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Im Namen des lauteren E-Commerce

Abmahnung auf Österreichisch

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Eine neue Abmahnwelle verunsichert die Website-Betreiber (ORF-Artikel vom 29.10.2003). Wer das Internet im letzten Jahr einigermaßen verfolgt hat, dem kommen gleich Erinnerungen. Da gab es doch vor einiger Zeit die Rechnungen der Firma Meteodata und - im nahen persönlichen Zusammenhang - die Abmahnungen der Firma Werico. Während Meteodata ihrer Meinung nach unlautere Linkpraktiken aufgriff und finanziell ausschlachtete, stürzte sich Werico schon damals auf die Einhaltung der Impressum-Pflicht nach dem E-Commerce-Gesetz, freilich auch nicht ganz uneigennützig.

Abmahnung in Deutschland

Die "Abmahnung" ist ein Begriff, der eigentlich aus Deutschland zu uns kommt. Dort wird er so definiert:

Eine Abmahnung ist das Kundtun einer Person, dass sie mit dem Tun einer anderen Person nicht einverstanden ist, weil diese damit möglicherweise oder auch tatsächlich gegen Pflichten oder Rechtsnormen verstößt. Die Abmahnung ist meist mit einer Unterlassungserklärung verbunden sowie mit einer Honorarnote. Hauptanwendungsfall ist das Wettbewerbsrecht.

In Deutschland hat das Internet zu einer neuen Blütezeit des Abmahnwesens geführt. Zu einer traurigen Bekanntheit gelangten etwa die Markenrechts-Abmahnungen wegen des Begriffes "Explorer". Schließlich wurde aber der Schutz des Wettbewerbes so lange zur banalen Geldbeschaffung missbraucht, bis Gesetzgeber und Gerichte der Massenabmahnung einen Riegel vorschoben. Verschwunden ist das Abmahnwesen damit aber noch lange nicht.

Abmahnung in Österreich

Das Institut an sich ist auch in Österreich schon sehr lange bekannt, wenn auch nicht unter diesem Namen. Hier spricht man einfach von "Unterlassungsaufforderungen". Als in Österreich noch das Rabatgesetz galt, war es eine beliebte Spielwiese von sogenannten Wettbewerbsvereinen, Lockkäufer auszusenden, um Händlern Rabatte herauszulocken, was dann mit einer kostennotebewehrten Unterlassungserklärung oder einer 500.000 Schilling Klage belohnt wurde. Ob diese Vereine nun zum Schutz des lauteren oder gegen den unlauteren oder für den Wettbewerb überhaupt tätig wurden, sei dahingestellt. Jedenfalls waren schon damals meist findige Rechtsanwälte Initiatoren und - über die Honorare - auch finanzielle Hauptnutznießer dieser Vereine. Nach der Abschaffung des Rabattgesetzes im Jahr 1992 ist es um viele Vereine ruhig geworden, mit dem Internet scheinen sie aber wieder aktiv zu werden. Leichte Beute lockt!

Die Funktion der Wettbewerbsvereine

Dabei muss man unterscheiden: Wettbewerbsvereine erfüllen nämlich grundsätzlich eine nicht unwichtige Aufgabe. Sie nehmen die Funktion einer Art Wettbewerbspolizei wahr, die bei krassen Verstößen regulierend einschreitet und es den rechtstreuen Mitbewerbern erspart, selbst und auf eigenes Kostenrisiko gegen weniger rechtstreue Außenseiter vorzugehen. Dazu bedarf es aber einiger Voraussetzungen.

Die Klagebefugnis

Nicht jeder beliebige Verein kann in eigenem Namen Wettbewerbsprozesse führen. Voraussetzung ist vielmehr, dass er Wirtschaftstreibende aus derselben Branche als Mitglieder hat oder vertritt, aus der der Abgemahnte stammt. Die Klagebefugnis ist in § 14 UWG geregelt:

§ 14. (1) In den Fällen der §§ 1, 2, 3, 6a, 9a, 9c und 10 kann der Anspruch auf Unterlassung von jedem Unternehmer, der Waren oder Leistungen gleicher oder verwandter Art herstellt oder in den geschäftlichen Verkehr bringt (Mitbewerber), oder von Vereinigungen zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmern geltend gemacht werden, soweit diese Vereinigungen Interessen vertreten, die durch die Handlung berührt werden. In den Fällen der §§ 1, 2, 6a, 9a und 9c kann der Anspruch auf Unterlassung auch von der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, der Wirtschaftskammer Österreich, der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs oder vom Österreichischen Gewerkschaftsbund geltend gemacht werden. In den Fällen irreführender Werbung nach den §§ 1 oder 2 Abs. 1 kann der Unterlassungsanspruch auch vom Verein für Konsumenteninformation geltend gemacht werden.

Nach der österreichischen Rechtsprechung gibt es zwei Voraussetzungen, die wahlweise vorliegen müssen, damit einem derartigen Verein die Klagebefugnis zukommt:

  1. der Verein muss eine nach seinen Statuten vorgesehene Tätigkeit tatsächlich entfalten, die auf die Förderung der wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen gerichtet ist, beispielsweise durch Beratung und Information; auch Prozessführen kann dazugehören, bloßes Prozessführen (oder Abmahnen) reicht aber nicht aus.
  2. der Verein muss Unternehmen oder öffentlich rechtliche Körperschaften (Fachgruppen der WIK) als Mitglieder haben und es müssen unter seinen Mitgliedern Mitbewerber des Beklagten sein (wobei, anders als nach § 13 deutsches UWG, wo eine erhebliche Anzahl gefordert wird, einer genügt, ÖBl 2001, 82) .

Entfaltet ein Verein außer der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen keine erhebliche sonstige, die Unternehmerinteressen fördernde Tätigkeit, so kann nur eine entsprechende Mitgliederstruktur die Klagslegitimation eines solchen Prozessführungsvereines begründen (ÖBl 1986,9). Will ein Wettbewerbsverein daher in allen Fällen von unlauteren Handlungen im Wettbewerb tätig werden, müssen ihm eine ausreichende Anzahl von Mitbewerbern aus allen Branchen angehören. Das wesentliche Kriterium dabei ist, dass der Verein die Interessen der Wirtschaft vertritt und nicht bloß seine eigenen. Gerade daran scheitert aber oft die Klagebefugnis derartiger Vereine. 

Diese Voraussetzungen muss der Kläger - allerdings erst im Bestreitungsfall - beweisen. Für einen Missbrauch ist der Beklagte beweispflichtig. Übermäßige Prozessführungstätigkeit kann aber ein Hinweis auf rechtsmissbräuchliches Verhalten sein.

Missbrauchsfälle

Fehlt dem Verein die Prozessführungsbefugnis, ist natürlich auch eine Androhung einer Klage sinnlos. Tut er es trotzdem, setzt er sich dem Verdacht des versuchten Betruges aus, vor allem dann, wenn er dafür auch noch Geld verlangt. Er täuscht nämlich dadurch unter Umständen den Abgemahnten über seine (in Wirklichkeit nicht vorliegende) Klagebefugnis und verleitet ihn zur Zahlung von Kosten zur Vermeidung eines Prozesses, der gar nicht droht. § 146 StGB (Betrug) lautet:

§ 146. Wer mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung Duldung oder Unterlassung verleitet, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

Gegenstand des Wettbewerbsverfahrens

Gegenstand der Auseinandersetzung sind meist die §§ 1 und 2  UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Für den Anwendungsfall des Web-Impressums geht es nur um § 1 UWG (Handlungen gegen die guten Sitten):

§ 1. Wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, kann auf Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch genommen werden.

Zu diesem § 1 UWG haben die Judikatur und die juristische Lehre Fallgruppen herausgearbeitet, was alles als sittenwidrig gilt. Eine davon ist die "Erlangung eines Wettbewerbsvorteiles durch Rechtsbruch". Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der gesetzestreue Unternehmer nicht dadurch benachteiligt werden soll, dass sich ein anderer durch Nichteinhaltung von Gesetzen Kosten und Aufwändungen erspart.

Was bedeutet das, umgelegt auf die Web-Impressum-Fälle? 

Das lässt sich derzeit nicht abschließend beurteilen. Grundsätzlich ist das Fehlen der Informationen nach § 5 ECG auf einer im weitesten Sinne kommerziell genutzten Website ein Mangel, der sowohl verwaltungsstrafrechtlich geahndet (§ 26 ECG, Geldstrafe bis zu 3.000,-- EUR) als auch zivilrechtlich mit Unterlassungsklage verfolgt werden kann (§ 1 UWG). 
Auf welche Websites ist § 5 ECG anwendbar?

Ob der von der Wiener Rechtsanwaltskanzlei vertretene Verein (der seinen Sitz in deren Kanzlei hat) tatsächlich Mitglieder hat, die aus der Branche der Abgemahnten stammen, oder sonst die Voraussetzungen nach § 14 UWG (Förderung der Interessen der Wirtschaft bzw. Mitglieder) erfüllt, ist derzeit nicht bekannt. Auch die Website des Vereines schweigt sich darüber aus. Die bloße Behauptung ist sicher zu wenig.

Sollte nach diesen Kriterien die Klagslegitimation nach § 14 UWG gegeben sein, sind die verlangten rund 500 Euro eine günstige Gelegenheit. Eine Klage wird, auch wenn das Klagebegehren sofort anerkannt wird, mit Sicherheit teurer (der Streitwert wird in der Regel mit EUR 36.000 festgelegt). Die Aussichten, aus einem solchen Prozess siegreich hervorzugehen, sind, wenn tatsächlich eine Gesetzwidrigkeit vorliegt, äußerst gering. Der Verstoß gegen die Impressumspflicht mag nicht besonders wettbewerbsrelevant erscheinen. Der Oberste Gerichtshof hat aber gerade vor kurzem einen Fall entschieden, bei dem es um eine ganz ähnliche Information auf einer Werbebroschüre eines Versandhändlers ging. Dort reichte das Fehlen der Straßenangabe für eine Verurteilung (OGH, 23.9.2003, 4 Ob 175/03v - 3 Pagen Katalog).

Es ist nicht erforderlich, dass die Norm gegen die verstoßen wird, wettbewerbsregelnden Charakter hat oder dem Konsumentenschutz dient. Auch Verstöße gegen Gewerbeordnung, Marktordnungsregelungen, Werbevorschriften, Berufsrecht, Medienrecht, Datenschutz oder gegen das Verbot der E-Mail-Werbung führen zur Sittenwidrigkeit, wenn der Verstoß im weitesten Sinne geeignet ist, einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen.

Das Wettbewerbsrecht ist streng. Und wer fast zwei Jahre nach Inkrafttreten des E-Commerce-Gesetzes noch immer kein ordentliches Impressum hat, den trifft diese Strenge nicht ganz zu Unrecht.

Wie sollen Betroffene weiter vorgehen?

Zunächst ist der Abmahner aufzufordern, seine Legitimation offenzulegen, d.h. die Mitglieder des Vereines bekanntzugeben, damit ersichtlich ist, ob überhaupt Firmen aus der eigenen Branche darunter vertreten sind. Weiters sollte darauf gedrungen werden, dass konkret dargetan wird, worin der Verstoß liegen soll. Es gibt nämlich im Detail durchaus unterschiedliche Ansichten, was alles im Impressum enthalten sein muss und wie es zugänglich sein muss. Um die Aussichten einer Klage überprüfen zu können, muss daher vorgebracht werden, was überhaupt beanstandet wird. Das gehört eigentlich zu den selbstverständlichen Voraussetzungen einer Klage und damit auch einer Unterlassungsaufforderung.

Unabhängig davon sollten auf jeden Fall allfällige Mängel des Impressums behoben werden.

Siehe auch:

29.10.2003 (Ergänzungen 31.10.2003)

Franz Schmidbauer

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