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Die Zuständigkeit für das Gerichtsverfahren
und die Zwangsvollstreckung (Exekution)
Einleitung - EU/EFTA - außerhalb - Literatur
letzte Änderung 10.11.2013
Einleitung
Die gesetzlichen Bestimmungen über die Zuständigkeit legen fest, welches Gericht für ein Verfahren zuständig ist. Befinden sich beide Streitparteien im selben Staat, ergibt sich die Zuständigkeit aus den Verfahrensvorschriften dieses Staates; in Österreich finden sich die Zuständigkeitsnormen in der Jurisdiktionsnorm (JN), zum Teil auch in Spezialgesetzen (KSchG).
Befindet sich die Partei, die geklagt werden soll, im Ausland, ist die Situation schwieriger. Hier bestimmt sich die Zuständigkeit zum Teil nach internationalen Normen; im Bereich der EU gilt etwa die EuGVVO, darüber hinaus kommen bilaterale Verträge in Frage. Fehlt es auch an einem solchen, kommt es darauf an, ob das innerstaatliche Recht einen Zuständigkeitstatbestand bereit stellt.
Im Internet stellen sich Zuständigkeitsfragen vor allem beim grenzübergreifenden Geschäftsverkehr, und zwar sowohl B2B als auch B2C, und im Bereich des Immaterialgüterrechtes, wo es durch die weltweite Abrufbarkeit von Websites zu einer unübersehbaren Anzahl möglicher Gerichtsstände kommt.
Internationale Zuständigkeit im Verhältnis zu EU/EFTA-Staaten
a) EuGVVO (Brüssel I-Verordnung): Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000, über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl 2001, L 12/1
Die Verordnung, die am 1.3.2002 in Kraft getreten ist (direkt anwendbares EU-Recht), enthält wichtige Zuständigkeitsbestimmungen und löste in ihrem Anwendungsgebiet (EU-Länder zunächst mit Ausnahme von Dänemark) das EuGVÜ (Europäisches Gerichtsstandsübereinkommen) und das LGVÜ (Lugano-Übereinkommen) ab.
Die Verordnung bringt verschiedene Klarstellungen gegenüber der vorherigen Rechtslage:
- Allgemeiner Gerichtsstand: Bestimmung des Sitzes von Gesellschaften und juristischen Personen (Art. 60)
- Verhältnis zu Drittstaaten (Art. 4)
- Gerichtsstand für Vertragsklagen (Gerichtsstand des Erfüllungsortes Art. 5 Nr. 1); Erfüllungsort ist im Zweifel bei Waren der Lieferort, bei Dienstleistungen der Erbringungsort, also jeweils der Gerichtsstand des Kunden.
- Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3) ist der Ort, wo das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Dieser Gerichtsstand gilt auch, und vor allem, für den Bereich des Wettbewerbs- und der Immaterialgüterrechte (z.B. Marken- und Urheberrecht). Er ist somit für das Internet von besonderer Bedeutung. Erfolgt eine Rechtsverletzung über eine Website (sei es durch die Wahl der Domain oder den Inhalt), so sind die Gerichte innerhalb jeden Landes zuständig, in dem die Website abgerufen werden kann, zumindest soweit sich die Website werbend an die Bürger dieses Landes richtet (4 Ob 110/01g).
- Zuständigkeit in Verbrauchersachen (Art. 15
- 17); gilt jetzt für sämtliche Verbraucherverträge, auch bei
Vertragsanbahnung durch den Kunden im Land des Unternehmers; Voraussetzung:
die Tätigkeit des Unternehmers muss auf das Land des Verbrauchers
ausgerichtet sein; dies kann bei einer Website der Fall sein, es wäre denn,
es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Angebot nicht an
Verbraucher in bestimmten Ländern gerichtet ist. Nach der (nicht
verbindlichen) gemeinsamen Erklärung von Rat und Kommission wäre die bloße
Zugänglichkeit einer Website noch kein Kriterium, sondern erst der direkte
Vertragsabschluss über die Website (sogenannte "aktive Website"); dem ist
aber der EuGH in seinen Entscheidungen C-585/08 und C-144/09 nicht gefolgt.
Der EuGH zählt in diesen Entscheidungen vielmehr verschiedene Indizien auf,
die für eine Ausrichtung auf ein bestimmtes Land sprechen können (verwendete
Sprachen, Währung, Telefonnummern, verwendete TLD, Referenzkunden, usw.).
Die bloße Zugänglichkeit der Website im Land des Verbrauchers ist nicht
ausreichend.
Für Aktivklagen hat der Verbraucher ein Wahlrecht zwischen seinem Wohnsitzgericht und dem Gericht am Sitz des Unternehmers oder seiner Niederlassung; geklagt werden kann der Verbraucher nur an seinem Wohnsitz.
Gerichtsstandsvereinbarungen sind nur nach Entstehen einer Streitigkeit zulässig. - Zuständigkeit in Arbeitssachen (Art. 18 - 21); Wahlrecht des Arbeitnehmers zwischen Gericht am Sitz des Arbeitgebers (auch Zweigniederlassung) und dem Gericht am Ort der Arbeitsverrichtung.
- Bestimmung des Zeitpunktes der Anhängigkeit (Rechtshängigkeit) (Art. 27 - 30); regelt das Zuvorkommen, wenn Rechtssachen bei Gerichten in verschiedenen Mitgliedsstaaten anhängig gemacht werden; das später befasste Gericht hat das Verfahren auszusetzen, was zur Gefahr der Verschleppung durch vorbeugende Feststellungsklagen ("italienischer Torpedo") führen kann.
- Straffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens (Art. 34); keine amtswegige Prüfung von Versagungsgründen mehr (nur mehr auf Rüge), Einschränkung der Anerkennungsversagungsgründe, Formularisierung.
Derzeit liegt ein Vorschlag der Kommission für eine Revision der EuGVVO vor (KOM [2010] 748 endg. vom 14.12.2010.
Links:
- Europäischer Gerichtsatlas für Zivilsachen mit Gerichtssuche und Formblättern
b) Im Verhältnis zu Dänemark galt das EuGVÜ zunächst weiter bis 30.6.2007. Seit 1.7.2007 gilt aufgrund eines Parallelabkommens auch in Dänemark die EuGVVO. Das EuGVÜ gilt seither nurmehr für Aruba (aufgrund der von den Niederlanden abgegebenen Erstreckungserklärung) und für die zu Frankreich gehörenden "collectivités territoriales" Saint-Pierre-et-Miquelon und Mayotte.
c) Das LGVÜ (Lugano-Übereinkommen) vom 16.9.1988 galt zunächst noch als Staatsvertrag mit den Nicht-EU-Staaten Schweiz, Norwegen und Island. Am 30.10.2007 unterzeichneten diese drei Lugano-Staaten und die EU eine Neufassung des Übereinkommens, das dieses an die EuGVVO anpasste (LGVÜ 2007). Dieses gilt mittlerweile in allen drei EFTA-Staaten. Damit gehört das LGVÜ 2007 auch zum Rechtsbestand der Gemeinschaft, sodass auch der EuGH zur Auslegung zuständig ist.
Entscheidungsübersichten der Uni Innsbruck:
Internationale Zuständigkeit außerhalb EU/EFTA
Wenn eine Klage gegen einen Geschäftspartner außerhalb EU/EFTA eingebracht werden soll, so bestimmt sich die Zuständigkeit nach dem innerstaatlichen Recht des angerufenen Staates. Es ist zunächst zu prüfen, ob bilaterale Abkommen zwischen den Staaten der beteiligten Geschäftspartner bestehen. Dabei gibt es vielfach keine Verbraucherschutzvorschriften. Soweit es ein solches Übereinkommen nicht gibt oder sich daraus keine Zuständigkeit ergibt, sind die Zuständigkeitsvorschriften der österreichischen Jurisdiktionsnorm (JN) anzuwenden. Findet sich darin ein örtlich zuständiges Gericht, ist auch die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte gegeben. Allerdings heißt das noch nicht, dass das Urteil eines österreichischen Gerichtes dann im anderen Staat auch vollstreckbar ist. Man sollte sich daher vorher überlegen, ob es nicht sinnvoller ist, entweder im anderen Staat zu klagen oder die Sache ganz zu vergessen.
Literatur
- Thomas Garber, Gerichtspflicht infolge Internetpräsenz bei Streitigkeiten aus Verträgen zwischen Verbrauchern und Unternehmern im Anwendungsbereich der EuGVVO - Teil 2, jusIT 2011/59, 125
- Thomas Garber, Gerichtspflicht infolge Internetpräsenz bei Streitigkeiten aus Verträgen zwischen Verbrauchern und Unternehmern im Anwendungsbereich der EuGVVO - Teil 1, jusIT 2011/39, 81
- Thomas Hoeren, Internetrecht, Online-Skriptum 9/2010, Skriptum beim ITM (pdf, 3 MB)
- Thomas Garber, Anmerkung zu 2 Ob 256/08y (tschechische Website), jusIT 2009, 88, 181
- Franz Schmidbauer, e-weihnacht, 12/2005, Artikel auf Internet4jurists
- Franz A. Höfer, Grenzüberschreitender Onlinewertpapierhandel, eine rechtsvergleichende Untersuchung der Gemengelage aus nationalem Bank- und Börserecht, IT-Recht, internationalem Privatrecht und Europarecht, 2004, NWV-Verlag
- Literaturverzeichnis bei IPRax
- Peter Zöchbauer, Zur prozessualen Zuständigkeit bei Medieninhaltsdelikten im Internet, medien und recht 3/03, 137
- Bernd Reinmüller, Internationale Rechtsverfolgung in Zivil- und Handelssachen in der EU, März 2002, Artikel abei Uni Köln
- Theresa Stöger, Die Gerichtszuständigkeit für Streitigkeiten aus Vertragsabschlüssen und Wettbewerbsverstößen via Internet, Dissertation Uni Wien, Febr. 2002, Werk bei e-xam.at
- Clemens Thiele, Der Gerichtsstand bei Wettbewerbsverstößen im Internet, ÖJZ 1999, 754
- Bettinger/Thum, Territoriales Markenrecht im Global Village: Überlegungen zu internationaler Tatortzuständigkeit, Kollisionsrecht und materiellem Recht bei Kennzeichenkonflikten im Internet, GRUR Int. 1999, S. 659-680; Artikel bei bettinger.de
- "Gerichtsstand und anwendbares Recht bei Kennzeichen- und Wettbewerbsverstößen im Internet", Joachim Bornkamm, Neues Recht für neue Medien, Köln, 1998, S. 99 ff
- Torsten Bettinger, Der lange Arm amerikanischer Gerichte- Personal Jurisdiction im Cyberspace, GRUR Int. 1998, S. 660-666; Artikel bei bettinger.de
- "Wettbewerbshandlungen im Internet - Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht", Helmut Rüssmann, K&R 1998, 422 ff