ECG § 16, § 18, § 19, MedienG § 6, ABGB § 1330
Im Gästebuch der Website der beklagten Tourismusgesellschaft wurden kreditschädigende Behauptungen über den Kläger und dessen Pension "Haus M***" gepostet. Die Beklagte löschte die ursprüngliche Eintragung unverzüglich nach Aufforderung. Einen nachfolgenden Beitrag eines anderen Diskutanten mit dem Betreff des ersten "Warnung vor Haus M***, der die Aussagen des ersten als wahr bezeichnete, löschte die Beklagte erst nach Klagseinbringung, insgesamt 13 Tage nach Aufforderung.
Das Erstgericht wies den Antrag auf einstweilige Verfügung ab, weil durch die anstandslose Löschung der Inhalte die Wiederholungsgefahr weggefallen sei. Das LG als Rekursgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt. Die Wiederholungsgefahr sei nicht weggefallen, weil die Beklagte weiterhin die Verantwortlichkeit für das Gästebuch bestreite und weil sie offenbar überhaupt keine Kontrolle durchführe.
Der OGH gab dem Revisionsrekurs keine Folge. Der Online-Gästebuch-Betreiber ist Host-Provider im Sinne des § 16 ECG, weil er Dritten ermöglicht Informationen zu speichern. Er ist unter den dort genannten Voraussetzungen nicht für diese Informationen verantwortlich und gem. § 18 Abs. 1 ECG auch nicht allgemein zur Überwachung verpflichtet. Allerdings ist aus § 19 Abs. 1 ECG abzuleiten, dass das Haftungsprivileg lediglich eine allfällige Schadenersatzhaftung und die strafrechtliche Verantwortlichkeit ausschließt und nicht für verschuldensunabhängige zivilrechtliche Unterlassungsansprüche - etwa nach § 1330 ABGB - gilt. Unter das Verbreiten einer Tatsache im Sinne des § 1330 ABGB fällt auch das Weitergeben der Behauptung eines Dritten ohne sich mit dessen Äußerung zu identifizieren, es genügt das technische Verbreiten. Auch Medieninhaber haften für die in ihren Medien veröffentlichten Behauptungen Dritter. Wie der Buchhändler hafte der Betreiber eines Online-Archives oder der Website-Betreiber aber nur bei Kennen oder Kennenmüssen der Unwahrheit von kreditschädigenden Tatsachen. Auch § 6 Abs. 2 Z 3a MedienG idF der Novelle 2005 schließt einen Anspruch aus, wenn der Medieninhaber und seine Mitarbeiter die gebotene Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben. Die Kommunikation im Internet weist auch Ähnlichkeiten mit Live-Sendungen im Rundfunk auf, bei der ebenfalls bestimmte Äußerungen Dritter im Weg einer nicht beeinflussbaren Echtzeitkommunikation veröffentlicht werden. In Anlehnung an die für diese Medien erarbeiteten Grundsätze gilt für ein Online-Gästebuch, bei dessen Nutzung nicht der Eindruck erweckt wird, der Beitrag gebe die Meinung des Betreibers wieder, dass dem Betreiber im Regelfall Rechtsverletzungen durch Nutzer nicht zuzurechnen sind, wenn er diese durch sein eigenes Verhalten nicht provozierte. Eine allgemeine Verpflichtung zu einer Kontrolle des Vorgangs des Einstellens der Beiträge verstieße gegen § 18 Abs. 1 ECG und schränkte die Möglichkeiten des freien Meinungsaustausches (Schutz der verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK, Art 13 StGG) über Gebühr ein. Im gegenständlichen Fall ist weder eine Provokation noch eine Identifizierung mit dem eigentlichen Täter erfolgt.
Dies bedeutet aber nicht den Entfall sämtlicher Kontrollpflichten, da im Gegensatz zur Live-Sendung einmal zugänglich gemachte Beiträge weiterhin zugänglich bleiben. Aus § 16 Abs. 1 Z 2 ergibt sich die Verpflichtung, bei Bekanntwerden offensichtlich rechtswidriger Inhalte die entsprechenden Beiträge zu entfernen. § 18 Abs. 1 ECG schließt bei entsprechendem Anlass eine besondere Prüfpflicht nicht aus. Eine solche Prüfpflicht ist angemessen, wenn dem Betreiber schon mindestens eine Rechtsverletzung durch einen Beitrag bekanntgegeben wurde und sich damit die Gefahr weiterer Rechtsverletzungen durch einzelne Nutzer konkretisiert. Die Beklagte war unter den gegebenen Voraussetzungen verpflichtet, die Beiträge im Online-Gästebuch laufend zu beobachten, ob sie erneute Äußerungen der beanstandeten Art enthielten. Einerseits konnte der Kläger aufgrund der Anonymität nicht gegen den eigentlichen Täter vorgehen, andererseits war auch mit weiteren Rechtsverletzungen zu rechnen, lud doch der erste Beitrag aufgrund der massiven Angriffe gegen den Kläger zu Stellungnahmen anderer Nutzer ein. Eine derartige Kontrolle auf bestimmte Rechtsverletzungen hin werde mit wesentlich geringerem Aufwand möglich sein als die Durchführung einer allgemeinen Überwachungspflicht. Sie war angesichts des dem Kläger drohenden Schadens auch zumutbar und, wie die spätere Löschung zeigt, auch möglich. Diese besondere Kontrollpflicht hat die Beklagte verletzt, weil sie das Posting erst nach mehr als einer Woche entfernte.
- OGH-Entscheidung
- Urteilsanmerkungen in Kürze
- LG-Entscheidung