Internet & Recht - aktuell |
Das Land der unbegrenzten Medien
Eine Mediengesetz-Novelle macht Österreich zu einem Volk von Medieninhabern
(Beitrag für den "Staatsbürger" der SN)
Am 1.7.2005 ist in Österreich eine Novelle zum Mediengesetz in Kraft getreten. Die gesetzlichen Änderungen betreffen vor allem das Internet und haben dort für Unruhe gesorgt. Auch wenn der Traum vom rechtsfreien Raum längst ausgeträumt ist, so stellt die neue Gesetzesinitiative doch einen ungewöhnlich massiven Regulierungsversuch im Cyberspace dar. Es hätte dem Gesetzgeber klar sein müssen, dass es zu Problemen führt, wenn man das Recht der Massenmedien einfach auf die verschiedenen Dienste des Internets überträgt. Dass zwischen der Masse der privaten "Homepages" und einer echten Medienseite wie "www.salzburg.com" ein großer Unterschied besteht, ist offenkundig. Das hat den Gesetzgeber aber nicht davon abgehalten, diese Publikationen unter dem Sammelbegriff der periodischen elektronischen Medien in einen Topf zu werfen. Wenn also Ihr Sprössling bereits eine Homepage sein Eigen nennt, ist er nun genauso Medieninhaber wie die Salzburger Nachrichten Verlagsgesellschaft & Co KG.
Eine Website ist jetzt, so wie etwa auch ein mindestens viermal jährlich erscheinender Newsletter, ein periodisches elektronisches Medium (§ 1 Z 5a MedienG) und der Betreiber oder Versender ein Medieninhaber (Z 8). Die Folge sind eine Flut von verschiedenen Pflichten und möglichen Ansprüchen: Zahlung von Entschädigungsbeträgen (§ 6, § 7, § 7a, § 7b, § 7c), Veröffentlichung einer Gegendarstellung (§ 9), Impressumpflicht (§ 24), Offenlegungspflicht (§ 25), Kennzeichnungspflicht für entgeltliche Einschaltungen (§ 26), Urteilsveröffentlichung (§ 34), Beschlagnahme (Löschung der Website, § 36), Mitteilung über Verfahrenseinleitung (§ 37).
Die Stellung als Medieninhaber bringt es mit sich, dass der Internetpublizist im Falle eines Gerichtsverfahrens als Antragsgegner den Kopf für sein Medium hinhalten muss. Allerdings hat sich die Rechtslage in diesem Punkt nicht so sehr geändert, wie es angesichts der überbordenden Ansprüche nach dem Mediengesetz zunächst scheint. Der durchschnittliche Website-Betreiber ist nämlich ohnedies in der Regel als unmittelbarer Täter verantwortlich. Wenn also etwa ein Schüler öffentlich einen Lehrer verleumdet, so haftet er strafrechtlich nach § 297 StGB und zivilrechtlich nach § 1330 ABGB (Schadenersatz) und § 1328a ABGB (Entschädigung für Verletzung der Privatsphäre). Erfolgt die Tat über eine Website, so tritt anstelle des ABGB das Mediengesetz, aber es ist immer der Website-Betreiber, der haftet. Das war auch vor der Mediengesetznovelle schon so.
Was allerdings jetzt wirklich neu ist, ist die Kennzeichnungspflicht aller Online-Inhalte. Bei kommerziellen Online-Diensten gibt es schon länger eine umfassende Informationspflicht (§ 5 ECG), nicht kommerzielle konnten aber ohne Offenlegung der Identität publiziert werden. Viele Familien- oder Hobby-Website-Betreiber haben diese Möglichkeit auch genutzt und höchstens den Vornamen angegeben. Auch bei den gerade boomenden Weblogs ist es eher die Ausnahme, dass jemand unter seinem wahren Namen publiziert.
Damit soll jetzt Schluss sein. Nach der neuen Offenlegungspflicht (§ 25 MedienG) muss jeder Anbieter zumindest Namen und Wohnort angeben, Kaufleute Firma, Sitz, Unternehmensgegenstand und Beteiligungsverhältnisse. Wenn der Inhalt der Website über die Darstellung des persönlichen Lebensbereiches oder Unternehmens hinausgeht und geeignet ist die öffentliche Meinung zu beeinflussen (eine Abgrenzung, an der noch eine ganze Generation von Juristen arbeiten kann), muss auch noch die "grundlegende Richtung" angegeben werden. Sie sollten daher als Website-Betreiber in sich gehen, welche grundlegende Richtung Sie mit ihrem Web-Auftritt verfolgen. Über Sinn oder Unsinn dürfen Sie selbst entscheiden.
Manche haben schon die Befürchtung geäußert, dass jetzt auch Diskussionsbeiträge in Online-Foren namentlich gezeichnet werden müssen, was das Ende dieser Foren bedeuten würde. So schlimm ist es aber nicht. Die Kennzeichnungspflicht betrifft nämlich nicht den Autor eines Beitrages, sondern den Medieninhaber. Das ist bei Online-Medien derjenige, der "die inhaltliche Gestaltung besorgt und dessen Abrufbarkeit besorgt oder veranlasst". Diese Formulierung deutet auf den Gesamtverantwortlichen einer Website. Also ist Medieninhaber doch der ORF und nicht der Leserbriefschreiber Kritikr@x25!
Bei Verletzung der Offenlegungspflicht droht eine Verwaltungsstrafe von bis zu EUR 2.180. Allerdings ist mit, den Cyberspace auf der Suche nach Offenlegungssündern absurfenden, Polizisten bis auf Weiteres nicht zu rechnen. Es mag daher jeder selbst beurteilen, was ihm die Anonymität im Cyberspace wert ist. Immerhin hat diese Regelung auch eine grundrechtliche Dimension. Darf es wirklich sein, dass im Internet die Meinungsfreiheit eine vorherige Ausweisleistung erfordert? In China ist es tatsächlich so ....
3.7.2005