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Impressum Pflicht!
Mit der Mediengesetznovelle 2005 wird Österreich ein Volk von Medieninhabern - ein neues Bedrohungsbild für Websitebetreiber?
Am 12. Mai 2005 hat der Nationalrat eine umfassende Änderung des Mediengesetzes beschlossen. Regelungsgegenstand ist die Integration der neuen Medien in das Mediengesetz. Schon bisher ging die Rechtsprechung und die juristischen Literatur davon aus, dass das Mediengesetz auch für über das Internet verbreitete Inhalte gilt, wenngleich das so manchem Website-Betreiber in dieser Schärfe sicher nicht bewusst war. Unklar war aber bisher, welche Regelungen konkret anwendbar sind und welche nicht, ging das Mediengesetz doch bisher bloß von Papiermedien und Rundfunk aus.
Das ist jetzt auch der große Systembruch. Bisher war das Mediengesetz eine Spezialmaterie, mit der sich Medienkonzerne befassten, jetzt sehen sich plötzlich Schüler mit Hobby-Websites damit konfrontiert. Und das Medienrecht ist ein schlagkräftiges Ordnungsinstrumentarium. Es belastet den Medieninhaber mit einer Art Gefährdungshaftung (Haftung ohne Verschulden) gegenüber Dritten. Für diese sieht das Gesetz eine Reihe von Entschädigungsansprüchen bis 20.000 Euro vor, teilweise sogar bis 100.000 Euro (§§ 6 bis 8a).
Eine Website ist in Zukunft, so wie etwa auch ein mindestens viermal jährlich erscheinender Newsletter, ein periodisches elektronisches Medium (§ 1 Z 5a MedienG) und der Betreiber oder Versender wird zum Medieninhaber (Z 8). Die Folge sind eine Flut von verschiedenen Pflichten und möglichen Ansprüchen: Zahlung von Entschädigungsbeträgen (§ 6, § 7, § 7a, § 7b, § 7c), Veröffentlichung einer Gegendarstellung (§ 9), Impressumpflicht (§ 24), Offenlegungspflicht (§ 25), Kennzeichnungspflicht für entgeltliche Einschaltungen (§ 26), Urteilsveröffentlichung (§ 34), Beschlagnahme (Löschung der Website, § 36), Mitteilung über Verfahrenseinleitung (§ 37). Zum Problem kann das dann werden, wenn durch Dritte auf Websites rechtswidrige Handlungen gesetzt werden, wie etwa Ehrenbeleidigungen, was bekanntlich nicht nur in Gästebüchern oder Diskussionsforen vorkommt, wo jetzt plötzlich journalistische Sorgfalt verlangt wird, sondern auch Folge von Hack-Angriffen sein kann. Auch für die Handlungen seiner Hilfspersonen muss der Website-Betreiber, jetzt Medieninhaber, finanziell den Kopf hinhalten.
Die wichtigste Neuerung ist die Impressumpflicht. Nach
§ 24 Abs. 3 ist in jedem
wiederkehrenden elektronischen Medium (Website
oder z.B. Newsletter)
- der Name oder die Firma sowie
- die Anschrift des Medieninhabers
anzugeben. Unterliegt dieses auch der Kennzeichnungspflicht nach § 5 ECG, so können diese Informationen miteinander verbunden werden.
Änderung: Nach einem Hinweis muss ich diese Ausführungen in einem Punkt revidieren: Die Impressumpflicht im technischen Sinn (§ 24) gilt nicht für Websites, die Offenlegungspflicht schon.
- Siehe Artikel Teil-Entwarnung
Daneben sind alle Inhaber eines periodischen Mediums ( z.B. Website-Betreiber und Newsletter-Versender) von einer eingeschränkten Offenlegungspflicht nach § 25 Abs. 1, 4. und 5. Satz betroffen. Zusätzlich zu Name, Firma und Wohnort oder Sitz (ohne genaue Anschrift) ist hier noch der Unternehmensgegenstand anzugeben. Die weiteren Daten, wie Beteiligungsverhältnisse und grundlegende Richtung, sind nur von den "die öffentliche Meinung beeinflussenden" (siehe dazu gleich unten) Medieninhabern anzugeben (§ 25 Abs. 5).
Unterliegen diese Medien auch der Kennzeichnungspflicht nach § 5 ECG, so können diese Informationen miteinander verbunden werden. Damit zwingt man alle österreichischen Website-Betreiber (egal, wo die Website gehostet ist oder unter welcher Domain sie betrieben wird) zur weltweiten Bekanntgabe von Namen oder Firma sowie Ort und der Adresse, eine Vorschrift, die vermutlich vielen nicht gefallen wird. Man wird sehen, um wieviel das österreichische WWW dadurch schrumpft.
Gemäß § 27 Abs. 1 wird eine Verletzung der Impressumpflicht nach § 24 oder der Offenlegungspflicht nach § 25 als Verwaltungsübertretung mit Geldstrafe bis zu 2.180 Euro geahndet. Daneben kommt bei Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses auch eine zivilrechtliche Unterlassungsklage von "Medieninhaber-Konkurrenten" in Frage (§ 1 UWG).
Beeinflussend oder nicht?
Um die Website-Betreiber nicht völlig zu überfordern, wurde eine Schranke eingezogen: Auf Websites, "die keinen über die Darstellung des persönlichen Lebensbereiches oder die Präsentation des Medieninhabers hinausgehenden Informationsgehalt aufweisen, der geeignet ist, die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen", finden die §§ 9 bis 20 keine Anwendung und auch die Offenlegungspflicht nach § 25 gilt bei diesen nur eingeschränkt. Im Justizausschuss wurde noch klargestellt, dass die Beschränkung auf den persönlichen Lebensbereich auch Unternehmen, die nur sich selbst und ihre Produkte präsentieren, privilegiert.
Das erste Problem an dieser Regelung ist ihre Unbestimmtheit. Wann weist eine Website einen Informationsgehalt auf, der geeignet ist, die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen? Auf die Absicht des Betreibers kommt es dabei offensichtlich nicht an, sondern nur auf die objektive Eignung. Bei dieser Abgrenzung handelt es sich um eine völlig neuartige Regelung, zu der es weder Judikatur noch sonst einen Anhalt gibt, wie das genau zu verstehen ist. Nur die Meinung der Autoren findet sich in einem Satz in den erläuternden Bemerkungen. So soll es bereits ausreichen, dass auf der Website eines Gärtnereibetriebes auch umweltpolitische Themen erörtert werden, um zur vollen Anwendung des Mediengesetzes zu gelangen. Es kommt also offenbar darauf an, ob der Inhalt der Website (theoretisch) geeignet ist, Einfluss auf die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit zu nehmen.
Wie uns die Psychologie lehrt, ist aber gerade das ein höchst komplizierter Vorgang. Im Prinzip wird man wohl davon ausgehen müssen, dass fast alles, was wir von uns geben, geeignet ist, die Meinung des Empfängers zu beeinflussen. In diesem Sinn wäre auch eine Hobby-Website, die das Pferd und den Reitsport des Betreibers textlich und bildlich in Szene setzt, geeignet, das allgemeine Interesse am Reitsport zu fördern. Oder denken wir an gewisse Websites von Staatsbürgern, die ihren Leidensweg mit Behörden aus ihrer subjektiven Sicht präsentieren. Ist das nur die Darstellung der persönlichen Lebensumstände oder doch, auch ohne ausdrücklich erklärte Kritik, geeignet, die Meinung über die betreffende Behörde zu beeinflussen? Oder bleiben wir bei meiner Website. Sind die Inhalte von Internet4jurists geeignet, die öffentliche (juristische?) Meinung zu beeinflussen? Ohne in Größenwahn verfallen zu wollen kann ich das wohl nicht ausschließen. Ich werde Ihnen also spätestens am 1.7. gem. § 25 Abs. 4 die "grundlegende Richtung" von Internet4jurists präsentieren. Bis dorthin habe ich noch etwas Zeit darüber zu grübeln, welche "Richtung" ich mir geben will.
Interessant ist, dass Produktwerbung von Unternehmen nicht als die Meinungsbildung beeinflussend angesehen wird. Wozu werben sie dann wohl? Muss ein Konzern, der die Vorzüge von Babynahrungsmittel gegenüber Muttermilch anpreist, vor den Härten des Mediengesetzes geschützt werden, ein grüner Umweltaktivist, der sich über die Feinstaubbelastung Gedanken macht, aber nicht? Da kommt auf die Gerichte noch viel Interpretationsaufwand zu.
Unklar ist im Gesetz auch der genaue Anwendungsbereich. Laut der Definition des § 1 Z 5a lit. b soll es um ein Medium gehen, "das auf elektronischem Weg abrufbar ist (Website)". Ist hier die Website nur als Beispiel genannt? Worte wie "insbesondere" oder "zB" wären dann wohl nicht zuviel verlangt gewesen. Und was ist mit anderen Online-Diensten, wie Weblogs, Newsforen, FTP-Server? Nach dem bloßen Wortlaut könnte man sogar die Meinung vertreten, dass auch Tauschbörsenanbieter umfasst sind. Schließlich werden dabei Darbietungen mit gedanklichem Inhalt (Songs) verbreitet (§ 1 Z 1). Damit könnte man zwei Fliegen auf einen Schlag erledigen; die umstrittene Auskunftspflicht der Provider (siehe) wäre hinfällig, weil sich der Musikanbieter selbst mittels Impressum outen muss!
In Kraft treten sollen diese Änderungen am 1.7.2005. Ein wenig Zeit bleibt also noch. Abzuwarten bleibt, wie die Website-Betreiber reagieren werden. Am 1.7. sollte jedenfalls der gesetzmäßige Zustand hergestellt sein, die Abmahner scharren sicher schon in den Startlöchern.
- MedienG mit Gegenüberstellung
- Kapitel Medienrecht
- Artikel "Teil-Entwarnung"
- Artikel "Das Anti-Web-Gesetz
11.5.2005 (letzte Ergänzungen 26.5.)