafe oder des Geldbetrages nach § 20 StGB gewährten Frist geleistet werden, kann der Aufschub angemessen längstens aber um ein weiteres Jahr verlängert werden.
(4) Die Entrichtung einer Geldstrafe oder eines Geldbetrages nach § 20 StGB in Teilbeträgen darf nur mit der Maßgabe gestattet werden, daß alle noch aushaftenden Teilbeträge sofort fällig werden, wenn der Zahlungspflichtige mit mindestens zwei Ratenzahlungen in Verzug ist.
(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 93/2007)
§ 410. (1) Über die nachträgliche Strafmilderung, die Neubemessung des Tagessatzes sowie die Änderung der Entscheidung über den Verfall, den erweiterten Verfall (§ 31a StGB) oder über das Tätigkeitsverbot ( § 220b Abs. 3 und 4 StGB entscheidet das Gericht, das in erster Instanz erkannt hat, auf Antrag oder von Amts wegen nach Erhebung der für die Entscheidung maßgebenden Umstände mit Beschluß.
(2) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 93/2007)
(3) Wenn der Zweck der Entscheidung nach Abs. 1 sonst ganz oder teilweise vereitelt werden könnte, hat das Gericht den Vollzug der Strafe, des Verfalls oder des erweiterten Verfalls bis zur Rechtskraft seiner Entscheidung vorläufig zu hemmen oder zu unterbrechen, es sei denn, daß ihm ein offenbar aussichtsloser Antrag vorliegt.
§ 411. Mit dem Tod des Verurteilten erlischt die Verbindlichkeit zur Zahlung von Geldstrafen, soweit sie noch nicht vollzogen worden sind. Dies gilt dem Sinne nach für den Verfalls- und Wertersatz.
20. Hauptstück
Verfahren gegen Abwesende
§ 412. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 93/2007)
Abwesenheitsverfahren
§ 427. (1) Ist der Angeklagte bei der Hauptverhandlung nicht erschienen, so darf bei sonstiger Nichtigkeit in seiner Abwesenheit die Hauptverhandlung nur dann durchgeführt und das Urteil gefällt werden, wenn es sich um ein Vergehen handelt, der Angeklagte gemäß §§ 164 oder 165 zum Anklagevorwurf vernommen wurde und ihm die Ladung zur Hauptverhandlung persönlich zugestellt wurde. Das Urteil ist in diesem Fall dem Angeklagten in seiner schriftlichen Ausfertigung zuzustellen.
(2) Soweit die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nicht durchgeführt werden kann, sei es, weil die Voraussetzungen gemäß Abs. 1 nicht vorliegen oder der Vorsitzende die Anwesenheit des Angeklagten zur umfassenden Beurteilung des Anklagevorwurfs für erforderlich hält, so ist die Hauptverhandlung gemäß § 226 zu vertagen und gegebenenfalls die Vorführung des Angeklagten anzuordnen. Ist der Angeklagte jedoch flüchtig oder unbekannten Aufenthalts, so ist gemäß § 197 Abs. 1 vorzugehen.
(3) Gegen das in Abwesenheit des Angeklagten gefällte Urteil kann dieser beim Landesgericht innerhalb von vierzehn Tagen Einspruch erheben. Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung gegen ein Abwesenheitsurteil können auch nach Ablauf der Anmeldungsfrist zusammen mit dem Einspruch angemeldet werden. Dem Einspruch ist stattzugeben, wenn nachgewiesen wird, daß der Angeklagte durch ein unabweisbares Hindernis abgehalten wurde, in der Hauptverhandlung zu erscheinen. In diesem Fall ist eine neue Hauptverhandlung anzuordnen. Über den Einspruch entscheidet das Oberlandesgericht nach Anhörung der Oberstaatsanwaltschaft in nichtöffentlicher Sitzung. Weist es den Einspruch zurück, so steht dem Angeklagten gegen das Urteil ein Rechtsmittel nicht mehr offen. Hat der Verurteilte zugleich mit dem Einspruche die Nichtigkeitsbeschwerde oder die Berufung ergriffen oder liegt eine von anderer Seite ergriffene Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde vor, so ist von dem Gerichte, dem die Akten nach Vorschrift der §§ 285 und 294 vorgelegt werden, vorerst über den Einspruch in nichtöffentlicher Sitzung nach Anhörung der Staatsanwaltschaft zu entscheiden; nur wenn der Einspruch zurückgewiesen wird, ist in die Prüfung der Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde einzugehen.
§ 428. Durch das Nichterscheinen eines Angeklagten und das dadurch veranlaßte Ungehorsamverfahren darf das Verfahren gegen die anwesenden Mitangeklagten nicht verzögert werden. Werden in solchen Fällen Gegenstände, die zur Überweisung der Angeklagten dienen können, den Eigentümern zurückgestellt, so kann diesen die Verpflichtung auferlegt werden, die Beweisstücke auf Begehren wieder beizubringen. Zugleich ist eine genaue Beschreibung der zurückgestellten Gegenstände zu den Akten zu bringen.
21. Hauptstück
Verfahren bei vorbeugenden Maßnahmen und beim Verfall, beim erweiterten Verfall und bei der Einziehung
I. Vom Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 StGB
§ 429. (1) Liegen hinreichende Gründe für die Annahme vor, daß die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 StGB gegeben seien, so hat die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher zu stellen. Für diesen Antrag gelten die Bestimmungen über die Anklageschrift (§§ 210 bis 215) dem Sinne nach. Für das Verfahren auf Grund eines solchen Antrages gelten sinngemäß die Bestimmungen über das Strafverfahren, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird.
(2) Für das Ermittlungsverfahren gelten folgende Besonderheiten:
1. Der Verteidiger ist berechtigt, zugunsten des Betroffenen (§ 48 Abs. 2) auch gegen dessen Willen Anträge zu stellen.
2. Der Betroffene ist mindestens durch einen Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie zu untersuchen.
3. Zu jeder Vernehmung des Betroffenen können ein oder zwei Sachverständige beigezogen werden.
4. Ist anzunehmen, dass die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Betroffenen wird durchgeführt werden müssen (§ 430 Abs. 5), so ist die abschließende Vernehmung des Betroffenen auf die im § 165 beschriebene Weise durchzuführen.
5. Von Vernehmungen des Betroffenen ist abzusehen, soweit sie wegen seines Zustandes nicht oder nur unter erheblicher Gefährdung seiner Gesundheit möglich sind.
(3) Das nach § 109 Jurisdiktionsnorm zuständige Gericht ist sogleich vom Verfahren zu verständigen.
(4) Liegt einer der im § 173 Abs. 2 und 6 angeführten Haftgründe vor, kann der Betroffene nicht ohne Gefahr für sich oder andere auf freiem Fuß bleiben oder ist seine ärztliche Beobachtung erforderlich, so ist seine vorläufige Anhaltung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher oder seine Einweisung in eine öffentliche Krankenanstalt für Geisteskrankheiten anzuordnen. Diese Krankenanstalten sind verpflichtet, den Betroffenen aufzunehmen und für die erforderliche Sicherung seiner Person zu sorgen. § 71 Abs. 2 des Strafvollzugsgesetzes gilt sinngemäß.
(5) Über die Zulässigkeit der vorläufigen Anhaltung ist in sinngemäßer Anwendung der §§ 172 bis 178 zu entscheiden. Auf die vorläufige Anhaltung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher sind die Bestimmungen über den Vollzug der Anhaltung in einer solchen Anstalt dem Sinne nach anzuwenden.
(6) Im Falle eines Strafurteils (§ 434) ist die vorläufige Anhaltung auf Freiheits- und Geldstrafen anzurechnen (§ 38 StGB).
§ 430. (1) Zur Entscheidung über den Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 StGB ist das Gericht berufen, das für ein Strafverfahren auf Grund einer Anklage oder eines Strafantrages gegen den Betroffenen wegen seiner Tat zuständig wäre; an Stelle des Einzelrichters ist jedoch das Landesgericht als Schöffengericht berufen.
(2) Das Gericht entscheidet über den Antrag nach öffentlicher mündlicher Hauptverhandlung, die in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des 14. und 15. Hauptstückes durchzuführen ist, durch Urteil.
(3) Während der ganzen Hauptverhandlung muß bei sonstiger Nichtigkeit ein Verteidiger des Betroffenen anwesend sein, der zur Stellung von Anträgen zugunsten des Betroffenen auch gegen dessen Willen berechtigt ist.
(4) Der Hauptverhandlung ist bei sonstiger Nichtigkeit ein Sachverständiger (§ 429 Abs. 2 Z. 2) beizuziehen.
(5) Soweit der Zustand des Betroffenen eine Beteiligung an der Hauptverhandlung innerhalb angemessener Frist nicht gestattet oder von einer solchen Beteiligung eine erhebliche Gefährdung seiner Gesundheit zu besorgen wäre, ist die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Betroffenen durchzuführen. Hierüber entscheidet das Gericht nach Vernehmung der Sachverständigen und Durchführung der allenfalls sonst erforderlichen Erhebungen mit Beschluß. Der Beschluß kann auch schon vor der Hauptverhandlung vom Vorsitzenden gefaßt werden und ist in diesem Fall durch das binnen vierzehn Tagen einzubringende Rechtsmittel der Beschwerde gesondert anfechtbar. Ein Beschluß, die Hauptverhandlung zur Gänze in Abwesenheit des Betroffenen durchzuführen, darf nur gefaßt werden, nachdem sich der Vorsitzende vom Zustand des Betroffenen überzeugt und mit ihm gesprochen hat. Wird von der Vernehmung des Betroffenen ganz oder teilweise abgesehen, wurde er aber im Ermittlungsverfahren vernommen, so ist das hierüber aufgenommene Protokoll zu verlesen oder die Ton- oder Bildaufnahme einer solchen Vernehmung vorzuführen.
(6) Ein Anschluß an das Verfahren wegen privatrechtlicher Ansprüche ist unzulässig.
§ 431. (1) Hat der Betroffene einen gesetzlichen Vertreter, so sind diesem der Antrag und sämtliche gerichtlichen Entscheidungen auf dieselbe Weise bekanntzumachen wie dem Betroffenen selbst. Der gesetzliche Vertreter ist auch zur Hauptverhandlung zu laden.
(2) Der gesetzliche Vertreter ist berechtigt, für den Betroffenen auch gegen dessen Willen Einspruch gegen den Antrag (§§ 212 bis 215) zu erheben und alle Rechtsmittel zu ergreifen, die das Gesetz dem Betroffenen gewährt. Die Frist zur Erhebung von Rechtsmitteln läuft für den gesetzlichen Vertreter von dem Tage, an dem ihm die Entscheidung bekannt gemacht wird.
(3) Hat der Betroffene keinen gesetzlichen Vertreter, ist dieser der Beteiligung an der mit Strafe bedrohten Handlung des Betroffenen verdächtig oder überwiesen, kann er dem Betroffenen aus anderen Gründen im Verfahren nicht beistehen oder ist er trotz ordnungsgemäßer Ladung zur Hauptverhandlung nicht erschienen, so stehen die Rechte des gesetzlichen Vertreters dem Verteidiger des Betroffenen zu.
(4) Von der Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 StGB ist das nach § 109 Jurisdiktionsnorm zuständige Gericht zu verständigen.
§ 432. Im geschworenengerichtlichen Verfahren ist den Geschworenen eine Zusatzfrage zu stellen, ob der Betroffene zur Zeit der Tat zurechnungsunfähig war. Haben die Geschworenen diese Frage bejaht und etwaige andere Zusatzfragen (§ 313) verneint, so ist vom Schwurgerichtshof gemeinsam mit den Geschworenen über die Unterbringung zu entscheiden (§ 303).
§ 433. (1) Das Urteil kann in sinngemäßer Anwendung der §§ 281 (345) und 283 (346) zugunsten und zum Nachteil des Betroffenen mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angefochten werden. Im Falle der Unterbringung stehen diese Rechtsmittel auch dem Betroffenen und seinen Angehörigen (§ 282 Abs. 1) zu. Die Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde oder der Berufung hat aufschiebende Wirkung.
(2) Für die Wiederaufnahme und die Erneuerung des Strafverfahrens sowie für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gelten die Bestimmungen des 16. Hauptstückes dem Sinne nach.
§ 434. (1) Erachtet das Gericht in einem Verfahren, das auf die Unterbringung einer Person in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gerichtet ist, daß der Betroffene wegen der Tat bestraft werden könnte, so hat es die Staatsanwaltschaft und den Betroffenen hierüber zu hören. In der Hauptverhandlung ist über einen allfälligen Vertagungsantrag zu entscheiden. Das gleiche gilt, wenn das Gericht in einem Strafverfahren zur Auffassung gelangt, daß eine Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB in Betracht kommt. Wird das Verfahren vom Einzelrichter geführt, so hat dieser bei sonstiger Nichtigkeit (§ 468 Abs. 1 Z. 2) seine Unzuständigkeit auszusprechen (§ 261).
(2) Der Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher steht einer Anklageschrift gleich. Die Staatsanwaltschaft hat jedoch das Recht, den Antrag bis zum Beginn der Hauptverhandlung gegen eine Anklageschrift auszutauschen.
(3) Auf Grund der Anklageschrift kann eine Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB nur angeordnet werden, wenn in der Hauptverhandlung die Vorschriften des § 430 Abs. 3 und 4 und des § 431 Abs. 1 letzter Satz beobachtet worden sind. Erforderlichenfalls ist die Hauptverhandlung zu vertagen (§ 276).
II. Vom Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 2 StGB, in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher nach § 22 StGB oder in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter nach § 23 StGB und zur Verhängung eines Tätigkeitsverbotes nach § 220b StGB
§ 435. (1) Über die Anwendung der in den §§ 21 Abs. 2, 22 und 23 und 220b StGB vorgesehenen vorbeugenden Maßnahmen ist in der Regel (§ 441) im Strafurteil zu entscheiden.
(2) Die Anordnung der Unterbringung in einer der in diesen Bestimmungen genannten Anstalten oder ihr Unterbleiben sowie die Anordnung eines Tätigkeitsverbotes oder deren Unterbleiben bilden einen Teil des Ausspruches über die Strafe und können zugunsten und zum Nachteil des Verurteilten mit Nichtigkeitsbeschwerde und mit Berufung angefochten werden.
§ 436. Für das Ermittlungsverfahren gelten im Fall des § 21 Abs. 2 StGB die im § 429 Abs. 2 Z 1 bis 3 geregelten Besonderheiten.
§ 437. Einen Antrag auf Unterbringung in einer der in den §§ 21 Abs. 2, 22 oder 23 StGB vorgesehenen Anstalten oder auf Anordnung eines Tätigkeitsverbotes hat die Staatsanwaltschaft in der Anklage zu stellen. Das Gericht kann jedoch auch ohne einen solchen Antrag die Unterbringung oder das Tätigkeitsverbot anordnen.
§ 438. Liegen hinreichende Gründe für die Annahme, daß die Voraussetzungen der §§ 21 Abs. 2, 22 und 23 StGB gegeben seien, und Haftgründe (§ 173 Abs. 2 und 6) vor, kann der Beschuldigte aber nicht ohne Schwierigkeiten in einer Justizanstalt angehalten werden, so ist mit Beschluß anzuordnen, daß die Untersuchungshaft durch vorläufige Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher oder in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher zu vollziehen ist. Auf den Vollzug der Untersuchungshaft sind in diesem Fall die Bestimmungen über den Vollzug dieser vorbeugenden Maßnahmen dem Sinne nach anzuwenden.
§ 439. (1) Die Anordnung der in den §§ 21 Abs. 2, 22 und 23 StGB vorgesehenen vorbeugenden Maßnahmen ist nichtig, wenn nicht während der ganzen Hauptverhandlung ein Verteidiger des Beschuldigten anwesend war. Die Anordnung eines Tätigkeitsverbotes (§ 220b StGB) ist nichtig, wenn deren Voraussetzungen in der Hauptverhandlung nicht erörtert wurden.
(2) Die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 2 StGB, in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter darf bei sonstiger Nichtigkeit überdies nur nach Beiziehung zumindest eines Sachverständigen (§ 429 Abs. 2 Z. 2) angeordnet werden.
(3) Sieht das Gericht von der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher wegen der Höhe der ausgesprochenen Strafe ab (§ 22 Abs. 2 StGB), so hat es diesen Umstand in den Entscheidungsgründen auszusprechen.
§ 440. Hat der Beschuldigte einen gesetzlichen Vertreter, so ist in einem Verfahren, in dem hinreichende Gründe für die Annahme der Voraussetzungen der §§ 21 Abs. 2 oder 22 StGB vorliegen, § 431 dem Sinne nach anzuwenden.
§ 441. (1) Liegen hinreichende Gründe für die Annahme vor, daß die Voraussetzungen für die selbständige Anordnung der in den §§ 21 Abs. 2, 22 und 23 und 220b StGB vorgesehenen vorbeugenden Maßnahmen gegeben seien (§ 65 Abs. 5 StGB), so hat die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Anordnung einer der in diesen Bestimmungen genannten vorbeugenden Maßnahmen zu stellen. Für diesen Antrag gelten die Bestimmungen über die Anklageschrift dem Sinne nach.
(2) Die §§ 430 Abs. 1 und 2, 433, 436, 439 Abs. 1 und 2 sowie 440 gelten in diesem Fall entsprechend.
§ 442. Liegt einer der im § 173 Abs. 2 genannten Haftgründe vor, so ist die vorläufige Anhaltung des Betroffenen in einer der im § 441 Abs. 1 genannten Anstalten anzuordnen. § 429 Abs. 5 und 6 gilt dem Sinne nach.
III. Vom Verfahren beim Verfall, beim erweiterten Verfallund bei der Einziehung
§ 443. (1) Über den Verfall, den erweiterten Verfall, die Einziehung und andere vermögensrechtliche Anordnungen (Haftung für Geldstrafen, Verfalls- und Wertersatz) ist im Strafurteil zu entscheiden, soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt wird.
(2) Wenn die Ergebnisse des Strafverfahrens weder an sich noch nach Durchführung von Beweisaufnahmen, die die Entscheidung in der Schuld- und Straffrage nicht erheblich verzögern, ausreichen, um über die im Abs. 1 angeführten vermögensrechtlichen Anordnungen verläßlich urteilen zu können, kann ihr Ausspruch durch Beschluß einer gesonderten Entscheidung (§§ 445, 445a) vorbehalten bleiben, außer welchem Falle eine solche Anordnung wegen der betroffenen Vermögenswerte oder Gegenstände nicht mehr zulässig ist.
(3) Die Entscheidung über vermögensrechtliche Anordnungen steht, außer im Fall des § 445a, dem Ausspruch über die Strafe gleich und kann zugunsten und zum Nachteil des Verurteilten oder des Haftungsbeteiligten (§§ 64, 444) mit Berufung angefochten werden.
§ 444. (1) Die Hauptverhandlung und die Urteilsverkündung können in Abwesenheit des Haftungsbeteiligten (§ 64) vorgenommen werden, wenn dieser ordnungsgemäß zur Hauptverhandlung geladen wurde (§ 221 Abs. 2).
(2) Machen Haftungsbeteiligte ihr Recht erst nach Rechtskraft der Entscheidung über den Verfall, den erweiterten Verfall oder die Einziehung geltend, so steht es ihnen frei, ihre Ansprüche auf den Gegenstand oder dessen Kaufpreis (§ 408) binnen dreißig Jahren nach der Entscheidung gegen den Bund im Zivilrechtsweg geltend zu machen.
§ 444a. Die Bestimmungen über den Verfall gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, dem Sinne nach für die Haftung für Geldstrafen, den Verfalls- und Wertersatz und die Abschöpfung der Bereicherung.
§ 445. (1) Liegen hinreichende Gründe für die Annahme vor, daß die Voraussetzungen des Verfalls (§ 20 StGB), des erweiterten Verfalls (§ 20b StGB) oder der Einziehung (§ 26 StGB) gegeben seien, ohne daß darüber in einem Strafverfahren oder in einem auf Unterbringung in einer der in den §§ 21 bis 23 StGB genannten Anstalten gerichteten Verfahren entschieden werden kann, so hat der Ankläger einen selbständigen Antrag auf Erlassung einer solchen vermögensrechtlichen Anordnung zu stellen.
(2) Über einen Antrag auf Verfall oder auf erweiterten Verfall hat das Gericht, welches für die Verhandlung und Urteilsfällung wegen jener Tat, die die Anordnung begründen soll, zuständig war oder wäre, mangels einer solchen Zuständigkeit aber das Landesgericht, in dessen Sprengel sich der Vermögenswert oder Gegenstand befindet, in einem selbständigen Verfahren nach öffentlicher mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden. Das Landesgericht entscheidet durch Einzelrichter. Hat ein Schöffen- oder Geschworenengericht über die Tat geurteilt, die die Anordnung begründen soll, oder die Entscheidung vorbehalten (§ 443 Abs. 2), so ist dessen Vorsitzender als Einzelrichter zuständig.
(3) Über einen Antrag auf Einziehung hat das Bezirksgericht des Tatortes, ist dieser aber nicht bekannt oder im Ausland gelegen, das Bezirksgericht, in dessen Sprengel sich der Gegenstand befindet, in einem selbständigen Verfahren nach öffentlicher mündlicher Verhandlung in der Regel (§ 445a) durch Urteil zu entscheiden. Die Bestimmungen über die Hauptverhandlung im Verfahren vor den Bezirksgerichten sowie § 444 sind dem Sinne nach anzuwenden.
(4) Das Urteil kann in sinngemäßer Anwendung der §§ 463 bis 468 (§ 489) zugunsten und zum Nachteil des Betroffenen mit Berufung angefochten werden; § 444 Abs. 1 letzter Satz gilt entsprechend.
§ 445a. (1) Über einen Antrag auf Einziehung in einem selbständigen Verfahren kann das Bezirksgericht nach Anhörung des Anklägers und der Haftungsbeteiligten (§ 444) durch Beschluß entscheiden, wenn der Wert des von der Einziehung bedrohten Gegenstandes 1 000 Euro nicht übersteigt oder es sich um einen Gegenstand handelt, dessen Besitz allgemein verboten ist. Sofern der Aufenthaltsort des Haftungsbeteiligten im Ausland liegt oder ohne besonderen Verfahrensaufwand nicht feststellbar ist, kann von dessen Anhörung abgesehen werden.
(2) In den Fällen, in denen das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft nach den Bestimmungen des 10. oder 11. Hauptstücks, anderen auf sie verweisenden Vorschriften oder gemäß § 35 SMG beendet wird, hat die Staatsanwaltschaft nach Durchführung des in Abs. 1 vorgesehenen Verfahrens die Einziehung anzuordnen und das in § 408 Abs. 2 vorgesehene Verfahren durchzuführen, soweit nicht ein Haftungsbeteiligter die Entscheidung des Gerichts verlangt. § 444 Abs. 2 gilt sinngemäß.
§ 446. Ergeben sich die Voraussetzungen für das selbständige Verfahren erst in der Hauptverhandlung, so kann die Entscheidung auch in einem Urteil ergehen, in dem der Angeklagte freigesprochen oder der Antrag auf Anstaltsunterbringung abgewiesen wird.
22. Hauptstück
Verfahren vor dem Bezirksgericht
§ 447. Für das Hauptverfahren vor dem Bezirksgericht gelten die Bestimmungen für das Verfahren vor dem Landesgericht als Schöffengericht, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt wird.
§ 448. (aufgehoben BGBl I 93/2007)
§ 449. (aufgehoben BGBl I 93/2007)
1. Abschnitt
Hauptverfahren
§ 450. Ist das Bezirksgericht der Ansicht, dass das Landesgericht zuständig sei, so hat es vor Anordnung der Hauptverhandlung seine sachliche Unzuständigkeit mit Beschluss auszusprechen. Sobald die Entscheidung rechtswirksam geworden ist, hat der Ankläger die für die Fortführung des Verfahrens erforderlichen Anträge zu stellen.
§ 451. (1) Der Strafantrag (§ 210 Abs. 1) hat die im § 211 Abs. 1 angeführten Angaben zu enthalten. Im Antrag sind ferner die Beweismittel anzugeben, deren sich der Ankläger bedienen will. Der Antrag ist in so vielen Ausfertigungen zu überreichen, daß jedem der Beschuldigten eine Ausfertigung zugestellt und eine bei den Akten zurückbehalten werden kann; er ist dem Beschuldigten unverzüglich zuzustellen.
(2) Ist der Richter der Überzeugung, daß die dem Antrag zugrunde liegende Tat vom Gesetz nicht mit Strafe bedroht ist oder daß Umstände vorliegen, durch die die Strafbarkeit der Tat ausgeschlossen ist, so hat er das Verfahren mit Beschluß einzustellen.
(3) Wird dem Richter zugleich der Beschuldigte vorgeführt und gesteht er die ihm zur Last gelegte Tat oder erscheinen der Ankläger und der Beschuldigte zugleich vor dem Richter, und sind alle Beweismittel für die Anklage und Verteidigung zur Hand, so kann der Richter mit Zustimmung des Beschuldigten sogleich die Verhandlung vornehmen (§ 456) und das Urteil fällen.
(4) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 93/2007)
§ 455. (1) § 221 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle einer Frist von acht Tagen eine solche von drei Tagen tritt, es sei denn, dass der Angeklagte auf eine Vorbereitungsfrist verzichtet.
(2) Ist der Angeklagte nicht verhaftet, so kann er sich, wenn er nicht persönlich erscheinen will, bei der Verhandlung durch einen Verteidiger als Machthaber vertreten lassen. Dem Gericht steht es jedoch auch in diesem Fall zu, den Angeklagten unter Androhung der vorgesehenen Zwangsfolgen zum persönlichen Erscheinen aufzufordern.
(3) Lässt sich der Angeklagte durch einen Machthaber vertreten, so kommt diesem in der Hauptverhandlung die Stellung des Angeklagten zu.
§ 456. In Privatanklagesachen ist die Öffentlichkeit auch auszuschließen, wenn der Ankläger einem darauf gerichteten Antrag des Angeklagten nicht entgegen tritt.
§ 457. Hat der Angeklagte keinen Verteidiger, so nimmt er dessen Rechte im Hauptverfahren selbst wahr.
§ 458. Der Richter ist berechtigt, nach Schluss der Verhandlung die Fällung des Urteils bis auf den folgenden Tag auszusetzen. Im Übrigen gelten jedoch auch für die Verhandlung vor dem Bezirksgericht die Bestimmungen des 14. Hauptstückes.
2. Abschnitt
Rechtsmittel gegen Urteile der Bezirksgerichte
§ 463. Gegen Urteile der Bezirksgerichte, die gegen einen Anwesenden ergangen sind, ist nur das Rechtsmittel der Berufung zulässig, und zwar an das Landesgericht, in dessen Sprengel das Bezirksgericht liegt.
§ 464. Die Berufung kann ergriffen werden:
1. wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe;
2. wegen des Ausspruches über die Schuld und die Strafe, wegen des Strafausspruches jedoch nur unter den im § 283 bezeichneten Voraussetzungen;
3. wegen des Ausspruches über die privatrechtlichen Ansprüche.
§ 465. (1) Zugunsten des Angeklagten kann die Berufung sowohl von ihm selbst als auch von seinem gesetzlichen Vertreter ergriffen werden. Die Staatsanwaltschaft kann stets auch gegen den Willen des Angeklagten zu dessen Gunsten die Berufung ergreifen.
(2) Erben des Angeklagten, die nicht in einem der erwähnten Verhältnisse zum Angeklagten standen, können die Berufung nur wegen der im Urteil allenfalls enthaltenen Entscheidung über privatrechtliche Ansprüche ergreifen oder fortsetzen.
(3) Zum Nachteile des Angeklagten kann die Berufung nur vom Ankläger und vom Privatbeteiligten, von diesem aber nur wegen Nichtigkeit unter den in § 282 Abs. 2 geregelten Voraussetzungen und wegen seiner privatrechtlichen Ansprüche ergriffen werden.
§ 466. (1) Die Berufung ist binnen drei Tagen nach Verkündung des Urteiles beim Bezirksgericht anzumelden. § 57 Abs. 2 gilt auch für einen Verzicht gegen einen gemeinsam mit dem Urteil verkündeten Beschluss nach den §§ 494 und 494a.
(2) War der Angeklagte bei der Verkündung des Urteiles nicht anwesend, so ist die Berufung binnen drei Tagen anzumelden, nachdem er vom Urteile verständigt wurde.
(3) Für die im § 465 erwähnten Angehörigen des Angeklagten läuft die Frist zur Anmeldung der Berufung von demselben Tage, von dem an sie für den Angeklagten beginnt.
(4) Die Anmeldung der Berufung hat aufschiebende Wirkung.
(5) Die Entlassung eines freigesprochenen Angeklagten aus der Haft darf nur wegen einer Berufung der Staatsanwaltschaft, und zwar bloß dann aufgeschoben werden, wenn diese sogleich bei Verkündung des Urteiles angemeldet wird und nach den Umständen die Annahme begründet ist, daß sich der Angeklagte dem Verfahren durch die Flucht entziehen werde. Gegen die Entlassung aus der Haft ist kein Rechtsmittel zulässig.
(6) Wenn der zu einer Freiheitsstrafe Verurteilte sich weder durch den Ausspruch über die Schuld noch durch den über die Strafart, sondern nur durch das Strafmaß beschwert erachtet, so kann er die Strafe einstweilen antreten. Eben dies gilt auch dann, wenn der Verurteilte keine Berufung ergriffen hat und der Ankläger seine Berufung nur gegen das Strafmaß richtet.
(7) Dem Beschwerdeführer muß, sofern dies nicht schon geschehen ist, eine Urteilsabschrift zugestellt werden.
§ 467. (1) Der Beschwerdeführer hat das Recht, binnen vier Wochen nach der Anmeldung der Berufung, wenn ihm eine Urteilsabschrift aber erst nach der Anmeldung des Rechtsmittels zugestellt wurde, binnen vier Wochen nach der Zustellung eine Ausführung der Gründe seiner Berufung beim Bezirksgerichte zu überreichen und allenfalls neue Tatsachen oder Beweismittel unter genauer Angabe aller zur Beurteilung ihrer Erheblichkeit dienenden Umstände anzuzeigen.
(2) Er hat entweder bei der Anmeldung der Berufung oder in der Berufungsschrift ausdrücklich zu erklären, durch welchen Ausspruch (§ 464) er sich beschwert finde und welche Nichtigkeitsgründe er geltend machen wolle, widrigens auf die Berufung oder auf Nichtigkeitsgründe vom Landesgericht keine Rücksicht zu nehmen ist. Doch steht es der Berücksichtigung eines deutlich und bestimmt bezeichneten Beschwerdepunktes oder Nichtigkeitsgrundes nicht entgegen, daß sich der Beschwerdeführer in der gesetzlichen Benennung vergriffen hat.
(3) Die zugunsten des Angeklagten ergriffene Berufung wegen Nichtigkeit ist auch als Berufung gegen die Aussprüche über die Schuld und die Strafe zu betrachten, die Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld auch als Berufung gegen den Strafausspruch.
(4) Geschieht die Anmeldung der Berufung mündlich, so hat der Richter, der das Protokoll hierüber aufnimmt, den Beschwerdeführer zur genauen Angabe der Beschwerdepunkte besonders aufzufordern und über die Rechtsfolgen der Unterlassung dieser Angabe zu belehren.
(5) Die Berufung oder Berufungsausführung ist in zweifacher Ausfertigung vorzulegen oder aufzunehmen. Eine Ausfertigung ist dem Gegner mit dem Bedeuten mitzuteilen, daß er binnen vier Wochen seine Gegenausführung überreichen könne. Die Gegenausführung ist dem Beschwerdeführer zuzustellen; danach sind alle Akten dem Landesgericht vorzulegen.
§ 468. (1) Wegen Nichtigkeit kann die Berufung gegen Urteile der Bezirksgerichte, sofern sie nicht nach besonderen gesetzlichen Vorschriften auch in anderen Fällen zugelassen ist, nur aus einem der folgenden Gründe ergriffen werden:
1. wenn das Bezirksgericht örtlich unzuständig oder nicht gehörig besetzt war oder wenn ein gesetzlich ausgeschlossener Richter (§§ 43 und 46) das Urteil gefällt hat;
2. wenn das Bezirksgericht nicht zuständig war, weil die Tat, über die es geurteilt hat, in die Zuständigkeit des Landesgerichts fällt;
2a. wenn ein Protokoll oder ein anderes amtliches Schriftstück über eine nichtige Erkundigung oder Beweisaufnahme im Ermittlungsverfahren in der Hauptverhandlung verlesen wurde;
3. wenn eine Vorschrift verletzt oder vernachlässigt worden ist, deren Beobachtung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt (§§ 126 Abs. 4, 140 Abs. 1, 144 Abs. 1, 155 Abs. 1, 157 Abs. 2 und 159 Abs. 3, 221 Abs. 2 (455 Abs. 1), 228, 250, 252, 260, 271, 427 sowie 439 Abs. 1 und 2), oder wenn einer der im § 281 Abs. 1 Z. 4 und 5 erwähnten Nichtigkeitsgründe vorliegt;
4. aus den im § 281 Abs. 1 Z. 6 bis 11 angegebenen Gründe.
(2) Die unter Abs. 1 Z. 1 und 3 erwähnten Nichtigkeitsgründe können nur unter den in den §§ 281 und 282 Abs. 2 bezeichneten Bedingungen geltend gemacht werden; doch wird auch der Ankläger der Geltendmachung eines Nichtigkeitsgrundes deshalb nicht verlustig, weil er hinsichtlich eines Formgebrechens die Entscheidung des Richters nicht begehrt und sich die Beschwerde nicht sofort nach Verweigerung oder Verkündung der Entscheidung vorbehalten hat.
§ 469. Das Landesgericht berät über die Berufung nur dann in nichtöffentlicher Sitzung, wenn der Berichterstatter oder die Staatsanwaltschaft einen der im § 470 angeführten Beschlüsse beantragt.
§ 470. Bei der nichtöffentlichen Beratung kann das Landesgericht:
1. die Berufung als unzulässig zurückweisen, wenn sie zu spät angemeldet oder von einer Person ergriffen worden ist, der das Berufungsrecht überhaupt nicht oder nicht in der Richtung zusteht, in der es in Anspruch genommen wird, oder die darauf verzichtet hat; ferner, wenn der Berufungswerber bei der Anmeldung der Berufung oder in ihrer Ausführung die Punkte des Erkenntnisses, durch die er sich beschwert findet, oder die Nichtigkeitsgründe, derentwegen allein die Berufung ergriffen worden ist, nicht deutlich und bestimmt bezeichnet hat;
2. beschließen, Aufklärungen über behauptete Formverletzungen einzuholen, oder seine eigene Unzuständigkeit aussprechen und die Strafsache an das zuständige Landesgericht abtreten;
3. wenn schon vor der öffentlichen Verhandlung über die Berufung feststeht, daß das Urteil aufzuheben und die Verhandlung in erster Instanz zu wiederholen oder nach dem 11. Hauptstück oder § 37 SMG vorzugehen ist, der Berufung stattgeben, das Urteil, soweit es angefochten wird, aufheben und die Sache an das Bezirksgericht, das das Urteil gefällt hat, oder an ein anderes Bezirksgericht seines Sprengels, wenn aber das Urteil wegen örtlicher Unzuständigkeit des Gerichtes aufgehoben wird, an das örtlich zuständige Bezirksgericht zurückweisen.
§ 471. Für die Anberaumung und Durchführung des Gerichtstags zur öffentlichen Verhandlung sowie für die Entscheidung über die Berufung gelten §§ 286 Abs. 1, 287, 288 Abs. 2 Z 3 erster Satz, 289, 290, 293 Abs. 4, 294, 295 sowie 296a sinngemäß, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt wird.
§ 473. (1) Für die Vernehmung des Angeklagten, von Zeugen und Sachverständigen sind die für die Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Schöffengericht geltenden Bestimmungen anzuwenden. Das Protokoll der Hauptverhandlung kann ebenso verlesen werden wie das Urteil samt den Entscheidungsgründen.
(2) Zeugen und Sachverständige, die bereits in der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgerichte vernommen worden sind, sind nochmals abzuhören, wenn das Landesgericht gegen die Richtigkeit der auf ihre Aussagen gegründeten, im Urteil erster Instanz enthaltenen Feststellungen Bedenken hegt oder die Vernehmung neuer Zeugen oder Sachverständiger über dieselben Tatsachen notwendig findet. Außer diesem Falle hat das Landesgericht die in erster Instanz aufgenommenen Protokolle seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Sodann wird der, der die Berufung einlegte, zu ihrer Begründung und sodann der Gegner zur Erwiderung aufgefordert.
(4) Dem Angeklagten oder seinem Verteidiger gebührt jedenfalls das Recht der letzten Äußerung.
(5) Hierauf zieht sich das Landesgericht zur Beratung und Beschlußfassung zurück.
§ 474. Nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen erkennt das Landesgericht in der Sache selbst nach den für das Landesgericht als Schöffengericht geltenden Bestimmungen, es sei denn, dass die Berufung als unzulässig oder unbegründet zurückgewiesen wird oder sich das angerufene Landesgericht für unzuständig erklärt.
§ 475. (1) Wird das Urteil des Bezirksgerichtes wegen einer der im § 468 Abs. 1 unter Z. 1 und 3 angeführten Nichtigkeitsgründe aufgehoben, so verweist das Landesgericht die Sache zu neuer Verhandlung an das Bezirksgericht, das das Urteil gefällt hat, oder an ein anderes Bezirksgericht seines Sprengels, wenn aber das Urteil wegen örtlicher Unzuständigkeit des Bezirksgerichtes aufgehoben wird, an das örtlich zuständige Bezirksgericht.
(2) Wird das Urteil des Bezirksgerichtes wegen des im § 468 Abs. 1 unter Z. 2 angeführten Nichtigkeitsgrundes aufgehoben, so ist die Sache nicht an das zuständige Gericht zu verweisen. Für das weitere Verfahren gilt § 263 Abs. 4 sinngemäß.
(3) Hat das Bezirksgericht bezüglich einer Tatsache, auf die sich die Anklage bezieht, mit Unrecht seine Nichtzuständigkeit ausgesprochen oder die Anklage nicht vollständig erledigt (§ 281 Abs. 1 Z. 6 und 7), so trägt ihm das Landesgericht auf, sich der Verhandlung und Urteilsfällung zu unterziehen, die sich in letztem Fall auf die unerledigt gebliebenen Anklagepunkte zu beschränken hat.
(4) Hat das Bezirksgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Einstellung des Strafverfahrens nach dem 11. Hauptstück (§ 199) oder § 37 SMG zu Unrecht nicht angenommen, so verweist das Landesgericht die Sache an dasselbe oder an ein anderes Bezirksgericht mit dem Auftrag, nach den entsprechenden Bestimmungen vorzugehen.
§ 476. In den im § 475 Abs. 1 und 3 erwähnten Fällen steht es jedoch der Berufungsbehörde frei, sofort oder in einer späteren Sitzung, nötigenfalls unter Wiederholung oder Ergänzung der in erster Instanz gepflogenen Verhandlung und unter Verbesserung der mangelhaft befundenen Prozeßhandlung, in der Sache selbst zu erkennen.
§ 478. (1) Gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes, das gemäß § 427 in Abwesenheit des Angeklagten verkündet wurde, kann dieser binnen vierzehn Tagen von der Zustellung des Urteiles beim erkennenden Bezirksgericht Einspruch erheben, wenn ihm die Vorladung nicht gehörig zugestellt worden ist oder er nachweisen kann, daß er durch ein unabwendbares Hindernis abgehalten worden sei.
(2) Über diesen Einspruch hat das Bezirksgericht nach vorläufiger Vernehmung des Anklägers zu erkennen. Verwirft es den Einspruch, so steht dem Angeklagten das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesgericht (§ 31 Abs. 5 Z 1) binnen vierzehn Tagen zu. Der Angeklagte ist in diesem Falle berechtigt, mit diesem Rechtsmittel für den Fall der Verwerfung die Berufung zu verbinden, mit der nach den Bestimmungen der §§ 469 bis 474 zu verfahren ist.
(3) Findet das Bezirksgericht oder infolge der Beschwerde das Landesgericht den Einspruch begründet, so ist eine neue Verhandlung vor dem Bezirksgericht anzuordnen, bei der, wenn der Angeklagte erscheint, die Sache so verhandelt wird, wie im § 457 vorgeschrieben ist.
§ 479. Gegen die Urteile der Landesgerichte über eine gemäß den §§ 463, 464 und 478 an sie gelangte Berufung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht zulässig.
§ 480. Für die Wiederaufnahme und die Erneuerung des Strafverfahrens sowie für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gelten die im 16. Hauptstück enthaltenen Bestimmungen. In den Fällen der §§ 353 bis 356 entscheidet das Bezirksgericht über die Bewilligung der Wiederaufnahme.
23. Hauptstück
Verfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter
§ 483. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 93/2007)
§ 484. Der Strafantrag (§ 210 Abs. 1) hat die im § 211 Abs. 1 angeführten Angaben zu enthalten und jene Beweise zu bezeichnen, deren Aufnahme in der Hauptverhandlung beantragt wird. Das Gericht hat den Strafantrag dem Angeklagten, gegebenenfalls samt einer Rechtsbelehrung gemäß § 50, insbesondere der Information, ob ein Fall notwendiger Verteidigung gegeben ist, unverzüglich zuzustellen. § 213 Abs. 3 gilt sinngemäß.
§ 485. (1) Das Gericht hat den Strafantrag vor Anordnung der Hauptverhandlung zu prüfen und
1. im Fall seiner örtlichen oder sachlichen Unzuständigkeit gemäß § 450 vorzugehen;
2. in den Fällen des § 212 Z 3 und 4 den Strafantrag mit Beschluss zurückzuweisen;
3. in den Fällen des § 212 Z 1, 2 und 7 den Strafantrag mit Beschluss zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen;
4. im Übrigen jedoch die Hauptverhandlung nach den für das Verfahren vor dem Landesgericht als Schöffengericht geltenden Bestimmungen anzuordnen.
(1a) Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen Beschluss nach Abs. 1 Z 1 oder Z 2 hat aufschiebende Wirkung.
(2) Sobald ein Beschluss gemäß Abs. 1 Z 1 oder 2 rechtswirksam geworden ist, hat der Ankläger binnen dreier Monate bei sonstigem Verlust des Verfolgungsrechts die für die Fortführung des Verfahrens erforderlichen Anträge oder Anordnungen zu stellen.
§ 488. (1) Für das Hauptverfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter und für Rechtsmittel gegen dessen Urteile gelten die Bestimmungen für das Verfahren vor dem Landesgericht als Schöffengericht, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt wird. Der Einzelrichter erfüllt die Aufgaben des Vorsitzenden und des Schöffengerichts.
(2) Hat der Angeklagte keinen Verteidiger, so nimmt er dessen Rechte im Hauptverfahren selbst wahr.
(3) Ist das Landesgericht als Einzelrichter der Ansicht, dass das Landesgericht als Schöffen- oder Geschworenengericht zuständig ist, so hat es, nachdem die Beteiligten des Verfahrens zu den geänderten Umständen angehört wurden, mit Urteil seine Unzuständigkeit auszusprechen. Sobald dieses Urteil rechtskräftig wurde, hat der Ankläger die zur Fortführung des Verfahrens erforderlichen Anträge zu stellen.
(4) (aufgehoben - BGBl 52/2009)
§ 489. (1) Gegen die vom Landesgericht als Einzelrichter ausgesprochenen Urteile kann außer dem Einspruch gemäß § 427 Abs. 3 nur das Rechtsmittel der Berufung wegen der in § 281 Abs. 1 Z 1 bis 5 und 6 bis 11 und § 468 Abs. 1 Z 1 und 2 aufgezählten Nichtigkeitsgründe oder gegen die im § 464 Z 2 und 3 genannten Aussprüche ergriffen werden. Für das Verfahren sind die §§ 285 Abs. 2 bis Abs. 5, 465 bis 475 und 479 sinngemäß anzuwenden. Für den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 3 gelten die in § 468 Abs. 1 Z 3 zitierten Bestimmungen.
(2) Die Gerichtstage zur öffentlichen Verhandlung über die Berufung finden am Sitz des Oberlandesgerichts statt. Doch kann der Vorsitzende mit Rücksicht auf den Aufenthalt der Beteiligten des Verfahrens oder nach Anhörung des Anklägers und des Angeklagten auch aus anderen wichtigen Gründen anordnen, dass der Gerichtstag an einem anderen im Sprengel des Oberlandesgerichts gelegenen Ort abgehalten wird. Einer solchen Anhörung bedarf es nicht, wenn sich der Angeklagte im Sprengel des Landesgerichts in Haft befindet, bei welchem der Gerichtstag abgehalten wird.
(3) Von der Verhandlung und Entscheidung über eine Berufung sind auch Mitglieder des Oberlandesgerichts ausgeschlossen, die im vorangegangenen Verfahren an der Entscheidung über eine Beschwerde gegen die vom Landesgericht als Einzelrichter beschlossene Zurückweisung oder Einstellung (§ 485) beteiligt waren.
§ 490. Für die Wiederaufnahme und die Erneuerung des Strafverfahrens sowie für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gelten die im 16. Hauptstück enthaltenen Bestimmungen. In den Fällen der §§ 353 bis 356 entscheidet das Landesgericht als Einzelrichter über die Bewilligung der Wiederaufnahme.
§ 491a. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 148)
§ 491b. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 148)
24. Hauptstück
Verfahren bei bedingter Strafnachsicht, bedingter Nachsicht von vorbeugenden Maßnahmen, Erteilung von Weisungen und Anordnung der Bewährungshilfe
I. Bedingte Nachsicht einer Strafe, der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher und einer Rechtsfolge
§ 492. (1) Die bedingte Nachsicht einer Strafe, der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher und einer Rechtsfolge ist in das Urteil aufzunehmen.
(2) Das Gericht hat den Verurteilten über den Sinn der bedingten Nachsicht zu belehren und ihm, sobald die Entscheidung darüber rechtskräftig geworden ist, eine Urkunde zuzustellen, die kurz und in einfachen Worten den wesentlichen Inhalt der Entscheidung, die ihm auferlegten Verpflichtungen und die Gründe angibt, aus denen die Nachsicht widerrufen werden kann.
§ 493. (1) Die bedingte Nachsicht oder deren Unterbleiben bildet einen Teil des Ausspruches über die Strafe und kann zugunsten und zum Nachteil des Verurteilten mit Berufung angefochten werden. Die Berufung hat nur, soweit es sich um die Vollstreckung der Strafe oder der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder um den Eintritt der Rechtsfolge handelt, aufschiebende Wirkung.
(2) Hat das Gericht durch die Entscheidung über die bedingte Nachsicht seine Befugnisse überschritten, so kann das Urteil wegen Nichtigkeit nach den §§ 281 Abs. 1 Z. 11, 345 Abs. 1 Z. 13 oder 468 Abs. 1 Z. 4 angefochten werden.
II. Erteilung von Weisungen und Anordnung der Bewährungshilfe
§ 494. (1) Über die Erteilung von Weisungen und die Anordnung der Bewährungshilfe entscheidet das Gericht mit Beschluß. Die Entscheidung obliegt in der Hauptverhandlung dem erkennenden Gericht, sonst dem Vorsitzenden.
(2) Wird dem Rechtsbrecher eine Weisung erteilt, welche die Interessen des Verletzten unmittelbar berührt, so ist dieser hievon zu verständigen.
III. Widerruf einer bedingten Nachsicht
§ 494a. (1) Wird jemand wegen einer strafbaren Handlung verurteilt, die er vor Ablauf der Probezeit nach einem Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe, einer bedingten Nachsicht oder bedingten Entlassung begangen hat, so hat das erkennende Gericht nach den folgenden Bestimmungen vorzugehen:
1. Liegen die Voraussetzungen für ein Unterbleiben des nachträglichen Ausspruches der Strafe (§§ 15, 16 JGG) vor, so ist auszusprechen, daß die neue Verurteilung für einen solchen Ausspruch keinen Anlaß bildet.
2. Liegen die Voraussetzungen für das Absehen vom Widerruf einer bedingten Nachsicht oder bedingten Entlassung vor, so ist auszusprechen, daß von einem Widerruf aus Anlaß der neuen Verurteilung abgesehen wird.
3. Liegen die Voraussetzungen für einen nachträglichen Ausspruch der Strafe (§§ 15, 16 JGG) vor, so ist die Strafe in einem Ausspruch so zu bemessen, wie wenn die Verurteilung wegen beider strafbarer Handlungen gemeinsam erfolgt wäre; im übrigen ist auszusprechen, daß in dem Verfahren, in dem der Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe ergangen ist, ein nachträglicher Strafausspruch nicht mehr in Betracht kommt.
4. Liegen die Voraussetzungen für den Widerruf einer bedingten Nachsicht oder bedingten Entlassung vor, so ist der Widerruf auszusprechen.
(2) Ein Ausspruch nach Abs. 1 Z. 4 steht dem Einzelrichter beim Landesgericht nur bei Strafen und Strafresten zu, die das Ausmaß von je fünf Jahren nicht übersteigen, und dem Bezirksgericht nur bei Strafen und Strafresten, die das Ausmaß von je einem Jahr nicht übersteigen. Der Widerruf einer bedingten Nachsicht der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 StGB oder der bedingten Entlassung aus einer solchen Unterbringung oder einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist dem Schöffen- oder Geschworenengericht vorbehalten; der Widerruf einer bedingten Nachsicht der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 2 StGB oder der bedingten Entlassung aus einer solchen Unterbringung steht dem Bezirksgericht nicht zu. Soweit das erkennende Gericht sonach eine Entscheidung nach Abs. 1 Z. 4 nicht treffen darf, hat es auszusprechen, daß die Entscheidung über den Widerruf dem Gericht vorbehalten bleibt, dem sonst die Entscheidung zukäme.
(3) Vor der Entscheidung hat das Gericht den Ankläger, den Angeklagten und den Bewährungshelfer zu hören und Einsicht in die Akten über die frühere Verurteilung zu nehmen. Von der Anhörung des Angeklagten kann abgesehen werden, wenn das Urteil in seiner Abwesenheit gefällt wird und ein Ausspruch nach Abs. 1 Z. 1 oder 2 erfolgt. Von der Anhörung des Bewährungshelfers kann abgesehen werden, wenn das Gericht einen nachträglichen Strafausspruch oder einen Widerruf nicht in Betracht zieht. Anstelle der Einsicht in die Akten kann sich das Gericht mit der Einsicht in eine Abschrift des früheren Urteils begnügen, wenn dieses eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung nach Abs. 1 darzustellen vermag.
(4) Die Entscheidungen nach Abs. 1 mit Ausnahme des Strafausspruches nach Z. 3 erster Satz sowie der Vorbehalt nach Abs. 2 ergehen mit Beschluß. Der Beschluß ist gemeinsam mit dem Urteil zu verkünden und auszufertigen. Der Beschluß und sein Unterbleiben können mit Beschwerde angefochten werden.
(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 55/1999)
(6) In einem Beschluß, mit dem vom Widerruf einer bedingten Nachsicht oder bedingten Entlassung abgesehen wird, kann das erkennende Gericht auch die Probezeit verlängern; zugleich mit einem Ausspruch nach Abs. 1 Z 1 oder 2 können auch Weisungen erteilt, die Bewährungshilfe angeordnet und familien- oder jugendwohlfahrtsrechtliche Verfügungen getroffen werden (§§ 53 Abs. 3, 54 Abs. 2 StGB, 15 Abs. 2 JGG).
(7) Das erkennende Gericht hat unverzüglich alle Gerichte zu verständigen, deren Vorentscheidungen von einer Entscheidung nach den vorstehenden Bestimmungen betroffen sind.
§ 494b. Hat das erkennende Gericht bei der Urteilsfällung einen Ausspruch nach § 494a Abs. 1 Z 3 oder 4 zu Unrecht unterlassen oder im Fall eines Ausspruches nach § 494a Abs. 1 Z 2 die Probezeit nicht verlängert und hat der Ankläger das Unterbleiben einer solchen Entscheidung nicht angefochten, so darf ein nachträglicher Ausspruch der Strafe, ein Widerruf der bedingten Nachsicht oder Entlassung oder eine Verlängerung der Probezeit aus Anlaß der neuen Verurteilung nicht mehr erfolgen, sofern die frühere Verurteilung oder die bedingte Entlassung aktenkundig war.
§ 495. (1) Außer in den Fällen des § 494a entscheidet über den Widerruf der bedingten Nachsicht einer Strafe oder eines Strafteiles, der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme oder entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder einer Rechtsfolge das Gericht in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß, das in jenem Verfahren, in dem die bedingte Nachsicht ausgesprochen worden ist, in erster Instanz erkannt hat.
(2) Die Beschlußfassung über einen Widerruf bei nachträglicher Verurteilung (§ 55 StGB) obliegt unter Gerichten gleicher Ordnung jenem, dessen Urteil eine bedingte Nachsicht enthält und zuletzt rechtskräftig wurde; unter Gerichten verschiedener Ordnung entscheidet jenes höherer Ordnung, dessen Urteil eine bedingte Nachsicht enthält und zuletzt rechtskräftig wurde.
(3) Vor der Entscheidung hat das Gericht den Ankläger, den Verurteilten und den Bewährungshelfer zu hören und eine Strafregisterauskunft einzuholen. Von der Anhörung des Verurteilten kann abgesehen werden, wenn sich erweist, daß sie ohne unverhältnismäßigen Aufwand nicht durchführbar ist.
§ 496. Wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die bedingte Nachsicht einer Strafe oder eines Strafteils widerrufen werde, und der Verurteilte aus diesem Grund flüchten werde (§ 173 Abs. 2 Z 1 und Abs. 3), ist seine Festnahme zulässig, zu der die Kriminalpolizei von sich aus berechtigt ist, wenn wegen Gefahr im Verzug eine Anordnung der Staatsanwaltschaft nicht rechtzeitig eingeholt werden kann. Für das weitere Verfahren gelten die im 9. Hauptstück enthaltenen Bestimmungen sinngemäß mit der Maßgabe, dass die Haftfrist einen Monat beträgt. Über drei Monate hinaus darf die Haft in keinem Fall aufrecht erhalten werden.
IV. Endgültige Nachsicht
§ 497. (1) Der Ausspruch, daß die bedingte Nachsicht einer Strafe, der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme oder entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder einer Rechtsfolge endgültig geworden ist, hat durch Beschluß des Vorsitzenden zu erfolgen.
(2) Vor der Entscheidung ist der Ankläger zu hören und eine Strafregisterauskunft einzuholen.
V. Gemeinsame Bestimmungen
§ 498. (1) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 93/2007)
(2) Die Beschwerde steht zugunsten des Verurteilten diesem und allen anderen Personen zu, die zugunsten eines Angeklagten Nichtigkeitsbeschwerde erheben können, zum Nachteil des Verurteilten aber nur dem Ankläger. Im Fall der mündlichen Verkündung gilt § 86 Abs. 2 und 3 mit der Maßgabe, dass die Ausfertigung und Zustellung des Beschlusses auch unterbleiben können, wenn der Rechtsmittelwerber binnen drei Tagen nach mündlicher Verkündung des Beschlusses keine Beschwerde anmeldet. Bei mündlicher Verkündung und Anmeldung einer Beschwerde läuft die Frist zur Erstattung des Rechtsmittels ab Zustellung der schriftlichen Ausfertigung. Eine rechtzeitig erhobene Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, es sei denn, dass sie gegen einen Beschluss gemäß § 496 gerichtet ist.
(3) Die Beschwerde kann auch mit einer Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung gegen das Urteil verbunden werden, das zugleich mit dem angefochtenen Beschluß ergangen ist (§§ 494 und 494a). In diesem Fall ist die Beschwerde rechtzeitig eingebracht, wenn das Rechtsmittel, mit dessen Ausführung sie verbunden ist, rechtzeitig eingebracht wurde. Im übrigen ist eine zugunsten des Angeklagten ergriffene Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe auch als Beschwerde gegen den Beschluß zu betrachten. Wird die Beschwerde mit einem anderen Rechtsmittel verbunden oder wird sonst gegen das zugleich mit dem angefochtenen Beschluß ergangene Urteil Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung erhoben, so entscheidet das für deren Erledigung zuständige Gericht auch über die Beschwerde.
25. Hauptstück
Ausübung der Strafgerichtsbarkeit über Soldaten im Frieden
§ 499. Soldat im Sinne dieses Gesetzes ist jeder Angehörige des Präsenzstandes des Bundesheeres.
§ 500. (1) Alle Soldaten unterstehen im Frieden der Strafgerichtsbarkeit der bürgerlichen Gerichte.
(2) Soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, sind die allgemeinen Vorschriften über das Verfahren in Strafsachen auch auf Soldaten anzuwenden.
§ 501. (1) Die Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat ist nicht allein deshalb unzulässig, weil sie auch als Verstoß gegen eine besondere militärische Dienst- oder Standespflicht von den dafür zuständigen Behörden verfolgt werden kann.
(2) Wegen eines mit nicht mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens nach dem Militärstrafgesetz darf ein Strafverfahren nicht geführt oder ein bereits begonnenes Strafverfahren vorläufig nicht fortgesetzt werden (§ 197), sobald Staatsanwaltschaft oder Gericht von der zuständigen Behörde mitgeteilt wurde, dass wegen der Tat ein militärisches Disziplinarverfahren durchgeführt wird. Handelt es sich um ein mit mehr als sechsmonatiger, aber nicht mehr als zweijähriger Freiheitsstrafe bedrohtes Vergehen nach dem Militärstrafgesetz, so kann die Staatsanwaltschaft oder das Gericht die Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens aufschieben, wenn dies im Hinblick auf ein wegen der Tat durchgeführtes militärisches Disziplinarverfahren zweckmäßig erscheint. Nach Abschluss des Disziplinarverfahrens hat die Staatsanwaltschaft in sinngemäßer Anwendung des § 263 Abs. 4 vorzugehen. Solange ein Verfahren nach diesem Bundesgesetz nicht eingeleitet oder fortgesetzt wird, ruht die Verjährung.
§ 502. (1) Auch militärische Kommanden sowie jene Soldaten, die dem für die militärische Sicherheit und Ordnung im Standort oder in der Unterkunft verantwortlichen Kommandanten (Garnisonskommandanten oder Kasernkommandanten) zum Zwecke der Besorgung dieser Aufgaben unterstellt sind, und, soweit sie nicht schon zu diesem Personenkreis zählen, Wachen können die Festnahme (§ 170) des Beschuldigten vornehmen,
1. wenn der Beschuldigte auf einer militärischen Liegenschaft auf frischer Tat betreten wird oder
2. wenn der Beschuldigte Soldat ist, einer der in § 170 Abs. 1 Z 2 bis 4 angeführten Umstände vorliegt und wegen Gefahr im Verzug eine vom Gericht bewilligte Anordnung der Staatsanwaltschaft nicht rechtzeitig eingeholt werden kann.
(2) §§ 170 Abs. 3 und 172 gelten dem Sinne nach.
§ 503. (1) Von jeder Ladung und von jeder Festnahme oder Freilassung eines Soldaten sowie von der Anordnung des Vollzuges der gegen Soldaten verhängten Freiheitsstrafen ist das unmittelbar vorgesetzte Kommando zu benachrichtigen; die Benachrichtigung von der Ladung hat zu entfallen, wenn diese durch das vorgesetzte Kommando zugestellt wird.
(2) Die Einleitung des Strafverfahrens gegen einen Soldaten ist seinem Disziplinarvorgesetzten anzuzeigen. Diesem sind nach rechtskräftiger Beendigung des Strafverfahrens die Akten zur Einsicht zu übersenden.
(3) Die Verurteilung eines Wehrpflichtigen der Reserve ist seinem Standeskörper bekanntzugeben.
(4) Die bevorstehende Entlassung eines Soldaten aus einer Strafvollzugsanstalt ist von dieser, die Entlassung aus einer Justizanstalt vom Gerichte dem nächstgelegenen militärischen Kommando anzuzeigen, damit die zur Übernahme notwendigen Verfügungen rechtzeitig getroffen werden können.
§ 504. Von Amtshandlungen der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts auf militärischen Liegenschaften ist der Kommandant vorher in Kenntnis zu setzen; auf sein Verlangen ist ein von ihm beigegebener Soldat zuzuziehen.
§ 505. Ladungen und Anordnungen, Entscheidungen und sonstige Schriftstücke sind Soldaten in der Regel durch das unmittelbar vorgesetzte Kommando zuzustellen. Dieses hat das rechtzeitige Erscheinen des Geladenen zu veranlassen und ihn nötigenfalls auch von Amts wegen zum Termin vorzuführen.
§ 506. (1) Soldaten sind bei ihrer Vernehmung als Beschuldigte, Zeugen oder Sachverständige um ihren Standeskörper und Dienstgrad und, wenn sie als Beschuldigte vernommen werden, auch um den Tag zu befragen, an dem ihr Präsenz- oder Ausbildungsdienst begonnen hat.
(2) Der Dienstgrad und der Standeskörper des Beschuldigten sind in allen Schriftstücken, die ihm oder militärischen Stellen (§ 503) zuzustellen sind oder durch die seine Fahndung veranlasst werden soll, anzuführen.
26. Hauptstück
Gnadenverfahren
§ 507. Eine Begnadigung steht nur dem Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung oder des von ihr ermächtigten Bundesministers für Justiz zu (Art. 65 Abs. 2 lit. c, Art. 67 Abs. 1 B-VG). Eine Begnadigung kann von Amts wegen oder aus Anlaß eines Gesuches vorgeschlagen werden; ein Recht darauf besteht nicht.
§ 508. Gnadengesuche sind beim Bundesminister für Justiz einzubringen; bei Gerichten oder anderen Justizbehörden einlangende Gesuche sind unverzüglich und unmittelbar an den Bundesminister für Justiz weiterzuleiten.
§ 509. Der Bundesminister für Justiz kann zur Klärung der Voraussetzungen für die Erstattung von Gnadenvorschlägen
1. Erhebungen durchführen, die Sicherheitsbehörden und andere geeignete Stellen um Erhebungen ersuchen oder die Staatsanwaltschaften mit deren Veranlassung beauftragen;
2. Gerichten, insbesondere jenen, die in erster Instanz erkannt oder die Strafe mit der Entscheidung über ein Rechtsmittel festgesetzt haben, Gelegenheit zur Stellungnahme geben sowie Stellungnahmen staatsanwaltschaftlicher und anderer Behörden einholen.
§ 510. (1) Gnadengesuche haben keine aufschiebende Wirkung.
(2) Der Bundespräsident kann auf Vorschlag der Bundesregierung oder des von ihr ermächtigten Bundesministers für Justiz (§ 507) zunächst eine Hemmung des Vollzuges der Strafe anordnen.
(3) Eine Hemmung des Vollzuges der Strafe hat der Bundesminister für Justiz dem Verurteilten, dem Gesuchsteller und dem Gericht, das in erster Instanz erkannt hat, mitzuteilen.
(4) Die Hemmung endet, sobald die Verständigung von der Begnadigung oder die Mitteilung, daß das Gnadengesuch erfolglos geblieben ist, bei dem Gericht einlangt, das in erster Instanz erkannt hat. Sie endet jedoch spätestens sechs Monate nach dem Einlangen der Mitteilung nach Abs. 3 bei Gericht, sofern der Bundespräsident nicht neuerlich eine Hemmung anordnet (Abs. 2).
(5) Nach Beendigung der Hemmung ist der Verurteilte, sofern eine Strafe zu vollziehen ist, aufzufordern, die Freiheitsstrafe anzutreten (§ 3 Abs. 2 Strafvollzugsgesetz) oder die Geldstrafe zu zahlen (§ 409 Abs. 1).
(6) Der Verurteilte kann auch vor Beendigung der Hemmung die Freiheitsstrafe antreten oder die Geldstrafe zahlen.
§ 511. (1) Eine vom Bundespräsidenten ausgesprochene Begnadigung ist dem Verurteilten durch den Bundesminister für Justiz mitzuteilen. Dieser hat überdies den Gesuchsteller, das Gericht, das in erster Instanz erkannt hat, die Bundespolizeidirektion Wien (§ 1 Abs. 2 Strafregistergesetz) und, wenn der Verurteilte in einer Justizanstalt angehalten wird, den Leiter dieser Anstalt zu verständigen.
(2) Bleibt ein Gnadengesuch erfolglos, so hat der Bundesminister für Justiz davon den Verurteilten, den Gesuchsteller und das Gericht, das in erster Instanz erkannt hat, zu verständigen.
§ 512. (1) Gnadenweise gemilderte oder umgewandelte Strafen stehen den von den Gerichten ausgesprochenen Strafen gleich.
(2) Die Anordnung des Vollzuges solcher Strafen und die sonst auf Grund einer Begnadigung oder einer Hemmung des Vollzuges von Strafen zu treffenden Verfügungen kommen dem Vorsitzenden (Einzelrichter) des Gerichtes zu, das in erster Instanz erkannt hat.
§ 513. Bei den Erhebungen im Gnadenverfahren sind die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 sinngemäß anzuwenden. Dem Verurteilten ist auf Verlangen Einsicht in die Ergebnisse der Erhebungen zu gewähren.
6. TEIL
Schlussbestimmungen
In-Kraft-Treten
§ 514. (1)Dieses Bundesgesetz tritt in der Fassung des Strafprozessreformgesetzes, BGBl. I Nr. 19/2004, und des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 93/2007, am 1. Jänner 2008 in Kraft.
(2) Die Bestimmungen der §§ 31 Abs. 3, 82 Abs. 3, 83 Abs. 2, 133 Abs. 2, 139 Abs. 2, 153 Abs. 4, 265 Abs. 1, 285e, 288 Abs. 2 Z 2a, 381 Abs. 3 Z 3, 390 Abs. 1, 409 Abs. 3, 470 Z 3, 475 Abs. 4 und 502 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 109/2007 treten mit 1. Jänner 2008 in Kraft.
(3) Die Bestimmungen der §§ 19 Abs. 1 Z 3, 20a, 28a und 100a in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 109/2007 treten mit 1. Jänner 2009 in Kraft, wobei die Regelungen über die Zuständigkeit der KStA für die Verfolgung von strafbaren Handlungen gemäß § 20a Abs. 1 gelten, die nach diesem Zeitpunkt begangen werden.
(4) Die Bestimmungen der §§ 26 Abs. 2, 28a Abs. 1, 32 Abs. 3, 43 Abs. 2, 45 Abs. 1, 47 Abs. 3, 77 Abs. 2, 183 Abs. 2 und 3, 197, 221 Abs. 4, 410 Abs. 1, 435, 437, 439 Abs. 1, 441 Abs. 1, 485, 498 Abs. 2 und 516 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 40/2009 treten mit 1. Juni 2009, die Bestimmungen des § 128 Abs. 2 und 2a in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 40/2009 jedoch erst mit 1. Oktober 2009 in Kraft.
(5) Die Bestimmungen der §§ 20a Abs. 2, 25 Abs. 3, 28, 29 Abs. 2, 31 Abs. 1, 2 und 5, 32 Abs. 1 und 3, 33 Abs. 1 Z 3, 38, 41 Abs. 1, 43 Abs. 2, 49 Z 10, 52 Abs. 1 und 3, 53 Abs. 1, 66 Abs. 1 Z 4 und 6 und Abs. 2, 75 Abs. 1, 82 Abs. 2, 105 Abs. 1, 111 Abs. 4, 112, 113 Abs. 3, 114 Abs. 1, 115 Abs. 2, 126 Abs. 3, 127 Abs. 2, 133 Abs. 1 und 2, 147 Abs. 1 Z 2, 176 Abs. 2, 182 Abs. 3a, 194 bis 196, 221 Abs. 1, 247a Abs. 1, 260 Abs. 3, 270 Abs. 4, 271 Abs. 1a, 343 Abs. 1, 357 Abs. 2, 377, 381 Abs. 3, 445a Abs. 2, 458 und 488 Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009 treten mit 1. Juni 2009 in Kraft. Die Bestimmungen der §§ 83 Abs. 5 und 115a bis 115d in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009 treten jedoch mit 1. Jänner 2010 in Kraft. Die durch dieses Bundesgesetz geänderten Bestimmungen sind in Strafverfahren nicht anzuwenden, in denen vor seinem Inkrafttreten das Urteil gefällt worden ist. Nach Aufhebung eines solchen Urteils ist jedoch im Sinne der neuen Verfahrensbestimmungen vorzugehen. Die Bestimmungen der §§ 115a bis 115d in der Fassung dieses Bundesgesetzes sind auch auf Verfahren anzuwenden, die vor ihrem Inkrafttreten abgebrochen wurden. Die Bestimmungen der §§ 194 bis 196 in der Fassung dieses Bundesgesetzes sind auch auf vor dem Inkrafttreten eingebrachte Anträge auf Fortführung anzuwenden, soweit sie von der Oberstaatsanwaltschaft noch nicht dem Oberlandesgericht vorgelegt wurden. Die Oberstaatsanwaltschaft hat in diesen Fällen in sinngemäßer Anwendung der Bestimmung des § 195 Abs. 3 in der Fassung dieses Bundesgesetzes vorzugehen.
(6) Die Bestimmungen der §§ 20a Abs. 1, 28a Abs. 1 und 3, 30 Abs. 1, 36 Abs. 2 und 100a Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 98/2009 treten mit 1. September 2009 in Kraft. Die Bestimmungen der §§ 20a Abs. 2, 282 Abs. 1 und 465 Abs. 1 in der Fassung dieses Bundesgesetzes treten jedoch erst mit 1. Jänner 2010 in Kraft. Soweit die KStA nicht gemäß § 28a Abs. 2 vorgeht, bleibt sie für alle Verfahren zuständig, in denen eine Zuständigkeit auf Grund der Bestimmungen der §§ 20a und 28a in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 109/2007 begründet war, sofern diese mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht beendet wurden. Nach Aufhebung der verfahrensbeendenden Entscheidung ist jedoch nach den neuen Bestimmungen vorzugehen.
(7a) Die Regelungen über die Zuständigkeit der KStA für die Verfolgung von strafbaren Handlungen gemäß § 20a Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 98/2009 gelten für strafbare Handlungen, die nach dem 1. September 2009 begangen wurden. Für vor diesem Zeitpunkt begangene strafbare Handlungen besteht eine Zuständigkeit der KStA nur nach Maßgabe des Abs. 3. Abweichend von Abs. 6 kann die KStA Verfahren wegen strafbarer Handlungen, die vor dem 1. Jänner 2009 begangen wurden und die ihr nach dem 1. September 2009 abgetreten wurden, der zuständigen Staatsanwaltschaft abtreten.
(8) Die Bestimmungen der §§ 26 Abs. 3, 28a Abs. 1 und 70 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 142/2009, treten mit 1. Jänner 2010 in Kraft.
(9) Die Bestimmung des § 116 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2010, tritt mit 1. Juli 2010 in Kraft.
(10) Die Bestimmungen der §§ 153 Abs. 3 und 4, 172 Abs. 1 und 2, 172a, 173a, 174 Abs. 3 Z 8, 176 Abs. 1 Z 2 und 266 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 64/2010, treten mit 1. September 2010 in Kraft.
(11) §§ 23 Abs. 1a, 47a, 64 Abs. 1, 110 Abs. 1 Z 3, 115 Abs. 1 Z 3 und Abs. 5, 115a Abs. 1 Z 1, 115d Abs. 2, 116 Abs. 2 Z 2, 132, 146, 147 Abs. 5, 169 Abs. 1 und 1a, 194, 195 Abs. 1, 2 und Abs. 2a, 373b, 408 Abs. 1, 409 Abs. 1, 410 Abs. 1 und Abs. 3, 443 Abs. 1, 444 Abs. 2 und 445 Abs. 1 und Abs. 2 in der Fassung BGBl. I Nr. 108/2010 treten mit 1. Jänner 2011 in Kraft.
(12) §§ 199, 209a und 209b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 108/2010, treten mit 1. Jänner 2011 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2016 wieder außer Kraft.
(13) §§ 19 Abs. 1 Z 3, 20a, 20b, § 39 Abs. 1a, 26 Abs. 3, 28a, 32a, 100a und 516 Abs. 7 und 8 in der Fassung BGBl. I Nr. 108/2010 treten mit 1. September 2011 in Kraft.
(14) §§ 31 Abs. 5 und 6, 33 Abs. 2, 83 Abs. 1 und 2, 84 Abs. 2, 88 Abs. 1, 89 Abs. 2 bis Abs. 2b, Abs. 4 und Abs. 5, 153 Abs. 4, 176 Abs. 3, 187 Abs. 3, 196 Abs. 2 und 285 Abs. 3 in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, treten mit 1. Jänner 2011 in Kraft. §§ 126 Abs. 2, 2a bis 2c, 381 Abs. 1 Z 2a und Abs. 6 treten mit 1. Juli 2011 in Kraft. § 31 Abs. 5 und 6 in der Fassung des genannten Bundesgesetzes ist auf Verfahren anzuwenden, die nach Inkrafttreten dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt wurden. § 196 Abs. 2 in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011 ist auf Verfahren anzuwenden, in denen der Antrag auf Fortführung nach Inkrafttreten bei der Staatsanwaltschaft eingebracht wurde.
Verweisungen
§ 515. (1) Verweisungen in diesem Gesetz auf andere Rechtsvorschriften des Bundes oder auf unmittelbar anwendbare Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft sind als Verweisungen auf die jeweils geltende Fassung zu verstehen. Wird in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen verwiesen, an deren Stelle mit dem In-Kraft-Treten des Strafprozessreformgesetzes neue Bestimmungen wirksam werden, so sind diese Verweisungen auf die entsprechenden neuen Bestimmungen zu beziehen.
(2) Soweit in diesem Gesetz personenbezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise. Bei der Anwendung auf bestimmte Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden.
Übergangsbestimmungen
§ 516. (1) Die durch das Strafprozessreformgesetz und das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 93/2007, geänderten Verfahrensbestimmungen dieses Bundesgesetzes sind in Strafverfahren nicht anzuwenden, in denen vor ihrem In-Kraft-Treten das Urteil in erster Instanz gefällt worden ist. Nach Aufhebung eines solchen Urteils ist jedoch im Sinne der neuen Verfahrensbestimmungen vorzugehen.
(1a) (entfällt - BGBl 40/2009)
(1b) (entfällt - BGBl 40/2009)
(2) Zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Strafprozessreformgesetzes bei Gericht anhängige Anträge auf gerichtliche Vorerhebungen sind nach den durch das Strafprozessreformgesetz aufgehobenen Verfahrensbestimmungen zu erledigen. Wäre für die Erledigung nach den durch das Strafprozessreformgesetz aufgehobenen Bestimmungen eine Anordnung oder Genehmigung der Ratskammer erforderlich, so tritt an ihre Stelle der gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 zuständige Einzelrichter des Landesgerichts. Über sonstige Anträge, Entscheidungen und Beschwerden, für deren Erledigung die Ratskammer gemäß den durch das Strafprozessreformgesetz und das Strafprozessreformbegleitgesetz I, BGBl Nr. 93/2007, geänderten Verfahrensbestimmungen zuständig wäre, hat an ihrer Stelle das Landesgericht als Senat von drei Richtern gemäß § 31 Abs. 5 nach den neuen Verfahrensbestimmungen zu entscheiden. Voruntersuchungen werden mit dem In-Kraft-Treten des Strafprozessreformgesetzes von Gesetzes wegen beendet. Das Gericht hat die Akten, nachdem es die allenfalls zur Entscheidung über die Fortsetzung der Untersuchungshaft erforderlichen Verfügungen und Entscheidungen getroffen hat, der Staatsanwaltschaft zu übersenden. In Verfahren, die nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen sind, ist der Privatankläger vom Gericht mit Beschluss aufzufordern, binnen angemessen festzusetzender Frist die Anklageschrift oder einen selbstständigen Antrag auf Erlassung vermögensrechtlicher Anordnungen nach § 445 einzubringen (§ 71 Abs. 6).
(3) An die Stelle eines Antrags auf Strafverfolgung tritt die Ermächtigung nach § 92. Diese gilt als erteilt, wenn ein Antrag auf Strafverfolgung gestellt wurde.
(4) Am 31. 12. 2007 bestehende Eintragungen von Personen im Sinne des § 39 Abs. 3 dritter Satz in der vor Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes geltenden Fassung in die Verteidigerliste bleiben aufrecht; die dort eingetragenen Personen gelten bis zur Vollendung ihres 70. Lebensjahres im Sinne des § 48 Abs. 1 Z 4 als gesetzlich zur Vertretung im Strafverfahren berechtigte Personen. Vor diesem Zeitpunkt erteilte Mandate berechtigen bis zur rechtskräftigen Beendigung des zu Grunde liegenden Verfahrens zur Ausübung der Verteidigung in diesem Verfahren. § 39 Abs. 3 in der vor Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes geltenden Fassung ist für diese Eintragungen weiterhin anzuwenden.
(5) Verfahren, in denen Anträge auf gerichtliche Vorerhebungen anhängig gemacht wurden und die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Strafprozessreformgesetzes gemäß den durch das Strafprozessreformbegleitgesetz I, BGBl. I Nr. 93/2007, aufgehobenen Bestimmungen der §§ 412 oder 452 Z 2 abgebrochen wurden, sind nach Ausforschung eines Beschuldigten der Staatsanwaltschaft zu übertragen, die sodann das Verfahren gemäß § 197 nach den neuen Verfahrensbestimmungen fortzusetzen hat.
(6) Die Bestimmungen der §§ 26 Abs. 2, 28a Abs. 1, 32 Abs. 3, 43 Abs. 2, 45 Abs. 1, 47 Abs. 3, 77 Abs. 2, 197, 221 Abs. 4, 410 Abs. 1, 435, 437, 439 Abs. 1, 441 Abs. 1, 485, 498 Abs. 2 und 516 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 40/2009 , sind in Strafverfahren nicht anzuwenden, in denen vor ihrem Inkrafttreten das Urteil erster Instanz gefällt worden ist. Nach Aufhebung eines solchen Urteils ist jedoch im Sinne der neuen Verfahrensbestimmungen vorzugehen.
(7) Die WKStA ist für Ermittlungsverfahren zuständig, die bei der KStA am 31. August 2011 anhängig sind oder nach diesem Zeitpunkt wegen der in § 20a Abs. 1 in der Fassung BGBl. I Nr. 108/2010 genannten Straftaten anfallen.
(8) Darüber hinaus kann die Oberstaatsanwaltschaft Wien Ermittlungsverfahren, die am 1. September 2011 bei einer Staatsanwaltschaft in ihrem Sprengel wegen der in § 20a Abs. 1 in der Fassung BGBl. I Nr. 108/2010 genannten Straftaten anhängig sind, der zuständigen Staatsanwaltschaft abnehmen und der WKStA übertragen, soweit dies aus den in § 20b Abs. 1 in der Fassung BGBl. I Nr. 108/2010genannten Gründen und zur Wahrung der Kontinuität des Ermittlungsverfahrens erforderlich ist.
(9) Die Bestimmungen der §§ 194 Abs. 3 Z 1 und 209a Abs. 1 Z 1 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 108/2010, sind, soweit sie auf die Zuständigkeit der WKStA verweisen, bis zum Inkrafttreten der Bestimmungen über die Zuständigkeit der WKStA gemäß § 514 Abs. 13 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 108/2010 auf die KStA anzuwenden.
Vollziehung
§ 517. Mit der Vollziehung dieses Gesetzes ist der Bundesminister für Justiz betraut.
Artikel IV Inkrafttreten und Schlußbestimmungen
(Anm.: zu BGBl. Nr. 631/1975, insbesondere zu den §§ 8, 9, 41, 181, 193, 194, 270, 285, 294, 364, 451, 454, 455, 467)
(1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 1994 in Kraft, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird.
(2) Änderungen der Voraussetzungen für die Erhebung von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen sowie der Zuständigkeit und des Verfahrens zur Entscheidung hierüber haben keinen Einfluß, wenn die betroffene Entscheidung des Gerichts vor dem 1. Jänner 1994 ergangen ist. Entscheidungen der Ratskammer und des Gerichtshofes zweiter Instanz auf Fortsetzung der Untersuchungshaft, die nach dem 31. Dezember 1993 auf Grund der vor dem 1. Jänner 1994 geltenden Rechtslage ergehen, lösen eine Haftfrist von zwei Monaten aus.
(3) Der neu gefaßte § 181 StPO (Haftfristen) ist auf Beschlüsse, mit denen vor dem 1. Jänner 1994 die Untersuchungshaft verhängt oder aufrechterhalten wurde, sofern sich der Beschuldigte an diesem Tag noch in Haft befindet, mit der Maßgabe anzuwenden, daß
1. das Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes am 1. Jänner 1994 eine Haftfrist von 2 Monaten auslöst, die somit am 28. Februar 1994 endet;
2. ein Verzicht des Beschuldigten auf die Durchführung einer bevorstehenden Haftverhandlung jedenfalls zulässig ist, in welchem Fall der Beschluß über die Aufhebung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft schriftlich ergehen kann.
(4) Bei Personen, die sich am 1. Jänner 1994 in Untersuchungshaft befinden, ist im Hinblick auf die Bestellung eines Verteidigers ohne Verzug im Sinne des neu gefaßten § 41 Abs. 3 und 4 StPO vorzugehen.
(5) Die neu gefaßten §§ 194 StPO und 35 Abs. 3 JGG (Höchstdauer der Untersuchungshaft) sind auch in Fällen anzuwenden, in denen die Untersuchungshaft vor dem 1. Jänner 1994 verhängt wurde. Beschlüsse des Gerichtshofes zweiter Instanz über eine Verlängerung der Höchstdauer der Untersuchungshaft nach den bisherigen §§ 193 Abs. 4 StPO und 35 Abs. 3 JGG verlieren ihre Wirksamkeit.
(6) Die neu gefaßten §§ 270 Abs. 1, 285 Abs. 1, 294 Abs. 2 und 467 Abs. 1 StPO (Fristen für die Ausfertigung des Urteils sowie die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung) sind anzuwenden, wenn das betroffene Urteil nach dem 31. Dezember 1993 verkündet wird.
(7) Der neu gefaßte § 364 StPO (Wiedereinsetzung) ist anzuwenden, wenn die Versäumung nach dem 31. Dezember 1993 eingetreten ist.
(8) Die neu gefaßten §§ 8 Abs. 3 erster Satz, 9 Abs. 1 Z 1, 451, 454 und 455 StPO (Änderungen der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte und des Strafantrags beim Bezirksgericht) treten mit 1. Oktober 1993, die neu gefaßten §§ 451 und 454 StPO (schriftlicher Strafantrag beim Bezirksgericht) treten jedoch in Strafverfahren wegen Vergehen, für die keine Freiheitsstrafe angedroht ist, deren Höchstmaß sechs Monate übersteigt, erst mit 1. April 1994 in Kraft. Die Änderungen der sachlichen Zuständigkeit haben auf vor dem 1. Oktober 1993 anhängige Strafverfahren keinen Einfluß. Ist jedoch vor dem 1. Oktober 1993 ein Strafantrag noch nicht eingebracht worden, so ist dieser beim nunmehr zuständigen Gericht einzubringen. Dieses Gericht ist auch zuständig, wenn nach dem 30. September 1993 ein Urteil infolge einer Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung oder Wiederaufnahme des Strafverfahrens oder infolge eines Einspruches aufgehoben wird.
(9) Verweisungen in diesem Bundesgesetz auf andere Rechtsvorschriften des Bundes sind als Verweisungen auf die jeweils geltende Fassung zu verstehen. Wird in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen verwiesen, an deren Stelle mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes neue Bestimmungen wirksam werden, so sind diese Verweisungen auf die entsprechenden neuen Bestimmungen zu beziehen.
Artikel VI Inkrafttreten, Aufhebung von Rechtsvorschriften, Übergangsbestimmungen, Vollziehung
(Anm.: Zu § 39 Abs. 3 StPO, BGBl. Nr. 631/1975)
(1) (Anm.: Gegenstandslos.)
(2) (Anm.: Gegenstandslos.)
(3) (Anm.: Gegenstandslos.)
(4) (Anm.: Gegenstandslos.)
(5) Am 1. Jänner 1986 bestehende Eintragungen in die Verteidigerleiste (Anm.: richtig: Verteidigerliste) bleiben aufrecht.
(6) (Anm.: Gegenstandslos.)
(7) (Anm.: Gegenstandslos.)
(8) (Anm.: Gegenstandslos.)
(9) (Anm.: Gegenstandslos.)
(10) (Anm.: Gegenstandslos.)
Artikel VI Förderung von Einrichtungen der Opferhilfe
(Anm.: zu BGBl. Nr. 631/1975)
(1) Einrichtungen, die Personen unterstützen und betreuen, deren Rechte durch eine strafbare Handlung verletzt wurden, sind vom Bund zu fördern. Über die Förderung entscheidet der Bundesminister für Justiz nach Anhörung der anderen sachlich in Betracht kommenden Bundesminister.
(2) Die Förderung hat durch die Gewährung von Zuschüssen nach Maßgabe der hiefür nach dem Bundesfinanzgesetz verfügbaren Bundesmittel zu erfolgen und ist möglichst davon abhängig zu machen, daß aus Mitteln anderer Gebietskörperschaften jeweils gleich hohe Zuschüsse geleistet werden. Ein Rechtsanspruch auf Gewährung einer Förderung besteht nicht.
(3) Zuschüsse dürfen physischen und juristischen Personen nur für solche Einrichtungen gewährt werden, die mit Rücksicht auf die Zahl der Personen, von denen zu erwarten ist, daß sie die dort angebotene Hilfe in Anspruch nehmen, zweckmäßig erscheinen und wirtschaftlich betrieben werden können.
(4) Vor der Gewährung eines Zuschusses hat sich der Förderungswerber dem Bund gegenüber zu verpflichten, über die widmungsgemäße Verwendung Bericht zu erstatten, Rechnung zu legen und zum Zweck der Überprüfung der widmungsgemäßen Verwendung des Zuschusses Organen des Bundes die erforderlichen Auskünfte zu erteilen sowie Einsicht in die Bücher und Belege und Besichtigungen an Ort und Stelle zu gestatten. Ferner hat sich der Förderungswerber zu verpflichten, bei widmungswidriger Verwendung von Zuschüssen oder Nichteinhaltung der erwähnten Verpflichtungen die Zuschüsse dem Bund zurückzuzahlen, wobei der zurückzuzahlende Betrag für die Zeit von der Auszahlung bis zur Rückzahlung mit einem Zinsfuß zu verzinsen ist, der 3 vH über dem Basiszinssatz (Art. I § 1 des 1. Euro-Justiz-Begleitgesetzes, BGBl. I Nr. 125/1998) liegt.
Artikel VI Übergangsbestimmung
(Anm.: Zu § 9, BGBl. Nr. 631/1975)
Die durch dieses Bundesgesetz geänderten Strafbestimmungen sind in Strafsachen nicht anzuwenden, in denen vor ihrem In-Kraft-Treten das Urteil in erster Instanz gefällt worden ist. Nach Aufhebung eines Urteils infolge Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung, Wiederaufnahme oder Erneuerung des Strafverfahrens oder infolge eines Einspruchs ist jedoch im Sinne der §§ 1, 61 StGB vorzugehen.
Artikel VI Übergangsbestimmung
(Anm.: Zu BGBl. Nr. 631/1975)
Die durch dieses Bundesgesetz geänderten Strafbestimmungen sind in Strafsachen nicht anzuwenden, in denen vor ihrem Inkrafttreten das Urteil in erster Instanz gefällt worden ist. Nach Aufhebung eines Urteils infolge Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung, Wiederaufnahme oder Erneuerung des Strafverfahrens oder infolge eines Einspruchs ist jedoch im Sinne der §§ 1, 61 StGB vorzugehen.
Artikel VII Inkrafttreten und Schlußbestimmungen
(Anm.: zu den §§ 41, 364, 393 und 460 bis 462, BGBl. Nr. 631/1975)
(1) Die durch Art. I Z 1b, 4a bis 4d, 13, 13a, 18 und 21, Art. II Z 5, 6 lit. b und 10, Art. IV und Art. V Z 1 bis 5 geänderten Bestimmungen treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag, die übrigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes mit 1. Jänner 2000 in Kraft.
(2) Die Bestimmungen des durch Art. I in die Strafprozeßordnung eingefügten IXa. Hauptstückes und die darauf bezogenen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind in Strafsachen nicht anzuwenden, in denen vor dem 1. Jänner 2000 die Anklage rechtskräftig oder ein Antrag auf Bestrafung eingebracht wurde.
(3) Die §§ 364 Abs. 2 Z 2 und 460 bis 462 der Strafprozeßordnung sind auf Strafverfügungen, die vor dem Außerkrafttreten oder der Änderung dieser Bestimmungen durch Art. I dieses Bundesgesetzes erlassen werden, weiterhin anzuwenden. § 393 Abs. 1a der Strafprozeßordnung ist nur dann anzuwenden, wenn ein Verfahrenshilfeverteidiger nach Inkrafttreten des § 41 Abs. 2 in der Fassung des Art. I dieses Bundesgesetzes bestellt wurde.
(4) Verweisungen in diesem Bundesgesetz auf andere Rechtsvorschriften des Bundes sind als Verweisungen auf die jeweils geltende Fassung zu verstehen. Wird in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen verwiesen, an deren Stelle mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes neue Bestimmungen wirksam werden, so sind diese Verweisungen auf die entsprechenden neuen Bestimmungen zu beziehen.
(5) Mit der Vollziehung des Art. VI dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Justiz betraut.
Artikel VII
(Anm.: Zu den §§ 139, 149c, 151, 162a, 252, 271, 281, 345, und 468, BGBl. Nr. 631/1975)
(1) Der Art. I mit Ausnahme des § 149d Abs. 1 Z 3 und des VII. Abschnittes des XII. Hauptstückes der StPO und der darauf Bezug nehmenden Bestimmungen sowie die Art. II bis IV dieses Bundesgesetzes treten mit 1. Jänner 1998 in Kraft. Der VII. Abschnitt des XII. Hauptstückes der StPO und die darauf Bezug nehmenden Bestimmungen sowie der Art. VI dieses Bundesgesetzes treten mit 1. Oktober 1997, § 149d Abs. 1 Z 3 und die darauf Bezug nehmenden Bestimmungen mit 1. Juli 1998 in Kraft.
(1a) Der Art. I (Anm.: richtig: Art. VII) in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 130/2001 tritt mit 1. Jänner 2002 in Kraft.
(2) Im Zusammenhang mit Art. I, V und VI dieses Bundesgesetzes können bereits von dem der Kundmachung folgenden Tag an organisatorische und personelle Maßnahmen getroffen sowie Durchführungsverordnungen erlassen werden; letztere dürfen aber erst mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in Wirksamkeit gesetzt werden.
(3) Spätestens sechs Monate vor dem Außerkrafttreten nach Abs. 1 haben der Bundesminister für Inneres und der Bundesminister für Justiz dem Nationalrat einen Bericht über die Erfahrungen mit der Anwendung, Durchführung und Kontrolle der besonderen Ermittlungsmaßnahmen vorzulegen.
(4) Mit der Vollziehung der Art. I bis IV dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Justiz, mit der Vollziehung des Art. VI der Bundesminister für Inneres betraut.
Artikel VII Übergangsbestimmung
(Anm.: Zu den §§ 9, 13, 38a und 393, BGBl. Nr. 631/1975)
Die durch dieses Bundesgesetz geänderten Strafbestimmungen sind in Strafsachen nicht anzuwenden, in denen vor ihrem In-Kraft-Treten das Urteil in erster Instanz gefällt worden ist. Nach Aufhebung eines Urteils infolge Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung, Wiederaufnahme oder Erneuerung des Strafverfahrens oder infolge eines Einspruches ist jedoch im Sinne der §§ 1, 61 StGB vorzugehen.
Artikel VII Übergangsbestimmung
(Anm.: Zu den §§ 19, 20a, 28a, 31, 82, 83, 100a, 133, 139, 153, 265, 285e, 288, 381, 390, 409, 470, 475, 502 und 516, BGBl. Nr. 631/1975) Die durch dieses Bundesgesetz geänderten Strafbestimmungen sind in Strafsachen nicht anzuwenden, in denen vor ihrem Inkrafttreten das Urteil in erster Instanz gefällt worden ist. Nach Aufhebung eines Urteils infolge Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung, Wiederaufnahme oder Erneuerung des Strafverfahrens oder infolge eines Einspruches ist jedoch im Sinne der §§ 1, 61 StGB vorzugehen.
Artikel X Übergangsbestimmung
(Anm.: Zu den §§ 45, 83a, 118a, 139, 144a, 145a, 149a - 149i, 149m - 149o, 151, 176, 179a, 180, 245, 252, 414a und 429, BGBl. Nr. 631/1975)
Die durch dieses Bundesgesetz geänderten Strafbestimmungen sind in Strafsachen nicht anzuwenden, in denen vor ihrem In-Kraft-Treten das Urteil in erster Instanz gefällt worden ist. Nach Aufhebung eines Urteils infolge Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung, Wiederaufnahme oder Erneuerung des Strafverfahrens oder infolge eines Einspruches ist jedoch im Sinne der §§ 1, 61 StGB vorzugehen.
Artikel XII Übergangsbestimmung
(Anm.: Zu den §§ 46, 108, 119, 143, 149d, 149e, 149f, 149h, 149i, 149j, 149k, 149o, 159, 160, 233, 235, 236, 242, 260, 326, 376, 381, 388, 393, 393a, 408, 414a, 445a, 494a, 495 und 497, BGBl. Nr. 631/1975)
(1) Die durch dieses Bundesgesetz geänderten Strafbestimmungen sind in Strafsachen nicht anzuwenden, in denen vor ihrem In-Kraft-Treten das Urteil in erster Instanz gefällt worden ist. Nach Aufhebung eines Urteils infolge Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung, Wiederaufnahme oder Erneuerung des Strafverfahrens oder infolge eines Einspruches ist jedoch im Sinne der §§ 1, 61 StGB vorzugehen.
(2) (Anm.: betrifft das Strafgesetzbuch)
Artikel XX Übergangs- und Schlußbestimmungen
(Anm.: Zu den §§ 8 Abs. 3, 9 Abs. 1 Z 1, 10 Z 2, 13 Abs. 2 StPO, BGBl. Nr. 631/1975.)
(1) (Anm.: Gegenstandslos.)
(2) (Anm.: Gegenstandslos.)
(3) (Anm.: Gegenstandslos.)
(4) Änderungen der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte durch Bestimmungen dieses Bundesgesetzes haben auf anhängige Strafverfahren keinen Einfluß. Ist jedoch im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmungen eine Anklageschrift oder ein Strafantrag noch nicht eingebracht worden, so sind diese beim nunmehr zuständigen Gericht einzubringen. Dieses Gericht ist auch zuständig, wenn nach Inkrafttreten der erwähnten Bestimmungen ein Urteil infolge einer Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung oder Wiederaufnahme des Strafverfahrens oder infolge eines Einspruches aufgehoben wird.
(5) (Anm.: Gegenstandslos.)
(6) (Anm.: Gegenstandslos.)
(7) (Anm.: Gegenstandslos.)
(8) (Anm.: Gegenstandslos.)
Artikel 33 Schlussbestimmungen zu Art. 3 bis 8, 11 und 27 bis 29
(Anm.: Zu BGBl. Nr. 631/1975) (1) Dieses Bundesgesetz tritt - soweit sich dies nicht bereits aus den einzelnen Artikeln ergibt - in Kraft:
1. hinsichtlich des Art. 7 (Gerichtsgebührengesetz): Z 1 bis 3 (§ 4 Abs. 2 und 4, Entfall des § 6a) und 5 bis 13 (§ 31; Anmerkung 9 zu Tarifpost 1, Anmerkung 6 zu Tarifpost 2, Anmerkung 6 zu Tarifpost 3; Tarifpost 6, 13 und 14) mit 1. Juni 2000, Z 4 (§ 21 Abs. 4) mit 1. Jänner 2001;
2. hinsichtlich des Art. 8 (Gerichtliches Einbringungsgesetz 1962) mit 1. Jänner 2001;
3. hinsichtlich der Art. 3 (Gerichtsorganisationsgesetz), 4 (Zivilprozessordnung), 5 (Strafprozessordnung 1975), 6 (Strafvollzugsgesetz), 11 (Finanzstrafgesetz), 27 (Altlastensanierungsgesetz), 28 (Umweltförderungsgesetz) und 29 (Telekommunikationsgesetz) mit 1. Juni 2000.
(2) § 31a GGG ist für die mit Art. 7 dieses Bundesgesetzes sowie mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 106/1999 jeweils zahlenmäßig geänderten Gerichtsgebührenbeträge mit der Maßgabe anzuwenden, dass Ausgangsgrundlage für die Neufestsetzung der geänderten Gebührenbeträge die für August 1994 verlautbarte Indexzahl des vom Österreichischen Statistischen Zentralamt veröffentlichten Verbraucherpreisindex 1986 ist.
(3) Art. 7 Z 1 bis 3 und 5 bis 13 sind auf alle Schriften und Amtshandlungen anzuwenden, hinsichtlich deren der Anspruch auf die Gebühr nach dem 31. Mai 2000 begründet wird.
(4) Mit Ablauf des 31. Dezember 2000 werden die Einbringungsstellen bei den Oberlandesgerichten Linz, Graz und Innsbruck aufgelassen. Die Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Wien erhält mit Wirkung vom 1. Jänner 2001 die Bezeichnung "Einbringungsstelle" und ist mit diesem Tag auch für die Aufgaben der aufgelassenen Einbringungsstellen bei den anderen Oberlandesgerichten zuständig. Eintreibungen sowie Stundungs- und Nachlassverfahren, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art. 8 bei den Einbringungsstellen bei den Oberlandesgerichten Linz, Graz und Innsbruck anhängig sind, sind ab diesem Zeitpunkt von der Einbringungsstelle weiter zu führen.